Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Steuerpflichtiger Aktien mit Kredit, um Vorstandsmitglied der AG zu werden oder zu bleiben, so sind die gezahlten Schuldzinsen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Erwirbt ein Steuerpflichtiger außerhalb eines Betriebsvermögens Aktien mit Kredit, so können, sofern nicht ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG vorliegt, innerhalb desselben Kalenderjahres die gezahlten Schuldzinsen nur bis zur Höhe der aus den Aktien erzielten Erträge verrechnet werden. Darüber hinaus gezahlte Schuldzinsen sind weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (ß 20 EStG) noch Sonderausgaben (ß 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG).
Ist eine mit Kredit erworbene Beteiligung wesentlich im Sinne des § 17 EStG, so gelten während der Besitzdauer dieselben Grundsätze wie zu 2. Die gezahlten, nicht mit laufenden Erträgen (Dividenden) verrechneten Schuldzinsen können aber bei der Veräußerung der Beteiligung wie zusätzliche Anschaffungskosten bei der Errechnung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden.
StAnpG § 1 Abs. 2; EStG § 9 Ziff. 1, § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 17, § 19, § 20, § 23 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Ziff.
Normenkette
StAnpG § 1 Abs. 2; EStG § 9 Ziff. 1, § 10 Abs. 1 Ziff. 1, §§ 17, 20, 23/1, § 34/2/1
Tatbestand
Der Bf. war früher in Schlesien an einer Fleischwarenfabrik beteiligt. Nach der Vertreibung war er zunächst Vorstand der Fleischwarenfabrik ... AG in A. Am 1. Juli 1954 trat er bei einer anderen Fleischwarenfabrik in B. (abgekürzt: AG) als Vorstand ein. Er verpflichtete sich beim Eintritt in die AG, eigene Aktien der AG im Nennwert von 51.900 DM zum Kurse von 60 v. H. zu übernehmen; anschließend kaufte er noch weitere Aktien von der Hausbank und aus Streubesitz dazu; zur Zeit ist er mit rund 39 v. H. an der AG beteiligt; die übrigen Aktien sind im Streubesitz. Die Mittel zu den Aktienkäufen hatte sich der Bf. über die Hausbank durch einen verzinslichen European Recovery Programm (ERP)-Kredit von 70.000 DM beschafft; auf den Kredit zahlte er inzwischen 14.000 DM zurück. Ausschüttungen nahm die AG erstmals für 1959 mit 5 v. H. vor; bis dahin hatte sie ihre überschüsse zur Selbstfinanzierung verwandt. Der Bf. trägt vor, er habe die Aktien im Freiverkehr zukaufen müssen, weil die Zuteilung des ERP-Kredits davon abhängig gewesen sei, daß er zu mindestens 35 v. H. an der AG beteiligt war.
