Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Gemauerte Sockel, die zum Aufsetzen von Schaukästen (Vitrinen) für gewerbliche Werbung bestimmt und mit einer die Beleuchtung der Schaukästen ermöglichenden Installation versehen sind, sind als Betriebsvorrichtungen anzusehen. Die überlassung derartiger Sockel an Gewerbetreibende zum Gebrauch gegen Entgelt ist deshalb umsatzsteuerpflichtig.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 10; UStDB § 37; UStG § 4/12/a
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Eigentümerin eines in X. ... gelegenen bebauten Grundstücks, in dem sich Läden befinden, die sie an Gewerbetreibende (im folgen als "Ladeninhaber" bezeichnet) vermietet hat. Die zuständige Behörde hat der Stpfl. unter dem Vorbehalt des Widerrufs zugestanden, auf der Fläche vor dem Grundstück, die ursprünglich als Vorgartenfläche zu diesem gehört hat, jedoch - mit der Verpflichtung, sie einzuebnen und zu pflastern - im Jahre 1929 unentgeltlich an die Stadt X. abgetreten werden mußte, Werbeschaukästen ("Vitrinen") aufzustellen. Diese Ermächtigung ermöglichte es der Stpfl., einzelnen Ladeninhabern vertraglich "Vitrinenplätze" zum Gebrauch für Werbezwecke gegen Entgelt zu überlassen.
Streitig ist, ob die Entgelte für die überlassung der "Vitrinenplätze" nach § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) von der Besteuerung ausgenommen sind. Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit und wies den Einspruch hiergegen als unbegründet zurück.
Die Vorinstanz stellte auf Berufung hin, ausgehend von der tatsächlichen Feststellung, daß die Stpfl. den Ladeninhabern nicht Werbeschaukästen ("Vitrinen") als solche, sondern nur Sockel zur Aufstellung von Werbeschaukästen überlasse, die Stpfl. von der streitigen Umsatzsteuer frei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts (Beschwerdeführer - Bf. -) führt zur Aufhebung des Berufungsurteils.
Die Steuerfreiheit, um die der Rechtsstreit geht, setzt zweierlei voraus:
Die wesentliche Leistung der Stpfl. an die Ladeninhaber muß sich bürgerlich-rechtlich betrachtet als Vermietung wesentlicher Bestandteile eines Grundstücks auffassen lassen (§ 4 Ziff. 10 UStG);
die den Gegenstand der Vermietung bildenden Grundstücksbestandteile dürfen keine Vorrichtungen darstellen, die zu einer Betriebsanlage gehören (§ 36 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB - 1938).
Die Vorinstanz hat die Voraussetzung zu a) bejaht. Daß diese Beurteilung im Wortlaut der von der Stpfl. mit den Ladeninhabern abgeschlossenen Verträge eine Stütze findet, ist zuzugeben. Der Wortlaut eines Vertrags ist aber für die rechtliche Natur in ihm vereinbarter Leistungen nicht unbedingt ausschlaggebend. Es kann jedoch für den Streitfall dahingestellt bleiben, ob die vom Bf. angegriffene Beurteilung der Voraussetzung zu a) durch die Vorinstanz rechtlich bedenkenfrei ist, weil jedenfalls es unzweifelhaft an der Voraussetzung zu b) fehlt. In letzterer Hinsicht hat die Vorinstanz ausgeführt, daß es einer Prüfung der Frage, ob Betriebsvorrichtungen Gegenstand der bezeichneten Verträge seien, nicht bedürfe, weil die Stpfl. den Ladeninhabern nicht Werbeschaukästen als solche einschließlich der Sockel, auf denen sie ruhen, sondern lediglich die Sockel zum Gebrauch überlasse. Die Vorinstanz ist also der Ansicht, daß zwar vielleicht Werbeschaukästen einschließlich der Sockel im Sinne des § 36 UStDB 1938 Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), darstellen mögen, daß aber in den Sockeln für sich allein Vorrichtungen dieser Art nicht erblickt werden können. Die Vorinstanz hat dies nicht im einzelnen begründet; ihre Auffassung beruht auf einer Verkennung des Begriffs der sonstigen Vorrichtungen.
§ 36 UStDB 1938 spricht aus, daß Maschinen, die zu einer Betriebsanlage gehören, als Betriebsvorrichtungen von der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 10 UStG ausgenommen sind, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks bilden. Was unter den nach § 36 UStDB ebenfalls von der Steuerfreiheit ausgenommenen sonstigen Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören und wesentliche Grundstücksbestandteile sind, zu verstehen ist, hat das Umsatzsteuerrecht nicht im einzelnen festgelegt. Die Angleichung der Fassung des § 36 UStDB 1938 an die - älteren - Vorschriften im § 11 Abs. 2 Satz 3 und § 50 Abs. 1 Satz 2 des Reichsbewertungsgesetzes 1934, nach denen "Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören", bei der Bewertung, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind, nicht dem Grundstück zuzurechnen sind, rechtfertigt es, den Begriff der sonstigen Vorrichtungen für den Bereich des Umsatzsteuerrechts in gleicher Weise auszulegen wie für den Bereich des Bewertungsrechts. Dies hat der Reichsfinanzhof mit Urteil V 324/39 vom 28. Juni 1940 (Slg. Bd. 49 S. 155, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1940 S. 910) ausgesprochen; der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Es ist also für den Streitfall rechtserheblich, ob Vitrinensockel der hier in Frage stehenden Art bewertungsrechtlich als Betriebsvorrichtungen aufgefaßt werden müssen. Das ist zu bejahen.
