Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 WoBauG, wonach bei der Schaffung von steuerbegünstigten Wohnungen die Grundsteuer auf die Dauer von 10 Jahren nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden darf, in dem die neugeschaffenen Wohnungen nicht berücksichtigt sind, enthält grundsätzlich eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags.
Die Erstarrung schließt nicht aus, notwendige Korrekturen an diesem Grundsteuermeßbetrag anzubringen.
Normenkette
WoBauG § 7 Abs. 1; 2-WoBauG 7/1; GrStG § 13 Abs. 1, § 14/1, § 15/1
Tatbestand
Streitig ist, nach welchem Steuermeßbetrag ab 1. April 1953 die Grundsteuer für ein Grundstück zu erheben ist, dessen Gebäude durch Kriegseinwirkung völlig zerstört war und bei dessen Wiederaufbau im Jahre 1952 nur steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen worden sind.
Es handelte sich ursprünglich um ein Mietwohngrundstück (Altbau), dessen Einheitswert zum 1. Januar 1935 auf 21.700 RM festgestellt war. Die Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 ergab einen Restwert (Wertanteil des Grund und Bodens) von 15 v. H. des Einheitswerts oder 3.255 DM; von diesem Betrag wurde wegen Belastung des Grundstücks mit Trümmern noch ein Abschlag von 814 DM (25 v. H. von 3.255 DM) zugelassen, so daß sich ein Einheitswert von 2.400 DM und ein Grundsteuermeßbetrag von 24 DM (10 v. T. von 2.400 DM) ergab. Im Jahre 1952 erwarben die Beschwerdeführer (Bf.) das Grundstück durch Kauf und errichteten auf ihm noch im gleichen Jahr einen Neubau (Mietwohngrundstück). Die weitere Fortschreibung des Einheitswerts zum I. Januar 1953 ergab einen Wert von 45.100 DM, die Veranlagung des Grundsteuermeßbetrags zum gleichen Stichtag - nachdem die Bf. innerhalb der Rechtsmittelfrist den Nachweis erbracht hatten, daß in dem Neubau nur steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen worden waren - einen Betrag von 46,90 DM (7 v. T. von 6.700 DM). Der Betrag von 6.700 DM stellt den Anteil des Grund und Bodens am Einheitswert des wiederaufgebauten Grundstücks, und zwar 15 v. H. von 45.100 DM, dar.
Die Bf. haben beantragt, die Grundsteuer nicht nach einem Steuermeßbetrag von 46,90 DM (7 v. T. des anteiligen Bodenwerts vom 1. Januar 1953), sondern nach einem Steuermeßbetrag von 24 DM (10 v. T. des anteiligen Bodenwerts vom 21. Juni 1948) zu erheben. Die Vorinstanzen sind demgegenüber der Auffassung, daß der Steuermeßbetrag nach dem für das wiederaufgebaute Grundstück festgestellten Einheitswert vom 1. Januar 1953 zu veranlagen sei. Dieser Einheitswert müsse in einen Bodenwertanteil und einen Gebäudewertanteil aufgeteilt werden. Da das neue Gebäude nur steuerbegünstigte Wohnungen enthalte, sei der Veranlagung des Steuermeßbetrags nur dieser Bodenwertanteil zugrunde zu legen. Mit der Ermittlung des Bodenwertanteils und der Anwendung der Steuermeßzahl für bebaute Grundstücke werde derjenige Steuermeßbetrag gefunden, in dem die neugeschaffenen, steuerbegünstigten Wohnungen nicht berücksichtigt seien.
