Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitlicher Umfang einer Außenprüfung: Größenklasse, Auswahlermessen, maßgeblicher Stichtag - Umdeutung von Verwaltungsakten
Leitsatz (amtlich)
1. Die für den zeitlichen Umfang einer Außenprüfung maßgebende Zuordnung eines Betriebes zu einer bestimmten Größenklasse ist grundsätzlich nach der von der Steuerverwaltung zur Ausübung des ihr eingeräumten Auswahlermessens getroffenen Regelung in der BpO(St) auf den im Zeitpunkt des Ergehens der Prüfungsanordnung maßgebenden Stichtag zu ermitteln (§ 4 Abs.4 Satz 1 BpO(St)). Dieser Stichtag bleibt auch für das Beschwerdeverfahren verbindlich.
2. Der Senat läßt dahingestellt, ob er sich der gewandelten rechtlichen Würdigung des Auswahlermessens nach § 193 Abs.1 AO 1977 durch den X.Senat (Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) anschließen könnte.
Orientierungssatz
1. Die in der BpO(St) getroffene Regelung verstößt nicht gegen Art.3 Abs.1 GG.
2. Eine Ermessensentscheidung kann --auch vom FG-- gemäß § 128 AO 1977 grundsätzlich in einen nicht durch im Individualinteresse auszuübende Ermessenserwägungen gebundene Entscheidung umgedeutet werden.
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1-2, §§ 196, 367 Abs. 2 S. 1, §§ 5, 128; GG Art. 3 Abs. 1; BpO (St) 1987 § 3; BpO (St) 1987 § 4 Abs. 1; BpO (St) 1987 § 4 Abs. 2; BpO (St) 1987 § 4 Abs. 3; BpO (St) 1987 § 4 Abs. 4; BpO (St) 1987 § 32 Abs. 4; AO 1977 § 368 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA--) erließ u.a. gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die X KG (KG) unter dem 27. Oktober 1988 eine Prüfungsanordnung gemäß § 193 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) über einheitliche Gewinnfeststellung, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer 1982 bis 1987 und die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1983 bis 1. Januar 1988.
Die KG unterhielt mit der Herstellung von Verpackungen bis Mitte 1987 einen Fertigungsbetrieb. Mit Gesellschafterbeschluß vom 16. Juni 1987 schied die Verwaltungs-GmbH als Komplementärin zum 30. Juni 1987 aus und firmierte fortan als Y GmbH. In die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters trat der Kommanditist A ein. Zwischen KG und GmbH wurde zum 1. Juli 1987 eine Betriebsaufspaltung vereinbart.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 25. Februar 1988 übernahm die Z GmbH (übernehmende GmbH) die Verwaltungs-GmbH (übertragende GmbH) nach § 19 Abs.1 Nr.1 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl I, 789). Die übernehmende GmbH firmierte als Y GmbH (GmbH). Die Verschmelzung wurde für beide Gesellschaften am 14. Juni 1988 im Handelsregister eingetragen.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) M hatte der Z GmbH mit Schreiben vom 14. Januar 1988 eine Erlaßzusage erteilt, die die zwischenzeitlich zuständig gewordene OFD S mit Schreiben vom 22. März 1989 widerrief. Auf Beschwerde traf das Finanzministerium W mit der GmbH am 30. Mai 1990 eine modifizierte Gesamtregelung.
Zum 1. Januar 1985 lag dem FA die Feststellungserklärung für 1981 vor, die einen gewerblichen Gewinn der KG in Höhe von 595 282 DM ausweist. Die KG erklärte mit der für 1982 am 7. Februar 1985 eingereichten Feststellungserklärung einen Gewinn von 474 970 DM. Nach der am 24. März 1988 eingereichten Feststellungserklärung betrug das Jahresergebnis 1987 ./. 31 690 DM. Die zum 12. August 1988 eingereichte Umsatzsteuererklärung 1987 weist Bruttoumsätze von rd. 4,9 Mio DM aus. Darin sind für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 1987 Umsätze von Organgesellschaften enthalten, nachdem die KG ab 1. Juli 1987 umsatzsteuerrechtlich als Organträgerin fungierte.
