Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Aussetzung der Vollziehung eines die sogenannte Baulandsteuer betreffenden Grundsteuermeßbescheids.
AO § 251; GrStG § 12 a in der Fassung des § 172 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl
Normenkette
AO §§ 251, 242; GrStG § 12a
Tatbestand
Streitig ist, ob die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung eines die sogenannte Baulandsteuer betreffenden Steuermeßbescheids eine Ermessensverletzung der Finanzverwaltung darstellt.
Das Finanzamt erließ im Juni 1963 gegen die Bgin. einen zusammengefaßten Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid, durch den ein bisher als unbebautes Grundstück bewerteter Grundbesitz der Bgin. gemäß § 12 a GrStG in der Fassung des § 172 des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 23. Juni 1960 (BGBl 1960 I S. 341) zum 1. Januar 1961 für baureif erklärt und der Steuermeßbetrag für die Jahre 1961 und 1962 sowie für die folgenden Jahre nach den erhöhten Steuermeßzahlen festgesetzt wurde. Mit dem Einspruch wurde geltend gemacht, das Grundstück sei wegen Fehlens entsprechender Versorgungseinrichtungen nicht baureif und der Ansatz erhöhter Steuermeßzahlen sei verfassungswidrig. Gleichzeitig wurde beantragt, die Entscheidung über den Einspruch bis zum Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer sowie die Vollziehung des Grundsteuermeßbescheids auszusetzen. Zur Begründung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Steuermeßbescheids wies die Bgin. auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf - Kammern in Köln - VI 25/63 A vom 30. Oktober 1963 (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B, Eildienst - DStZ (ED) - 1963 S. 494) hin.
Das Finanzamt gab dem Antrag auf Aussetzung der Entscheidung über den Einspruch gemäß § 259 Abs. 2 AO statt, lehnte jedoch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung - § 251 AO - durch Bescheid vom 28. Februar 1964 unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 332/58 S vom 12. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 140, Slg. Bd. 68 S. 361) und die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 14. Januar 1963 - L 1136 - 18/16 - 2131 I - ab. Die gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung bei der Oberfinanzdirektion erhobene Beschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg. Die Zurückweisung der Beschwerde durch Entscheidung vom 16. Juni 1964 wurde damit begründet, daß nach den Feststellungen das Grundstück im Sinne des § 127 BBauG erschlossen und baureif sei. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 12 S. 180, BStBl 1961 I S. 63) sei die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung eines Bescheids nur dann ein Ermessensmißbrauch, wenn ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes selbst erhoben werden könnten, auf dem der Bescheid beruhe. Die Einführung der Baulandsteuer sei eine der umstrittensten Maßnahmen des BBauG gewesen. Der Einwand, daß diese Steuer gegen das Grundgesetz (GG) verstoßen könnte, sei von verschiedenen Seiten schon während des Gesetzgebungsverfahrens erhoben worden. Trotzdem habe sich der Gesetzgeber nach überprüfung dieses Einwandes für die Einführung der Baulandsteuer entschieden. Im Hinblick darauf könne nicht anerkannt werden, gegen diese Steuer beständen derart ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken, daß der weitere Vollzug ausgesetzt werden müsse.
Auf die Berufung wurde die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an die Oberfinanzdirektion zurückverwiesen. Die Vorentscheidung führte u. a. folgendes aus: Die Finanzverwaltungsbehörden könnten in der Regel von der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ausgehen. Hinsichtlich der Baulandsteuer seien jedoch sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und der Verwaltungsgerichte ernste Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit geltend gemacht worden, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) Anlaß zu einer Vollziehungsaussetzung sein könnten. Im Hinblick auf diese Ausführungen sei die Beschwerdeentscheidung als fehlerhaft zu bezeichnen; denn die Finanzverwaltung hätte bei summarischer überprüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das Rechtsmittel gegen den Grundsteuermeßbescheid Aussicht auf Erfolg haben könne. Die Aussetzung der Vollziehung setze nicht voraus, daß die Aussichten für den Steuerpflichtigen günstiger als für die Verwaltung seien. Nach der Rechtsprechung genüge es, wenn das Vorbringen des Steuerpflichtigen in sich schlüssig sei. Die Verwaltung selbst halte die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer nicht in vollem Umfang für zweifelsfrei; denn die Rechtsmittel gegen die Festsetzung des erhöhten Steuermeßbetrags seien in der Regel bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer ausgesetzt worden und das Finanzministerium Baden-Württemberg habe durch Erlaß vom 26. August 1963 - DStZ (ED) 1963 S. 388 - die Finanzämter anweisen lassen, auch die Vollziehung des Grundsteuermeßbescheids gemäß § 251 AO auszusetzen.
