Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags nach § 7 Abs. 1 WoBauG (Urteil III 102/55 S vom 18. November 1955) gilt nur für die Regelfälle. In den Fällen, in denen an dem Steuergegenstand außer durch den Neubau, Wiederaufbau usw. noch weitere Veränderungen eingetreten sind, kann die Erstarrung nicht gelten.
Normenkette
WoBauG § 7 Abs. 1; 2-WoBauG 7/1; GrStG § 13 Abs. 1, § 14/1, § 15/1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) war Eigentümer eines unbebauten Grundstücks mit 3.006 qm Fläche. Für dieses Grundstück betrug der zuletzt (auf den 1. Januar 1940) festgestellte Einheitswert 7.500 RM und der Grundsteuermeßbetrag 75 RM. Im Jahre 1949 verkaufte der Bf. aus diesem unbebauten Grundstück zwei Teilflächen von 138 qm und 419 qm an zwei benachbarte Grundstückseigentümer, so daß noch eine Restfläche von 2.449 qm verblieb. Auf diesem Restgrundstück errichtete der Bf. ein Einfamilienhaus, das am 1. April 1949 bezugsfertig wurde. Die Feststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1950 ergab 25.600 DM, die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags 204,80 DM. Die Bescheide hierüber sind unanfechtbar geworden.
In dem hier in Betracht kommenden Land Bremen ist nachträglich durch Landesgesetz vom 10. Mai 1951 bestimmt worden, daß für Wohnungen, deren Bau erst nach dem 20. Juni 1948 begonnen worden ist und die bis zum 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden sind, vom 1. April 1951 ab die Grundsteuervergünstigung gemäß § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) gewährt wird (ß 8 a. a. O.). Das vom Bf. errichtete Einfamilienhaus fällt unter diese Vorschrift. Hierüber besteht kein Streit. Streitig ist lediglich, in welchem Umfang die Steuervergünstigung zu gewähren ist.
Das Finanzamt setzte den Grundsteuermeßbetrag für den nicht steuerbegünstigten Teil des Grundstücks auf 102,40 DM (8 v. T. von 12.800 DM) fest. Demgegenüber vertrat der Bf. die Auffassung, daß der Steuermeßbetrag nur auf der Grundlage des bisherigen Einheitswerts von 7.500 DM festgesetzt werden dürfe.
Das Finanzamt lehnte in der Einspruchsentscheidung diese Auffassung als unzutreffend ab, setzte aber den Steuermeßbetrag von 102,40 DM auf 93,60 DM (8 v. T. von 11.700 DM) herab.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf folgenden Erwägungen: Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WoBauG dürfe bei der Schaffung von steuerbegünstigten Wohnungen die Grundsteuer auf die Dauer von zehn Jahren nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden, in dem die neugeschaffenen Wohnungen nicht berücksichtigt seien. Der für die Berechnung der Grundsteuer maßgebende Steuermeßbetrag sei aber nach den §§ 11 und 10 des Grundsteuergesetzes (GrStG) durch Anwendung eines Tausendsatzes (Steuermeßzahl) auf den Einheitswert zu ermitteln. Grundsteuer und Grundsteuermeßbetrag stünden also im Zusammenhang mit der Einheitsbewertung. Aus dem Einheitswert sei der Grundsteuermeßbetrag abzuleiten. Deshalb müsse auch bei einem nach § 7 WoBauG steuerbegünstigten Grundstück der festzusetzende Steuermeßbetrag aus dem für dieses Grundstück festgestellten Einheitswert hergeleitet werden. Dies könne, wenn man die Systematik der Bewertung und die in § 11 GrStG vorgeschriebene Regelung über die Festsetzung der Grundsteuermeßbeträge nicht verlassen bzw. beiseiteschieben wolle, bei einem Neubau nur in der Weise geschehen, daß der für den Neubau festgestellte oder festzustellende Einheitswert aufgeteilt werde. Durch die Ermittlung des Anteils, mit dem der Grund und Boden in dem festgestellten Einheitswert enthalten sei, und Anwendung der Steuermeßzahl für bebaute Grundstücke werde auch in einem solchen Falle der Grundsteuermeßbetrag gefunden, in dem die neugeschaffene Wohnung nicht berücksichtigt sei.
Demgegenüber ist der Bf. der Meinung, daß die allgemeinen Grundsätze des Bewertungs- und Grundsteuerrechts für die Anwendung des § 7 WoBauG nicht maßgeblich seien; für die steuerbegünstigten Wohnungen sei vielmehr eine Sonderregelung geschaffen worden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Der Senat hat im Urteil III 102/55 S vom 18. November 1955 entscheiden, daß die Vorschrift des § 7 Abs. 1 WoBauG, wonach bei der Schaffung von steuerbegünstigten Wohnungen die Grundsteuer auf die Dauer von zehn Jahren nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden darf, in dem die neugeschaffenen Wohnungen nicht berücksichtigt sind, grundsätzlich eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags enthält. In diesem Urteil ist bereits unter Hinweis auf die Ausführungen in der Verwaltungsanordnung über die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz vom 30. Juni 1951 (Bundesanzeiger Nr. 126 vom 4. Juli 1951, Bundessteuerblatt 1951 I S. 238) zum Ausdruck gebracht, daß bei der Errichtung von Neubauten mit steuerbegünstigten Wohnungen nicht in allen Fällen eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags eintritt. Der Bundesminister der Finanzen, der zur Streitsache mit Schreiben vom 25. Mai 1955 Stellung genommen hat, hat zu dieser Frage folgendes ausgeführt:
"Die Verwaltungsanordnung bringt nur eine Regelung für die Normalfälle. Sonderfälle bedurften von Anfang an einer besonderen Behandlung. In diesen Sonderfällen wird, wie es dem Grundsteuerrecht allgemein entspricht, eine Aufteilung des nach der Durchführung des Bauvorhabens festgestellten Einheitswerts in einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil durchgeführt, und auf den steuerpflichtigen Teil dann die maßgebende Steuermeßzahl angewendet.