Die von der KG gegen die Prüfungsanordnung eingelegte Beschwerde (Schreiben vom 29. November 1988) verwarf die OFD S zunächst mit Entscheidung vom 30. Oktober 1990. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 5. Juli 1991 4 K 232/90 statt und hob die Beschwerdeentscheidung (isoliert) auf. Mit Entscheidung vom 21. Januar 1992 wies die OFD S nunmehr die Beschwerde als unbegründet zurück.
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen (§§ 193, 194, 5 AO 1977, Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--) und formellen (§ 76 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Rechts. Für die Einordnung des zu prüfenden Betriebes in die für den Prüfungszeitraum maßgebenden Größenklassen müsse nach der Struktur des Beschwerdeverfahrens der Zeitpunkt des Ergehens der Rechtsbehelfsentscheidung maßgebend sein. Die Verwaltung verfahre überdies zwischenzeitlich ebenfalls großzügiger und berücksichtige die Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Die Steuerverwaltung überziehe die Unternehmensgruppe in schikanöser Weise mit einer Vielzahl von Prüfungsanordnungen, um die mit dem Finanzministerium W getroffene Vereinbarung vom 30. Mai 1990 zur Gesamtregelung der Steuerrückstände der Z GmbH zu unterlaufen.
Wegen der vom FG insoweit unterlassenen Überprüfung der Ermessensentscheidung rüge sie mangelnde Sachaufklärung nach § 76 Abs.1 FGO.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Prüfungsanordnung vom 27. Oktober 1988 in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD S vom 21. Januar 1992 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
Das FG hat rechtsfehlerfrei die gegen die Klägerin ergangene Prüfungsanordnung in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung als rechtmäßig beurteilt.
1. Nach § 193 Abs.1 AO 1977 ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die wie die Klägerin, einen gewerblichen Betrieb im Prüfungszeitraum unterhalten haben, ohne weitere Voraussetzungen zulässig (Urteil des erkennenden Senats vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723; Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 5).
a) Die Regelung in § 193 Abs.1 AO 1977 geht davon aus, daß die Heranziehung der dort genannten Steuerpflichtigen zu einer routinemäßigen Außenprüfung in aller Regel ermessensgerecht ist, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor (Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 84 m.w.N.; vom 25. Juli 1991 V R 89/88, BFHE 165, 163, BStBl II 1992, 3; vom 28. Oktober 1988 III R 52/86, BFH/NV 1990, 4, 5; vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273).
Grundsätzlich kann das FA auch die zu prüfenden Besteuerungszeiträume nach seinem Ermessen festlegen (§§ 196, 194 Abs.1 Satz 2 AO 1977; Urteil in BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723 m.w.N.).
b) Angesichts ihrer begrenzten sachlichen und personellen Mittel sind die Finanzbehörden allerdings aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, von dieser Ermächtigung zur umfassenden Prüfung Gebrauch zu machen. Sie müssen deshalb unter den zu prüfenden Betrieben eine Auswahl treffen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Oktober 1992 IV R 47/91, BFH/NV 1993, 149; in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 5, zum Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung; Urteile in BFH/NV 1990, 273; vom 23. Juli 1985 VIII R 197/84, BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36; vom 20. Juni 1984 I R 111/80, BFHE 142, 1, BStBl II 1984, 815; vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; vom 24. Oktober 1972 VIII R 8/69, BFHE 108, 143, BStBl II 1973, 275).
Die Finanzverwaltung hat dieses Auswahlermessen in der für den Streitfall maßgebenden Betriebsprüfungsordnung (Steuer) --BpO(St)-- vom 17. Dezember 1987 (BStBl I, 802) dahingehend ausgeübt, daß Großbetriebe grundsätzlich lückenlos (§ 4 Abs.2 Satz 1 BpO(St)), andere Betriebe hingegen in aller Regel nur für einen Zeitraum von drei Jahren geprüft werden (§ 4 Abs.3 Satz 1 BpO(St)), vorbehaltlich der in Satz 2 genannten Sonderregelungen. Diese Selbstbeschränkung ihres Ermessens durch die Finanzverwaltung ist nach bisheriger Rechtsprechung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFH-Urteile vom 26. Februar 1987 IV R 109/86, BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361; in BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36, 38, und VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433; in BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721; a.M. neuerdings der X.Senat im Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220, und der I.Senat im Urteil vom 8. April 1992 I R 85/89, BFH/NV 1993, 73; im Sinne der bisherigen Rechtsprechung noch im Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 45/84, BFH/NV 1990, 455, 456 m.w.N.).