Die Bf. halten diese Berechnung nicht für richtig. Nach ihrer Auffassung unterstellt das Finanzgericht zu Unrecht, daß die allgemeinen Grundsätze des Bewertungs- und Grundsteuerrechts auch für die Anwendung des § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) maßgeblich seien. Diese Annahme sei jedoch unzutreffend. Für steuerbegünstigte Wohnungen im Sinne des § 7 WoBauG sei eine Sonderregelung getroffen, die bewußt nicht in das Grundsteuergesetz (GrStG) aufgenommen worden sei. Es sei zwar zuzugeben, daß die Vorschrift in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoBauG nicht völlig eindeutig sei; diese Zweifel würden aber durch die Vorschrift des Satzes 2 a. a. O. behoben.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat teilweise Erfolg.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WoBauG darf bei der Schaffung von steuerbegünstigten Wohnungen durch Neubau, durch Wiederaufbau zerstörter oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude oder durch Ausbau oder Erweiterung bestehender Gebäude die Grundsteuer auf die Dauer von 10 Jahren nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden, in dem die neugeschaffenen Wohnungen nicht berücksichtigt sind; und ergänzend dazu Satz 2: Bei dem Wiederaufbau zerstörter oder der Wiederherstellung beschädigter Gebäude ist bis zu dem Zeitpunkt, von dem ab die Grundsteuer nach Maßgabe der Fortschreibung des Einheitswerts auf den 21. Juni 1948 erhoben wird, die auf Grund von Grundsteuerbilligkeitsrichtlinien wegen Ertragsminderung gesenkte Grundsteuer zu zahlen. Diese Vorschrift wird in der Verwaltungsanordnung über die Grundsteuervergünstigung nach dem WoBauG vom 30. Juni 1951 (Bundesanzeiger Nr. 126 vom 4. Juli 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 I S. 238) dahin ausgelegt, daß dann, wenn das neu errichtete Gebäude eines Grundstücks nur steuerbegünstigte Wohnungen enthält, der Steuermeßbetrag anzuwenden ist, der in Betracht käme, wenn die neugeschaffenen Wohnungen nicht erstellt wären (Abschn. 11 der Verwaltungsanordnung). Wenn also z. B. auf einem unbebauten Grundstück ein Gebäude errichtet wird, das nur steuerbegünstigte Wohnungen enthält, soll die Grundsteuer auch weiterhin nach einem Grundsteuermeßbetrag für das Bauland erhoben werden (Abschn. 21 der Verwaltungsanordnung). Die Vorschrift des Nebensatzes in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoBauG "bis zu dem Zeitpunkt, von dem ab die Grundsteuer nach Maßgabe der Fortschreibung des Einheitswerts auf den 21. Juni 1948 erhoben wird" soll bedeuten, daß auch für ein Trümmergrundstück, dessen Gebäude nach dem Wiederaufbau nur steuerbegünstigte Wohnungen enthält, der für das Trümmergrundstück auf den 21. Juni 1948 festgesetzte Grundsteuermeßbetrag auch weiterhin anzusetzen ist (vgl. Abschn. 26 der Verwaltungsanordnung).
Kommt man zu dem Ergebnis, daß bei Errichtung eines Gebäudes, das nur steuerbegünstigte Wohnungen enthält (sei es, daß es sich um einen Neubau auf einem bisher unbebauten Grundstück, sei es, daß es sich um den Wiederaufbau eines kriegszerstörten Gebäudes handelt), der Steuermeßbetrag anzuwenden ist, der in Betracht käme, wenn die neugeschaffenen Wohnungen nicht erstellt wären, so bedeutet das in diesen Fällen eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags. Die Frage, ob die Vorschrift des § 7 Abs. 1 WoBauG eine solche Erstarrung enthält, ist im Schrifttum und in der Praxis lebhaft erörtert worden.
Für eine Auslegung der genannten Vorschrift im Sinne einer Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags treten vor allem ein: Fischer-Dieskau und Pergande (Kommentar "Das Erste Wohnungsbaugesetz des Bundes" 2. Aufl. Anm. 8 zu § 7); Hoffmann (Deutsche Wohnungs-Wirtschaft, 1953 Heft 12 S. 290); Scholz (Kommentar "Grundsteuergesetz" Anm. 11 zu § 28); Stadler ("Handbuch der Wohnungsbauförderung und des sozialen Wohnungsbaus" S. 190). Soweit der Senat erkennen kann, wird die Beibehaltung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags vor allem damit begründet, der Bauherr müsse bei der Aufstellung eines Finanzierungsplans die Höhe der künftig zu entrichtenden Grundsteuer kennen und sich darauf verlassen können, daß sich auch bei einer durch die Bebauung veranlaßten Fortschreibung des Einheitswerts die Grundsteuer nicht erhöhe; unter keinen Umständen solle der Finanzierungsplan durch eine nachträgliche änderung der Grundsteuer irgendwie beeinträchtigt werden.
