Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
über die Grenzen der Aufklärungspflicht des Finanzamts und des Finanzgerichts bei der Erforschung des Sachverhalts.
§ 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB findet auf die Vermittlung von Schiffsneubauaufträgen und von Schiffsverkäufen durch Schiffsmakler keine Anwendung.
Normenkette
AO §§ 171, 204, 243; FGO § 76/1; UStDB § 28 Abs. 1 Ziff. 4
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine Schiffsmaklerfirma, erhielt 1956 für die Vermittlung von Schiffsneubauaufträgen ausländischer Reedereien bei deutschen Werften Vermittlungsprovisionen von ... DM und für die Vermittlung eines Schiffsverkaufs eine Provision von ... DM.
Sie hat für diese Umsätze Steuerfreiheit nach § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB in Anspruch genommen. Das Finanzamt hat die Steuerfreiheit versagt und die Umsätze dem allgemeinen Steuersatz von 4 % unterworfen, da es sich bei den Vermittlungsleistungen nicht um Leistungen im Rahmen eines Umschlagverkehrs handle. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. keinen Erfolg. Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs in den Urteilen V A 564/36 vom 11. Dezember 1936 (RStBl 1937 S. 81, Slg. Bd. 40 S. 255) und V 41/56 U vom 30. August 1956 (BStBl 1956 III S. 311, Slg. Bd. 63 S. 299) an. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB seien nur solche Leistungen der Schiffsmakler steuerfrei, die der Betreuung eines im Dienst stehenden Schiffes dienten. Dies ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Nach der überschrift des § 28 UStDB solle außerdem nur der Umschlagverkehr begünstigt werden.
Die Rb. wird auf unrichtige Rechtsanwendung und mangelnde Sachaufklärung gestützt. Die Begriffe "Umschlagverkehr" und "Leistungen der Schiffsmakler" seien nach dem Zweck der Befreiungsvorschrift, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehafenplätze aufrechtzuerhalten, auszulegen. Dabei müsse beachtet werden, daß das Aufgabengebiet eines Maklers vielschichtig sei und gleichwohl in sich eine geschlossene Funktionsgruppe darstelle. Die Vermittlung von Neubauaufträgen und Verkäufen von Schiffen gehöre zu den charakteristischen und eigentümlichen Leistungen der Schiffsmakler. Die Wettbewerbssicherung der Seehäfen sei nur dann erfolgreich möglich, wenn den deutschen Werften zusätzliche Aufträge zugeführt würden. Mit Recht habe der Bundesfinanzhof die Vermittlung von Zeitcharterverträgen dem Umschlagverkehr zugerechnet. Es genüge für die Anwendung der Befreiungsvorschrift, daß der betreffende Vorgang generell geeignet sei, den Umschlagverkehr zu fördern. Der Schiffsbau gehöre nicht weniger zu den charakteristischen Funktionen eines Seehafens als sonstige mit dem Güterverkehr zusammenhängende Aufgaben. Die Auffassung des Finanzgerichts, nur Leistungen für die im Dienst stehenden Seeschiffe seien steuerfrei, finde im Gesetz keine Stütze. Im übrigen gehe das Urteil des Finanzgerichts von einem unvollständigen Sachverhalt aus. Bei einem Teil der zur Erörterung stehenden Verträge sei die Tätigkeit nicht im Inland, sondern im Ausland ausgeübt worden. Bei der Steuerprüfung seien alle Umstände tatsächlicher Art vorgetragen und auch darauf hingewiesen worden, daß es sich zu einem Teil um Abschlüsse im Ausland handelte. Das Finanzamt hätte deshalb prüfen müssen, ob ein umsatzsteuerlicher Vorgang vorlag.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Soweit die Stpfl. geltend macht, die Vermittlung der Neubauaufträge sei teilweise im Ausland geschehen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 288 AO nicht mehr zugelassen werden kann. Aus dem Inhalt der Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Umsätze teilweise im Ausland bewirkt worden wären. Nach dem Betriebsprüfungsbericht, der der Stpfl. zugegangen ist, sind bei der Schlußbesprechung und nach den Akten im Festsetzungs- und Berufungsverfahren Einwendungen dieser Art nicht gemacht worden.
