Leitsatz (amtlich)
Ob Bauhandwerker bei nebenberuflicher "Schwarzarbeit" als Arbeitnehmer des Bauherrn anzusehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Normenkette
EStG 1969 § 19 Abs. 1; LStDV 1968 § 1 Abs. 2-3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte zum Bau seiner Doppelgarage im Oktober und November 1969 mehrere Bauhandwerker herangezogen, und zwar zwei Maurerpoliere, einen Maurergesellen, einen Zimmerpolier und für Putzarbeiten eine Maurerkolonne unter Leitung eines Poliers, die gerade auf einem Nachbargrundstück beschäftigt war. Der Kläger behielt für an die Handwerker gezahlte Entgelte keine Lohnsteuer ein. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) nahm ihn deswegen mit Bescheid vom 23. Februar 1971 als Haftenden in Anspruch. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es führte in dem in den EFG 1973, 290, veröffentlichten Urteil aus, die Bauhandwerker, die beim Garagenbau für den Kläger tätig geworden seien, seien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht als seine Arbeitnehmer anzusehen. Es habe sich bei ihnen um Nebentätigkeiten zur Erzielung von Nebenverdiensten gehandelt. Die Interessen des Klägers und der Bauhandwerker seien von vornherein auf eine zeitlich begrenzte und beiläufige Rechtsbeziehung ausgerichtet gewesen. Die Bauhandwerker seien daher weder in einen Betrieb des Klägers eingegliedert noch von dessen Weisungen abhängig gewesen. Sie seien insbesondere in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei gewesen, da es allein in ihrem Belieben gestanden habe, ob sie jeweils zur vereinbarten (nicht etwa zu einer vom Kläger festgesetzten) Zeit erscheinen und wie lange sie bleiben wollten. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen habe ebenfalls im wesentlichen bei den Bauhandwerkern gelegen. Dabei sei es nicht entscheidend, wie weit die Fachkunde des Klägers und die der Poliere bzw. der Gesellen gereicht hätte. Die Bauhandwerker seien im Rahmen ihrer Nebentätigkeit auch nicht vom Kläger wirtschaftlich abhängig gewesen. Der Kläger habe die Entlohnung zwar nach Arbeitsstunden bemessen. Das sei jedoch nicht ausschlaggebend, da stundenweise Vergütungen oft auch bei eindeutig selbständigen Arbeitsleistungen üblich seien. Die Bauhandwerker hätten letztlich einen bestimmten Arbeitserfolg geschuldet. Sie seien nicht zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet, sondern von Fall zu Fall austauschbar gewesen. Auf ein Unternehmerrisiko komme es nicht entscheidend an. Die Bauhandwerker hätten im übrigen ein eigenes (Gewährleistungs-) Risiko getragen; ihre Haftung richte sich bei fehlerhafter Bauausführung in erster Linie nach §§ 633 ff. BGB.
Das FA rügt mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision die Verletzung des § 19 Abs. 1 EStG und des § 1 Abs. 2 und 3 LStDV. Es führt aus, das FG habe nicht die vom BFH im Urteil vom 24. November 1961 VI 183/59 S (BFHE 74, 97, BStBl III 1962, 37) herausgestellten Grundsätze beachtet, wann eine Nebentätigkeit in selbständiger oder nichtselbständiger Stellung geleistet werde. Bei der nebenberuflichen Tätigkeit von Bauhandwerkern und Maurerkolonnen handle es sich schon nach der allgemeinen Verkehrsanschauung um eine typische Arbeitnehmerbeschäftigung.