Der Bf. will die Zinsen für 1956 in Höhe von 1.785 DM bei der Ermittlung des Einkommens absetzen. Das Finanzamt lehnte das ab.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung als unbegründet zurück. Es führte aus, die übernahme der eigenen Aktien der AG sei zwar ein "integrierender Bestandteil" des Anstellungsvertrages gewesen. Der Bf. habe aber die Aktien nicht in erster Linie erworben, um angestellt zu werden, sondern um seine Position im Vorstand der AG zu festigen; deshalb habe er auch noch Fremdaktien dazugekauft. Die Schuldzinsen könnten deshalb nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgesetzt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 924/32 vom 14. März 1933, RStBl 1933 S. 586). Sie dürften auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. Der Reichsfinanzhof habe den Abzug von Schuldzinsen aus einem Kredit zum Erwerb von Wertpapieren als Werbungskosten nur bis zur Höhe der in demselben Veranlagungszeitraum bezogenen Dividenden zugelassen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1503/28 vom 19. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 140; VI A 669/27 vom 11. Juli 1928, RStBl 1928 S. 312). Der Wert der Aktien, die der Bf. zum Kurs von 60 v. H. erworben habe, sei inzwischen auch mindestens auf das Doppelte gestiegen. - Weil die Schuldzinsen begrifflich Werbungskosten bei nichtsteuerpflichtigen Einkünften seien, könnten sie auch nicht Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sein.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, nachdem der Senat in einem Bescheid gemäß § 294 Abs. 2 AO die Rb. als unbegründet zurückgewiesen und der Bf. erneut mündliche Verhandlung beantragt hatte, will mit dem Finanzgericht die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zulassen. Er führt weiter aus, der Reichsfinanzhof habe Schuldzinsen der hier in Frage stehenden Art nur bis zur Höhe der bezogenen Dividenden absetzen lassen (Urteile VI A 1503/28 vom 19. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 140; IV 1/42 vom 16. April 1942, RStBl 1942 S. 633). An dieser Rechtsprechung sei festzuhalten. Aktien würden regelmäßig nicht nur wegen der Dividende erworben, sondern auch - und oft sogar in erster Linie -, um an der günstigen Entwicklung der Gesellschaft teilzunehmen. Wenn Aktien auf Kredit gekauft würden, so stünden die Schuldzinsen deshalb nicht nur mit den Dividenden, sondern auch mit dem Teil des Ertrages der Gesellschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang, der den inneren Wert der Aktien erhöhe; darum dürften die Schuldzinsen nicht voll bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Wieweit die Schuldzinsen anteilig mit den Dividenden oder dem erwarteten Gewinn durch Werterhöhung zusammenhingen, sei im Einzelfall kaum festzustellen; die bisherige Handhabung, die Schuldzinsen bis zur Höhe der erhaltenen Dividende abziehen zu lassen, sei aber einfach und trage der Tatsache Rechnung, daß die Schuldzinsen im allgemeinen aus der erhaltenen Dividende entrichtet würden, während die Wertsteigerungen bis zu ihrer Verwirklichung nicht verfügbar seien. - Sei ein Steuerpflichtiger wesentlich an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG beteiligt, so könne bei der Veräußerung der Anteile ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen. Der Senat nehme in seinem Bescheid an, in solchen Fällen seien die gezahlten Schuldzinsen wie zusätzliche Anschaffungskosten erst bei der Veräußerung zu berücksichtigen. Dieser Auffassung sei zuzustimmen. Vor der Veräußerung könnten die Zinsen jedenfalls auch im Rahmen des § 17 EStG nicht berücksichtigt werden; die gegenteilige Auffassung im Urteil des Reichsfinanzhofs VI 649/37 vom 8. November 1937 (RStBl 1938 S. 83) sei abzulehnen. - Würden Aktien außerhalb eines Betriebsvermögens auf Kredit erworben, ohne daß eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG