Leitsatz (amtlich)
Sog. "Vorabentschädigungen", die ein Handelsvertreter entsprechend seinen abgeschlossenen Geschäften laufend als Teilzahlungen vorweg auf seine künftige Wettbewerbsentschädigung (§ 90a HGB) und auf seinen künftigen Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) erhält, führen in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen zu keiner Zusammenballung außerordentlicher Einkünfte und lösen deshalb auch nicht den begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs.1 EStG aus.
Orientierungssatz
Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG sind nur gegeben, wenn die begünstigungsfähigen Einkünfte steuerlich jeweils in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind, erhöhte steuerliche Belastung also allein durch die Zusammenballung von Einnahmen entstehen (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1; HGB §§ 90a, 89b; EStG § 34 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (1977) als selbständiger Handelsvertreter tätig. ... Die über den ...-Preis hinaus erzielten Überschüsse erhielt der Kläger als einen, nach bestimmten Berechnungen ermittelten sog. Überschußanteil ausgezahlt. Dieser Überschußanteil setzte sich nach den vertraglichen Vereinbarungen in der Regel aus drei Teilen zusammen, nämlich dem "Teil Vorabentschädigung a cto. Wettbewerbsbeschränkung HGB § 90a", dem Teil "Vorabentschädigung a cto. Ausgleichsanspruch HGB § 89" und schließlich dem Teil "Provision".
In seiner Steuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Handelsvertretung: ... DM) an. Davon entfielen ... DM auf die Vorabentschädigung Wettbewerbsbeschränkung und ... DM auf die Vorabentschädigung Ausgleichsanspruch. Diese Entschädigungen (insgesamt ... DM) wertete der Kläger als außerordentliche Einkünfte und beantragte "die Vergünstigung des § 34 EStG".
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterwarf in dem Steuerbescheid vom 26.März 1979 die Vorabentschädigungen dem allgemeinen Steuersatz.
Der Einspruch des Klägers und seine Klage hatten keinen Erfolg.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§ 24 Nr.1, § 34 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). FA und Finanzgericht (FG) haben zu Recht dem Kläger für die an ihn gezahlten Beträge von insgesamt ... DM den ermäßigten Steuersatz versagt.
1. Weder die Teilzahlungen des Unternehmens (insgesamt ... DM) als Vorabentschädigungen für die Wettbewerbsbeschränkung nach § 90a HGB noch die Teilzahlungen (insgesamt ... DM) als "Vorabentschädigungen a cto. Ausgleichsanspruch HGB § 89b" rechtfertigen die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes (§ 34 Abs.1 Satz 1 EStG).
a) Die Wettbewerbsbeschränkung ist zivilrechtlich wirksam i.S. des § 90a Abs.1 HGB (auf zwei Jahre begrenzte Wettbewerbsbeschränkung, angemessene Entschädigung, Beachtung der Formvorschriften) vereinbart. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
...
Nach § 5 Abs.3 des Vertrages hat sich der Kläger "bei jeder Vertragsbeendigung ... jeder Tätigkeit in dem vorher bearbeiteten und seinem Einfluß unterliegenden Vertriebsgebiet bzw. Verkaufsbezirk ... zwei Jahre lang" zu enthalten. Damit hat die Wettbewerbsvereinbarung für ihn als Handelsvertreter das Unterlassen von Wettbewerb für zwei Jahre nach Beendigung des Vertrages (§ 90a Abs.1 Satz 1 HGB), für den Unternehmer die Zahlung einer angemessenen Entschädigung (§ 90a Abs.1 Satz 3 HGB) zum Gegenstand.
Das ist grundsätzlich auch für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend.
b) Der Senat kann für seine Entscheidung offenlassen, ob und inwieweit eine Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs.1 HGB) in Teilbeträgen --wie im Streitfall geschehen-- im Hinblick auf die Unabdingbarkeit des Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs.4 HGB) zulässig ist oder ob diese zwingende Vorschrift durch die Vereinbarungen in dem Handelsvertretervertrag umgangen wird. Im Falle einer Umgehung wäre die Anrechnung der Vorabentschädigungen auf den Ausgleichsanspruch unbeachtlich und nichtig und die Beträge als Teil der geschuldeten Provision (§ 87 HGB) anzusehen (vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichtshof --BGH-- vom 13.Januar 1972 VII ZR 81/70, BGHZ 58, 60, 65).
c) Der Senat brauchte weder zu prüfen noch zu entscheiden, ob die an den Kläger gezahlten Vorabentschädigungen "a cto. Wettbewerbsbeschränkung HGB § 90a" und "a cto. Ausgleichsanspruch HGB § 89b" als Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr.1 EStG zu werten sind. Darauf kommt es für die Entscheidung des Senats nicht an.
