Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abfindung, die zwecks Erfüllung der auf einem Anstellungsvertrag beruhenden laufenden Bezüge gezahlt wird, ist keine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG.
2. Die Tarifbegünstigung für sogenannte mehrjährige Bezüge nach § 34 Abs. 3 EStG kann auch bei Vorauszahlung von Arbeitslohn angewendet werden.
2. Wenn Einkünfte als vereinbarte Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit zufließen, so ist es für die Anwendung der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG unbeachtlich, ob die Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt wird.
Normenkette
EStG 1961: § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 3
Tatbestand
Berichtigung: Im Urteil vom 17. Juli 1970 VI R 66/67 (BStBl 1970 II S. 683) müssen auf der Seite 685, linke Spalte, zweiter Absatz, die 3. und 4. Zeile richtig heißen: "den, der dem BFH-Urteil IV 206/53 U vom 13. November 1953 (BFH 58, 257, BStBl III 1954, 13) zugrunde lag und in dem"
Der Steuerpflichtige (Kläger und Revisionskläger) begehrt für eine im Jahre 1963 von der AG gezahlte Abfindung in Höhe von 110 000 DM die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG. Er war seit 1960 stellvertretendes Vorstandsmitglied der AG. Nach den §§ 1 und 2 des Anstellungsvertrages vom 25./27. Juli 1960 liefen Bestellung bzw. Dienstvertrag bis zum Tage der ordentlichen Hauptversammlung, die über den Abschluß des Jahres 1964 beschließt, d. h. bis Ende Juni 1965.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1962 teilte der Vorsitzende des Aufsichtsrats dem Steuerpflichtigen mit, die Erwartungen, daß sich zwischen den einzelnen Vorstandsmitgliedern eine konstruktive und ausgewogene Zusammenarbeit ergeben würde, hätten sich nicht erfüllt. Er halte es für das Vernünftigste, bevor tiefgreifende Schwierigkeiten entstünden, mit ihm die vorzeitige Beendigung seiner Vorstandstätigkeit zu besprechen. Er gehe dabei selbstverständlich davon aus, daß dies auf der Basis des mit ihm geschlossenen Vertrages zu erfolgen habe, so daß er ohne Beeinträchtigung seiner persönlichen, finanziellen Situation die Möglichkeit haben werde, sich in Ruhe nach einer anderen, ihm zusagenden Tätigkeit umzusehen. Aufgrund einer daraufhin abgeschlossenen Vereinbarung vom 2./10. Januar 1963 schied der Steuerpflichtige mit Wirkung vom 2. Januar 1963 aus dem Vorstand der AG vorzeitig aus (§ 2). Nach § 4 der Vereinbarung erhielt er "als Entschädigung für die bis zum Vertragsende entgehende Vergütung aus Grundgehalt zuzüglich Tantieme eine einmalige Abfindung von insgesamt 112 500 DM" (Gehalt 90 000 DM, Tantieme 22 500 DM). In einer weiteren Vereinbarung vom 19./22. Dezember 1963 wurde die Abfindung auf 110 000 DM herabgesetzt. Außerdem wurde bestimmt, daß es sich um eine einmalige Abfindung für sämtliche Ansprüche handelt, die dem Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit im Rahmen des Vorstandes der AG und deren Tochterfirmen bis Juni 1965 vertraglich zugestanden hätten. Schließlich wurde die volle Auszahlung schon im Jahre 1963 festgelegt.