Eine Werkstatt zum Beispiel, die bisher nach der Jahresrohmiete mit 5.000 DM bewertet war, (Steuermeßzahl 10 v. T. - Altbau-Meßbetrag 50 DM) wird zu steuerbegünstigten Wohnungen umgebaut. Neuer Einheitswert 12.000 DM, Steuermeßzahl 7 v. T. (Neubau), neuer Steuermeßbetrag 84 DM. Die Anwendung des Abschnitts 15 Abs. 1 der Verwaltungsanweisung würde in diesem Fall bedeuten, daß der Eigentümer nach dem Ausbau der Werkstatt Bauwerke versteuern müßte, die an sich zu den steuerbegünstigten Wohnungen gehören. Ein Bodenwert war bisher nicht festgestellt. In diesem Fall bleibt nichts anderes übrig, als den neuen Einheitswert in den steuerpflichtigen Bodenwertanteil und in den steuerbegünstigten Gebäudewertanteil aufzuteilen. Dieser Bodenwertanteil ist dann die Grundlage für die Festsetzung des Steuermeßbetrags.
ähnliche Fälle ergeben sich bei Ausbau mit steuerbegünstigten Wohnungen in Verbindung mit dem Abbruch eines bisherigen Bauwerks, beim Wiederaufbau eines Grundstücks, das wegen eines benutzbaren Kellers am 21. Juni 1948 als teilzerstört behandelt worden war usw. Es kommt auch vor, daß Gelände, auf dem ein größeres Wohnungsbauvorhaben durchgeführt werden soll, ursprünglich aus verschiedenen Grundstücksarten und verschiedenen wirtschaftlichen Einheiten bestand. Dieses Gelände wird zu einem einheitlichen Komplex vereinigt, auf dem dann nach Gesichtspunkten moderner Bauplanung die einzelnen Gebäude so angelegt werden, daß nicht mehr festzustellen ist, welche Grundstücksfläche von den bisherigen Einheiten jeweils nun auf die neuen Einheiten entfällt. Auch hier läßt sich die Grundsteuervergünstigung nur so durchführen, daß der neue Einheitswert aufgeteilt und die für den Neubau maßgebende Meßzahl angewendet wird."
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Er kommt gleichfalls zu dem Ergebnis, daß die Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags nur für die Regelfälle gilt. In den Fällen, in denen an dem Steuergegenstand außer durch den Neubau, Wiederaufbau usw. noch weitere Veränderungen eingetreten sind, kann die Erstarrung nicht gelten. Im Streitfall ist ein Zurückgreifen auf den früheren, für das unbebaute Grundstück festgesetzten Grundsteuermeßbetrag nicht möglich, weil die Grundfläche des jetzigen bebauten Grundstücks nicht mehr mit der Größe des früheren unbebauten Grundstücks übereinstimmt, sondern wegen des Abverkaufs von zwei Teilflächen kleiner ist. Eine verhältnismäßige Aufteilung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags auf den verbliebenen Teil und auf die verkauften Teile ist abzulehnen. Andernfalls müßte erst wieder geprüft werden, ob die betreffenden Teile gleichwertig sind. Das könnte aber nur im Einheitswertverfahren geschehen. Hinzu kommt noch, daß hier die Grundsteuer bereits für das Rechnungsjahr 1950 nach dem für das bebaute Grundstück festgesetzten Grundsteuermeßbetrag erhoben worden ist.
Im Streitfall mußte daher aus dem für das bebaute Grundstück festgestellten Einheitswert der Bodenwertanteil ermittelt werden. Hierbei ist zu bedenken, daß dieser in der Regel nicht dem gemeinen Wert des Grund und Bodens gleichgestellt werden kann, sondern niedriger liegt. Das haben die Vorinstanzen berücksichtigt. Auf Grund einer gutachtlichen äußerung der Katasterbehörde sind sie von einem qm-Preis von 5 DM ausgegangen und haben den Bodenwertanteil des festgestellten Einheitswerts nach dem Verhältnis des Gesamtwerts zum Grund- und Bodenwert ermittelt. Dieses Vorgehen läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Es handelt sich um eine tatsächliche Feststellung, an die der Senat bei der beschränkten Natur der Rb. gebunden ist.
Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408330 |
BStBl III 1956, 10 |
BFHE 1956, 24 |
BFHE 62, 24 |