vorliege und ohne daß sie innerhalb der Frist des § 23 EStG veräußert würden, so könnten Schuldzinsen, wie das Finanzgericht richtig ausführe, auch nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Der Senat wolle das in dem Bescheid zwar annehmen, wenn der Steuerpflichtige die Aktien von vornherein nicht in spekulativer Absicht erworben oder diese Absicht später aufgegeben habe; wenn aber eine spekulative Absicht festgestellt werde, so wolle der Senat den Sonderausgabenabzug versagen, weil der Steuerpflichtige dann die Aktien erworben habe, um durch Wertsteigerung Gewinne zu erzielen. Die Unterscheidung sei aber nicht angebracht. Der Sonderausgabenabzug sei vielmehr regelmäßig abzulehnen, da beim Aktienerwerb durchweg eine Wertsteigerung erhofft werde. Unter welchen Umständen ein Sonderausgabenabzug ausnahmsweise zugelassen werden könne, brauche im Streitfall nicht entschieden zu werden; denn hier müsse entscheidend sein, daß die Aktien im Wert wesentlich gestiegen seien und der Bf. auch eine die zu zahlenden Schuldzinsen aufwiegende Wertsteigerung erwartet habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend hat das Finanzgericht mit der ständigen Rechtsprechung (z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 924/32 vom 14. März 1933, RStBl 1933 S. 586; IV 1/42 vom 16. April 1942, RStBl 1942 S. 633; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 250/51 U vom 7. November 1951, BStBl 1952 III S. 12, Slg. Bd. 56 S. 27) und dem Fachschrifttum (z. B. Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., 1959, Anm. 3 zu § 9 EStG; Hartz-Over, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwörter: "Schuldzinsen" und "Verluste") es abgelehnt, Schuldzinsen der in Frage stehenden Art gemäß § 9 Ziff. 1 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Erwirbt ein leitender Angestellter einer AG aus eigenem Entschluß oder wie hier auf Veranlassung der Arbeitgeberin ein Aktienpaket, um im Betrieb der AG eine Stellung als leitender Angestellter zu erhalten oder zu behalten, so ist zwar der Zusammenhang zwischen der Arbeitstätigkeit und dem Aktienerwerb offenkundig. Deshalb sind aber nicht, wie der Bf. will, die Schuldzinsen ohne weiteres Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; ebensowenig wie man aus diesem wirtschaftlichen Zusammenhang etwa folgern könnte, daß Gewinn oder Verluste aus der späteren Veräußerung dieser Aktien Einnahmen oder Verluste aus nichtselbständiger Arbeit sein müßten. Aktien sind ihrem Wesen nach Kapitalanlagen und werden als solche erworben. Im einzelnen Fall mag der Zweck der Vermögensanlage zurücktreten und ein anderer Zweck, z. B. der Zweck, im Betrieb der AG eine Stellung zu erhalten, in den Vordergrund treten. Aber auch in den letztgenannten Fällen sind die Aktien nicht etwa "Arbeitsmittel" im Sinne des § 9 Ziff. 5 EStG.
Nach § 9 Ziff. 1 EStG sind Schuldzinsen, die mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, Werbungskosten. Der Zusammenhang muß aber grundsätzlich ein unmittelbarer sein (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 250/51 U, a. a. O.); ein mittelbarer, entfernter Zusammenhang genügt im allgemeinen nicht. Wenn, wie in Fällen der vorliegenden Art, ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit mehreren Einkunftsarten besteht, so sind die Schuldzinsen, wenn keine Aufteilung möglich ist, bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, mit der sie nach Grund und Wesen die engere Beziehung haben. Erwirbt ein leitender Angestellter Aktien seiner Arbeitgeberin auf Kredit, so tritt zwischen das Arbeitsverhältnis und die Zinszahlungen der Aktienbesitz als eigene Einkunftsquelle, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend bemerkt. Das Finanzgericht hat deshalb die Schuldzinsen mit Recht nicht mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Beziehung gesetzt. Auch eine Aufteilung ist nicht möglich.
Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei der Einkunftsart Kapitalvermögen berücksichtigt hat. Wie das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen richtig darlegen, hat der Reichsfinanzhof Zinsen aus einem Kredit, der zum Erwerb von Aktien aufgenommen wurde, nicht abziehen lassen, wenn die Aktien keine Dividende gebracht hatten; wenn die Aktien aber Dividende gebracht hatten, so konnten die Zinsen nur bis zur Höhe der erzielten Dividenden abgesetzt werden (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 669/27 vom 11. Juli 1928, RStBl 1928 S. 312; VI A 1503/28 vom 19. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 140). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß, wer außerhalb eines Betriebsvermögens Aktien auf Kredit kauft, sich damit in der Regel eine eigene Einkunftsquelle schaffen will, die bei der Veräußerung, wenn nicht ausnahmsweise ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft vorliegt oder § 17 EStG eingreift, zu nichtsteuerbaren Einkünften führt. Wenn die auf Kredit angeschafften Aktien Dividenden bringen, so stehen nach Auffassung des Reichsfinanzhofs die Zinsen in weiterem Sinne mit der Dividende in einem wirtschaftlichen Zusammenhang und können deshalb bis zur Höhe der bezogenen Dividende abgezogen werden. Der Reichsfinanzhof hat den Abzug der Schuldzinsen über die zugeflossenen Dividenden hinaus nur zugelassen, wenn der Steuerpflichtige darlegte, daß er die Aktien nicht zu Gewinnzwecken, sondern als feste Vermögensanlage oder zur Sicherung vor Verlusten erworben hatte (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 571/31 vom 26. März 1931, RStBl 1931 S. 488; VI A 201/34 vom 4. Dezember 1935, RStBl 1936 S. 217; IV 1/42 vom 16. April 1942, RStBl 1942 S. 633). Auch in der Entscheidung VI 649/37 vom 8. November 1937 (RStBl 1938 S. 83) geht der Reichsfinanzhof davon aus, daß der Steuerpflichtige den GmbH-Anteil nicht zu Spekulationszwecken erworben habe; er lehnte es allerdings ab, die Schuldzinsen in solchen Fällen mit der Veräußerung des GmbH-Anteils in Verbindung zu bringen, da sie weder Anschaffungs- noch Veräußerungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG seien, sondern er ließ die Schuldzinsen dann als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zum Abzug zu.
Der Senat tritt dem Finanzgericht und dem Bundesminister der Finanzen darin bei, daß Aktien, vor allem seit der Währungsumstellung, vornehmlich nicht wegen der erwarteten Gewinnausschüttung (Dividenden) erworben wurden, sondern als Sachwert und als Vermögensanlage; viele Aktienerwerber erwarten den wirtschaftlichen Gegenwert für die Bindung ihres Vermögens nicht durch eine hohe Verzinsung, sondern durch Kursgewinne infolge der Steigerung des inneren Werts der Aktien, die sie auch jederzeit durch Verkauf der Aktien leicht realisieren können. Vor allem wenn jemand Kredit in Anspruch nimmt, um Aktien zu kaufen, und das Risiko auf sich nimmt, daß - wie es oft der Fall ist - die zu zahlenden Schuldzinsen während der Besitzdauer höher sind als die zu erwartenden Gewinnausschüttungen (Dividenden), kann ein solcher Steuerpflichtiger als wirtschaftlich denkender Mensch im allgemeinen nur von der Erwägung geleitet sein, daß das Geschäft infolge der Wertsteigerung der Aktien im Endergebnis trotz des Zinsverlustes für ihn noch lohnend ist. Auch wenn bei einem Aktienerwerb mit Kredit andere Gründe mitspielen, wie hier z. B. das Ziel, über die Aktien eine Berufsstellung zu erhalten oder zu festigen, ist doch der Aktienerwerb ein selbständig zu beurteilender Vorgang; auch in solchen Fällen würde der Steuerpflichtige nicht bereit sein, erhebliches Vermögen in Aktien zu binden, wenn er sich daraus nicht einen guten Ertrag, mindestens durch Wertsteigerung der Aktien, verspräche.
Veräußerungsgewinne werden bei Aktien, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, zur Einkommensteuer nur herangezogen, wenn es sich um wesentliche Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG oder um Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 b EStG handelt. Geht man von der Erfahrungstatsache aus, daß in der Regel Aktien erworben werden, um vor allem durch Wertsteigerung Gewinne zu erzielen, so würde es der bei der Auslegung der Steuergesetze maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (ß 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) nicht entsprechen, Schuldzinsen, die ein Steuerpflichtiger für einen zum Aktienerwerb aufgenommenen Kredit zahlt, als Verluste aus Kapitalvermögen zu behandeln, obgleich der Steuerpflichtige keineswegs Verluste erleidet oder auch nur in Kauf nehmen will. Es ist vielmehr sinnvoller und entspricht besser den eigenen wirtschaftlichen überlegungen der Steuerpflichtigen, mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Schuldzinsen mit der erwarteten Wertsteigerung der Aktien in Zusammenhang zu bringen, sie also gewissermaßen als Werbungskosten bei einer Einkunft zu behandeln, die bei der Einkommensbesteuerung außer Betracht bleibt.