Das FA und, auf die eingelegte Sprungberufung hin, das FG lehnten die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG ab. Das FG erkannte zwar an, daß die Abfindung schon wegen der Zusammenballung der Auszahlung im Jahre 1963 zu den außerordentlichen Einkünften rechne. Es sah jedoch die weitere Voraussetzung, nämlich daß es sich nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG um Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG handeln müsse, nicht als gegeben an. Es meinte, der Steuerpflichtige habe lediglich seine Bezüge für die Jahre 1963, 1964 und 1. Halbjahr 1965 im voraus erhalten. Die Annahme einer Entschädigung scheide schon deswegen aus, weil dem Steuerpflichtigen ein nennenswerter Schaden nicht entstanden sei. Dadurch, daß er vorzeitig von seiner Verpflichtung gegenüber der AG entbunden worden sei, habe er die Möglichkeit gehabt, seine Arbeitkraft im letzten Vierteljahr 1963, im Jahr 1964 und im 1. Halbjahr 1965 bei der Firma S einzusetzen. Dort habe er in dieser Zeit etwa denselben Betrag an Gehalt bekommen, der ihm bei der AG entgangen sei, wenn man seine Ansprüche auf Gehalt, Tantiemen, Entgelt wegen Einhaltung der im Ruhegehaltsvertrag für den Fall des Ausscheidens enthaltenen Wettbewerbsabrede, Gehalt bei einer Tochterfirma der AG und unentgeltliche Nutzung eines Einfamilienhauses zusammenrechne. Es fehle auch an dem beiderseitigen subjektiven Willen, den Schaden auszugleichen, weil der Abfindungsbetrag genau den Gehalts- und Tantiemenansprüchen vom 1. Januar 1963 bis 30. Juni 1965 entspreche.
Diese Beurteilung werde durch die nachträgliche Vereinbarung vom 19./22. Dezember 1963 nicht berührt. Die Vereinbarung sei nicht aus wirtschaftlich vernünftigen außersteuerlichen Gründen abgeschlossen, sondern lediglich, um durch die Ermäßigung die Möglichkeit der Steuerersparnis zu schaffen. Es liege deshalb ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG vor.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige einen Verfahrensmangel bei der Beurteilung, ob ihm ein Schaden erwachsen sei, sowie Verletzung der §§ 24 Nr. 1a und 34 Abs. 1 und 2 EStG. Er trägt vor:
Das Schreiben des Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 17. Dezember 1962 sei eine sofortige Kündigung gewesen. Wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht oder sich dem Verlangen auf sofortiges Ausscheiden widersetzt hätte, würde ihn kein Unternehmen wieder für eine vergleichbare Tätigkeit eingestellt haben. Er habe sich in einer von ihm nicht verschuldeten Zwangslage befunden, die ihm keine andere Möglichkeit gelassen habe, als der Vereinbarung vom 2./10. Januar 1963 zuzustimmen. Der Schaden, den er erlitten habe, sei daher im Sinne der Rechtsprechung des BFH auch gegen oder ohne seinen Willen eingetreten.
Bei der Berechnung des Einnahmenausfalls habe das FG nur die Mindesttantiemen berücksichtigt. Tatsächlich habe er aber unter Berücksichtigung der in den Jahren 1960 bis 1962 gezahlten Tantiemen bei Weiterbeschäftigung für 1963 bis 1965 einen Mehrbetrag von ... erwarten dürfen. Ein weiterer Schaden sei ihm dadurch entstanden, daß ihm die Chancen, in den Vorstand der AG berufen oder innerhalb des Konzerns z. B. mit weiteren Aufsichtsratsaufgaben betraut zu werden, abgeschnitten worden seien.
Zur Frage, ob ihm ein Schaden entstanden sei, mache das FG einen Denkfehler. Entscheidend sei die Situation im Zeitpunkt der Auflösung bzw. des Wegfalls der Einnahmen. Ende 1962, während der Verhandlungen über die Auflösung des Dienstverhältnisses, sei es für ihn nicht absehbar gewesen, ob er eine neue angemessene Stellung würde finden können. Die tatsächliche Entwicklung habe gezeigt, daß es immerhin acht Monate gedauert habe, bis er eine neue Tätigkeit habe aufnehmen können. Ferner sei zu bedenken, daß die Vergütungen, die er von seiner neuen Arbeitgeberin zunächst erhalten habe, bei weitem nicht die Höhe seiner bisherigen Bezüge erreichten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
1. Eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1961 kommt allerdings nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist, wenn in dem Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind, die Einkommensteuer für die außerordentlichen Einkünfte auf 10 bis 30 v. H. der außerordentlichen Einkünfte zu bemessen. Zu den außerordentlichen Einkünften in diesem Sinne rechnen u. a. nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1961 Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Abfindung, die der Steuerpflichtige von der AG erhalten hat, keine Entschädigung in diesem Sinne ist.
