Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, daß es bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) und des Gewerbekapitals (§ 12 GewStG) nach dem vor Inkrafttreten des GewStÄndG vom 30. Juli 1963 (BGBl I S. 563) geltenden Rechtszustand an einer auch die Personengesellschaften und Einzelkaufleute umfassenden Regelung des Schachtelprivilegs (§§ 7 GewStG, 9 KStG, 12 GewStG, 60 BewG a. F.) fehlte.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; GewStG §§ 7, 9 Nr. 2a, § 12; KStG § 9; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 60
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin ist die Rechtsnachfolgerin der W-KG (der Steuerpflichtigen), die im Jahre 1956 an mehreren Kapitalgesellschaften zu mehr als einem Viertel beteiligt war, ohne daß diese Beteiligungen als Organschaftsverhältnisse ausgestaltet waren.
Der im Jahre 1956 erzielte Gewinn der Steuerpflichtigen enthielt Gewinnbeträge aus diesen Beteiligungen in Höhe von 985 345 DM. Der Einheitswert des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen auf den 1. Januar 1956 umfaßte Beteiligungen in einer Höhe von 52 957 498 DM.
Bei der Berechnung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für das Jahr 1956 erfaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den auf die Beteiligungen entfallenden Gewinn bei der Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 GewStG); auch das Gewerbekapital (§ 12 GewStG) wurde unter Einbeziehung der Beteiligungen angesetzt (Bescheid vom 3. Dezember 1963).
Die gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1963 erhobene Sprungberufung, die vom FG als Sprungklage behandelt wurde, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils führte das FG aus: Das FA habe bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu Recht den auf die Beteiligungen entfallenden Gewinn mit herangezogen; ebenso sei es zutreffend gewesen, bei der Ermittlung des Gewerbekapitals den Wert der Beteiligungen anzusetzen. Der Antrag der Klägerin, entsprechend der für Kapitalgesellschaften geltenden Regelung die auf die Beteiligungen entfallenden Gewinnanteile bei der Gewinnermittlung außer Ansatz zu lassen (vgl. §§ 7 GewStG, 9 Abs. 1 KStG) und die Beteiligungen auch nicht der Ermittlung des Gewerbekapitals zugrunde zu legen (vgl. §§ 12 Abs. 1 GewStG, 60 Abs. 1 BewG), sei unbegründet. Der Gesetzgeber habe für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum eine solche Abzugsmöglichkeit nicht vorgesehen. Die in § 9 GewStG 1955 enthaltenen Vorschriften über Kürzungen des Gewinns beträfen nicht den Fall der Steuerpflichtigen. Auch die Kürzungsbestimmung für die Ermittlung des Gewerbekapitals (§ 12 GewStG) träfen auf die Steuerpflichtige nicht zu. Der Gesetzgeber habe die Kürzungsmöglichkeiten eindeutig und vollständig im Gesetz normiert; eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf ähnlich liegende Sachverhalte sei nicht möglich. Die Rechtslage habe sich erst nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Juli 1963 (BGBl I 1963 S. 563, BStBl I 1963, 557) geändert. Durch diese Gesetzesänderung sei in § 9 GewStG die Vorschrift der Nr. 2a eingefügt worden; damit sei den Personengesellschaften die Möglichkeit zu einer Kürzung ihres Gewinns um die Gewinnanteile aus wesentlichen Beteiligungen eingeräumt worden. Gleichzeitig sei durch Einfügung der Nr. 2a in § 12 Abs. 3 GewStG den Personengesellschaften die Kürzung des Gewerbekapitals um den Wert dieser Beteiligungen gestattet worden. Die genannten Vorschriften wirkten aber ausdrücklich nur bis auf den 1. Januar 1962 zurück. Damit sei klargestellt, daß eine weitere Rückwirkung als bis zum 1. Januar 1962 vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei. Eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Gesetzeslücke habe somit im Jahre 1956 nicht vorgelegen. Hieraus müsse gefolgert werden, daß der Gesetzgeber die Benachteiligung von Personengesellschaften bewußt in Kauf genommen habe. In dieser Benachteiligung liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Bei der Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften müsse von zwei grundverschiedenen Sachverhalten ausgegangen werden, die nicht miteinander verglichen werden könnten.