Mit der Frage der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen für die Zwecke der Bewertung befaßt sich der Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 4. Mai 1940 S. 3231 Ostm. - 55 III/S 3231 Sud. - 25 III (RStBl. 1940 S. 498). Der Erlaß bindet als Verwaltungserlaß die Steuergerichte nicht, ist aber gleichwohl für die Auslegung des Begriffs "Betriebsvorrichtungen" durch die Steuergerichte nicht unbeachtlich. Der Erlaß bezieht sich zwar auf Fabrikgrundstücke; die in ihm entwickelten Grundsätze sind jedoch nicht nur für diese, sondern für die Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen allgemein von Bedeutung (zu vgl. Maedel in Deutsche Steuer-Zeitung 1941 S. 225).
Nach dem Erlaß gehören zu den Betriebsvorrichtungen alle Vorrichtungen, die einem gewerblichen Betrieb dienen, mit Ausnahme der Gebäude. Der Erlaß unterstreicht, daß aus der Hervorhebung der Maschinen in den oben angeführten Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes nicht zu folgern sei, Betriebsvorrichtungen könnten nur maschinenähnliche Gegenstände sein; es kämen Einrichtungen jeder Art in Betracht, die von Menschenhand geschaffen sind und für einen gewerblichen Betrieb verwendet werden. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung legt den Begriff der "Betriebsvorrichtungen" in der gleichen umfassenden Weise aus wie der Erlaß des Reichsministers der Finanzen. Dies zeigt sich deutlich in dem vom III. Senat des Bundesfinanzhofs in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs aufgestellten Grundsatz, daß einem gewerblichen Betrieb dienende kleine Bauwerke, die sich weder zu Aufnahme von Menschen für einen längeren Aufenthalt noch von Vieh eignen (die also die ein Gebäude kennzeichnenden Merkmale nicht aufweisen), im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes auf Grund der Verkehrsanschauung als Betriebsvorrichtungen anzusehen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs III 110/50 S vom 24. Januar 1952, Slg. Bd. 56 S. 209, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 84). Von dieser nach dem oben Gesagten für den Bereich der Umsatzsteuer zu beachtenden bewertungsrechtlichen Betrachtungsweise aus trägt der erkennende Senat keine Bedenken, die hier in Frage stehenden kleinen Bauwerke, nämlich gemauerte Sockel, die zum Aufsetzen von Schaukästen (Vitrinen) für gewerbliche Werbung bestimmt und mit einer die Beleuchtung dieser Schaukästen ermöglichenden Installation versehen sind, als Betriebsvorrichtungen im Sinne auch des § 36 UStDB 1938 aufzufassen. Dieser Auffassung steht es nicht entgegen, daß bürgerlich-rechtlich das Eigentum an den Sockeln weder der Stpfl., die über sie verfügt, noch den Ladeninhabern, deren gewerblichen Zwecken die Sockel dienen, sondern, wie die Stpfl. behauptet, der Stadt X. zustehen mag, und daß die Kosten der Errichtung der Sockel wenigstens teilweise nicht von der Stpfl., sondern von den Ladeninhabern getragen worden sein mögen.
Hiernach scheitert, schon wenn man mit der Vorinstanz und mit der Stpfl. die Leistungen der letzteren den Ladeninhabern gegenüber im Sinne des bürgerlichen Rechts als Vermietungen von Grundstücksteilen ansieht, die Gewährung der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 10 UStG an der Tatsache, daß es sich jedenfalls bei den den Gegenstand der Verträge bildenden Vitrinensockeln um Betriebsvorrichtungen handelt. Es bedarf deshalb nicht noch eines Eingehens auf die vom Vorsteher des Finanzamts aufgeworfene Frage, ob die Auffassung der Vorinstanz, daß Vermietungen von Grundstücksteilen im Sinne des bürgerlichen Rechts vorlägen, nach dem Wesen der Leistungen der Stpfl. oder etwa im Hinblick auf § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB unbedingt stichhaltig ist. Daß im übrigen auch jede andere rechtliche vielleicht denkbare Auslegung der vertraglichen Beziehungen der Stpfl. mit den Ladeninhabern zu einer Versagung der begehrten Steuerfreiheit führen müßte, kann nicht zweifelhaft sein.
Die Vorinstanz hat die Rechtslage verkannt. Das Berufungsurteil ist infolgedessen aufzuheben, und es sind durch Zurückweisung der Berufung der Stpfl. als unbegründet die Einspruchsentscheidungen des Finanzamts und die ihnen zugrundeliegenden Steuerbescheide im Ergebnis wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408149 |
BStBl III 1955, 141 |
BFHE 1955, 370 |
BFHE 60, 370 |