a) Unter § 24 Nr. 1a EStG fallen Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Der BFH hat in neuerer Zeit wiederholt entschieden, der Begriff der Entschädigung in diesem Sinne setze voraus, daß der Steuerpflichtige gegen oder ohne seinen Willen (unfreiwillig) einen Schaden (Verlust) erlitten hat und daß die Entschädigung dem Ausgleich dieses Verlustes dienen soll (vgl. die Urteile IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959, BFH 70, 195, BStBl III 1960, 72; VI 106/59 U vom 4. November 1960, BFH 71, 702, BStBl III 1960, 512; VI 256/60 U vom 20. Dezember 1961, BFH 74, 228, BStBl III 1962, 87; VI 255/59 U vom 13. April 1962, BFH 75, 100, BStBl III 1962, 306; IV 296/59 vom 29. Mai 1963, StRK, Einkommensteuergesetz, § 24, Rechtsspruch 38, HFR 1963, 337; VI 94/63 vom 19. Februar 1965, StRK, Einkommensteuergesetz, § 24, Rechtsspruch 56, HFR 1965, 406; IV 55/64 S vom 2. Dezember 1965, BFH 84, 250, BStBl III 1966, 91; VI 262/65 vom 21. April 1966, BFH 86, 137, BStBl III 1966, 396; VI 381/65 vom 16. September 1966, BFH 86, 760, BStBl III 1967, 2; IV 22/64 vom 26. September 1968, BFH 94, 10, BStBl II 1969, 69). Diese Rechtsprechung ist zwar angegriffen worden (z. B. Vangerow, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1962, Spalte 737; Judeich, BB 1963, 342; Busse, DStR 1965, 15; Merkert, DStR 1967, 3, sowie Entscheidungen mehrerer FG u. a. in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1960 S. 410, EFG 1965, 538 und 1967, 13). Es wird insbesondere die Auffassung vertreten, daß es der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des EStG entspreche, jeden Ersatz, der - gleich, ob mit oder gegen den Willen des Betroffenen - an die Stelle fortgefallener oder künftig wegfallender steuerpflichtiger Einnahmen trete, als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 anzusehen. Die Bedenken richten sich hiernach in erster Linie gegen das Merkmal der Unfreiwilligkeit. Der Senat braucht aber zu diesem Punkt im Streitfall nicht grundsätzlich Stellung zu nehmen, weil die dem Steuerpflichtigen gewährte Abfindung schon aus einem anderen Grunde nicht zu den bezeichneten Entschädigungen gerechnet werden kann. Auch die Kritiker der Rechtsprechung des BFH stellen nicht in Frage, daß nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 24 Nr. 1a EStG jedenfalls Einnahmen entgangen sein oder entgehen müssen und daß die Entschädigungen einen Ersatz dafür darstellen müssen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon deswegen nicht gegeben, weil die AG die Abfindung an den Steuerpflichtigen zur Erfüllung der diesem aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden laufenden Arbeitslohnbezüge gezahlt hat, wie das FG zutreffend ausgeführt hat. Da der Anspruch auf Arbeitslohn erfüllt worden ist, kann der Arbeitslohn nicht entgangen und auch kein Ersatz dafür geleistet worden sein.