Mit der von der Oberfinanzdirektion eingelegten Rb. wird vorgetragen, für die Finanzverwaltung bestehe weder das Recht noch die Pflicht, sich der Auffassung verschiedener Finanzgerichte zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer anzuschließen, solange sich ein oberes Bundesgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu eigen gemacht habe. Bereits im Gesetzgebungsverfahren sei auf entsprechende Einwendungen hin die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer besonders geprüft worden. Durch die Aufhebung der Baulandsteuer erst mit Wirkung vom 1. Januar 1963 (Gesetz zur änderung grundsteuerlicher Vorschriften vom 10. Juni 1964, BGBl 1964 I S. 347) habe der Gesetzgeber die berechtigte Annahme der Verwaltung, daß die Vorschriften über die Baulandsteuer verfassungsgemäß sind, erneut bestätigt. Der Verwaltung könne, wenn sie unter den besonderen Umständen des Zustandekommens des Gesetzes und dessen erneuter Bestätigung auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vertraue, keinesfalls eine Ermessensüberschreitung vorgeworfen werden. Bei ernstlichen Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die sachliche Vereinbarkeit der Baulandsteuer mit dem GG wäre das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG schon längst angerufen worden. Wenn dies unterblieb, habe die Verwaltung auch hieraus eine weitere Bestätigung für die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer ersehen können. Schließlich ergebe sich auch bei einer überprüfung der gemäß Art. 2, 3, 14 und 20 GG gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte vorgebrachten Bedenken für die Verwaltung keineswegs der zwingende Schluß, daß die Baulandsteuer der Verfassung widerspreche oder auch nur ernste verfassungsrechtliche Bedenken aufkommen lasse. Die Ablichtung einer Abschrift des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln (7 K 1378/62 vom 4. April 1963) wurde vorgelegt. Nach dieser Entscheidung verstießen die Vorschriften über die Baulandsteuer nicht gegen das GG. Die Aussetzung der Entscheidungen über die Rechtsmittel gegen die Baulandsteuer erfolge aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Die Durchführung eines Falles zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit reiche aus. Auch der Hinweis auf den Erlaß des Landes Baden- Württemberg vermöge nicht zu überzeugen.
Die Steuerpflichtige - Bgin. - führte aus, die Begründung der Rb. und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 4. April 1963 würden die Rechtslage verfälschen. Sie überreichte den Schriftsatz eines ihrer Bevollmächtigten in einer Verwaltungsstreitsache wegen des Hebesatzes betreffend Baulandsteuer, Abdruck einer Verfassungsbeschwerde wegen Baulandsteuer und zwei Abhandlungen zur verfassungsrechtlichen Problematik der Baulandsteuer. In den schriftlichen Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung trug der Vertreter der Bgin. u. a. folgendes vor: Die Vollziehung der Baulandsteuer sei unzulässig, weil sie gegen die Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates verstoße. Wenn auch bei den Beratungen im Bundestag in der zweiten und dritten Lesung die Fragen der Verfassungsmäßigkeit im einzelnen nicht im Vordergrund gestanden hätten, sondern Fragen der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und des Erfolges dieser Steuer, so sei doch im Finanzausschuß (49. Sitzung) die Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen worden. Auch bei der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer müßten ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuer als bestehend angenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht habe alle bei ihm anhängig gewesenen Verfassungsbeschwerden lediglich deshalb nicht angenommen, weil der Rechtsweg noch nicht erschöpft gewesen sei (§ 90 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG -). Ebenso könne die Rücknahme von Vorlagebeschlüssen, die infolge der Rücknahme der Berufungen veranlaßt worden seien, nicht als Wertung der Frage der Verfassungsmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht angesehen werden.
