Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 9 DBStÄndG (DDR): Keine Steuervergünstigung, wenn im Jahr 1990 eine Arztpraxis nur hergerichtet wird, Vorbereitungshandlungen reichen zur Annahme einer Betriebseröffnung nicht aus, kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz - Übermittlung der Revisionsbegründung per Telefax - Zulässigkeit einer auf dem Briefpapier einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegten Revision
Leitsatz (amtlich)
Ein selbständiger Arzt kann die Steuervergünstigung aus § 58 Abs. 3 EStG, § 9 DBStÄndG (DDR) nur in Anspruch nehmen, wenn er bereits im Jahr 1990 mit der Behandlung von Patienten begonnen hatte (Anschluß an BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 39/94, BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320). Die Herrichtung der Praxis genügt nicht.
Orientierungssatz
1. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) kann nicht darauf gestützt werden, daß nach dem EStG Vorbereitungshandlungen zur Annahme einer bereits abgeschlossenen Betriebseröffnung dann genügen, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebs vorhanden sind und der Vorgang der Betriebseröffnung abgeschlossen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß eine Betriebseröffnung i.S. des § 52 Abs. 20a EStG 1981 selbst dann angenommen wird, wenn der Betrieb zwar vor dem Stichtag seine Leistungen noch nicht angeboten hatte, aber die Investitionsentscheidung wirtschaftlich bindend durch Vornahme der entscheidenden Investitionen gefallen war (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den noch von der DDR eingeführten Steuerabzugsbetrag (§ 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR)) für das Beitrittsgebiet nur in den Fällen weiter zu gewähren, in denen der Steuerpflichtige seine eigentliche Tätigkeit bereits aufgenommen hatte, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz und ist schon im Hinblick auf die Lasten, die mit der Wiedervereinigung auf die Steuerzahler zukamen, hinzunehmen, vor allem auch deshalb, weil das EStG vergleichbare Steuervergünstigungen für neueröffnete Betriebe oder neuaufgenommene freiberufliche Tätigkeiten nicht kennt.
3. Unerheblich ist, wenn die Revisionsbegründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist dem BFH nur durch Telefax übermittelt wird und erst nach Ablauf der Frist im Original eingeht. Es ist anerkannt, daß fristwahrende Schriftsätze per Telefax übermittelt werden können (vgl. BFH-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung).
4. Eine auf dem Briefpapier der früheren Prozeßbevollmächtigten, einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, geschriebene Revision, die der jetzige Prozeßbevollmächtigte aber in der sog. Ich-Form gefaßt hat und einen Hinweis auf seine Eigenschaft als vor dem BFH vertretungsbefugter Steuerberater enthält, ist zulässig.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; EStG § 58 Abs. 3; StRVÄndGDBest § 9 Abs. 1; EStG 1981 § 52 Abs. 20a; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 120 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin ist Ärztin und unterhält eine eigene Praxis in den neuen Bundesländern. Im Streitjahr 1991 erzielte sie daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 76 865 DM.