Durch das Schreiben des Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 17. Dezember 1962 ist das Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen zur AG nicht beendet worden. Der Vorsitzende schlägt zwar die vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit vor, setzt dabei aber voraus, daß dies auf der Basis des mit dem Steuerpflichtigen abgeschlossenen Vertrages zu erfolgen hat. Der Vorschlag des Vorsitzenden geht also nicht etwa dahin, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solchen vor dem dafür vereinbarten frühesten Termin (Ende Juni 1965) und über den Wegfall der vom 1. Januar 1963 bis 30. Juni 1965 noch zustehenden laufenden Bezüge zu verhandeln. Der Vorschlag beinhaltet vielmehr lediglich sofortige Verhandlungen über die Beendigung der Vorstandstätigkeit unter Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen. Der Senat vermag dem Steuerpflichtigen nicht darin zu folgen, daß das Schreiben vom 17. Dezember 1962 bereits eine außerordentliche sofortige Kündigung enthalten habe; vielmehr läßt der Inhalt des Schreibens, wie dargelegt, erkennen, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats von einem Weiterbestehen des Dienstverhältnisses bis zu dem fest vereinbarten Endtermin ausgegangen ist. Wie zu entscheiden wäre, wenn eine außerordentliche sofortige Kündigung ausgesprochen worden wäre, braucht daher nicht geprüft zu werden, da ein derartiger Sachverhalt nicht gegeben ist.
Auch beim Abschluß der Vereinbarung vom 2./10. Januar 1963 sind die Beteiligten offensichtlich davon ausgegangen, daß die Ansprüche des Steuerpflichtigen auf Zahlung des Arbeitslohns bis zum 30. Juni 1965 aufgrund des ursprünglichen Dienstvertrages weiterbestanden. Nur unter dieser Voraussetzung erscheint es verständlich, daß die AG, obwohl der Steuerpflichtige von einer Arbeitsleistung entbunden wurde, sich bereiterklärte, ihm das volle Gehalt zuzüglich der Mindesttantieme bis zum frühest möglichen Endtermin des Dienstverhältnisses weiter, wenn auch in Form einer Abfindung, zu zahlen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß die Beteiligten in dem Vertrag vom 2./10. Januar 1963 davon sprechen, daß die Abfindung "als Entschädigung für die bis zum Vertragsende entgehende Vergütung aus Grundgehalt zusätzlich Tantieme" gezahlt werden soll. Wäre das Dienstverhältnis als solches mit sofortiger Wirkung erloschen, wie es bei einer wirksamen außerordentlichen Kündigung der Fall gewesen wäre, so wären auch die Gehaltsansprüche des Steuerpflichtigen bis zum 30. Juni 1965 entfallen. In diesem Falle wäre die AG sicher nicht bereit gewesen, dem Steuerpflichtigen noch eine Abfindung in der tatsächlich vereinbarten Höhe zu zahlen.
Die Verhandlungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der AG im Anschluß an das Schreiben des Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 17. Dezember 1962 gingen hiernach überhaupt nicht um die Frage, ob dem Steuerpflichtigen noch Gehaltsansprüche aus dem Dienstverhältnis zustanden, sondern lediglich darum, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt diese Ansprüche erfüllt werden sollten. Dem steht auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen nicht entgegen, daß die Abfindung nur nach dem Grundgehalt und der Mindesttantieme berechnet worden sei, daß für ihn aber auch der Anspruch aus der Wettbewerbsvereinbarung, der Anspruch auf unentgeltliche Wohnung und der Vergütungsanspruch für die Tätigkeit bei einer Tochterfirma bestanden hätten. Die vorzeitige Beendigung seiner Tätigkeit für die AG und die vorzeitige Auszahlung der Bezüge bis zum Juni 1965 bedeuteten für den Steuerpflichtigen auch gewisse Vorteile. Er konnte sich unabhängig von dem weiterbestehenden Vergütungsanspruch gegen die AG um ein anderes Arbeitsverhältnis bemühen. Die Entwicklung zeigt, daß er hiermit schon im Herbst 1963 Erfolg hatte. Außerdem bedeutete die vorzeitige Auszahlung der laufenden Vergütungen einen Zinsvorteil. Es lag daher für die Beteiligten nahe, diese Vorteile bei der Bemessung der Abfindung zu berücksichtigen. An der Tatsache, daß mit der Abfindung die bestehenden Ansprüche erfüllt werden sollten, wird hierdurch aber nichts geändert. Da mithin die Abfindung in Erfüllung der bestehenden Ansprüche selbst gezahlt worden ist, kann sie keinen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellen. Hieran ändert auch der Hinweis des Steuerpflichtigen nichts, daß er sich in einer Zwangslage befunden habe. Diese Zwangslage betraf nur die weitere Ausübung der Vorstandstätigkeit als solcher, nicht aber den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, der von der AG nie in Frage gestellt wurde.