Die Baulandsteuer sei aus verschiedenen Gründen als verfassungswidrig anzusehen: Der Zweck des Gesetzes sei von vornherein ausschließlich auf die Ausübung eines Druckes in bodenpolitischer Beziehung abgestellt gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, daß die Begründung für die Notwendigkeit der Einführung der Baulandsteuer im Finanzausschuß nicht von einem Vertreter des Bundesfinanzministeriums, sondern des Bundeswohnungsbauministeriums gegeben worden sei. Der einzige und ausschlaggebende Zweck der Baulandsteuer sei gewesen, einen psychologischen und unausweichbaren Druck und Zwang auf die Eigentümer eines kleinen Teils des unbebauten Grundbesitzes auszuüben; an finanzpolitische Maßnahmen sei bei der Baulandsteuer überhaupt nicht gedacht gewesen. Rein äußerlich sei die Form einer Eingruppierung in die Grundsteuer gewählt worden, um nicht bereits aus der Verfahrenstechnik heraus die Verfassungswidrigkeit offensichtlich bestätigt zu erhalten. Die Baulandsteuer erfülle den ihr (verfassungswidrig) vom Gesetzgeber auferlegten Zweck deshalb nicht, weil sie nicht die Grundstückshorter, sondern die kleinen Leute treffe; sie sei deshalb ihrem Wesen nach unsozial und unmoralisch. Der Bundesminister der Finanzen selbst habe in einem Schreiben vom 23. Februar 1962 an einen Steuerpflichtigen zum Ausdruck gebracht, durch die erhöhte Grundsteuer sollten die Eigentümer baureifer Grundstücke veranlaßt werden, ihre Grundstücke selbst zu bebauen oder an Dritte zu veräußern, die ihrerseits das Grundstück entsprechend nutzen. Um diese angedeutete Zielsetzung zu erreichen, habe es der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß sich im Einzelfall Härten mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers ergeben können. Nach Auffassung des Gesetzgebers müßten persönliche Gründe des Eigentümers, an seinem baureifen Grundstück festzuhalten, hinter den städtebaulichen Erfordernissen zurücktreten. Aus dieser Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen ergebe sich, daß § 131 AO über die Billigkeitsmaßnahmen weder angewandt werden konnte noch sollte, weil sonst der Zweck der Steuer verfehlt worden wäre. Sei das Ergebnis des Gesetzes aber der Ausschluß des § 131 AO, so könne die Baulandsteuer nicht mehr als Steuer, sondern nur als Zwangsgeld angesehen werden. Der Charakter eines rechtswidrigen Zwangsgeldes ergebe sich auch aus der Erstattungsregelung, die für die Baulandsteuer bei der Erfüllung der auferlegten bodenpolitischen Zielsetzung getroffen worden sei. Die Baulandsteuer unterscheide sich somit grundlegend von allen anderen steuerlichen Maßnahmen, die im Nebenzweck wirtschaftliche Zielsetzung hätten. Sie sei keine Spur im Rechtssinn, sondern habe den Charakter eines zur bodenpolitischen Gestaltung für notwendig gehaltenen Zwangsgeldes. Auch wenn man der Rechtsprechung folge, daß die Einnahmeerzielung nicht der alleinige Zweck einer Steuer zu sein brauche (Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts 1 PBvV 2/52 vom 16. Juni 1954, BVerfGE Bd. 3 S. 407 (436)), so habe das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen 1 BvL 31/58 vom 10. Mai 1962 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 S. 179) und 1 BvR 771/59, 1 BvR 234/61, 1 BvR 246/61, 1 BvR 367/61 und 1 BvR 17/62 vom 13. Juli 1965 (HFR 1965 S. 396) doch klar herausgestellt, daß der finanzielle Hauptzweck Grundlage einer Steuer sein müsse. Dies sei bei der Baulandsteuer nicht der Fall, so daß bei ihr ein verfassungswidriger Formmißbrauch vorliege. Weitere verfassungsrechtliche Einwendungen seien gegen die Gestaltung der Meßbescheide selbst zu erheben, weil durch sie in der ersten Zeit nicht erkennbar gewesen sei, welche Bewandtnis die Steuererhöhung habe. Weiter werde auf rechtliche Bedenken hingewiesen hinsichtlich der "überstürzten Festsetzung der für die Erhebung der Baulandsteuer notwendigen Tatbestände - Gebiete mit geringer Wohnsiedlungstätigkeit, Gebiete mit nicht geringer Wohnsiedlungstätigkeit -".
Die Baulandsteuer verstoße auch gegen Art. 3 GG. Durch diese Steuer sei eine unorganische Bemessungsgrundlage für den baureifen Grundbesitz eingeführt worden, die für keinen anderen irgendwie vergleichbaren Vermögensbesitz gelte. Schließlich verletze die Baulandsteuer den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit. Diese Verletzung liege bereits in der Bemessung der Steuermeßzahlen und in der "überdimensionierung der gemeindlichen Hebesätze". Die Baulandsteuer treffe nicht die sogenannten Grundstückshorter, sondern viele Arbeiter, kleine Angestellte, Beamte, kleinere und mittlere Gewerbetreibende, die sich ein Grundstück mühsam erworben hätten. Dieser Personenkreis werde durch die Erhebung der Baulandsteuer zur Grundstücksaufgabe gezwungen. Diese Wirkung erstrecke sich nicht auf Einzelfälle, sondern treffe ganze Schichten des Volkes. Die Bgin. bittet um Prüfung, ob nicht vom Vorlagerecht nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht Gebrauch zu machen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Oberfinanzdirektion, die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen wurde, ist nicht begründet.
