Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 21 BHG 1962 setzt eine dreijährige räumliche Bindung der Wirtschaftsgüter an einen Betrieb (eine Betriebstätte) in Berlin (West) voraus. Diese Bindung wird aufgehoben, wenn der Standort von im Güternahverkehr eingesetzten Fahrzeugen nach Westdeutschland verlegt wird.
2. Das rechtliche Gehör wird nicht verletzt, wenn das FG seine Entscheidung auf die bei den Akten befindlichen Abschriften der Mitteilungen der Verkehrsbehörden über vorübergehende Standortverlegungen stützt, deren Vorhandensein in den Akten und deren Inhalt dem Kläger aus den Gründen der Einspruchsentscheidung bekannt war.
Normenkette
BHG 1962 § 21 Abs. 2, 5; FGO § 119 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger, ein Fuhrunternehmer, betreibt seit März 1963 den Güternahverkehr. Er unterhält Betriebstätten in Berlin und im Bundesgebiet in S. Die ihm gewährte Investitionszulage von 8 146,80 DM für die Anschaffung einer MAN-Sattelzugmaschine und eines Sattelanhängers forderte das FA mit der Begründung zurück, die Fahrzeuge hätten innerhalb der Dreijahresfrist des § 21 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BHG 1962 ihren stets neu beantragten "vorübergehenden Standort" in Westdeutschland gehabt und seien auch nur dort eingesetzt worden.
Der Einspruch und die Klage, mit denen der Kläger geltend machte, die Fahrzeuge seien in Berlin (West) polizeilich zugelassen, blieben ohne Erfolg. Nach der Auffassung des FG sind die Fahrzeuge im Sinne von § 21 BHG 1962 nicht in Berlin verblieben, weil sie ein Jahr nach ihrer Anschaffung in das Bundesgebiet verbracht und von dort ausschließlich oder doch überwiegend eingesetzt worden seien.
Mit der Revision, mit der der Kläger unrichtige Rechtsanwendung rügt, macht er geltend, das FG habe ihm das rechtliche Gehör versagt. Außerdem behauptet er, die auswärtigen Einsätze seiner Fahrzeuge seien dem FA bei Gewährung der Investitionszulage bekannt gewesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat mit Recht den Begriff "Verbleiben" in § 21 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BHG 1962 im Sinne einer räumlichen Bindung der angeschafften Wirtschaftsgüter an einen Betrieb (eine Betriebstätte) in Berlin (West) verstanden. Ein nur buchmäßiger Ausweis der Wirtschaftsgüter als Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) reicht nicht aus. Die begünstigten Wirtschaftsgüter müssen zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) "gehören" und während des Dreijahreszeitraums "in einem solchen Betrieb (einer solchen Betriebstätte) verbleiben". Danach ist die räumliche Bindung der Wirtschaftsgüter an einen Betrieb (eine Betriebstätte) in Berlin (West) erforderlich. Es ist nicht entscheidend, ob in dem Berliner Betrieb (in der Berliner Betriebstätte) eine kaufmännische Tätigkeit ausgeübt wird oder Weisungen über den Einsatz von Fahrzeugen erteilt werden. Der Begriff Betriebstätte setzt nicht voraus, daß in ihr eine kaufmännische Tätigkeit ausgeübt wird; es genügt jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient (§ 16 Abs. 1 StAnpG). Diese Auslegung der räumlichen Beziehung zu Berlin entspricht auch der Auffassung des IV. Senats des BFH in dem Urteil IV 13/63 U vom 18. Februar 1965 (BFH 82, 322, BStBl III 1965, 362) und des Senators für Finanzen im Erlaß vom 21. April 1961 (Steuer- und Zollblatt für Berlin 1961 S. 315 - StuZBl. Bln. 1961, 315 -, in Verbindung mit dem Erlaß vom 17. Dezember 1962, Abschn. V Abs. 4 StuZBl. Bln. 1962, 1953). Die Entscheidung ist zwar zu § 14 BHG i. d. F. des 5. Änderungsgesetzes vom 25. März 1959 (BStBl I 1959, 195) ergangen. Auch dort kommt es aber darauf an, ob die Wirtschaftsgüter "in einer in Berlin (West) gelegenen Betriebstätte verbleiben".