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheid dergestalt zu ändern, daß der Gewerbeertrag um die Gewinne aus den Anteilen an den Kapitalgesellschaften in Höhe von 985 345 DM gekürzt und das Gewerbekapital um die im Einheitswert des Betriebsvermögens enthaltenen Werte dieser Beteiligungen in Höhe von 52 957 498 DM gemindert werde. Zur Begründung der Revision führt sie aus, daß sich aus der im Jahre 1956 geltenden Regelung des GewStG für die Steuerpflichtige eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung ergebe. Ihre auf wesentliche Anteile an Kapitalgesellschaften entfallenden Gewinne und die Anteile selbst würden sowohl bei den Kapitalgesellschaften als auch bei der Steuerpflichtigen als der die Anteile haltenden Personengesellschaft zur Gewerbesteuer herangezogen. Hätte sie damals in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft bestanden, so wären ihre Gewinnanteile und ihr Anteilsbesitz infolge des für Kapitalgesellschaften geltenden Schachtelprivilegs nur einmal erfaßt worden. Aus der geschichtlichen Entwicklung des Gewerbesteuerrechts ergebe sich, daß der Gesetzgeber bei der Übernahme des körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs in die Gewerbesteuer den gleichliegenden Fall des Haltens wesentlicher Anteile durch eine Personengesellschaft einfach übersehen habe. Von der leitenden Idee der Steuerpolitik, die bei Schaffung des GewStG vom 1. Dezember 1936 maßgebend war, könne diese Benachteiligung einer Personengesellschaft nur als planwidrig bezeichnet werden. Sie vertrage sich nicht mit der betonten Hervorhebung des Wertes der Persönlichkeit und der damit verbundenen bewußten Förderung des Einzelunternehmens und der Personengesellschaften. Diese "planwidrige Unvollständigkeit" müsse von der Rechtsprechung beachtet werden. Zur Herstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse die Lücke, die im früheren Gewerbesteuerrecht bestanden habe, ausgefüllt werden (vgl. Urteil des BFH VI 115/60 S vom 17. März 1961, BFH 73, 213, BStBl III 1961, 346). Dabei seien die aus Gesetz und Recht zu entnehmenden Grundsätze mit Hilfe der Analogie auf die vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfaßten Fälle ausdehnend anzuwenden. Das müsse im vorliegenden Fall dazu führen, das Schachtelprivileg auch bei der Besteuerung von Personengesellschaften anzuwenden. - Bei der Anwendung der hier maßgebenden Vorschriften müsse außerdem beachtet werden, daß die gerügte Benachteiligung der Personengesellschaften mit dem System des Gewerbesteuerrechts unvereinbar sei. Die doppelte Heranziehung ein und desselben Gewerbeertrags und -kapitals durch die Gewerbesteuer widerstreite dem (u. a. in § 28 GewStG zum Ausdruck kommenden) Grundsatz, daß das Aufkommen eines Gewerbebetriebs (nur) der Gemeinde zugute kommen solle, in der er belegen sei. Erhöhe sich die Gewerbesteuer des Mutterunternehmens wegen des Anteilsbesitzes an Kapitalgesellschaften und der daraus fließenden Erträge, so kämen die Betriebstätten-Gemeinden in den Genuß von Steuern, die aus der Beteiligung an nicht in der Betriebstätten-Gemeinde liegenden Unternehmen herrührten. - Schließlich gebiete auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), tatbestandsmäßig Gleiches rechtlich gleich zu behandeln. Die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften bei der steuerlichen Erfassung von wesentlichen Beteiligungen sei willkürlich, weil kein sachlicher Grund für ihre Rechtfertigung zu erkennen sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Fehlen einer für alle Gesellschaftsarten geltenden Regelung des Schachtelprivilegs bei der Besteuerung des Gewerbeertrags kann nicht als Regelungslücke und auch nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) angesehen werden.
1. Die Bemessung des Gewerbeertrags hat ihre rechtliche Grundlage in der Vorschrift des § 7 GewStG. Hiernach ist Gewerbeertrag "der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb ..., vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge".
Durch die Bezugnahme auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG einerseits und des KStG andererseits werden bei der gewerbesteuerlichen Erfassung des betrieblichen Ertrags einige Unterschiede in das Gewerbesteuerrecht eingeführt, die ausschließlich darin ihren Grund haben, daß der zu besteuernde Betrieb einem entweder dem Einkommensteuerrecht oder dem Körperschaftsteuerrecht unterfallenden Rechtsträger zuzurechnen ist. Zwar gelten die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts auch im Körperschaftsteuerrecht (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG); gewisse Vorschriften, wie z. B. die über die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) und das Schachtelprivileg (§ 9 KStG), gelten dagegen nur für diejenigen Rechtspersonen, die vom persönlichen Geltungsbereich des KStG umfaßt werden (vgl. BFH-Urteil I R 122/68 vom 2. Dezember 1970, BFH 101, 79, BStBl II 1971, 187). Sonach kann der der Besteuerung zugrunde zu legende Gewerbeertrag in seiner Höhe davon beeinflußt werden, ob als Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG) eine - nach Einkommensteuerrecht zu besteuernde - Personengesellschaft (wie z. B. eine OHG oder KG) oder eine - dem Körperschaftsteuerrecht unterliegende - Kapitalgesellschaft (wie z. B. eine AG oder GmbH) besteuert wird.
