Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vergünstigung des § 7 b EStG steht auch einem Vermächtnisnehmer zu, dem die Wohngrundstücke durch Testament zugewendet wurden.
Die bürgerlich-rechtliche Vermutung, daß ein Erbschein richtig ist (ß 2365 BGB), gilt grundsätzlich auch für die Steuerbehörden, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
Normenkette
EStG § 7b
Tatbestand
Der am 18. Mai 1956 verstorbene Vater des Bg. hatte im Jahre 1955 ein Wohnhaus errichtet und bezogen. Er hinterließ eine letztwillige Verfügung, mit der er seinen Sohn B., einen Bruder des Bg., als Alleinerben einsetzte. Das zuständige Nachlaßgericht stellte einen entsprechenden Erbschein aus. Die übrigen drei Kinder wurden mit Vermächtnissen bedacht. Der Bg. erhielt dem Testament gemäß das Grundstück mit aufstehenden Gebäuden und Belastungen; er wurde im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. über die Auslegung des Testaments besteht zwischen den vier Geschwistern übereinstimmung. Der Bg. nimmt für 1956 die Sonderabschreibung gemäß § 7 b EStG in Anspruch.
Das Finanzamt lehnte das ab, weil der Bg. das Haus nicht als Erbe, sondern als Vermächtnisnehmer, demnach als Einzelrechtsnachfolger und nicht als Gesamtrechtsnachfolger unentgeltlich erworben habe.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es führte aus, nach dem Testament müsse man den Bg. als Erben betrachten. Er habe die Grundstücke auf Grund der von der Erbengemeinschaft der vier Geschwister vorgenommenen Realteilung als Gesamtrechtsnachfolger vom Erblasser erworben. Dem Erbschein, der etwas anderes besage, komme für steuerliche Zwecke keine bindende Kraft zu.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung von § 7 b EStG und führt aus, ein Erbschein müsse im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs auch für die Finanzbehörden bindend sein. Selbst wenn man das aber verneine, habe das Finanzgericht mit der Auslegung, die es dem Testament gebe, gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen. Der Erblasser habe deutlich zwischen dem Erben und den Vermächtnisnehmern unterschieden; er habe nicht nur eine Teilungsanordnung zwischen den Miterben treffen wollen. Mindestens hätte aber das Finanzgericht über die Frage, wer Erbe geworden sei, Beweis erheben müssen. Keinesfalls sei im übrigen das Haus unentgeltlich an den Bg. übergegangen. Die Erbschaft gehe nach § 1922 BGB als Ganzes auf den Erben oder die Erbengemeinschaft über, so daß jeder Gegenstand des Nachlasses im Gesamthandseigentum der Miterben stehe. Steuerlich sei gemäß § 11 Ziff. 5 des Steueranpassungsgesetzes jedes Wirtschaftsgut, das mehreren zur gesamten Hand zustehe, den Beteiligten nach Bruchteilen zuzurechnen. Wenn auch der Bg. seinen Miterben kein Barentgelt gezahlt habe, so habe er doch, um Alleineigentümer des Hauses zu werden, die ihm fehlenden Eigentumsbruchteile an dem Haus gegen die Hingabe seiner Eigentumsbruchteile an anderen Wirtschaftsgütern des Nachlasses erworben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 166/56 U vom 6. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 33, Slg. Bd. 66 S. 82) erwerbe die Erbengemeinschaft unentgeltlich, während die nachfolgende Teilung des Nachlasses zwischen den Erben zu einem teils unentgeltlichen und teils entgeltlichen Erwerb führen könne. Wenn die vier Geschwister zu gleichen Teilen geerbt hätten, dürfe also der Bg. die erhöhten Absetzungen für das Wohngebäude höchstens zu einem Viertel vornehmen. Dem stehe auch das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 206/59 U vom 19. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 37, Slg. Bd. 72 S. 97) nicht entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.
Mit Recht rügt zwar der Vorsteher des Finanzamts, daß das Finanzgericht den Bg. als Erben und nicht als Vermächtnisnehmer nach seinem Vater angesehen hat. Auf Grund der letztwilligen Verfügung des Vaters war der Bg. nicht Erbe oder Miterbe, sondern Vermächtnisnehmer. Der Wortlaut der letztwilligen Verfügung ist insoweit eindeutig. Das Nachlaßgericht hat sich auch danach gerichtet. Die gesetzliche Vermutung des § 2365 BGB, daß ein Erbschein sachlich richtig ist, gilt grundsätzlich auch für die Besteuerung. Die Steuerbehörden sind zwar nicht ohne weiteres an die rechtliche Beurteilung des Nachlaßgerichts gebunden. Aber weil das Nachlaßgericht diesen Fragen nähersteht als die Steuergerichte, werden diese nur unter besonderen Umständen eine letztwillige Verfügung anders auslegen können als das Nachlaßgericht. Im Streitfall hat das Finanzgericht jedenfalls ohne zureichenden Grund das Testament anders gewürdigt als das Nachlaßgericht und die Beteiligten selbst. Die Rechtsauffassung des Finanzgerichts, daß der Bg. Erbe und nicht nur Vermächtnisnehmer nach seinem verstorbenen Vater sei, ist also rechtlich unzutreffend. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls hat davon auszugehen, daß der Bg. das Wohngebäude als Vermächtnisnehmer nach seinem Vater erhalten hat.
Trotz dieses Rechtsirrtums des Finanzgerichts braucht aber die Vorentscheidung nicht aufgehoben zu werden. In dem Urteil VI 206/59 U a. a. O. hat der Senat bereits ausgesprochen, daß die Steuervergünstigung des § 7 b EStG nicht nur dem unentgeltlich vom Hersteller erwerbenden Gesamtrechtsnachfolger zustehe, sondern auch dem unentgeltlich erwerbenden Einzelrechtsnachfolger. Der Bg. hat als Vermächtnisnehmer das Grundstück unentgeltlich als Einzelrechtsnachfolger erworben. Sein Bruder, dem als Erbe der gesamte Nachlaß zufiel, war auf Grund der letztwilligen Anordnung des Vaters verpflichtet, dem Bg. das Grundstück zu Eigentum zu übertragen, und hat das auch getan. Es ist im Ergebnis unerheblich, ob man den Bg. wirtschaftlich unmittelbar als Rechtsnachfolger des Erblassers oder - in Anlehnung an die bürgerliche Konstruktion - als Rechtsnachfolger seines Bruders ansieht. Auf jeden Fall hat der Bg. das Grundstück unentgeltlich als Rechtsnachfolger erworben und kann deshalb die Sonderabschreibung des § 7 b EStG in Anspruch nehmen.
Der Einwand des Finanzamts, der Bg. habe das Grundstück nicht unentgeltlich, sondern gegen Hingabe seiner Ansprüche an anderen Gegenständen des Nachlasses erworben, greift nicht durch. Der Bg. war nicht Miterbe, sondern nur Vermächtnisnehmer. Er hatte also gar keinen Anteil am Nachlaß, sondern als Vermächtnisnehmer nur eine Forderung gegen seinen Bruder als Erben. Der Streitfall liegt insofern anders als der Fall im Urteil des Senats VI 166/56 U a. a. O., wo es um Miterben ging, die den Nachlaß zwischen sich auseinandersetzten.
Fundstellen
Haufe-Index 410560 |
BStBl III 1962, 444 |
BFHE 1963, 487 |
BFHE 75, 487 |