Leitsatz (amtlich)
Eine GmbH & Co. KG kann nicht Organgesellschaft im Sinne des Gewerbesteuerrechts sein, auch wenn sie wegen der Beteiligung der GmbH gewerbesteuerpflichtig ist.
Normenkette
GewStG 1965 § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; GewStDV 1961 § 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, war mit 100 v. H. der Anteile an der X-GmbH (GmbH) beteiligt. Diese war mit einem Anteil von 4 v. H. die alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der Y-KG (KG), an der auch die Klägerin unmittelbar mit einem Anteil von 65,2 v. H. beteiligt war. Gegenstand des Unternehmens der KG war der Erwerb von Grundbesitz und Erbbaurechten und die Errichtung von Wohnungs- und Geschäftsbauten. Auf diese Tätigkeit beschränkte sich die KG.
Auf ein Schreiben der Klägerin vom 27. Dezember 1967 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das FA) mit Schreiben vom 16. Februar 1968 ein organschaftsähnliches Verhältnis zwischen der Klägerin und der KG vom 1. Januar 1966 an für die Gewerbesteuer an. Mit Schreiben vom 23. Juni 1969 widerrief das FA die Anerkennung. Dementsprechend lehnte es das FA bei der Veranlagung der Klägerin zur Gewerbesteuer für das Streitjahr 1967 ab, den Verlust der KG, der dort durch Sonderabschreibungen nach § 7b EStG entstanden war, zu berücksichtigen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hin hat das FG den Gewerbesteuermeßbescheid 1967 und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Diese Entscheidung, die in EFG 1972, 135 veröffentlicht ist, hat das FG damit begründet, daß die KG nach der Auslegungsregel des § 1 Abs. 2 StAnpG wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln sei und daher als Organgesellschaft eine Betriebstätte der Klägerin bilde.
Das FA hat Revision eingelegt, mit der es die Verletzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG rügt und ausführt, die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG bedeute nicht, daß diese Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft sei.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Sie meint, der Grundsatz der Folgerichtigkeit fordere, daß die GmbH & Co. KG, wenn sie wegen ihrer Nähe zur Kapitalgesellschaft als gewerbesteuerpflichtig angesehen werde, auch bei der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft wie eine Kapitalgesellschaft behandelt werden müsse. Vorsorglich beruft sich die Klägerin, wie schon im Verfahren vor dem FG, auf die Zusage des FA, ein organschaftsähnliches Verhältnis zwischen ihr und der KG anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die KG kann nicht Organgesellschaft der Klägerin sein, weil sie keine Kapitalgesellschaft ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG).
1. Organgesellschaft einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft kann nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1965, § 3 GewStDV 1961 nur eine Kapitalgesellschaft sein. Kapitalgesellschaften sind nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kolonialgesellschaften und bergrechtliche Gewerkschaften. Kommanditgesellschaften (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) fallen nicht darunter, auch wenn an ihnen Gesellschaften mit beschränkter Haftung als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt sind. Die sog. GmbH & Co. KG ist, wie in ständiger Rechtsprechung anerkannt wird, eine Personengesellschaft, keine Kapitalgesellschaft (Urteil des BFH vom 1. August 1968 IV 324/65, BFHE 93, 85, BStBl II 1968, 678). Der Ausdruck "ein solches Unternehmen" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1965 bezieht sich entgegen der Bemerkung im BFH-Urteil vom 8. Dezember 1971 I R 3/69 (BFHE 104, 174, BStBl II 1972, 289) nicht auf die in Nr. 1 dieses Absatzes bezeichnete Personengesellschaft.
Das Wesen der Organschaft mag darin bestehen, daß die Organgesellschaft trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit dem herrschenden Unternehmen gegenüber wirtschaftlich unselbständig ist. Der Gesetzgeber hat indes für die Gewerbesteuer nicht nur das Ausmaß der Unselbständigkeit näher bestimmt, sondern auch die Eignung zur Organgesellschaft an die Rechtsform der Kapitalgesellschaft geknüpft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1965, § 3 GewStDV 1961). Daran ist der Senat gebunden. Er kann weder den Kreis der Organgesellschaften auf Gesellschaften ausdehnen, die den Kapitalgesellschaften ähnlich sind, noch allgemein den Begriff der Kapitalgesellschaft, wie er in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG 1965 bestimmt ist, erweitern (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1970 I R 122/68, BFHE 101, 79, BStBl II 1971, 187).
Anders als im Umsatzsteuerrecht kann auch kein "organschaftsähnliches Verhältnis" zwischen einer abhängigen Personengesellschaft und einem herrschenden Unternehmen anerkannt werden. Das "organschaftsähnliche Verhältnis" hat im Umsatzsteuerrecht seine Grundlage in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1951 über die Unselbständigkeit natürlicher personen, nicht etwa in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 über die Unselbständigkeit juristischer Personen (Organgesellschaften). Die Rechtsprechung wendet lediglich bei der Prüfung der Unselbständigkeit der Personengesellschaften die für die Organschaft aufgestellten Grundsätze entsprechend an (BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).