I. - Durch Einlegung eines Rechtsmittels wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Steuer nicht aufgehalten. Die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, kann jedoch die Vollziehung aussetzen (§ 251 AO). Zu prüfen ist zunächst, ob diese Vorschrift auch auf Grundsteuermeßbescheide anwendbar ist. Die Vorinstanz hat diese Frage zu Recht bejaht. Der Bundesfinanzhof hat bereits durch Urteil I 126/59 S vom 19. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 393, Slg. Bd. 71 S. 385) entschieden, daß das Finanzamt über einen Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuermeßbescheids entscheiden könne, wenn gegen den Meßbescheid ein Rechtsmittel eingelegt worden sei. Die Gründe dieser Entscheidung treffen auch für den Grundsteuermeßbescheid zu. Weder der Wortlaut des § 251 AO noch der Aufbau des Grundsteuerverfahrens noch der rechtliche Charakter des Grundsteuermeßbescheids stehen der Aussetzung der Vollziehung eines solchen Bescheids entgegen. Wie bei der Gewerbesteuer werden auch bei der Grundsteuer im Meßbetragsverfahren die sachlichen Besteuerungsgrundlagen mit bindender Wirkung für die Steuerpflichtigen und die Gemeinden festgelegt. Aufgabe des vom Finanzamt durchzuführenden Steuermeßbetragsverfahrens ist, über die Grundsteuerpflicht des Steuergegenstandes zu entscheiden und den Steuermeßbetrag festzusetzen. Die Entscheidung über die Steuerpflicht und Steuerfreiheit des Steuergegenstandes bei der Grundsteuer liegt somit bei den Finanzämtern und den Steuergerichten. Den Gemeinden obliegt nur die Festsetzung der Grundsteuer durch Anwendung des Hebesatzes auf den vom Finanzamt festgesetzten Steuermeßbetrag und die Erhebung der Grundsteuer (§§ 212 a, 212 b AO). Diesem Aufbau des Grundsteuerverfahrens entsprechend muß als Sinn des Gesetzes angesehen werden, daß die Behörden und Instanzen, die über das Rechtsmittel in der Hauptsache entscheiden, auch die davon nicht zu trennende Nebenfrage der Aussetzung der Vollziehung zu beurteilen haben (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts VII C 7.59 vom 27. Mai 1960, DStZ - ED - 1960 S. 376).
II. -
Gegenstand der Rb. ist die überprüfung der Ermessensentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 16. Juni 1964. Die von der Finanzverwaltung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens getroffene Maßnahme kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur daraufhin nachgeprüft werden, ob die Grenzen dieses Ermessens eingehalten worden sind. Für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgebend. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung III 187/52 S vom 10. September 1954 (BStBl 1954 III S. 328, Slg. Bd. 59 S. 307) ausgesprochen, die Vollziehung eines Steuerbescheids sei dann auszusetzen, wenn die Möglichkeit zur Aufhebung des Bescheids in dem Sinne bestehe, daß die Rechtslage auf Grund gewichtiger Darlegungen des Steuerpflichtigen zweifelhaft sei, ohne daß der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher zu sein brauche als sein Mißerfolg. Dabei müsse das Gewicht der vom Steuerpflichtigen gemachten Rechtsausführungen nach der ihnen für sich selbst und nach ihrer inneren Schlüssigkeit zukommenden Bedeutung beurteilt werden (ebenso Urteile des Bundesfinanzhofs III 209/59 U vom 15. März 1963, BStBl 1963 III S. 277, Slg. Bd. 76 S. 761; V 132/59 U vom 14. August 1963, BStBl 1963 III S. 445, Slg. Bd. 77 S. 344). Für den Fall, daß sich der Steuerpflichtige auf die Verfassungswidrigkeit eines Steuergesetzes bzw. einer Einzelvorschrift beruft, sollte nach der Entscheidung des erkennenden Senats III 332/58 S vom 12. Dezember 1958 (a. a. O.) das vorstehend angeführte Urteil III 187/52 S vom 10. September 1954 im allgemeinen nicht angewendet werden, weil die besondere Rechtslage bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen dies nicht zulasse. Es müsse davon ausgegangen werden, daß im parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaat die gesetzgebenden Organe die verfassungsmäßigen Grundrechte der Bürger zu achten gewillt seien; ein ordnungsmäßig erlassenes und verkündetes Gesetz habe die Vermutung der Verfassungsmäßigkeit für sich. Dieser Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht nicht in vollem Umfange gefolgt. In der Entscheidung 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) führt das Bundesverfassungsgericht aus, nach den von der Finanzgerichtsbarkeit - und entsprechend von der Verwaltungsgerichtsbarkeit - entwickelten Grundsätzen über die Ausübung des Ermessens sei die Beitreibung öffentlicher Abgaben auszusetzen, falls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes (Bescheides) bestünden. Wenn demgemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit von Auslegung und Anwendung des Gesetzes die Aussetzung rechtfertigen, so müsse das auch gelten, wenn ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes selbst erhoben werden könnten; denn auch die vollziehende Gewalt sei nach Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht, insbesondere an die Grundrechte gebunden. Der Grundsatz der Gewaltenteilung zwinge nicht zum Vollzug eines Gesetzes, das wahrscheinlich für nichtig erklärt werden müsse.