Gegen die Auslegung im Sinne einer Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags wenden sich die Behörden der Finanzverwaltung. Sie erblicken in einer Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags einen Verstoß gegen die Systematik des Bewertungs- und Grundsteuerrechts. Das könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist durch verschiedene Urteile von Finanzgerichten bestätigt worden (vgl. "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1953 S. 58, 1954 S. 295 und 1955 S. 177).
Der Senat geht von folgenden überlegungen aus:
In dem Einheitswertbescheid über ein Grundstück sind nach § 216 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) außer über den Wert und die steuerliche Zurechnung auch, soweit es für die Besteuerung erforderlich ist, Feststellungen über die Grundstücksart (z. B. bebautes oder unbebautes Grundstück, Altbau oder Neubau, Mietwohngrundstück, Einfamilienhaus usw.) zu treffen. (Diese Vorschrift ist deswegen für die Grundsteuer von besonderer Bedeutung, weil die Steuermeßzahlen für die einzelnen Grundstücksarten verschieden sind.) Demgemäß werden der Veranlagung der Grundsteuermeßbeträge nicht lediglich die in den Einheitswertbescheiden festgestellten Einheitswerte, sondern auch alle anderen in diesen Bescheiden getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt (ß 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 2 und § 15 Abs. 1 Satz 2 GrStG).
Wenn auf einem bisher unbebauten Grundstück ein Gebäude errichtet wird, ändert sich die Grundstücksart (aus einem unbebauten Grundstück wird ein bebautes Grundstück). Wenn auf einem Grundstück mit kriegszerstörtem Gebäude (bisher Altbau) das Gebäude wiederaufgebaut wird, wird dieses Gebäude bei der Fortschreibung des Einheitswerts für das Grundstück nicht als Altbau, sondern als Neubau behandelt (vgl. hierzu Abschn. 13 Abs. 1 der Verwaltungsanordnung). Die Anordnung, bei der Errichtung von Neubauten mit steuerbegünstigten Wohnungen den Steuermeßbetrag anzuwenden, der in Betracht käme, wenn die neugeschaffenen Wohnungen nicht erstellt wären, steht somit nicht in übereinstimmung mit den maßgebenden Vorschriften des Bewertungs- und Grundsteuerrechts.
Bei der Grundsteuervergünstigung nach § 7 WoBauG handelt es sich im Grunde um eine teilweise Steuerbefreiung. Teilweise Steuerbefreiungen werden aber bei der Grundsteuer (z. B. in den Fällen des § 4 GrStG) in der Weise durchgeführt, daß der für den ganzen Steuergegenstand festgestellte Einheitswert in einen steuerpflichtigen und einen steuerbefreiten Teil aufgeteilt wird. Es ist auch zulässig, einen Einheitswert nur für den steuerpflichtigen Teil festzustellen. Immer aber wird - was entscheidend ist - die für den ganzen Steuergegenstand maßgebende Steuermeßzahl auf den steuerpflichtigen Teil angewendet. Auch danach kann kein Zweifel bestehen, daß die behauptete Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags in § 7 Abs. 1 WoBauG mit der Systematik des GrStG nicht in Einklang steht.
Bei der Schaffung des GrStG 1936 hat der Gesetzgeber den Standpunkt vertreten, daß alle Vorschriften, die eine Steuervergünstigung vorsehen, in das GrStG gehörten; Vergünstigungen in anderen Gesetzen machten den Rechtsstoff unübersichtlich und erschwerten die Durchführung der Steuervergünstigungen. Demgemäß sind seinerzeit alle Befreiungs- und Ermäßigungsvorschriften, die vorher (nicht immer aus sachlichen Gründen) in andere Gesetze aufgenommen worden waren, durch § 31 GrStG aufgehoben worden. Daß der Gesetzgeber in diesem Punkte auch heute noch die gleiche Auffassung vertritt, sich aus der Aufrechterhaltung des § 31 GrStG in der Fassung des Grundsteueränderungsgesetzes vom 10. August 1951. Um so schwerer ist es zu verstehen, daß die Vorschriften über die Grundsteuervergünstigungen nach dem WoBauG nicht ihren Platz im GrStG gefunden haben.