2. Eine verschieden hohe Besteuerung kann sich insbesondere bei der Anwendung des sogenannten "Schachtelprivilegs" (§ 9 KStG) ergeben; hiernach bleiben bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die nachweislich seit Beginn des Wirtschaftsjahres ununterbrochen an dem Grund- oder Stammkapital einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt sind, die auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile außer Ansatz. Eine solche Vergünstigung galt für Personengesellschaften bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Juli 1963 (a. a. O.) nicht; bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrags mußte deshalb der auf den Anteilsbesitz entfallende Gewinn als Ertrag der die Beteiligungen haltenden Personengesellschaft angesehen werden, obwohl er bereits bei der Kapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer erfaßt worden war.
3. Die unterschiedliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften bei der Besteuerung ihrer Erträge aus wesentlichen Beteiligungen wirft die Frage auf, ob das Fehlen einer dem Schachtelprivileg entsprechenden Regelung für Personengesellschaften (und Einzelkaufleuten) eine Gesetzeslücke darstellt, die durch rechtsähnliche Anwendung der für die Kapitalgesellschaften geltenden Regeln zu füllen ist.
Eine Lücke im Gesetz setzt voraus, daß das Gesetz unvollständig ist (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 351; BFH-Urteile VI 240/64 U vom 9. Juni 1965, BFH 83, 303, BStBl III 1965, 611; VI 296/63 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 25, BStBl III 1966, 222; IV R 202/67 vom 28. Mai 1968, BFH 92, 555, BStBl II 1968, 650; II 141/65 vom. 21. Oktober 1969, BFH 97, 320, BStBl II 1970, 99). Dies ist der Fall, wenn die Regelung eines bestimmten Sachbereichs keine besondere Bestimmung für eine Frage enthält, die nach dem gesetzlichen Grundgedanken und der dem Gesetz immanenten Teleologie hätte mitgeregelt werden müssen (vgl. Larenz, a. a. O., S. 352; Paulick in "Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis", S. 165 [186]; Thiel, Gedanken zur Methode der Steuerrechtsfindung, Steuerberater-Jahrbuch 1963/64 S. 161 [167]). Im Gegensatz hierzu müssen die Fälle gesehen werden, in denen die vermißte Norm zwar rechtspolitisch erwünscht und mit guten Gründen zu rechtfertigen wäre, ohne daß sie das Gesetz selbst unvollständig (lückenhaft) machen. Die Grenze zwischen einer Regelungslücke und einem "Fehler" im rechtspolitischen Sinn ist nach Larenz (a. a. O., S. 354) danach zu bestimmen, ob die Unvollständigkeit schon vom Standpunkt der dem Gesetz immanenten Zwecksetzung gegeben ist oder nur von der Warte einer dem Gesetz gegenüber selbständigen kritischen Würdigung.