Auch der Einwand der mangelnden Sachaufklärung ist nicht berechtigt. Es ist richtig, daß das Finanzgericht gemäß § 243 AO den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat. Es hat dabei seine Ermittlungen auch zugunsten des Stpfl. durchzuführen, soweit dies den Umständen nach zumutbar erscheint (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 124/58 U vom 12. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 522, Slg. Bd. 75 S. 700). Diese Ermittlungspflicht des Finanzgerichts wird jedoch im Steuerprozeß durch die Aufklärungspflicht des Stpfl. ergänzt. Dieser Aufklärungspflicht des Stpfl. kommt hinsichtlich des Sachverhalts, der dem Stpfl. selbst am besten bekannt sein muß, eine erhebliche Bedeutung zu. In dem vorliegenden Fall bestand weder für das Finanzamt noch für das Finanzgericht eine Veranlassung, Nachforschungen darüber anzustellen, ob nicht etwa Vermittlungsleistungen im Ausland bewirkt worden sind. Bei der Stpfl. hatte eine Betriebsprüfung stattgefunden. Dabei waren in der Schlußbesprechung in Anwesenheit des Sachgebietsleiters des Finanzamts und eines Vertreters der steuerberatenden Gesellschaft die streitigen Fragen erörtert worden. Nach dem Prüfungsbericht war gegen die Heranziehung der Vermittlungsleistungen zur Umsatzsteuer nur eingewendet worden, daß § 28 UStDB Anwendung finde. Diese Vorschrift behandelt aber, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, nur Leistungen in einem Seehafenplatz. Wenn sich die Stpfl. auf diese Vorschrift berief und auch im Rechtsmittelverfahren von Umsätzen im Ausland nie die Rede war, so brauchten das Finanzamt und das Finanzgericht nicht erst zu prüfen, ob es sich etwa um Umsätze im Ausland handelte. Es wäre vielmehr Sache der Stpfl. gewesen, dies im Rechtsmittelverfahren selbst vorzubringen. Von einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Finanzgericht kann deshalb keine Rede sein.
Der Auffassung der Stpfl., daß § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB auf die im Streit befangenen Vermittlungsleistungen anzuwenden sei, kann ebenfalls nicht beigetreten werden. Das Finanzgericht hat die Anwendbarkeit dieser Vorschrift mit zutreffender Begründung abgelehnt. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 299) und 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960 (BVerfGE Bd. 11 S. 126, 130) ausgesprochen hat, ist für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, maßgebend. Daraus ergibt sich, daß bei der Auslegung einer Vorschrift von ihrer Wortfassung auszugehen ist. Gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB sind aber nur steuerfrei die Leistungen der Schiffsmakler für zur See ankommende oder abgehende oder auf einer Seereise befindliche Schiffe, für deren Ladung, Besatzung oder Reisende. Hiernach sind nicht alle, sondern nur diejenigen Leistungen der Schiffsmakler steuerfrei, die den genannten Zwecken unmittelbar dienen. Von der Stpfl. wird zutreffend ausgeführt, daß der Vorschrift des § 28 UStDB der Zweck zugrunde liegt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehafenplätze aufrechtzuerhalten. Der Verordnungsgeber hat aber nur bestimmte Umsätze, die diesen Zwecken dienen, von der Umsatzsteuer befreit. Darunter fallen aber die Vermittlungsleistungen für Neubauaufträge und Verkäufe von Schiffen nicht. Eine Befreiung auch dieser Leistungen hat in der Verordnung keinen Ausdruck gefunden. Diese dem klaren Wortlaut der Vorschrift entsprechende Auslegung stimmt auch, wie in dem Urteil des Finanzgerichts zutreffend dargestellt worden ist, mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift überein. Die Vermittlung von Schiffsneubauaufträgen und von Schiffsverkäufen gehört auch nicht zum Umschlagverkehr. Das Finanzgericht hat daher zu Recht angenommen, daß nur Leistungen bei der Betreuung von im Dienst stehenden Seeschiffen unter die Befreiungsvorschrift fallen. Darauf, daß die genannten Vermittlungsleistungen zum Tätigkeitsbereich der Schiffsmakler gehören, kann es allein nicht ankommen. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 41/56 U vom 30. August 1956 (a. a. O.) kann sich die Stpfl. nicht berufen, weil es sich dort um einen ganz anderen Sachverhalt gehandelt hat als im vorliegenden Fall.
Fundstellen
BStBl III 1964, 569 |
BFHE 1965, 266 |
BFHE 80, 266 |
StRK, AO:171 R 25 |