Bei der besonderen Art der Baulandsteuer ist es verständlich, daß schon im Stadium der Gesetzgebung und nach Erlaß des Gesetzes ein heftiges Für und Wider einsetzte und hierbei auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit in den Vordergrund gerückt wurde. Auch im Bundestag entspann sich bei der zweiten und dritten Lesung eine große Debatte. Hierbei ging es aber nicht um Fragen der Verfassungsmäßigkeit der vorgesehenen Maßnahmen, sondern nur um Fragen der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und des Erfolges der Maßnahmen. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Baulandsteuer wurde vom Gesetzgeber nicht in Zweifel gestellt. Auch die Aufhebung der Baulandsteuer ab 1963 durch das Gesetz zur änderung grundsteuerlicher Vorschriften vom 10. Juni 1964 (a. a. O.) erfolgte nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, zu Bundestagsdrucksache IV 2142, 4. Wahlperiode). Lediglich im Finanzausschuß wurden, wie der Bevollmächtigte der Bgin. vorträgt, gewisse Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht vorgebracht (49. Sitzung des Finanzausschusses). Daß die Baulandsteuer trotzdem eingeführt wurde, rechtfertigt, wie bereits vorstehend unter II 1 ausgeführt, nicht, auch im Aussetzungsverfahren ohne weiteres von der Verfassungsmäßigkeit der Steuer auszugehen. Andererseits geht es bei dem Rechtsstreit auch nicht darum, zu entscheiden ob die Baulandsteuer gegen das GG verstößt, und bei Bejahung der Frage die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen. Zu entscheiden ist allein, ob die Finanzverwaltung im Streitfalle das pflichtmäßige Ermessen dadurch verletzt hat, daß sie die Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuermeßbescheides abgelehnt hat. Bei dieser Prüfung kann es sich nur um eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage handeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar durch die angeführte Entscheidung 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) ausgesprochen, eine Aussetzung der Vollziehung sei nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil ein Steuerpflichtiger die Verfassungswidrigkeit behaupte oder die Verfassungswidrigkeit vor dem Verfassungsgericht geltend gemacht worden sei. Es hat aber hierbei bereits zum Ausdruck gebracht, daß dies Anlaß sein könne, eine Aussetzung in Betracht zu ziehen. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung - 16. Juni 1964 - war die Verfassungswidrigkeit nicht nur von Steuerpflichtigen behauptet und von ihnen vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht worden. Es lag bereits der Vorlagebeschluß des Hessischen Finanzgerichts III 944/62 vom 23. April 1963 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1963 S. 417) an das Bundesverfassungsgericht vor, in dem das Finanzgericht eingehend die Gründe herausgestellt hat, die nach seiner Auffassung gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer sprechen. Das Finanzgericht Düsseldorf, Kammern in Köln, hat in den Entscheidungen VI 39/62 AO vom 29. November 1962 (EFG 1963 S. 363) und VI 25/63 A vom 30. Oktober 1963 (a. a. O.) mit eingehender Begründung die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer erhobenen Bedenken für so gewichtig erachtet, daß es die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung des Meßbescheids als einen Ermessensfehler ansah. Im gleichen Sinne entschied das Finanzgericht Münster durch Urteil III d 5/63 vom 28. Januar 1964 (EFG 1964 S. 338). Nach diesen Entscheidungen sind weitere Entscheidungen der Finanzgerichte ergangen, die sich unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluß des Hessischen Finanzgerichts ebenfalls die ernsten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit zu eigen machten. Auch das Verwaltungsgericht Hannover, Erste Kammer Hildesheim, hat durch Beschluß I D 19/63 vom 2. September 1963 (Der Betriebs-Berater - BB - 1963 S. 1208) die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Baulandsteuerbescheid angeordnet. Andererseits hat das Verwaltungsgericht Köln durch Urteil 7 K 790/62 vom 21. März 1963 (DStZ, Ausgabe B, 1963 S. 430) und ein weiteres nicht veröffentlichtes Urteil vom 4. April 1963 entschieden, daß die Baulandsteuer nicht gegen das GG verstoße. Hieraus ergibt sich, daß, soweit dem Senat bekannt, mit einer Ausnahme, alle mit der Baulandsteuer befaßten Finanzgerichte und Verwaltungsgerichte Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer zum Ausdruck brachten und