Wenn der Reichsfinanzhof gezahlte Schuldzinsen bis zur Höhe der in demselben Kalenderjahr aus den Aktien zugeflossenen Erträge (Dividenden) zum Abzug zugelassen hat, so ist das, wie auch der Bundesminister der Finanzen annimmt, vertretbar, weil ein Steuerpflichtiger im allgemeinen die erhaltenen Erträge (Dividenden) in erster Linie zur Abdeckung der Schuldzinsen aus dem aufgenommenen Kredit verwenden wird und nicht zu verkennen ist, daß die gezahlten Schuldzinsen nicht nur mit der erwarteten Wertsteigerung der Aktien, sondern auch mit den gezogenen Dividenden in Verbindung stehen.
Im Vorbescheid hat der Senat den Steuerpflichtigen den Nachweis offengehalten, daß sie die Aktien nicht in spekulativer Absicht erworben oder eine zunächst bestehende spekulative Absicht nachträglich aufgegeben hatten; fehlt eine spekulative Absicht, so wollte der Senat - ebenfalls im Anschluß an die erwähnte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - die gezahlten Schuldzinsen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG abziehen lassen.
Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an dieser Auffassung nicht fest, sondern nimmt nunmehr an, daß gezahlte Schuldzinsen, soweit sie nicht mit laufenden Erträgen (Dividenden) verrechnet werden können, grundsätzlich mit der erwarteten Wertsteigerung der Aktien in Beziehung zu setzen sind, ohne daß es auf eine Spekulationsabsicht ankommt. Die Unterscheidung, ob eine Spekulationsabsicht besteht oder nicht, geht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 571/31 vom 26. März 1931 (RStBl 1931 S. 488) zurück; dieses Urteil ist zu § 42 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1925 ergangen. Nach dieser Vorschrift entfiel ein Spekulationsgewinn, wenn der Steuerpflichtige darlegte, daß er den veräußerten Gegenstand nicht zur gewinnbringenden Wiederveräußerung erworben hatte. Seit dem EStG 1934 ist aber für Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG nur noch das Zeitmoment maßgebend; auf die Spekulationsabsicht kommt es nicht mehr an. Bei der Neufassung des EStG 1934 dürfte vor allem auch der Gedanke bestimmend gewesen sein, daß die Feststellung einer Spekulationsabsicht nahezu unmöglich ist. Dann aber kann es nicht im Sinne des Gesetzes liegen, eine durch die Neufassung des § 23 EStG beseitigte Schwierigkeit auf anderem Wege wieder in das Einkommensteuerrecht einzuführen. Wie dargelegt, entspricht es vielmehr besser den eigenen wirtschaftlichen überlegungen der Steuerpflichtigen, die Aktien auf Kredit zu kaufen, die gezahlten Zinsen vor allem mit der erwarteten Wertsteigerung der Aktien in Beziehung zu setzen.