Die Gründe, die für die Notwendigkeit einer Erstarrung der Grundsteuermeßbeträge angegeben werden, hält die Gegenseite nicht für zwingend. Regelmäßig würden sich bei der Festsetzung der Grundsteuermeßbeträge nach den Regeln des GrStG gegenüber einer Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags keine besonders großen Unterschiede an Grundsteuer (weder nach oben noch nach unten) ergeben. Im Streitfall trifft das zu. Der Unterschied beim Grundsteuermeßbetrag beträgt nur 22,90 DM und bei der Grundsteuer jährlich nur 57,25 DM (und dies, obwohl bei der Berechnung der Bf. ein Bodenwertanteil von 2.400 DM und bei der Berechnung der Vorinstanzen ein solcher von 6.700 DM angesetzt ist). Bei einer Jahresrohmiete von 5.311 DM, die im Streitfall der Einheitsbewertung des Grundstücks nach seinem Wiederaufbau zugrunde liegt, fällt ein Betrag von jährlich 57,25 DM Grundsteuer - wie zuzugeben ist - allerdings nicht besonders ins Gewicht.
Auf Grund dieser überlegungen kommt der Senat in übereinstimmung mit den Vorinstanzen zu dem Ergebnis, daß die von den Bf. behauptete Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags der Systematik des Grundsteuerrechts widerspricht. Der Senat ist auch der Auffassung, daß die Vorschrift des § 7 Abs. 1 die Erstarrung nicht eindeutig anordnet und darüber hinaus noch eine Reihe von Zweifelsfragen offen läßt. Trotzdem muß angenommen werden, daß bei der Schaffung der genannten Vorschrift grundsätzlich an eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags gedacht war. Hierfür sprechen die zur streitigen Frage bekanntgewordenen amtlichen Verlautbarungen (insbesondere die Begründung zum WoBauG, die Verhandlungen im Bundestag und die Verwaltungsanweisungen und hier wieder im besonderen Maße die Beispiele in der Verwaltungsanordnung).
Die weitere Frage ist, wieweit die Erstarrung des Steuermeßbetrags reicht. Die Verwaltungsanordnung geht offensichtlich nicht davon aus, daß bei der Errichtung von Neubauten mit steuerbegünstigten Wohnungen in allen Fällen eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags eintritt und daß auch in allen Fällen die Erstarrung eine vollständige ist. Das ergibt sich vor allem aus Abschn. 15 sowie dem Beispiel in Abschn. 25 der Verwaltungsanordnung. Auch der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß die Erstarrung nur für die Regelfälle gilt. In den Fällen, in denen an dem Steuergegenstand außer durch den Neubau, Wiederaufbau usw. noch weitere Veränderungen eingetreten sind, kann die Erstarrung nicht gelten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 166/54 S vom heutigen Tag) BStBl 1956 III S. 10. In den Fällen der Erstarrung muß diese nicht immer eine vollständige sein. Das zeigt der Streitfall. Hier ist bei der Feststellung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 wegen der Belastung des Grundstücks mit Trümmern ein Abschlag vom Einheitswert gewährt worden. Es würde jeder Vernunft widersprechen, wollte man in einem solchen Fall, in dem die Belastung des Grundstücks mit Trümmern nicht mehr gegeben ist, eine solche auf die Dauer von zehn Jahren noch unterstellen. Die Verwaltungsanordnung nimmt zu dieser Frage keine Stellung. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß es trotz der grundsätzlichen Erstarrung des Steuermeßbetrags möglich sein muß, notwendige Korrekturen am Steuermeßbetrag anzubringen. Bei diesen Korrekturen kann es sich aber nur um solche handeln, die ohne Aufrollung von Bewertungsfragen möglich sind. Im Streitfall ergibt sich bei Ausscheidung des Abschlags wegen Trümmerbelastung ein Einheitswert von 3.200 DM und ein Grundsteuermeßbetrag von 32 DM. Auf diesen Betrag war daher unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1954 und des Grundsteuermeßbescheids vom 18. Juni 1953 der Grundsteuermeßbetrag für das streitige Grundstück nach dem Stande vom 1. Januar 1953 festzusetzen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf §§ 307 ff. AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408329 |
BStBl III 1956, 8 |
BFHE 1956, 19 |
BFHE 62, 19 |