Zutreffend hat das FG angenommen, außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs.1 und 2 EStG seien nur gegeben, wenn die begünstigungsfähigen Einkünfte steuerlich jeweils in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind, erhöhte steuerliche Belastungen also allein durch die Zusammenballung von Einnahmen entstehen (ähnlich Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., § 34 Anm.8; vgl. auch Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 34 III 1 b; Grube in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 34 EStG II 1, S.1201). Das entspricht der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH), die dieser in seiner Rechtsprechung vertreten hat (vgl. Urteile vom 11.Dezember 1970 VI R 66/66, BFHE 130, 530, 533, BStBl II 1971, 137; vom 12.März 1975 I R 180/73, BFHE 115, 261, 263, BStBl II 1975, 485; vom 21.November 1980 VI R 179/78, BFHE 132, 60, 62, BStBl II 1981, 214; vom 17.Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, 347, BStBl II 1983, 221). Allein unter dieser Voraussetzung besteht ein sachlich-rechtfertigender Grund für die Tarifermäßigung, weil nur in diesem Falle der Steuerpflichtige durch den Zufluß der Entschädigung einen steuerlichen Nachteil --den der Progressionssteigerung-- erleidet. Dieser Nachteil wird durch die Milderung der Tarifprogression ausgeglichen (BFH-Urteile vom 20.Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176; in BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485, und in BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221).
Die Wettbewerbsentschädigung und der Ausgleichsbetrag müssen deshalb grundsätzlich in einer Summe gezahlt werden (BFH-Urteil vom 17.Dezember 1959 IV 223/58 S, BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72). Das ist im Streitfall nicht geschehen. Der Kläger hat vielmehr die Vorabentschädigungen auf seine Ansprüche, wie die vom FG in seinem Urteil ausdrücklich aufgeführte ... Provisionsabrechnung für ... erweist, jeweils mit der Abrechnung eines jeden von ihm vermittelten Geschäfts aufgrund monatlicher Abrechnungen erhalten. Damit scheidet auch eine Tarifermäßigung wie in dem Ausnahmefall aus, in dem eine Entschädigung in zwei Raten in zwei verschiedenen Kalenderjahren begünstigt besteuert worden war (vgl. für eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 a EStG BFH-Urteil vom 1.Februar 1957 VI 87/55 U, BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104).
d) Die Vorabentschädigungen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB im besonderen sind nicht --wie der Kläger meint-- "uneingeschränkt ... tarifbegünstigt". Das sieht § 34 EStG allenfalls für eine Ausgleichszahlung nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in einer Summe vor (so wohl Blümich/Falk, a.a.O., § 34 III 3 g, S.21/22), nicht aber für laufende Vorab-(teil-)zahlungen auf diesen Anspruch während der Dauer des Vertragsverhältnisses. Die Tarifermäßigung i.S. des Abs.1 kann nach dem Gesetzeswortlaut ("... kommen nur in Betracht ...") nicht für eine jede Entschädigung, sondern nur nach Prüfung und Gegebensein der Voraussetzungen für die Außerordentlichkeit der Einnahmen in dem jeweiligen Einzelfall gewährt werden. Diese Voraussetzungen liegen --wie oben unter c) dargelegt-- für die laufenden Entschädigungszahlungen an den Kläger mangels einer Zusammenballung von Einnahmen nicht vor.
Zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis käme es bezüglich des Ausgleichsanspruchs auch dann nicht, wenn der Kläger bilanziert und für eine mögliche Rückzahlung --falls überhaupt zulässig-- eine Rückstellung gebildet hätte. Der Senat versteht das entsprechende Vorbringen des Klägers dahin, daß dieser meint, bei Vertragsbeendigung müßten die vorausgezahlten Entschädigungs-(teil-)beträge mit dem dann tatsächlich bestehenden Ausgleichsanspruch verrechnet und ggf. (teilweise) zurückgezahlt werden. Abgesehen davon, daß sich aus dem Handelsvertretervertrag keine Anhaltspunkte für eine Rückzahlungspflicht des Klägers ergeben, bedeutet die evtl. (völlige oder teilweise) Auflösung einer solchen Rückstellung nicht, der daraus folgende Ertrag wäre tarifbegünstigt gemäß § 34 EStG. Der Kläger erhielte nämlich im Zeitpunkt der Auflösung der Rückstellung nicht etwa seine volle Ausgleichszahlung gemäß § 89b HGB, sondern es würde (lediglich) eine Rückstellung für eine nicht mehr oder nicht mehr in der bilanzierten Höhe bestehende Verbindlichkeit aufgelöst werden.
2. Der Hinweis des Klägers, er könne für die Vorabentschädigungen "den ermäßigten Steuersatz auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht in Anspruch nehmen", ist im Ergebnis richtig. Die vorzeitigen Teilzahlungen als Vorabentschädigungen auf die künftigen Ansprüche des Klägers rechtfertigen und erfordern zugleich auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung dieser laufenden Einnahmen ein Abweichen von der für die allgemeinen Fälle gesetzlich festgelegten steuerrechtlichen Regelung.
3. Der Senat teilt schließlich die Auffassung des FG, daß das FA nicht an die --nach dieser Entscheidung des Senats-- rechtswidrige Handhabung anderer FÄ bei der Besteuerung anderer Handelsvertreter des Unternehmens gebunden ist und ein Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht vorliegt. Der Begründung des FG dazu ist nichts hinzuzufügen.
Fundstellen
Haufe-Index 62052 |
BFH/NV 1988, 2 |
BStBl II 1988, 936 |
BFHE 154, 98 |
BFHE 1989, 98 |
BB 1988, 2158-2159 (LT1) |
DB 1988, 2337-2338 (LT) |
HFR 1989, 17 (LT) |