Die für die hiernach erforderliche Einordnung der Betriebe in Größenklassen (§ 3 Satz 1 BpO(St)) maßgebenden Abgrenzungsmerkmale haben die obersten Finanzbehörden der Länder im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) entsprechend § 3 Satz 2 BpO(St) für den im Streitfall maßgebenden, ab 1. Januar 1985 laufenden XII.Prüfungsturnus durch BMF-Schreiben vom 6. September 1984 IV A 7-S 1459-44/84 (BStBl I, 502) festgelegt.
Nach den Feststellungen des FG war das Unternehmen der Klägerin auf den 1. Januar 1985 als Großbetrieb einzustufen.
c) Der erkennende Senat hat die Regelung in § 4 Abs.2 BpO(St) bereits als ermessensfehlerfrei (§ 5 AO 1977) beurteilt (BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723; Anmerkung o.V. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 603). Es ist sachgerecht, für Großbetriebe generell eine sog. Anschlußprüfung vorzusehen, weil bei ihnen erfahrungsgemäß die steuerlich erheblichen Verhältnisse so umfangreich und schwierig zu überschauen sind, daß sie ohne eine Außenprüfung nicht allein durch den Innendienst wirksam kontrolliert (§ 85 AO 1977) und zutreffend besteuert werden können (vgl. Schröder/Muuss, Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung, Tz.3110; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., vor § 193 AO 1977 Tz.10, § 193 AO 1977 Tz.18). Die Gefahr von Steuerausfällen ist hier größer als bei anderen Betrieben (Urteil in BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721; Beschluß vom 17. September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197).
d) Zu Recht hat das FG auch die stichtagsbezogene Einstufung der Betriebe in Größenklassen als sachgerecht beurteilt und es abgelehnt, bei Durchführung eines Beschwerdeverfahrens einen abweichenden Zeitpunkt zugrunde zu legen.
Die Finanzverwaltung hat als Ausgangspunkt für den zeitlichen Umfang einer Außenprüfung die im Zeitpunkt des Ergehens der Prüfungsanordnung nach § 3 BpO(St) stichtagsbezogen ermittelte Größenklasse eines Betriebs festgelegt (§ 4 Abs.4 Satz 1 BpO(St), Urteil in BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36, 38). Danach ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage, auf welchen Zeitpunkt § 4 Abs.4 Satz 1 BpO(St) genau abstellt (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 194 AO 1977, Rz.205), nicht entscheidungserheblich. Die angefochtene Prüfungsanordnung vom 27. Oktober 1988 ist auf jeden Fall noch im Jahre 1988 wirksam geworden (vgl. § 124 Abs.1 Satz 1 AO 1977) und damit vor Beginn des XIII.Prüfungsturnusses mit dem Stichtag 1. Januar 1989 (vgl. BMF-Schreiben vom 29. August 1988 IV A 7-S 1459-30/88, BStBl I, 370).
Bezugsgrößen sind die in den Steuerfestsetzungen bzw. -feststellungen oder hilfsweise die in den Steuererklärungen angegebenen Werte betreffend Gewinn bzw. Gesamtumsatz zu dem für den betreffenden Prüfungsturnus maßgebenden Stichtag (§§ 3 Satz 2, 32 Abs.4 BpO(St)). Die so ermittelte Größenklasse bleibt für den gesamten --regelmäßig drei Jahre umfassenden-- Prüfungsturnus maßgebend bis zum Stichtag der nächsten Einordnung (§ 32 Abs.4 Satz 1 BpO(St)). Änderungen der die Größenklasse bestimmenden Betriebsmerkmale bleiben bis zur nächsten Einordnung also unberücksichtigt (§ 32 Abs.5 Satz 1 BpO(St)).
Für Betriebe, die zum maßgebenden Stichtag als Großbetrieb eingestuft worden sind, folgt hieraus, daß grundsätzlich eine Anschlußprüfung durchgeführt wird.