Die Rückforderung der Investitionszulage ist nach § 21 Abs. 5 Satz 2 BHG 1962 gerechtfertigt. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß sich der stets neu beantragte "vorübergehende" Standort im Sinne von § 6 Abs. 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) für die im Güternahverkehr eingesetzten Fahrzeuge überwiegend in Westdeutschland befunden hat. Durch die Standortverlegung wurde die räumliche Beziehung der Fahrzeuge zum Betrieb in Berlin (West) aufgehoben. Der Kläger kann sich deshalb auch nicht auf den Erlaß des Senators für Finanzen vom 21. April 1961 (a. a. O.) berufen; denn auch nach diesem Erlaß ist die räumliche Bindung von Kraftfahrzeugen an Berlin (West) in der Regel nur gegeben, solange die Fahrzeuge in Berlin (West) polizeilich zugelassen sind und dort ihren Standort haben. Schließlich geht auch der Hinweis des Klägers auf die Urteile des BFH II 20/60 U vom 24. Juli 1963 (BFH 77, 209, BStBl III 1963, 396) und II 114/62 U vom 10. Februar 1965 (BFH 81, 604, BStBl III 1965, 218) fehl. Im vorliegenden Fall ist die Bindung der Finanzbehörden und Steuergerichte an die "Standortbestimmungen" der zuständigen Verkehrsbehörde nicht streitig.
Die Rüge des Klägers, daß die Feststellungen des FG unter Versagung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen seien, greift nicht durch. Nach § 119 Nr. 3 FGO beruht ein Urteil stets auf der Verletzung von Bundesrecht, wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt worden ist. Das FG hatte jedoch dem Kläger das rechtliche Gehör nicht versagt. Das FG bezeichnet als "Kontrollmaterial" die Abschriften der Bescheinigungen über vorübergehende Standortverlegung, die der Kläger selbst beantragt und erhalten hat. In der Einspruchsentscheidung hat das FA zur Standortverlegung ausgeführt, daß der Kläger die Verlegung jeweils angezeigt und die entsprechenden Genehmigungen erhalten habe. Der Inhalt des sogenannten Kontrollmaterials, aus dem sich ergibt, daß der Kläger den - wenn auch nur als "vorübergehend" bezeichneten - Standort seines im Güternahverkehr eingesetzten Motorfahrzeugs innerhalb der Dreijahresfrist nach Westdeutschland verlegt hatte, war dem Kläger demnach bekannt. Der Kläger hatte, falls er eine gegenüber der Einspruchsentscheidung abweichende Ansicht vertrat, Gelegenheit, sich zur Frage des Standorts zu äußern. Er war auch berechtigt, die dem Gericht vom FA vorgelegten Akten einzusehen (§ 78 Abs. 1 FGO). Er konnte also prüfen, worauf die Ausführungen des FA über die Standortverlegung beruhten. Das FG brauchte ihm unter diesen Umständen nicht mitzuteilen, welche Teile der Steuerakten es voraussichtlich verwerten werde, ohne das Gebot des rechtlichen Gehörs zu verletzen (Entscheidung des BFH I R 47/66 vom 10. Januar 1968, BFH 91, 338, BStBl II 1968, 349).
Die Sache ist spruchreif. Die Behauptung des Klägers, dem FA sei der auswärtige Einsatz der Fahrzeuge bei der Gewährung der Investitionszulage bekannt gewesen, kann als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Dasselbe gilt für die Behauptung des FA, der Kläger habe in Berlin weder einen Betrieb noch eine Betriebstätte unterhalten.
Fundstellen
BStBl II 1968, 569 |
BFHE 1968, 390 |