Ihr Dienstverhältnis als angestellte Ärztin hatte sie zum 31. Dezember 1990 gekündigt. Ab dem 21. Dezember 1990 war sie von der Arbeit freigestellt. Im August 1990 hatte sie die Praxisräume angemietet. Das Mietverhältnis begann zum 1. Januar 1991. Mit einer Arzthelferin schloß sie im Oktober 1990 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 einen "Arbeitsvorvertrag". Ebenfalls im Oktober 1990 hatte sie die Eröffnung der Praxis an der Informationswand des Wartezimmers und der des Rates der Gemeinde angekündigt. Im Dezember 1990 schaffte sie medizinische Geräte, Praxisinventar, geringwertige Wirtschaftsgüter an und brachte das Praxisschild an. Einnahmen erzielte sie nicht; Behandlungen führte sie im Jahr 1990 nicht durch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den für das Streitjahr beantragten Steuerabzugsbetrag nach § 58 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 10 000 DM unter Hinweis auf Tz.3.1 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Juli 1991 (BStBl I 1991, 737). Danach sei für die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit im Jahr 1990 eine nach außen in Erscheinung tretende Geschäftstätigkeit sowie die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erforderlich. Die Tätigkeiten der Kläger stellten jedoch lediglich Vorbereitungshandlungen dar. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machten geltend, bereits der Erwerb der medizinischen Gerätschaften und die Einrichtung der Arztpraxis stelle eine aktive Teilnahme nach außen am wirtschaftlichen Verkehr dar. Unerheblich sei, ob bereits im Jahr 1990 Einnahmen erzielt worden seien.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 der Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 16. März 1990 (DDR-GBl I S.195) i.d.F. des Steueranpassungsgesetzes vom 22. Juni 1990 (DDR-GBl Sdr.Nr. 1427) --DBStÄndG (DDR)-- werde eine einmalige Steuerbefreiung u.a. bei Eröffnung eines Gewerbebetriebs oder Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit gewährt. Aufgenommen sei diese Tätigkeit aber erst dann, wenn eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr durch Anbieten von Leistungen festgestellt werden könne. Schon nach dem Wortsinn bedeute Aufnahme den Beginn der freiberuflichen Tätigkeit. Noch deutlicher zeige das die Formulierung Neueröffnung. Sie sei gegeben, wenn ein Betrieb tatsächlich eröffnet sei, d.h. den Kunden Waren und Dienstleistungen angeboten würden. Demgegenüber sei bei Vorbereitungshandlungen der Betrieb noch geschlossen. Daraus folge, daß für die Gewährung der Steuerbefreiung einheitlich auf den Zeitpunkt der Betriebs-/Praxiseröffnung abzustellen sei. Auch der Gesetzeszweck und die Vorgängerregelungen bestätigten diese Auslegung. Mit der Neuregelung entfielen die bisherigen Steuervergünstigungen --§ 9 Abs. 3 DBStÄndG (DDR)--. Diese hätten darauf abgezielt, den neueröffneten oder übernommenen Betrieben bessere Startchancen einzuräumen und die Versorgung wirksam zu unterstützen (vgl. unter I. Nr. 1 der Erläuterungen des Ministeriums der Finanzen der DDR vom 26. April 1984 zur Durchführung der finanziellen Regelungen des Beschlusses des Ministerrates vom 16. Februar 1984 (DATEV, Steuerrechtssammlung Bd.II Nr. 98). Erst mit der tatsächlichen Eröffnung könne die Versorgungslage verbessert werden. Auch mache es wenig Sinn, Betriebe, die nicht über das Vorbereitungsstadium hinausgekommen seien, noch steuerlich zu begünstigen. Zwar sei es ertragsteuerlich notwendig, den Betriebsbeginn so frühzeitig wie möglich und unabhängig von Betriebseinnahmen anzunehmen, damit feststehe, ob Wirtschaftsgüter zum Betriebs- oder zum Privatvermögen gehörten. Vorliegend gehe es aber um die andere Frage, welche Voraussetzungen für den Erhalt der Steuerbefreiung erfüllt sein müßten.
In § 58 Abs. 3 EStG werde lediglich geregelt, daß § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) weiter anzuwenden sei.
Mit der vom FG --wegen grundsätzlicher Bedeutung-- zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1991 den Steuerabzugsbetrag in Höhe von 10 000 DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig.
1. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat die Revision persönlich und rechtzeitig eingelegt (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie ist zwar auf dem Briefpapier der früheren Prozeßbevollmächtigten, einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, der Kläger geschrieben; der jetzige Prozeßbevollmächtigte hat die Revisionsschrift aber in der sog. Ich-Form gefaßt und zudem auf seine Eigenschaft als vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsbefugter Steuerberater (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--) hingewiesen.