Der Streitfall kann entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen nicht mit dem Sachverhalt verglichen werden, der dem BFH-Urteil IV 206/53 U vom 3. November 1953, (BFH 58, 57, BStBl II 1954, 3) zugrunde lag und in dem der BFH eine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1a EStG anerkannt hat. In dem damaligen Falle hatte die Militärregierung den Befehl gegeben, den Steuerpflichtigen, der als Vorstandsmitglied bestellt war, zu entlassen. Die AG hatte daraufhin den Dienstvertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Nach einigen Jahren erhielt der Steuerpflichtige dann von der AG eine freiwillige Entschädigung für die Entlassung aus dem Dienstverhältnis. Es bestand Streit darüber, ob der Dienstvertrag trotz der Entlassung weiterhin wirksam war oder nicht. Im Vergleich zum Streitfall war also eine von allen Beteiligten als rechtswirksam anerkannte vertragliche Regelung, nach der die Weiterzahlung der laufenden Bezüge bis zur zeitgerechten Beendigung des Dienstverhältnisses hätte verlangt werden können, nicht vorhanden.
Da eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG schon dem Grunde nach nicht vorliegt, kann es dahingestellt bleiben, ob die "Schadens"-Berechnung, die das FG angestellt hat, zutreffend ist oder ob der Berechnung des Steuerpflichtigen der Vorzug zu geben ist. Auch die in der ergänzenden Vereinbarung vom 19./22. Dezember 1963 enthaltene Herabsetzung des Abfindungsbetrages und Vorverlegung der Zahlungsfälligkeit ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Diese Regelungen ändern nichts an der Tatsache, daß der Steuerpflichtige nicht eine Ersatzleistung, sondern die Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitslohnansprüche erlangt hat.
b) Die Abfindung fällt auch nicht unter § 24 Nr. 1b EStG. Zu den in dieser Vorschrift genannten gehören Entschädigungen, die gewährt worden sind für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit. Es kann auch zu dieser Vorschrift dahinstehen, ob der Entschädigungsgrund gegen oder ohne den Willen des Steuerpflichtigen, also von diesem aus gesehen unfreiwillig, eingetreten sein muß oder ob der Auffassung des Steuerpflichtigen zuzustimmen ist, daß eine Aufgabe einer Tätigkeit nur auf vertraglicher Grundlage denkbar sei. Denn jedenfalls hat hier der Steuerpflichtige für die Aufgabe seiner Tätigkeit bei der AG keine Entschädigung erhalten, so daß schon aus diesem Grunde die Vorschrift des § 24 Nr. 1b EStG nicht anwendbar ist. Die an ihn gezahlte Abfindung stellt, wie ausgeführt, die Erfüllung der bis zum 30. Juni 1965 bestehenden Arbeitslohnansprüche dar. Über diese Ansprüche hinaus hat der Steuerpflichtige weder dafür, daß sein Dienstverhältnis über den 30. Juni 1965 hinaus nicht verlängert wurde, noch etwa dafür, daß er seine Vorstandstätigkeit bis zu diesem Termin nicht mehr ausüben konnte, eine besondere Entschädigung erhalten.
An der Nichtanwendbarkeit des § 24 Nr. 1b EStG wird auch durch den Hinweis des Steuerpflichtigen auf die Vorschrift des § 24 Nr. 1c EStG nichts geändert. Diese Vorschrift erfaßt nur Entschädigungen, die als gesetzliche Ausgleichsszahlungen nach § 89b HGB an Handelsvertreter zu zahlen sind. Sie erfaßt aber nicht etwa vertragliche Ansprüche aus verdienten Provisionen, die noch nach Beendigung des Vertreterverhältnisses fällig werden. Die Vorschrift spricht im Gegenteil für die Richtigkeit der Auffassung des Senats, nach der auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die vertraglichen Ansprüche auf den laufenden Arbeitslohn nicht zu den nach § 24 Nr. 1 EStG begünstigten Entschädigungen gehören.