Das FG dränge mit seinem Urteil Bauhandwerker, die sich legal einen Zusatzverdienst verschafften, in eine Selbständigkeit, die ungesetzlich sei, weil es hierfür einer Gewerbeanmeldung bedurft hätte. Wesentlich sei, daß die Handwerker auf dem Bauplatz des Klägers tätig geworden seien und nach den Weisungen des Klägers hätten handeln müssen. Sie seien in der Zeitbestimmung nicht völlig frei gewesen. Die Arbeitszeit sei von ihnen regelmäßig besprochen und mit dem Kläger als Bauherrn abgestimmt und eingehalten worden. Sonst wäre eine Kolonnenarbeit nicht möglich gewesen. Der Bauherr treffe in der Regel mit dem Polier eine Abrede und dieser komme dann mit der Kolonne zur abgemachten Zeit. Ein Bauhandwerker könne in seinem Beruf eine selbständige Tätigkeit nur im Rahmen eines Gewerbebetriebs erbringen. Weder er noch die Maurerkolonnen hätten im Streitfall ein Unternehmerrisiko getragen. Das habe allein beim Kläger gelegen. Dieser habe nach den Unfallverhütungsvorschriften der Bauberufsgenossenschaft in Verbindung mit § 539 Abs. 2 RVO als Eigenbauunternehmer auch das Unfallrisiko der am Bau beschäftigten Personen getragen. Es sei unwesentlich, ob der Kläger Beiträge an die Berufsgenossenschaft abgeführt habe oder nicht. Es sei bei Auslegung von steuerlichen Vorschriften auch die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Durch den Handwerkermangel hätten die Nebentätigkeiten in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Es hätten sich Arbeitskolonnen gebildet, die fast regelmäßig an Wochenenden bei privaten Bauherren tätig würden, ohne die Nebeneinnahmen dem FA zu erklären.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 1 Abs. 2 LStDV sind Arbeitnehmer alle Personen, die aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 3 LStDV steht in einem Dienstverhältnis, wer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, d. h. unter der Leitung des Arbeitgebers tätig wird oder in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und den Weisungen des Arbeitgebers folgen muß.
Der Senat hat diese Vorschrift in der Grundsatzentscheidung VI 183/59 S für rechtswirksam angesehen. Nach der dort angeführten ständigen Rechtsprechung des BFH und nach dem Urteil des Senats vom 18. Januar 1974 VI R 221/69 (BFHE 111, 326, BStBl II 1974, 301) müssen stets alle Umstände gegeneinander abgewogen werden, die im Einzelfall für oder gegen die Selbständigkeit einer Beschäftigung sprechen. Dabei ist eine Aushilfstätigkeit oder Nebentätigkeit grundsätzlich nach der Art der Tätigkeit selbst und unabhängig von der Art der Haupttätigkeit zu beurteilen, es sei denn, daß die Nebentätigkeit mit der Ausübung des Hauptberufes unmittelbar zusammenhängt und ihn zur Voraussetzung hat. Wie der Senat in der Entscheidung VI 183/59 S ferner hervorhob, ist bei einer zeitlich nur kurzen Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers die Eingliederung des Beauftragten in dessen Betrieb besonders sorgfältig zu prüfen, wobei bei einfachen Arbeiten eher eine Eingliederung in den Betrieb und die Gestellung einer Arbeitskraft anzunehmen ist als bei gehobenen Arbeiten. Wesentlich ist insbesondere, ob der Beauftragte seine Arbeit zu einer vom Auftraggeber festgesetzten Zeit leisten muß. Es spricht eher für die Selbständigkeit, wenn ein Beauftragter die übernommene Arbeit erledigen kann wann er will, ohne dabei an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden zu sein. Entscheidend ist ferner, wer das Unternehmerrisiko trägt.
Ob Bauhandwerker im Rahmen von Nebentätigkeiten entsprechend diesen Gründsätzen als selbständig oder unselbständig anzusehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich in der Regel nicht nach der Unselbständigkeit der Haupttätigkeit, da die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Bauunternehmen im allgemeinen keine unmittelbare Voraussetzung für die Ausübung einer handwerklich gleichen Nebenbeschäftigung bei einem fremden Bauherrn ist, auch wenn dem Bauhandwerker dabei das beruflich erworbene Wissen und Können zugute kommt.