Die Beschränkung der Organgesellschaften auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaft hat zur Folge, daß nicht alle abhängigen Unternehmen und auch nicht alle Konzernunternehmen (§§ 17, 18 UStG) Organgesellschaften im Sinne des Gewerbesteuerrechts sein können.
2. Die GmbH & Co. KG kann auch entgegen der Auffassung des FG nicht deshalb wie eine Kapitalgesellschaft behandelt werden, weil sie nach der Rechtsprechung des BFH bei Beteiligung einer GmbH als einziger persönlich haftenden Gesellschafterin wegen dieser Beteiligung einen Gewerbebetrieb unterhält und deshalb gewerbesteuerpflichtig ist (BFH-Urteile vom 3. August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799; vom 17. März 1966, IV 233, 234/65, BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171; vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257). Denn das Unterhalten eines Gewerbebetriebs und die Rechtsform der Kapitalgesellschaft sind zwei verschiedene Merkmale, die nicht immer zusammentreffen. Es gibt Kapitalgesellschaften, die keine gewerbliche Tätigkeit entfalten. Sie können nicht Organträger im Sinne des Gewerbesteuerrechts sein (BFH-Urteil I 252/64). Dagegen können sie, wie der Senat für eine GmbH in einer GmbH & Co. KG entschieden hat, Organgesellschaften sein, da es hierfür nur auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaft und nicht auf die Art ihrer Tätigkeit ankommt (BFH-Urteil I R 3/69). Ebenso gibt es Gesellschaften, die einen Gewerbebetrieb unterhalten und dennoch keine Kapitalgesellschaften sind.
Die BFH-Urteile IV R 235/67 und IV 233, 234/65 begründen allerdings die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG, an der eine GmbH als einzige persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt ist, im wesentlichen damit, daß dieser Gesellschaft die GmbH, deren Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte, das Gepräge gebe und daß eine solche KG in die Nähe der Kapitalgesellschaft rücke. Dieser Schluß vom "Gewerbebetrieb kraft Rechtsform" der GmbH auf eine gewerbliche Tätigkeit der KG zwingt aber nicht zu dem weiteren Schluß, daß die KG für die Gewerbesteuer wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Denn die Gewerbesteuerpflicht der KG wird nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG (Kapitalgesellschaften), sondern auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG (Personengesellschaften) gestützt.
3. Ein Besteuerungsdruck wird durch die Ablehnung der Anerkennung der Organschaft nicht ausgeübt. Jede Rechtsform hat ihre Vor- und Nachteile. Die Klägerin kann nicht die Vorteile einer Beteiligung an einer GmbH & Co. KG beanspruchen, ohne die Nachteile dieser Gesellschaftsform in Kauf zu nehmen. Das gilt auch für Nachteile, die erst nach der Wahl der Gesellschaftsform durch einen Wandel der Rechtsprechung oder durch eine Änderung der Gesetze eintreten. Ein rechtlich geschütztes Interesse daran, daß die Klägerin die Vermietung der Gebäude über eine nichtgewerbesteuerpflichtige Personengesellschaft betreiben kann, besteht nicht, zumal auch handelsrechtlich die KG den Betrieb eines Handelsgewerbes voraussetzt (§ 161 Abs. 1 HGB).
4. Ist somit die KG keine Kapitalgesellschaft und auch nicht wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln, so bleibt die Frage zu untersuchen, ob die Organschaft zwischen der Klägerin und der KG im Streitjahr auf Grund der Zusage des FA anzuerkennen ist. Da das FG diese Frage noch nicht geprüft hat und von seinem Standpunkt auch nicht zu prüfen brauchte, geht die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
5. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Organschaft anzuerkennen ist, so ist der Verlust der KG, der laut Gewerbesteuererklärung 1967 der Klägerin 175 985 DM beträgt, bei der Veranlagung der Klägerin zur Gewerbesteuer wie der Verlust einer Betriebstätte zu berücksichtigen. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 8 GewStG kommt nicht in Betracht. Hinzuzurechnen nach § 8 Nr. 8 GewStG ist allerdings auch im Falle einer Organschaft - wie in der Gewerbesteuererklärung 1967 der Klägerin in Höhe von 289 567 DM geschehen - der Anteil der Klägerin am Verlust der KG, der ihr im Wege der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der KG zugeteilt wurde. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Organschaft nicht anzuerkennen ist, so verbleibt es bei dieser Zuteilung und Wiederhinzurechnung des Anteils der Klägerin am Verlust der KG. Der gewerbesteuerliche Verlust der KG (nach der Gewerbesteuererklärung der Klägerin 175 985 DM) ist dann nicht abzuziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 70330 |
BStBl II 1973, 269 |
BFHE 1973, 51 |