dementsprechend entschieden haben. Wenn es sich hierbei auch nicht um endgültige Entscheidungen handelte, so konnten diese Entscheidungen in ihrer Gesamtheit von der Verwaltung bei Prüfung ihrer Verwaltungsakte nicht völlig außer acht gelassen werden, weil die Entscheidung eines oberen Bundesgerichts noch nicht vorlag. Der Senat hält es nicht für erforderlich, in diesem Zusammenhang auf die Literatur einzugehen. Sie hat Befürworter der Verfassungsmäßigkeit, aber auch starke Verfechter der Verfassungswidrigkeit. Die Finanzverwaltung durfte hiernach schon auf Grund der verschiedenen vorliegenden Urteile sich nicht auf den Standpunkt stellen, es lägen keine ernstlichen Bedenken in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer vor. Auch der Senat kommt bei einer summarischen Prüfung der einzelnen Bestimmungen des GG, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer angeführt wurden, zu dem Ergebnis, daß ein Verstoß gegen das GG nicht eindeutig auszuschließen ist.
Die Verfassungswidrigkeit der Baulandsteuer wird mit einem Verstoß gegen die Art. 3, 14, 20 und 28 GG begründet.
Im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundesbaugesetzes (zu Bundestagsdrucksache 1794, 3. Wahlperiode) ist zur Baulandsteuer (Zwölfter Teil des Gesetzes) u. a. ausgeführt, daß eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Bodenmarktes die Vermehrung des Angebots sei. Diesem Anliegen diene namentlich die Vorverlegung der Fälligkeit des Erschließungsbeitrags und als zusätzliche bodenordnungspolitische Maßnahme eine Erhöhung der Grundsteuer für baureife Grundstücke ("Grundsteuer C" oder "Baulandsteuer"). Die Baulandsteuer erscheine als ein weiteres wirksames und unter dem Gesichtspunkt der praktischen Durchführbarkeit am leichtesten anwendbares Mittel zur Vermehrung des Baulandangebots. Durch eine progressiv gestaffelte Erhöhung der Grundsteuer könne der bisher bestehenden Neigung nichtbauwilliger Grundstückseigentümer, den baureifen Boden in der Hoffnung auf spätere Preissteigerungen vom Markt zurückzuhalten, entgegengewirkt und damit die derzeitige künstliche Verknappung des Angebots beseitigt werden. Die den Gemeinden zufließenden Grundsteuermehreinnahmen trügen gleichzeitig mit dazu bei, daß sie in Zukunft mehr Bauland erschließen könnten, wodurch gleichfalls der Grundstücksmarkt belebt werde. Damit ist Sinn und Zweck der Baulandsteuer eindeutig gekennzeichnet. Sie beruht allein auf bodenordnungspolitischen Erwägungen. Sie wurde jedoch als Bestandteil der Grundsteuer ausgestattet und trug auch zu einer, wenn auch nicht ins Gewicht fallenden Erhöhung des Realsteueraufkommens bei. Nach der Rechtsprechung ist für den Steuerbegriff nicht erforderlich, daß die Steuer überwiegend oder in erster Linie der Erzielung von Einkünften dient (vgl. Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts 1 PBvV 2/52 vom 16. Juni 1954, a. a. O.). So führte das Bundesverfassungsgericht in diesem Rechtsgutachten zu einer "Wertsteigerungsabgabe" aus, die Besonderheit dieser bodenordnenden Maßnahme würde darin bestehen, daß das bodenpolitische Ziel mit Hilfe einer Abgabe erreicht werden soll. Auf jeden Fall würde die öffentliche Hand damit Einkünfte erzielen, die Wertsteigerungsabgabe sei mithin eine Steuer. Nach weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kann der Gesetzgeber durch wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen das freie Spiel der Kräfte korrigieren und zu diesem Zweck auch Steuergesetze erlassen, soweit dieser Nebenzweck mit verfassungsrechtlich unbedenklichen Steuern erreicht wird (Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 771/59, 1 BVR 234/61, 1 BvR 246/61, 1 BvR 367/61 und 1 BvR 17/62 vom 13. Juli 1965, a. a. O., und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist keineswegs zweifelsfrei, ob die Baulandsteuer wegen ihrer eindeutigen Zielsetzung und Ausgestaltung (progressiv gestaffelte Meßzahlen und Gestattung der Einführung hoher Hebesätze) in ihrer Eigenschaft als Steuer eine Wertsteigerungsabgabe oder einer sonstigen Steuer, die vorwiegend einen wirtschaftspolitischen Zweck verfolgt, gleichgesetzt werden kann. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich aus dem Zweck der Steuer ergibt, daß Härten, die sich im Einzelfall mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Grundstückseigentümers ergeben können, regelmäßig in Kauf genommen werden müssen. Bei einer Steuer, die zwar in gewissem Umfange Einnahmen erbringt, deren alleiniger Zweck es aber ist, einen Druck auf die Steuerpflichtigen mit baureifem Grundbesitz zur Bebauung oder zum Verkauf auszuüben, und die deshalb nach ihrer Zielsetzung wenigstens im Ergebnis die Anwendung des § 131 AO über Billigkeitsmaßnahmen ausschaltet, sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt der Sinn des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG im wesentlichen darin, daß nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten zu unterschiedlicher Behandlung im Recht führen dürfen, sondern nur solche tatsächliche Ungleichheiten, denen aus Erwägungen der Gerechtigkeit auch für das Recht unterscheidende Bedeutung zukommt (Urteil 1 BvL 106/53 vom 18. Dezember 1953, BVerfGE Bd. 3 S. 225 (240)). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Gesetzgeber versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 39, 44/56 vom 17. März 1959, BVerfGE Bd. 9 S. 201 (206) und die dort angeführte Rechtsprechung). Da die Anwendung des Gleichheitssatzes immer auf dem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen gleich sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jeweils die entscheidende Frage, welche Sachverhaltselemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse dafür maßgebend sind, sie im Recht als gleich oder ungleich zu behandeln. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine ungleiche Behandlung rechtfertigt, ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 241/56 vom 21. Februar 1957, BVerfGE Bd. 6 S. 273 (280)). Hiernach hat der Gesetzgeber eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit; dieser Spielraum endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitssinn orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961, BVerfGE Bd. 12 S. 341 (348) und die dort angeführte Rechtsprechung). Wendet man diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Baulandsteuer an, so spricht vieles dafür, daß der Gleichheitssatz nicht verletzt ist. In dem bereits angeführten schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht sind im einzelnen die Gründe dargestellt, die für die vorgenommene Ausgestaltung der Steuer maßgebend waren. Das sind alles sachliche Gründe, die durch den Sinn und Zweck des Gesetzes bedingt sind. So wurden und werden zunächst nur baureife Grundstücke für den noch notwendigen Wohnraumbedarf benötigt, und diese wieder in Großstädten stärker als in Gebieten mit geringerer Wohnsiedlungstätigkeit. Daß die erhöhten Steuermeßzahlen nicht angewendet werden sollen auf Grundstücke, die im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, eines forstwirtschaftlichen Betriebs, eines gärtnerischen Betriebs oder eines Weinbaubetriebs bewirtschaftet werden, wenn der Betrieb dem Nutzungsberechtigten als Erwerbsgrundlage dient, beruht ebenfalls auf sachlich begründeten Erwägungen. Andererseits lassen sich auch berechtigte Gründe dafür anführen, die für eine Verletzung des Gleichheitssatzes sprechen und die insbesondere im Rahmen einer summarischen Prüfung zur Durchführung des Gesetzes bei Würdigung des pflichtmäßigen Ermessens - Aussetzung der Vollziehung - nicht unbeachtlich sind. Die angeführten Entscheidungen der Finanzgerichte und des Verwaltungsgerichts haben verschiedene Gründe in dieser Hinsicht angeführt. Durch die Baulandsteuer sollen bestimmte Steuerpflichtige mit baureifem Grundbesitz veranlaßt werden, diesen Grundbesitz aufzugeben oder die erhöhte Grundsteuer zu bezahlen, ohne Rücksicht darauf, ob sie berechtigte Gründe dafür haben, den Grundbesitz zu behalten. Diese Schicht der Bevölkerung wird somit, auch wenn die Beweggründe für die Einführung der Baulandsteuer durchaus anzuerkennen sind, gegenüber anderen Sachwertbesitzern stark getroffen. Hinzu kommt aber, was dem erkennenden Senat als entscheidend und ausschlaggebend erscheint, daß die Baulandsteuer mit ihrer beabsichtigten Folge des Verkaufs des Grundbesitzes die sozialschwachen Steuerpflichtigen gegenüber den kapitalkräftigen Steuerpflichtigen besonders hart trifft. Wenn es auch in der Natur einer Objektsteuer liegt, daß sich eine solche Steuer bei den einzelnen Steuerpflichtigen verschieden auswirkt, so tritt diese Wirkung durch den mit der Baulandsteuer verfolgen Zweck bei den sozialschwachen Steuerpflichtigen in besonders harter Weise auf. Letztlich stehen diese Gründe im Zusammenhang mit dem Einwand, die Baulandsteuer verstoße gegen den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit (vgl. hierzu unter Buchst. d unten).