Für die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger mit Kredit eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG erwirbt und über die Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 b EStG hinaus behält, hat der Senat im Vorbescheid angenommen, daß die gezahlten Schuldzinsen, soweit sie nicht mit laufenden Erträgen (Dividenden) verrechnet werden konnten, erst bei der Veräußerung gewissermaßen als zusätzliche Anschaffungskosten dem Veräußerungspreis gegenüberzustellen sind. Der Senat hält an dieser Auffassung, der auch der Bundesminister der Finanzen zustimmt, fest. Im allgemeinen gehören zwar Zinsen aus einem Kredit, der zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes aufgenommen wird, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts (Urteile des Bundesfinanzhofs I 18/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S. 349, Slg. Bd. 65 S. 304; VI 19/57 U vom 24. April 1959, BStBl 1959 III S. 236, Slg. Bd. 68 S. 619). Von dieser Auffassung ist auch der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI 649/37 a. a. O. ausgegangen. Bei der Sondervorschrift des § 17 EStG, deren systematische Einordnung im Gesetz nicht eindeutig ist, ist es aber trotzdem angebracht, die gezahlten Schuldzinsen, soweit sie nicht mit laufenden Erträgen (Dividenden) verrechnet werden können, wie Anschaffungskosten zu behandeln. Während der Besitzdauer ist die wesentliche Beteiligung eine Kapitalanlage wie jede andere; die Erträge sind Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG. Ob aus der Beteiligung ein Gewinn entsteht, entscheidet sich erst bei der Veräußerung. Es liegt darum nahe, die Schuldzinsen aus einem mit der wesentlichen Beteiligung zusammenhängenden Kredit während der Besitzdauer ebenso zu behandeln wie bei einer nicht wesentlichen Beteiligung und die nicht laufend verrechneten Schuldzinsen erst bei der Errechnung eines Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Andernfalls wären, wenn die wesentliche Beteiligung später nicht mit Gewinn veräußert wird, die laufenden Zinsen in der Vergangenheit zu Unrecht abgesetzt worden. Es ist auch zu bedenken, daß Veräußerungsgewinne im Sinne des § 17 EStG nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG tariflich begünstigt werden. Das legt nahe, die Schuldzinsen nicht von dem zum Normaltarif zu versteuernden laufenden Einkommen, sondern erst vom Veräußerungspreis abzusetzen.
Nach allem berücksichtigt der Senat auch bei wesentlichen Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG die Schuldzinsen nicht schon im Jahr der Verausgabung, sondern erst im Zusammenhang mit der Veräußerung. Der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 649/37 a. a. O., die diese Frage anders beurteilt, tritt der Senat nicht bei, weil sie den Besonderheiten des § 17 EStG nicht ausreichend Rechnung trägt und zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der wesentlichen Beteiligungen gegenüber den nicht wesentlichen Beteiligungen führt.
Im Streitfall besitzt der Bf. eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bf., wie das Finanzgericht annimmt, beim Erwerb der Beteiligung eine spekulative Absicht hatte. Es ist dem Bf. zuzugeben, daß die dahingehende Feststellung des Finanzgerichts wohl den Besonderheiten des Falles nicht ganz gerecht wird. Aber auch wenn man annimmt, daß der Bf. über den Aktienerwerb in erster Linie zu der erstrebten Stellung als Vorstand kommen wollte, schließt das nicht aus, daß er das mit der Verschuldung verbundene Risiko des Zinsverlustes nur eingegangen ist, weil er erwartete, daß durch seine Tüchtigkeit und bei der guten Konjunktur der Wert der Aktien so steigen würde, daß der Zinsverlust durch die Wertsteigerung mehr als ausgeglichen würde. Diese Erwartung ist in Erfüllung gegangen; der Wert der Aktien ist erheblich gewachsen. Es wäre im übrigen im wirtschaftlichen Ergebnis kaum vertretbar, dem Bf., der als wesentlich beteiligter Gesellschafter und Vorstand auf die Dividendenpolitik seiner Gesellschaft maßgebenden Einfluß hat, den laufenden Abzug der Schuldzinsen zu gestatten, obgleich die AG, die Gewinne hatte, keine Dividenden ausschüttete, und zwar nicht einmal in Höhe der Schuldzinsen, die der Bf. zu zahlen hatte.
Nach allem hat das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum angenommen, daß der Bf. die streitigen Schuldzinsen weder als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (ß 19 EStG) oder aus Kapitalvermögen (ß 20 EStG) noch als Sonderausgaben (ß 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) absetzen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 410068 |
BStBl III 1961, 431 |
BFHE 1962, 449 |
BFHE 73, 449 |