2. Die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das FG waren jedoch geboten, um dem FG Gelegenheit zu der Prüfung zu geben, ob die Klage nicht jedenfalls teilweise nach § 34 Abs. 3 EStG Erfolg haben kann. Nach dieser Vorschrift können Einkünfte, die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, zum Zweck der Einkommensteuer-Veranlagung auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden - vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet.
Wie dem FA zuzugeben ist, spricht die Vorschrift allerdings von einer "Tätigkeit", die sich über mehrere Jahre erstrecken muß, und ist der Steuerpflichtige durch die Vereinbarung vom 2./10. Januar 1963 von seiner weiteren persönlichen Tätigkeit im Vorstand der AG entbunden worden. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß es bei einem Arbeitsverhältnis für die Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG nicht darauf ankommen kann, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt oder ob er sie nicht erbringt, wenn nur der Arbeitslohn für einen entsprechenden Zeitraum gezahlt worden ist. Auch ein Arbeitnehmer, der erkrankt ist oder der, wie im Streitfall, wegen Differenzen mit dem Arbeitgeber seine Tätigkeit tatsächlich nicht ausübt, erzielt Einnahmen aus einem Dienstverhältnis, die die zugehörige Gegenleistung (Tätigkeit) als gegeben voraussetzen. Es wäre nicht einzusehen, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen in diesen Fällen die Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG nicht zum Zuge kommen würde. Der Senat ist auch der Meinung, daß die Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG ihrem Sinn entsprechend weitherzig auszulegen ist (ebenso Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Auflage, 1969, § 34 Anm. 23, mit weiteren Hinweisen). Er hat schon in der Entscheidung VI 32/56 U vom 8. März 1957 (BFH 64, 496, BStBl III 1957, 185) ausgeführt, daß es dem Gesetz nicht entsprechen würde, § 34 Abs. 3 EStG 1955 ff. (damals § 34 Abs. 4 EStG 1950) bei Arbeitnehmern, wie es der RFH hinsichtlich der Vorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1934 getan hatte, einengend auszulegen, zumal die jetzige Regelung weniger Spielraum für Mißbräuche läßt als die frühere. Dementsprechend hat er es - im Gegensatz zu der vom RFH vertretenen Auffassung, die eine abgrenzbare Sondertätigkeit verlangte - genügen lassen, daß wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Zahlung in einer Summe vorliegen.
Der steuersystematische Sinn und Zweck der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG besteht darin, bei zusammengeballten Entlohnungen für die Tätigkeit mehrerer Jahre die Tarifprogression auszuschalten und die Steuer so zu erheben, als wenn die Entlohnungen jeweils im Jahr der Tätigkeit zugeflossen wären. Zweifellos wird von § 34 Abs. 3 EStG der Fall erfaßt, daß ein Arbeitnehmer seinen Arbeitslohn nachträglich für mehrere Jahre in einer Summe erhält, weil er seine Lohnansprüche teilweise einklagen mußte oder der Arbeitgeber zu rechtzeitiger Zahlung nicht in der Lage gewesen war. Der Zusammenballungsgesichtspunkt besteht aber nicht nur bei der Nachzahlung von Arbeitslohn, sondern auch bei der Vorauszahlung. Der Senat vermag weder steuersystematisch noch unter Betrachtung der jeweiligen Interessenlage einen sachlichen Unterschied zwischen einer Nachzahlung für eine mehrjährige Tätigkeit oder einer Vorauszahlung für eine mehrjährige Tätigkeit zu erkennen. Er ist deshalb der Auffassung, daß eine unterschiedliche Behandlung der beiden Tatbestände sachlich nicht gerechtfertigt ist und daß auch Vorauszahlungen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der tariflichen Vergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG unterworfen werden müssen. Dies gilt um so mehr, als die Vorschrift nicht etwa zu einer Ermäßigung der bei laufender Zahlung anfallenden Steuer führt, sondern lediglich die erhöhte Steuerbelastung beseitigt, die durch die Zusammenballung infolge der Tarifprogression und ggf. des Wegfalls von Freibeträgen sich ergeben würde. Der Wortlaut der Vorschrift steht dieser Auslegung nicht entgegen. Auch wenn § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG von den Einkünften spricht, die "erzielt wurden", besagt doch § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG, der die Vergünstigung ausspricht (und nicht bloß wie Satz 2 die Durchführung regelt), nicht, daß die Entlohnung erst nach Ableistung der Tätigkeit geleistet sein müsse.