2. Er hat auch die Revision rechtzeitig begründet (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Allerdings ist die Revisionsbegründungsschrift ebenfalls auf dem Briefbogen der Steuerberatungsgesellschaft geschrieben worden, und zwar in der Weise, daß der Prozeßbevollmächtigte diesmal seiner Unterschrift deren Firmenstempel vorangestellt hat. Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ist jedoch eine weitere Revisionsbegründung eingegangen; diese genügt auch den Anforderungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG. Denn sie weist auf neutralem Bogen den jetzigen Prozeßbevollmächtigten als Absender aus und dieser hat die Begründung auch in seiner Eigenschaft als vor dem BFH vertretungsbefugter Steuerberater unterzeichnet. Daß die Revisionsbegründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist dem BFH nur durch Telefax übermittelt wurde und erst nach Ablauf der Frist im Original einging, ist unerheblich (vgl. Senatsurteil vom 5. September 1991 IV R 40/90, BFHE 165, 512, BStBl II 1992, 192: Revisionsbegründung in Form einer Telekopie - insoweit nicht veröffentlicht, BFH-Urteil vom 15. Juni 1994 II R 49/91, BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763, sowie BFH-Beschlüsse vom 2. Dezember 1991 V B 116/91, BFH/NV 1992, 532: Beschwerdeschrift, vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463: Klageschrift; BFH-Urteil vom 6. Juli 1994 II R 80/93, nicht veröffentlicht: Revisionsschrift, jeweils m.w.N.). Es ist anerkannt, daß fristwahrende Schriftsätze per Telefax übermittelt werden können (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofes --BGH-- vom 4. Mai 1994 XII ZB 21/94, Betriebs-Berater --BB-- 1994, 1667, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1995, 97).
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 58 Abs. 3 EStG ist die Vorschrift der früheren DDR über den Steuerabzugsbetrag nach § 9 Abs. 1 der Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer (Steueränderungsgesetz) vom 16. März 1990 (DDR-GBl I Nr. 21 S.195) für Steuerpflichtige weiter anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1991 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet eine Betriebsstätte begründet haben, wenn sie von dem Tag der Begründung der Betriebsstätte an zwei Jahre lang die Tätigkeit ausüben, die Gegenstand der Betriebsstätte ist.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DBStÄndG (DDR) --abgedruckt bei Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 58 EStG Anm. 1 , und bei Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 58; vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Satz 1 der Anlage 1 zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, BGBl II 1990, 537) wird bei Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes dem Inhaber eine einmalige Steuerbefreiung für zwei Jahre höchstens bis 10 000 DM gewährt. Die einmalige Steuerbefreiung wird nach Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift auch bei Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit gewährt.
2. a) Der XI.Senat des BFH (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 39/94, BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320; in diesem Sinne auch FG Leipzig, Urteil vom 12. Mai 1993 I K 4/93, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993; 726; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 58 EStG Anm. 4) hat für ein Ladengeschäft, für das der Steuerpflichtige bereits im Jahr 1990 umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt, aber noch keine aktive, nach außen in Erscheinung getretene Geschäftstätigkeit aufgenommen hatte, entschieden, daß der Betrieb noch nicht i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 DBStÄndG (DDR) eröffnet ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung für den vorliegenden Fall der Aufnahme einer hauptberuflichen freiberuflichen Tätigkeit an.
b) Zu Recht haben FG und FA im Streitfall darauf abgestellt, daß die Klägerin ihre eigentliche Tätigkeit als selbständige Ärztin vor dem 1. Januar 1991 noch nicht aufgenommen und ihren Patienten noch keine Leistungen als selbständige Ärztin angeboten hatte. Das aber wäre erforderlich gewesen, um den begehrten Steuerabzugsbetrag beanspruchen zu können. Entgegen der Auffassung der Kläger reichen das Anmieten und Herrichten der Praxisräume sowie der Erwerb der notwendigen Einrichtungsgegenstände nicht aus, um die Voraussetzung einer Aufnahme einer hauptberuflich selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) zu erfüllen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die Klägerin mit einer Arzthelferin einen "Arbeitsvorvertrag" mit Wirkung auf den 1. Januar 1991 abgeschlossen hatte. Denn unstreitig war sie im Jahr 1990 noch nicht als selbständige freiberufliche Ärztin tätig.
