Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Anerkennung einer finanziellen Eingliederung einer GmbH in ein anderes inländisches Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG genügt eine Beteiligung des anderen Unternehmens von 22,2 % aller Anteile nicht; zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses kann der Umstand, daß eine Beteiligung nur in dieser Höhe besteht, auch nicht durch eine eindeutige organisatorische und wirtschaftliche Verflechtung aufgewogen werden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) und der Firma R- GmbH ein Organschaftsverhältnis im Sinne des Gewerbesteuerrechts anzuerkennen ist.
Die Stpfl. ist eine bergrechtliche Gewerkschaft und betreibt eine Vertretung in Bergversatzrohren. Ihre Gewerken sind F. B. mit 29 und 100 Kuxen J. B. mit 30 Kuxen, E. B. mit 21 und K. B. mit 20 Kuxen.
Hauptlieferant der Stpfl. ist die R- GmbH. Die R- GmbH hat in den Jahren 1959 und 1960 eine Fabrik zur Herstellung von Bergversatzrohren errichtet, und zwar auf Veranlassung und mit finanzieller Unterstützung der Stpfl. Das Warenlager der R- GmbH wird fast ausschließlich im Interesse der Stpfl. gehalten. Die R- GmbH hat ein Nominal-Kapital von 270.000 DM. Davon befinden sich 60.000 DM = 22,2 % unmittelbar in Händen der Stpfl., 186.000 DM 68,9 % im Besitz von F. B. und die restlichen 24.000 DM = 8,9 % in Händen von J. B. Der prozentualen Beteiligung entspricht die Stimmrechtsverteilung.
Die Stpfl. und die R- GmbH bilden eine Bürogemeinschaft. Der gleiche Buchhaltungsleiter ist bei beiden Firmen angestellt. Die Repräsentantin der Stpfl. und die einzige Geschäftsführerin der R- GmbH ist F. B., die bei der R- GmbH die Stellung der beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführerin inne hat.
Es liegt eine starke Verschuldung der R- GmbH an die Stpfl. vor.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) hat für die Stpfl. den einheitlichen Meßbetrag für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlungen 1963 festgesetzt und darauf hingewiesen, daß eine Organschaft mit der R- GmbH nicht berücksichtigt werden könne, da die als Voraussetzung für die finanzielle Eingliederung im Körperschaftsteuerrecht zu fordernde unmittelbare Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Untergesellschaft nicht vorliege. Gegen diesen Bescheid des FA hat die Stpfl. Beschwerde eingelegt, die durch die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion zurückgewiesen wurde.
Die Berufung gegen diese Entscheidung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat ein Organschaftsverhältnis zwischen der Stpfl. und der R- GmbH anerkannt. In übereinstimmung mit der Beschwerdeentscheidung "bestehe an der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung der R- GmbH kein Zweifel". Auch die finanzielle Eingliederung sei zu bejahen. Die Stpfl. sei zwar direkt an der R- GmbH nur mit 22,2 % beteiligt; das Fehlen von 2,8 % Beteiligungskapital der Stpfl. werde aber mehr als wett gemacht durch die Tatsache, daß weitere 68,9 % Anteile der R- GmbH im Besitz von F. B. und weitere 8,9 % in Händen der J. B. seien und diese von den 100 Kuxen der Stpfl. auch insgesamt 59 Kuxe hätten und ferner die R- GmbH mit rund ... DM an die Stpfl. verschuldet sei. Wenn zusätzlich darauf hingewiesen werde, daß die Repräsentantin der Stpfl. F. B. zugleich bei der R- GmbH die einzige Geschäftsführerin und damit mit 68,9 % Kapitalanteil die beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin sei, so zeigten diese weiteren Umstände, daß der Betrieb der R- GmbH weit stärker abhängig und eingegliedert sei in den Betrieb der Stpfl., als wenn diese etwa 26 % Direktbeteiligung hätte, die übrigen Bindungen aber lockerer wären.