a) Legt man den so verstandenen Begriff der Regelungslücke der Würdigung des GewStG zugrunde, so läßt sich die Regelung, nach der für die Ermittlung des Gewerbeertrags generell auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG und des KStG Bezug genommen wird, nicht als lückenhaft ansehen, auch wenn sich hieraus gewisse Belastungsunterschiede je nach Rechtsform des Unternehmens ergeben (so im Ergebnis auch Urteil des RFH VI 383/39 vom 20. September 1939, Steuer und Wirtschaft 1939 II Nr. 559). Wie sich der Vorgeschichte des Gesetzes entnehmen läßt (vgl. Begründung zu dem - als Vorläufer des GewStG anzusehenden - Gewerbesteuerrahmengesetz vom 1. Dezember 1930, abgedruckt in Reichstags-Drucksache IV 1928 Nr. 568 S. 109 [112, 129] sowie Begründung zum GewStG vom 1. Dezember 1936, abgedruckt in RStBl 1937, 693), sollte mit der Bezugnahme auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG und KStG eine möglichst praktikable Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags geschaffen werden. Der Gesetzgeber hat dabei bewußt in Kauf genommen, daß die der Ermittlung des Gewinns dienenden Vorschriften in gewissen Einzelheiten verschieden gestaltet sind und es somit zu unterschiedlichen Besteuerungsergebnissen kommen kann, je nachdem, in welcher Rechtsform ein gewerbliches Unternehmen betrieben wird. Dieser Gedanke wird auch im Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BVerfGE 13, 331 [339], BStBl I 1962, 500 [502]) betont: "Der Steuergesetzgeber hat sich dafür entschieden, der zivilrechtlichen Einteilung der Gesellschaften zu folgen" und (die Gesellschafter der) "Personengesellschaften der Einkommensteuer und die Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer zu unterwerfen; dem entspricht auch die Gewerbesteuer primär mit ihrer grundsätzlichen Anknüpfung an die Bemessungsgrundlagen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Hiernach sind für die Besteuerung gewerblicher Einkünfte Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften grundsätzlich ungleich, ..." (vgl. auch BFH-Urteil I 262/60 U vom 13. November 1962, BFH 76, 195, BStBl III 1963, 69).
b) Das GewStG ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil seine Anwendung - jedenfalls in der für den Streitfall maßgebenden Fassung - zu einer zweimaligen Belastung mit Gewerbeertragsteuer führt, nämlich einmal bei der Besteuerung des Gewerbeertrags der Kapitalgesellschaft und sodann bei der Besteuerung des Gewerbeertrags der die Anteile an der Kapitalgesellschaft haltenden Personengesellschaft. Eine Lücke würde insoweit nur dann anzunehmen sein, wenn derartige Doppelbelastungen mit dem Gesetzeszweck unvereinbar wären; nur in diesem Fall würde das Fehlen von Vorschriften, die den Ausschluß einer doppelten Belastung gewährleisten, das Gesetz als unvollständig erscheinen lassen.
Es gibt indessen keinen aus dem Gesetzeszweck sich ergebenden allgemeinen Grundsatz des Ausschlusses von Doppelbelastungen. Der RFH hat zwar in seinen zur Gewerbesteuer ergangenen Urteilen I 242/41 vom 9. Dezember 1941 (RStBl 1942, 335) und VI 210/41 vom 6. Mai 1942 (RStBl 1942, 858) ausgeführt, "daß doppelte steuerliche Belastungen zu vermeiden sind". In ähnlicher Weise hat sich auch der erkennende Senat in seinem Urteil I 22/62 U vom 8. Januar 1963 (BFH 76, 262, BStBl III 1963, 94) geäußert. Die Ausführungen in den genannten Entscheidungen beziehen sich indessen durchwegs nur auf eng umgrenzte Sachverhalte; sie richten sich gegen die Doppelbelastung von Erträgen, die bei der Umwandlung von Gesellschaften und bei der Veräußerung von Anteilen an einer Organgesellschaft entstehen (zu diesen speziellen Doppelbelastungsverboten vgl. BFH-Urteil I R 171/68 vom 26. Januar 1972, BFH 104, 361, BStBl II 1972, 358). Der Senat stellt ausdrücklich fest, daß es an einem über derartige Sonderfälle hinausgehenden allgemeinen Grundsatz, jede Doppelbelastung im Rahmen der Gewerbesteuer zu vermeiden, fehlt.