c) Seinem Wortlaut nach setzt bereits § 58 Abs. 3 EStG für die weitere Anwendung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) voraus, daß der Steuerpflichtige vor dem 1. Januar 1991 eine Betriebsstätte begründet und vom Tag ihrer Begründung die Tätigkeit ausgeübt haben mußte, die Gegenstand der Betriebsstätte ist. Diese Voraussetzungen sind aufgestellt worden, um angesichts der geringen tatbestandlichen Anforderungen an den Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977), der auch das bloße Anmieten eines Lager- oder Büroraumes genügen läßt, mißbräuchliche Inanspruchnahmen des Steuerabzugsbetrages zu vermeiden (Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 58 Rz. 10). Daraus, daß § 58 Abs. 3 EStG auf den Tag der Ausübung der Tätigkeit abstellt, ist ersichtlich, daß im Jahr 1991 unter der Geltung des EStG nur noch die Steuerpflichtigen den Anspruch auf den Steuerabzugsbetrag erhalten sollen, die mit der eigentlichen Tätigkeit ihres Gewerbebetriebs oder ihres selbständigen Hauptberufes bereits im Jahr 1990 begonnen hatten, d.h. im Fall eines Arztes, daß er seine ärztlichen Leistungen Patienten bereits im Jahr 1990 angeboten haben mußte. Mit der Anknüpfung an die bereits im Jahr 1990 ausgeübte Tätigkeit wollte der Gesetzgeber nämlich ersichtlich erreichen, daß von der Steuervergünstigung all die ausgeschlossen wurden, deren Betriebsstätte nur auf dem Papier bestanden hatte. Das führt aber auch zum Ausschluß all derer, die im Jahr 1990 die Aufnahme ihrer eigentlichen Tätigkeit oder den Beginn ihres Gewerbebetriebes nur vorbereitet hatten und über dieses Stadium noch nicht hinausgekommen waren. Vergleichbare Vergünstigungen für Existenzgründer kennt das EStG sonst nicht. Die Finanzverwaltung verlangt deshalb zu Recht, daß die Geschäftstätigkeit nach außen durch Anbieten der Leistung in Erscheinung getreten ist, und hält Vorbereitungshandlungen, wie z.B. das Anmieten von Geschäftsräumen, die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen und Ware nicht für ausreichend (siehe BMF-Schreiben vom 22. Juli 1991 unter Tz.3.1, BStBl I 1991, 737). Jedenfalls sollte durch § 58 Abs. 3 EStG nicht eine besondere Steuervergünstigung für neueröffnete Gewerbebetriebe oder eine neu aufgenommene selbständige Tätigkeit geschaffen werden, sondern lediglich der von der DDR eingeführte Steuerabzugsbetrag solchen Steuerpflichtigen erhalten bleiben, die ihn bereits im Jahr 1990 beanspruchen konnten, aber nicht hatten ausschöpfen können. Die Klägerin kann den Steuerabzugsbetrag daher nicht beanspruchen, weil sie eine Tätigkeit als selbständige Ärztin noch nicht vor dem Stichtag ausgeübt hatte.
d) § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) machte die Steuervergünstigung gleichfalls von der Aufnahme der Tätigkeit abhängig, ließ also bloße, erst auf den unmittelbaren Beginn der hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit gerichtete Vorbereitungsmaßnahmen nicht genügen (BFH-Urteil in BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320). Denn aufnehmen heißt nach allgemeinem Sprachverständnis, etwas zu tun, zu schaffen oder herzustellen beginnen (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd.1, 2. Aufl. 1993), also den Beginn der Tätigkeit (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1. Bd. 1980). Entgegen der Ansicht der Kläger kann die Auslegung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) nicht darauf gestützt werden, daß nach dem EStG (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG) Vorbereitungshandlungen zur Annahme einer bereits abgeschlossenen Betriebseröffnung dann genügen, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebs vorhanden sind und der Vorgang der Betriebseröffnung abgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 1991 VIII R 126/86, BFHE 164, 565, BStBl II 1991, 840; vom 10. Dezember 1992 XI R 45/88, BFHE 170, 487, BStBl II 1993, 538, und vom 17. Juni 1993 IV R 110/91, BFHE 171, 481, BStBl II 1993, 752). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß eine Betriebseröffnung i.S. des § 52 Abs. 20 a EStG 1981 selbst dann angenommen wird, wenn der Betrieb zwar vor dem Stichtag seine Leistungen noch nicht angeboten hatte, aber die Investitionsentscheidung wirtschaftlich bindend durch Vornahme der entscheidenden Investitionen gefallen war (vgl. dazu das BMF-Schreiben vom 8. Mai 1981, BStBl I 1981, 308 Tz.11; weiter Senatsbeschlüsse vom 2. März 1988 IV B 95/87, BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617, und vom 14. Februar 1989 IV B 33/88, BFHE 156, 167, BStBl II 1989, 516; BFH-Urteile vom 8. Dezember 1992 VIII R 16/91, BFHE 169, 446; vom 18. August 1992 VIII R 32/91, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Einkommensteuergesetz 1975, § 15a, Rechtsspruch 10). Diese Vorstellungen des EStG lassen sich jedoch nicht auf § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) übertragen. § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) ist eine Steuerrechtsnorm der früheren DDR; ihr liegt --wie auch die verwandten Begriffe "Handwerks- und Handelsbetriebe" zeigen-- eine andersartige Gesetzesentwicklung und Gesetzesteleologie zugrunde (BFH-Urteile vom 16. März 1994 I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941; vom 9. November 1994 I R 67/94, BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305, und in BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320). Sie ist aus früher nicht veröffentlichten Direktiven des Ministerrats der DDR hervorgegangen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320, und in BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305). Nach der Direktive zur Förderung der Leistungen des Kommissions- und privaten Einzelhandels vom 9. April 1976 (vgl. DATEV, a.a.O., 1990, Bd.II Nr. 95) erhielten Bürger, die ein aufgegebenes Einzelhandelsgeschäft oder eine Gaststätte eröffneten oder übernahmen, vom Tage der Geschäftseröffnung für ein Jahr eine Steuerbefreiung von 10 000 Mark. Durch die Direktiven vom 29. März 1984 (DATEV, a.a.O., Nr. 96 und 97) wurde die Steuerbegünstigung auf Kleingewerbetreibende und Handwerksbetriebe erstreckt und auf zwei Jahre ausgedehnt. Ziel war es, die Versorgung und die gastronomische Betreuung der Bevölkerung zu verbessern. Die Steuerbefreiung wurde daher erst ab dem Tag der Aufnahme der handwerklichen oder gewerblichen Tätigkeit gewährt, also mit der Öffnung des Betriebs für das Publikum (vgl. Erläuterungen des Ministeriums der Finanzen vom 26. April 1984, DATEV, a.a.O., Nr. 98). Neu hinzugekommen war im Jahr 1990, daß die Steuervergünstigung den Steuerpflichtigen nicht nur bei Neueröffnung von Handwerks-, Handels- und Gewerbebetrieben, sondern auch bei Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit zusteht --§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 DBStÄndG (DDR)--. Durch die Verwendung des Begriffes "Aufnahme" galt aber auch hier, daß die Steuerpflichtigen mit der eigentlichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit begonnen haben mußten.