Daß Vorauszahlungen steuerlich nicht anders behandelt werden können als Nachzahlungen, entspricht übrigens auch der Auffassung der obersten Finanzverwaltungsbehörden, wie sie sich aus der Regelung des Abschnitts 52 LStR zur Besteuerung sonstiger Bezüge ergibt. Dort werden in Abs. 2 Nach- und Vorauszahlungen von Arbeitslohn gleichbehandelt, und zwar auch, soweit sie nicht zu den laufenden Bezügen, sondern wie bei Zahlungen für mehrere Kalenderjahre zu den sonstigen Bezügen zählen.
Dem FA mag zuzugeben sein, daß die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auf Vorauszahlungen gewisse Schwierigkeiten bietet.
Der Senat teilt jedoch nicht die im BFH-Urteil IV 311/58 U vom 9. März 1961 (BFH 73, 722, BStBl III 1961, 530) niedergelegte Auffassung, daß eine Verteilung der Einkünfte auf Jahre, die auf das Zuflußjahr folgen, nicht möglich sei. Auch wenn die objektiven Merkmale für eine Verteilung auf zukünftige Jahre noch nicht feststehen und deshalb mit Schätzungen gearbeitet werden muß, kann dies der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auf Vorauszahlungen nicht entgegenstehen. Der Senat ist mit Littmann (a. a. O., § 34 Anm. 24) der Auffassung, daß die Anwendung nicht an technischen Schwierigkeiten scheitern darf, wenn, wie bereits dargelegt, auch bei Vorauszahlungen, die eine Zusammenballung von Einkünften für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen, die steuerliche Gerechtigkeit sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG die Anwendung dieser Regelung erfordern.
Im Streitfall werden die Steuerfestsetzungen 1964 und 1965 voraussichtlich vorliegen, so daß eine Berechnungsschwierigkeit für die hier durchzuführende Steuerfestsetzung 1963 nicht gegeben ist. Sollten die für diese Steuerfestsetzung erforderlichen Besteuerungsgrundlagen der Jahre 1964 und 1965 noch nicht feststehen, so kann die Steuerfestsetzung 1963 doch vorläufig erfolgen (§ 100 AO). Es wäre dann im Sinne dieser Vorschrift ungewiß, ob oder inwieweit die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld, soweit diese durch die Verteilung der Vorauszahlung bedingt ist, eingetreten sind. In einem solchen Falle müßten die Bemessungsgrundlagen, wie in anderen Fällen der Anwendung des § 100 Abs. 1 AO ebenfalls, geschätzt werden. Wenn das FA meint, daß § 100 Abs. 1 AO auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar sei, so kann dem nicht zugestimmt werden. Die Steuerschuld ist auch im vorliegenden Fall im Veranlagungszeitraum, nämlich im Kalenderjahr des Zufließens, entstanden. Nur wegen der Höhe bedarf es noch weiterer Feststellungen. Daß diese nicht dem Veranlagungszeitraum vorangegangene, sondern dem Veranlagungszeitraum folgende Veranlagungszeiträume betreffen, steht der Anwendung des § 100 AO nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 69091 |
BStBl II 1970, 683 |
BFHE 1970, 381 |