Ein derartiger allgemeiner Grundsatz läßt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG herleiten. Auch diese Vorschrift betrifft nur einen bestimmten Fall einer Doppelbelastung. Sie hat ausschließlich den Sinn, zu verhindern, daß Erträge, die einem gewerblichen Unternehmen aus einer Beteiligung an einer OHG, KG oder einer ähnlichen Personengesellschaft zufließen, der Gewerbeertragsteuer unterworfen werden. Die Regelung, die auf einer schon unter der Herrschaft des Preußischen Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1891 S. 205) geübten Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil VIII C 54/13 vom 4. Juli 1913, Sammlung der Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts Bd. 64 S. 279) beruht, stützt sich auf die Erwägung, daß eine Personengesellschaft kein von der Gesamtheit ihrer einzelnen Mitglieder verschiedenes Rechtssubjekt darstellt, wenn sie auch gewerbesteuerrechtlich als steuerfähig anerkannt wird; deshalb sollen Gewerbeerträge, die bereits bei der Personengesellschaft erfaßt werden, nicht nochmals bei den Gesellschaftern versteuert werden (vgl. Boyens, Deutsche Steuer-Zeitung 1936 S. 875 [876]). Daß die gesetzliche Regelung dieses besonderen Falles der Beteiligung nicht als Ausdruck eines allgemeinen gesetzlichen Prinzips zur Vermeidung doppelter Gewerbesteuerbelastungen angesehen werden kann, wird durch einen Vergleich mit einem anderen Fall der Beteiligung - nämlich dem Fall der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft - deutlich. Während bei einer Personengesellschaft der Beteiligte Mitunternehmer und Mitträger des geschäftlichen Risikos ist, ist der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nur mit einer Einlage beteiligt; Unternehmer und Betriebsinhaber ist hier allein die rechtsfähige Kapitalgesellschaft. Für diesen Fall versteht sich der Ausschluß einer doppelten steuerlichen Belastung nicht von selbst. Anders als in dem Fall einer Beteiligung an einer Personengesellschaft tritt hier noch ein weiteres Rechtssubjekt in Erscheinung, dessen Erträge gegenüber den aus der Beteiligung erzielten Erträgen der Anteilseigner eine selbständige Bedeutung haben. Hier liegt der Grund der Doppelbesteuerung des in der Gesellschaft entstehenden und von dieser ausgeschütteten Gewinns in der Trennung der Rechtspersönlichkeiten von Gesellschaft und Gesellschaftern (Bühler-Strickrodt, Allgemeines Steuerrecht, 3. Aufl., Bd. I S. 298). In diesem Fall kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber Doppelbelastungen vermieden sehen wollte. Das zeigt sich insbesondere bei der gesetzlichen Regelung des - eine Mehrfachbelastung ausschließenden - Schachtelprivilegs. Hier schreibt das Gesetz (§ 7 GewStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und § 9 KStG) ausdrücklich vor, daß der Ausschluß der Mehrfachbelastung nur für solche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gelten soll, die mindestens ein Viertel des Grundoder Stammkapitals ausmachen.
c) Daß sich die aus den Unterschieden in der Rechtsform (vgl. oben 3a) ergebenden Ungleichheiten in den Besteuerungsgrundlagen auch auf die Höhe der den einzelnen Betriebstättengemeinden zuzuteilenden Zerlegungsanteile (§§ 28 ff. GewStG) auswirken, kann ebenfalls nicht als Anzeichen einer lückenhaften Regelung angesehen werden. Da der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bewußt in Kauf genommen hat, bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß sich als Folge hieraus auch im Rahmen der Zerlegung Unterschiede ergeben.
4. Die früher geltende Regelung steht auch nicht mit dem GG in Widerspruch; sie enthält insbesondere keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß - d. h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Art der zu behandelnden Lebensverhältnisse ergeben - und somit nicht willkürlich verfahren wird (Beschlüsse des BVerfG 1 BvL 33/51 vom 21. Juli 1955, BVerfGE 4, 219 [243]; 1 BvR 559, 571, 586/70 vom 15. Dezember 1970, BVerfGE 29, 402 [411], BStBl II 1971, 39). Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen und Gleichstellungen erlaubt, hängt wesentlich von der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs ab (Urteil des BVerfG 2 BvE 2/56 vom 25. Januar 1957, BVerfGE 6, 84 [91]; Beschlüsse des BVerfG 2 BvL 15, 23/68 vom 26. Februar 1969, BVerfGE 25, 269 [292]; 1 BvR 559, 571, 586/70, a. a. O., [411]).
Die Ungleichheit, die im Fehlen einer auch die Personengesellschaften und Einzelkaufleute umfassenden Regelung des Schachtelprivilegs (§ 9 KStG) liegt, kann nicht als willkürlich angesehen werden. Denn die Leitgedanken des Gewerbesteuerrechts - und damit die ihm innewohnende Sachgesetzlichkeit - fordern keine prinzipielle Gleichstellung aller Betriebe ohne Rücksicht auf die Rechtsform ihrer Träger (vgl. hierzu Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58, a. a. O.). Ebenso wie es dem Gesetzgeber freistünde, neben einer Gewerbesteuer für natürliche Personen und Personengesellschaften eine besondere Gewerbesteuer für juristische Personen zu erheben, steht es auch in seinem Ermessen, bei der Ausgestaltung einer auf die Wirtschaftskraft von Gewerbebetrieben unterschiedlicher Rechtsform abstellenden Steuer (vgl. Beschluß des BVerfG 1 BvR 33/64 vom 21. Dezember 1966, BVerfGE 21, 54 [64], BStBl III 1967, 743) zwischen natürlichen Personen und Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften (und anderen Körperschaften) andererseits zu unterscheiden.