Ob ein Bauhandwerker nebenberuflich selbständig tätig geworden ist, hat das FG als einzige richterliche Tatsacheninstanz festzustellen und zu würdigen. Der erkennende Senat ist als Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO an die im angefochtenen Urteil des FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug hierauf zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Er kann demgemäß nur prüfen, ob die Feststellungen und Würdigungen des FG in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen sind, ob sie Widersprüche enthalten und ob sie gegen die Denkgesetze und gegen die Lebenserfahrung verstoßen. Es ist nicht erforderlich, daß das FG zu einem bestimmten Ergebnis kommen mußte; es genügt, wenn es hierzu kommen konnte (vgl. Urteil des Senats vom 26. Januar 1973 VI R 201/69, BFHE 108, 343).
Das FG konnte im Streitfall ohne Rechtsverstoß die vom Kläger im Oktober und November 1969 zum Bau seiner Doppelgarage kurzfristig herangezogenen Bauhandwerker als selbständig tätig ansehen. Es hat für den Senat verbindlich festgestellt, daß die Bauhandwerker bei dieser Beschäftigung in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei waren, daß es in ihrem Belieben stand, ob sie jeweils zur vereinbarten Zeit erschienen, wie lange sie blieben und ob und wie häufig sie wiederkamen. Dem steht nicht entgegen, daß die Handwerker sich untereinander und mit dem Kläger in einem gewissen Rahmen zeitlich abgesprochen haben. Wesentlich ist, daß der Kläger dies nicht selbständig anordnen konnte. Das FG hat zu Recht dem Umstand Bedeutung beigemessen, daß die Bauhandwerker letztlich nicht persönlich zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, sondern daß ihre Leistung von Fall zu Fall auch von anderen Arbeitnehmern ausgeführt werden konnte (vgl. auch BFH-Urteil VI 183/59 S zu I. 3. der Urteilsbegründung). Das FG konnte entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, daß der Kläger für die Errichtung einer Doppelgarage, also für eine zeitlich begrenzte Arbeit, nicht mehr Weisungen gegenüber den Bauhandwerkern erteilen konnte (und mangels eigener Sachbekenntnis auch nur in beschränktem Maße gegeben haben wird), als wenn er einen selbständigen Bauunternehmer mit den Arbeiten beauftragt hätte. Ob und inwieweit die Bauhandwerker beim Kläger gesetzwidrige Schwarzarbeit geleistet haben, ist für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung. Es ist auch nicht maßgebend, daß die Vergütung nach Arbeitsstunden (tarifmäßiger Lohn + Zuschlag) bemessen wurde, da auch selbständige Handwerker ihre Vergütung oft nach Stunden, z. B. bei Reparaturarbeiten, zu berechnen pflegen. Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß das unternehmerische Risiko jedenfalls nicht allein beim Kläger lag. Da die Bauhandwerker vom Kläger bezahlt wurden und da es sich um Fachleute handelte, waren diese nicht von jedem Risiko freigestellt. Sie hatten vielmehr ihre Leistungen nach den Regeln ihrer fachmännischen Kenntnis zu erbringen und eigene Fehlleistungen ebenso zu vertreten, als wenn sie bei einem Bauunternehmer tätig gewesen seien. Ein Ausschluß jeglicher Haftung hätte schon ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein müssen. Für ein Unternehmerrisiko im steuerlichen Sinn ist es entgegen der Ansicht des FA nicht entscheidend, ob der Kläger nach den Vorschriften der Bauberufsgenossenschaft das Unfallrisiko der am Bau beschäftigten Personen hat tragen müssen. Denn das hat auf die Frage, wer für einen eventuellen Mißerfolg der Bauarbeiten einzustehen hat, keinen Einfluß.
Fundstellen
Haufe-Index 71387 |
BStBl II 1975, 513 |
BFHE 1975, 466 |