Kein Abzug vorweggenommener Betriebsausgaben bei der Gewerbesteuer
Hintergrund: Pacht eines Imbissbetriebs
A pachtete ab dem 1.12.2017 einen Imbissbetrieb einschließlich Inventar von der bisherigen Betreiberin (B). Im Dezember 2017 renovierte A die angepachteten Räume. In dieser Zeit blieb der Imbiss geschlossen. Im Januar 2018 eröffnete er den Betrieb für Gäste.
In seiner Gewinnermittlung (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) wies A für Juli bis Dezember 2017 einen Verlust von ./. 15.000 EUR aus (vorab entstandene Betriebsausgaben). Davon entfielen auf Juli bis November ./. 7.000 EUR (Maklerkosten usw.) und auf Dezember 2017 ./. 8.000 EUR (Renovierung). In seiner GewSt-Erklärung 2017 gab A einen Gewerbeertrag von ./. 15.000 EUR an.
Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen nicht und setzte den GewSt-Messbetrag 2017 auf 0 EUR fest. Ein Betrieb im Sinne des GewStG sei erst ab der Betriebseröffnung im Januar 2018 anzunehmen. Die vorhergehenden Aufwendungen (insbesondere die Renovierung im Dezember 2017) stellten gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlungen dar.
Da FG gab der Klage teilweise statt. Es legte der Festsetzung des GewSt-Messbetrags das im Dezember 2017 erzielte Ergebnis (./. 8.000 EUR) zugrunde. Zwar seien die Tätigkeiten des A bis einschließlich November 2017 als gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlungen anzusehen. Bereits zum 01.12.2017 habe A jedoch nach § 2 Abs. 5 GewStG einen Betrieb neu gegründet. Der Zeitraum von der Betriebsgründung am 01.12.2017 bis zum Beginn der Abgabe von Speisen und Getränken im Januar 2018 sei nach § 2 Abs. 4 GewStG als vorübergehende Unterbrechung des neu gegründeten Betriebs unschädlich.
Entscheidung: Die vorweggenommenen Betriebsausgaben bleiben unberücksichtigt
Der BFH widerspricht dem FG. Vorweggenommene Betriebsausgaben sind beim Gewerbeertrag nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des FG gilt dies auch beim Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen nach § 2 Abs. 5 GewStG. Im Dezember 2017 liegt keine unschädliche vorübergehende Betriebsunterbrechung i.S.v. § 5 Abs. 4 GewStG vor.
Keine vorweggenommenen Betriebsausgaben bei der GewSt
Abweichend vom Einkommensteuerrecht wirken sich vorweggenommene (vorab entstandene) Betriebsausgaben bei der GewSt nicht aus. Denn die GewSt ist eine auf den tätigen Betrieb bezogenen Real-(Sach-)Steuer, Gegenstand ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende Gewinn. Die ESt als vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrschte Personensteuer erfasst dagegen sämtliche betriebliche Handlungen von der ersten Vorbereitungshandlung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsguts. Dementsprechend sind vor der Betriebseröffnung geleistete Aufwendungen (Maklerprovisionen, Beraterkosten, allgemeine Anlaufkosten) bei der GewSt – anders als bei der ESt – vom Abzug ausgeschossen (z.B. BFH v. 30.8.2012, IV R 54/10, BStBl II 2012, S. 927).
Betriebseröffnung erst im Januar 2018
Hiervon ausgehend ist der Imbissbetrieb des A erst mit seiner Eröffnung für die Kundschaft (In-Gang-Setzung des Betriebs) im Januar 2018 als Gegenstand der GewSt entstanden. Nicht nur bei den ab Juli 2017 ausgeübten Tätigkeiten, sondern auch bei den von A im Dezember 2017 ausgeführten Renovierungen handelt es sich um Vorbereitungshandlungen. Solche Geschäfte, die ausschließlich auf der Erwerbsseite, nicht aber auf der Absatzseite getätigt werden, sind nicht geeignet, eine Teilnahme am Marktgeschehen zu begründen (BFH v. 13.12.1995, XI R 43-45/89, BStBl II 1996, S. 232). Die Ausgaben sind daher zwar einkommensteuerlich als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, gewerbesteuerlich dagegen nicht zu berücksichtigen.
Keine Ausnahme aufgrund § 2 Abs. 5 GewStG
Die Regelung verdrängt nicht die allgemeinen Grundsätze über den Zeitpunkt des Entstehens eines gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstands. Nach § 2 Abs. 5 Satz 2 GewStG gilt der Betrieb als durch den Übernehmer neu gegründet. Der Wortlaut enthält damit zwar eine Neugründungsfiktion, aber keine Fiktion hinsichtlich des Zeitpunkts der Neugründung. Insbesondere wird nicht angeordnet, dass die Zeitpunkte der Betriebseinstellung (§ 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG) und der Neugründung (Satz 2) zwingend zusammenfallen. Daher ist es mit dem Wortlaut ohne weiteres vereinbar, auch in den Fällen des § 2 Abs. 5 GewStG die allgemeinen Grundsätze für noch nicht eröffnete Betriebe anzuwenden, d.h. auf den Zeitpunkt, in dem der Betrieb in Gang gesetzt wird, abzustellen.
Entstehungsgeschichte
Die Entstehungsgeschichte spricht deutlich dafür, dass § 2 Abs. 5 GewStG keine Fiktion des Zeitpunkts der Neugründung enthält. Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen wird für sämtliche Fälle des Übergangs von Gewerbebetrieben im Ganzen die Einstellung und Neugründung fingiert, ohne aber die allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Grundsätze auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Neugründung zu modifizieren. Das folgt auch aus der Nichtübernahme der in § 1 Satz 3 der Zweiten GewStVV noch ausdrücklich enthaltenen Fiktion eines in zeitlicher Hinsicht nahtlosen Betriebsübergangs. Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzessystematik bestätigt.
Keine vorübergehende Betriebsunterbrechung
Im Monat Dezember 2017 auch keine vorübergehende Unterbrechung im Betrieb stattgefunden, die die Steuerpflicht nach § 2 Abs. 4 GewStG nicht aufheben würde. Denn die Vorschrift erfasst nur durch die Art des Betriebs veranlasste Unterbrechungen, insbesondere bei Saisonbetrieben (BFH v. 7.9.2016, IV R 31/13, BStBl II 2017, S. 482, Rz. 42). Vor allem aber setzt eine "Unterbrechung" voraus, dass der unterbrochene Betrieb zuvor bereits in Gang gesetzt war. Dies war bei A jedoch vor der Eröffnung des Betriebs im Januar 2018 nicht der Fall.
Hinweis: Äquivalenzprinzip der GewSt
Die Auffassung des BFH ist überzeugend. Dass vorab entstandene Betriebsausgaben (Vorbereitungshandlungen) bei der GewSt – anders als bei der ESt – nicht berücksichtigt werden, beruht darauf, dass der GewSt nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern das Äquivalenzprinzip zugrunde liegt. Danach wird gewerbesteuerrechtlich nur das Ergebnis eines aktiven (lebenden) Betriebs erfasst.
Keine Geltung der EUGrdRCh
A hatte die Revision ergänzend auf die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit nach Art. 14, 15 der Europäischen Grundrechtscharta gestützt. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 gilt die EUGrdRCh jedoch ausschließlich bei Durchführung des Rechts der Union. Das ist z.B. bei der harmonisierten USt der Fall, nicht aber bei der unionsrechtlich nicht harmonisierten GewSt.
BFH Urteil vom 30.08.2022 - X R 17/21 (veröffentlicht am 02.02.2023)
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