Ob es gerechter wäre, die Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften in allen wesentlichen Beziehungen - und damit auch hinsichtlich der Gewährung des Schachtelprivilegs - gleichzustellen, kann dabei dahinstehen. Die Frage, was als die jeweils gerechteste Lösung anzusehen ist, kann nicht Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung eines Gesetzes sein. Wie das BVerfG in ständiger Rechtsprechung betont, würde die Nachprüfung eines Gesetzes unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Gerechtigkeit darauf hinauslaufen, die vom Gesetzgeber vertretene Auffassung von Gerechtigkeit durch die Ansicht der das Gesetz überprüfenden Gerichte zu ersetzen. Es muß daher ausschließlich Sache des Gesetzgebers bleiben, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu finden (vgl. Urteil des BVerfG 1 BvR 323/51 u. a. vom 17. Dezember 1953, BVerfGE 3, 162 [182]).
II.
Aus den gleichen Erwägungen sieht der Senat den Umstand, daß es bei der Besteuerung des Gewerbekapitals in dem hier maßgebenden Erhebungszeitraum 1956 an einer für alle Gesellschaftsarten geltenden Regelung des Schachtelprivilegs fehlte, weder als Regelungslücke noch als Verstoß gegen den Gleichheitssatz an.
1. Ähnlich wie bei der Besteuerung des Gewerbeertrags nimmt das GewStG auch bei der steuerlichen Erfassung des Gewerbekapitals auf Besteuerungsgrundlagen Bezug, die nach anderen als gewerbesteuerlichen Regeln ermittelt werden. Das Gewerbekapital wird aus dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs im Sinne des BewG (§ 12 Abs. 1 GewStG) errechnet. Der Einheitswert wird zwar bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags noch um die in § 12 Abs. 2, 3 und 4 GewStG bezeichneten Beträge geändert, bleibt aber im übrigen für die Berechnung des Gewerbekapitals maßgebend (§ 12 Abs. 5 GewStG).
2. Da das BewG ein Schachtelprivileg nur für Kapitalgesellschaften vorsieht (vgl. § 60 BewG in der - für den Streitfall maßgebenden - Fassung vom 16. Oktober 1934, RGBl I S. 1035, § 102 BewG in der Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 1965, BGBl I S. 1861) und der Wert von wesentlichen Beteiligungen deshalb nur bei der Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften außer Ansatz bleibt, ergibt sich - ebenso wie bei der Ermittlung des Geweerbeertrags - auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals die Frage, ob das Schachtelprivileg nicht auch Personengesellschaften und Einzelkaufleuten gewährt werden müsse.
Der Gesetzgeber hat diese Frage später - entsprechend der für die Ermittlung des Gewerbeertrags geltenden Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG - in der Weise gelöst, daß er auch für die Ermittlung des Gewerbekapitals eine neue Vorschrift in das Gewerbesteuerrecht aufnahm, nach der der Wert einer zum Gewerbekapital eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft gehörenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, sofern sie mehr als ein Viertel des Grund- oder Stammkapitals beträgt, vom Einheitswert des Betriebsvermögens abzuziehen ist (§ 12 Abs. 3 Nr. 2a GewStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Juli 1963, a. a. O.); zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften und Einzelkaufleuten andererseits wird dadurch eine Gleichstellung herbeigeführt. Die insoweit maßgebende Fassung des GewStG ist jedoch für den Erhebungszeitraum 1956 noch nicht anzuwenden.
3. Die Frage, ob das Gesetz in dem zeitlichen Geltungsbereich, in dem seine neue Fassung (§ 12 Abs. 3 Nr. 2a GewStG) noch nicht galt, eine Lücke aufwies, ist zu verneinen. Auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbekapitals war der Gesetzgeber nicht gehindert, an Besteuerungsgrundlagen anzuknüpfen, die für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften verschieden sind. Insoweit gilt das oben für die Ermittlung des Gewerbeertrages Gesagte auch hier.
4. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wird durch eine Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften unterschiedlich behandelnde Regelung der Gewerbekapitalermittlung nicht verletzt. Das oben (I 4.) zur gesetzlichen Regelung des Gewerbeertrags Ausgeführte gilt hier entsprechend.
Fundstellen
Haufe-Index 413304 |
BStBl II 1972, 858 |
BFHE 106, 441 |
BFHE 1972, 441 |