Auch wenn eine Organschaft zu verneinen sei, wäre die Gemeinschaft der beiden juristischen Personen (Stpfl. und R- GmbH), ein selbständig zur Gewerbesteuer heranzuziehender Gewerbebetrieb, da die Tätigkeit der Stpfl. und der R- GmbH als eine einheitliche und auf Erzielung eines gemeinsamen Gewinns aus Gewerbebetrieb gerichtete Tätigkeit anzusehen wäre.
Entscheidungsgründe
Das FA hat Revision eingelegt, die zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
Der Senat hat im Urteil I 338/60 U vom 23. März 1965 (BFH 82, 559, BStBl III 1965, 449) unter Berufung auf die frühere Rechtsprechung entschieden, daß die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft - die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung - im Körperschaftsteuer-Recht und Gewerbesteuer-Recht gleich sind, und diese Rechtsansicht im Urteil I 44/64 vom 26. April 1966 (BFH 86, 88, BStBl III 1966, 376) bestätigt; in dem letzten Urteil wird für die Anerkennung der finanziellen Eingliederung eine unmittelbare Beteiligung gefordert, die weder durch eine mittelbare Beteiligung noch durch Kredite ersetzt werden kann. Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen.
Der Vorinstanz kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß hier die geforderte finanzielle Eingliederung mit einer Beteiligung von 22,2 % gegeben ist. Richtig ist, daß es nach § 3 GewStDV auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Daraus wird man mit dem Urteil I 44/64 (a. a. O.) schließen dürfen, daß unter Umständen eine Organschaft auch noch anzuerkennen ist, wenn die Eingliederung bei einem der drei vom Gesetz geforderten Merkmale nicht vollkommen, dafür bei den anderen Merkmalen um so eindeutiger ist. Daß eine Beteiligung von 22,2 % der Anteile keine finanzielle Beherrschung gewährleistet, ist auch vom FG erkannt worden. Der Mangel der finanziellen Beherrschung kann bei einer Beteiligung nur in dieser Höhe auch nicht durch die Vollkommenheit der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung ausgeglichen werden. Der Stpfl. ist zuzugeben, daß das Urteil I 44/64 (a. a. O.) zur Ablehnung der Organschaft kam, weil die Obergesellschaft überhaupt keine Beteiligung besaß. Aber auch wenn eine Beteiligung gegeben ist, muß sie, um eine - wenn auch unvollkommene - Eingliederung zu bewirken, so stark sein, daß sie ein eigenes maßgebendes Mitspracherecht in der Gesellschafterversammlung gewährleistet. Eine Beteiligung kann nach den Verhältnissen des Einzelfalles ein unterschiedlich großes Gewicht haben; eine Beteiligung von 22,2 % gibt dem Beteiligten aber keinen maßgebenden Einfluß. Um seinen Willen durchzusetzen, bedarf er stets der Zustimmung der anderen Beteiligten. Daß im Streitfall anzunehmen ist, daß die anderen Beteiligten infolge der organisatorischen Verflechtung mit der Stpfl. einer Meinung sein werden, führt nicht zu der vom Gesetz geforderten finanziellen unmittelbaren Eingliederung der R- GmbH in die Stpfl. Eine finanzielle Eingliederung ist also nicht festzustellen.
Auch die vom FG hilfsweise herangezogene Begründung, es läge eine Gemeinschaft der beiden juristischen Personen (Stpfl. und R- GmbH), vor, da die Tätigkeit der Stpfl. und der R- GmbH als eine einheitliche auf die Erzielung eines gemeinsamen Gewinns aus Gewerbebetrieb gerichtete Tätigkeit anzusehen sei, kann die Vorentscheidung nicht stützen. Im Urteil I 251/60 S vom 7. März 1961 (BFH 72, 578, BStBl III, 211) hat der erkennende Senat betont, daß der Betrieb einer Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes stets einen selbständigen Gewerbebetrieb darstellt; eine gewerbesteuerliche Unternehmenseinheit ist deshalb, von der Organschaft abgesehen, zwischen Kapitalgesellschaften nicht möglich.
Fundstellen
Haufe-Index 424197 |
BStBl III 1967, 259 |
BFHE 1967, 32 |
BFHE 88, 32 |