Auch nach Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) kann die Klägerin den Steuerabzugsbetrag nicht beanspruchen. Sie hatte allerdings bereits im Jahr 1990 mit dem Umbau der Praxisräume und der Anschaffung der erforderlichen Einrichtung die entscheidenden Schritte zur Eröffnung einer eigenen Praxis unternommen. Das waren zugleich die Voraussetzungen, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung sichern und verbessern zu können. Doch ist dem FA darin zuzustimmen, daß objektiv eine Besserung im Jahr 1990 nur dann eintreten konnte, wenn die steuerlich zu fördernden Selbständigen und Freiberufler ihre Leistungen tatsächlich schon in diesem Jahr erbrachten. Würde man zur Betriebseröffnung oder Aufnahme der Tätigkeit auch Vorbereitungsmaßnahmen genügen lassen, könnte --wie der XI.Senat ausgeführt hat-- die Steuervergünstigung wegen der Befristung auf zwei Jahre in vielen Fällen nicht oder nur zum Teil in Anspruch genommen werden, weil während der Vorbereitungszeit keine Einnahmen erzielt und während der Anlaufphase zumeist nicht mit Gewinnen zu rechnen ist (BFH-Urteil in BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320).
Zweck des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) war vor allem auch, die Gründung neuer Betriebe und damit das Angebot an neuen Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet steuerlich zu fördern (Stuhrmann, a.a.O., § 58 Rz. 11), um so den Überbestand an Beschäftigten, die fast ausschließlich in den stark existenzgefährdeten Großbetrieben tätig waren, zu vermindern. Die Klägerin hat zwar im Jahr 1990 noch ihren eigenen Arbeitsplatz zum 31. Dezember 1990 gekündigt und sogar einen Arbeitsvorvertrag zum 1. Januar 1991 mit einer Arzthelferin abgeschlossen, aber unstreitig ihre hauptberufliche freiberufliche Tätigkeit als selbständige Ärztin erst im Jahr 1991 begonnen.
3. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht daraus, daß die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit oder z.B. die Neuerrichtung eines größeren Einzelhandelsbetriebes einer wesentlich intensiveren und längeren Vorbereitung als etwa die Eröffnung eines ambulanten Marktstandes erfordert. § 58 Abs. 3 EStG stellt nämlich allein darauf ab, ob die Tätigkeit, die Gegenstand der noch im Jahr 1990 begründeten Betriebsstätte ist, bereits seit Begründung der Betriebsstätte, d.h. noch im Jahr 1990, ausgeübt worden war. Derartige Regelungen, die die vor und die nach dem Stichtag verwirklichten Sachverhalte unterschiedlich behandeln, sind möglich und verstoßen nicht grundsätzlich gegen den Gleichheitsgrundsatz (vgl. z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BStBl II 1979, 322). Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit kann sich der Gesetzgeber beispielsweise von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen (BVerfG-Beschluß in BStBl II 1979, 322). Im Streitfall hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den noch von der DDR eingeführten Steuerabzugsbetrag für das Beitrittsgebiet nur in den Fällen weiter zu gewähren, in denen der Steuerpflichtige seine eigentliche Tätigkeit bereits aufgenommen hatte. Das ist schon im Hinblick auf die Lasten, die mit der Wiedervereinigung auf die Steuerzahler zukamen, hinzunehmen, vor allem auch deshalb, weil das EStG vergleichbare Steuervergünstigungen für neueröffnete Betriebe oder neuaufgenommene freiberufliche Tätigkeiten nicht kennt.
Fundstellen
Haufe-Index 65741 |
BFH/NV 1995, 82 |
BStBl II 1995, 710 |
BFHE 178, 25 |
BFHE 1996, 25 |
BB 1995, 1946 (L) |
DB 1995, 1941 (L) |
DStR 1995, 1580-1581 (KT) |
DStZ 1996, 122 (K) |
HFR 1995, 724-725 (LT) |
StE 1995, 592 (K) |
WPg 1995, 816 (L) |
StRK, R.4 (LT) |
FR 1995, 836 (K) |
D-spezial 1995, Nr 51/52, 5 (K) |
MedR 1996, 183 (S) |