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt das Vermögen nicht gegen Eingriffe durch Auferlegen von Geldleistungsverpflichtungen. Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum wird deshalb durch Erhebung von Abgaben grundsätzlich nicht verletzt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 239/52 vom 25. Februar 1960, BVerfGE Bd. 10 S. 354 (371) und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie bereits ausgeführt wurde, war Zweck der Baulandsteuer, durch Auferlegung von Geldleistungen einen funktionsfähigen Baulandmarkt herbeizuführen. Sinn der Vorschriften über die Baulandsteuer war also der indirekte Verkaufs- oder Bauzwang. Wenn auch die Steuer selbst unmittelbar nicht das Eigentum angreift, so ist doch fraglich, ob auf diese Weise in das Recht zur freien Verfügung über das Eigentum eingegriffen werden darf.
Was schließlich den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit anlangt, so können nach Auffassung des Senats gerade in dieser Hinsicht besondere Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer geltend gemacht werden. Zutreffend ist, daß die Belastung, die durch die Anhebung der Steuermeßzahlen von 5 auf 20 v. T. - nach Ablauf von jeweils zwei Jahren auf 25 v. T. und 30 v. T., inzwischen durch Aufhebung der Baulandsteuer weggefallen - auch im Zusammenhang mit den Einheitswerten, die noch auf der Wertbasis 1935 beruhen, gesehen werden muß. Dadurch wird aber, insbesondere auch wegen der Möglichkeit von hohen Hebesätzen, die Härte, die die Steuer für den finanzschwachen Steuerpflichtigen hat, nicht beseitigt. In den Beratungen des Bundestages zur Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur änderung des Bundesbaugesetzes - Drucksache IV/924 - (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 64. Sitzung vom 13. März 1963. S. 2996 ff.) kam zum Ausdruck, daß "draußen die Baulandsteuer zum Teil auch als unmoralisch und unsozial bezeichnet" werde. Selbst von maßgebender Seite sei erklärt worden, daß eine Entwicklung, die darauf abziele, Grundstücke, die zum Zwecke der Altersversorgung oder der Vermögensanlage für die Zukunft erworben worden seien, dem Eigentümer zu entziehen, nicht gebilligt werden könne. Nach einem Zitat in "Deutsche Wohnungswirtschaft" 1962 S. 201 hat auch der damalige Bundesfinanzminister die Auffassung vertreten, "daß gerade durch die Baulandsteuer kleines und kleinstes Eigentum an Grundbesitz getroffen werde, während großes Eigentum oder gar Spekulations-Eigentum durch diese Steuer nicht in entscheidendem Maße berührt werde". Nicht zu verkennen ist, daß die Baulandsteuer den finanziell schwachen Steuerpflichtigen, wesentlich härter trifft als den finanzkräftigen Steuerpflichtigen, und zwar sowohl hinsichtlich der Steuerbelastung als auch hinsichtlich der Folgen dieser Belastung; denn dieser war letztlich zur Aufgabe seines Eigentums gezwungen, während der andere die Belastung auf sich nehmen und diese Steuerbelastung gegebenenfalls bei einem späteren, völlig freien Verkauf in den Verkaufspreis einkalkulieren konnte.
Nochmals betont sei, daß es bei dieser Entscheidung nicht um die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer geht. Bei Würdigung aller Umstände ist aber der Senat in übereinstimmung mit der Vorinstanz der Auffassung, daß im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung doch ernste Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer bestanden haben und deshalb eine Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuermeßbescheids gerechtfertigt erschien. Eine Aussetzung mit oder gegen Sicherheitsleistung ist auch nicht dadurch mit fällig geworden, daß sich die Verfassungsbeschwerden und der Vorlagebeschluß beim Bundesverfassungsgericht erledigt haben; denn, wie der Bevollmächtigte der Bgin. zutreffend ausführte, hat das Bundesverfassungsgericht keine Entscheidung in der Sache selbst getroffen. Der Sinn des Antrags der Bgin. geht aber dahin, den Vollzug des Steuermeßbescheids auszusetzen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer ergangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411913 |
BStBl III 1966, 132 |
BFHE 1966, 368 |
BFHE 84, 368 |