Stichtagsregelungen können unvermeidlich gewisse, im Einzelfall hinzunehmende, Härten mit sich bringen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 9. Mai 1989 1 BvL 11/87 u.a., BVerfGE 80, 297, 311; BVerfG-Beschluß vom 13. Dezember 1967 1 BvR 679/64, BVerfGE 23, 1, 8; ferner BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 II R 83/83, BFH/NV 1985, 6, 8).
Die in der BpO(St) getroffene Regelung ist auch nach Art.3 Abs.1 GG nicht zu beanstanden. Die Regelung ist zu messen an der generellen und rechtlich an sich in den äußersten Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 4, 5) und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkten Zulässigkeit von Außenprüfungen bei gewerblichen Betrieben. Wenn die Verwaltung aus tatsächlichen Gründen eine Auswahl treffen muß und sie sich deshalb im Rahmen der BpO(St) gewissen Selbstbeschränkungen unterwirft, so ist gleichwohl der sehr weite Gestaltungsspielraum der Verwaltung zu beachten.
Das Stichtagsprinzip dient nicht allein einer --wesentlichen-- Verfahrensvereinfachung, sondern auch einer zuverlässigen Planbarkeit des Personaleinsatzes. Im übrigen wird bei einem erst während des regelmäßig dreijährigen Prüfungsturnus von einem Großbetrieb in einen "anderen Betrieb" umstrukturierten Betrieb der anteilig auf diesen "geänderten" Betrieb entfallende Prüfungszeitraum in aller Regel nicht die für "andere Betriebe" in § 4 Abs.3 BpO(St) als Normalprüfungszeitraum vorgesehene dreijährige Dauer überschreiten (vgl. zustimmend auch Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 194 Tz.29).
e) Eine abweichende rechtliche Würdigung ist ebensowenig im Hinblick auf die Struktur des Beschwerdeverfahrens geboten.
Nach ständiger Rechtsprechung sind für die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen (vgl. §§ 368 Abs.2 Satz 2, 367 Abs.2 Satz 1 AO 1977; BFH-Urteile vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545; vom 24. November 1988 IV R 199/85, BFH/NV 1989, 548; vom 28. April 1988 IV R 106/86, BFHE 153, 210, BStBl II 1988, 857; vom 1. August 1984 I R 138/80, BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350).
In diesem Sinne sind verfahrensrechtlich maßgebend zum einen die stichtagsbezogene und für die gesamte Dauer des einschlägigen Prüfungsturnus vorzunehmende Einstufung eines Betriebes in Größenklassen, zum anderen das vom FG zu Recht herausgestellte Prinzip der BpO(St), die Zeitpunkte für die Einordnung durchgehend festzulegen (vgl. § 4 Abs.4 Satz 1, § 3 Satz 1, § 3 Satz 1 BpO(St)).
An diese sachbezogenen und rechtlich unbedenklichen Regelungen in der BpO(St) sind FA und Beschwerdebehörde gleichermaßen gebunden. Zutreffend weist das FA darauf hin, daß diese Regelung auch der Vermeidung von Manipulationen hinsichtlich des Prüfungszeitraums dient.
Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler (a.a.O., 9.Aufl., § 194 AO 1977 Tz.205) trägt diesen Regelungszusammenhängen nicht hinreichend Rechnung, auch wenn er für die Einteilung der Betriebe in Größenklassen generell auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abstellen will. Darüber hinaus betrifft die Entscheidung in BFHE 153, 210, BStBl II 1988, 857 den Sonderfall nach § 4 Abs.3 Satz 2, 2.Alternative BpO(St), daß der dreijährige Prüfungszeitraum bei anderen Betrieben erweitert werden kann, wenn mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist. Auf diesen Sonderfall beziehen sich auch die vorgenannten Urteile des BFH zum maßgebenden Zeitpunkt bei Beschwerden.
f) Anhaltspunkte für ein willkürliches und schikanöses Verhalten der Finanzverwaltung (vgl. Urteil in BFH/NV 1993, 149) sind nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs.2 FGO) nicht erkennbar.
Die in diesem Verfahren angefochtene Prüfungsanordnung betrifft allein die KG (vgl. § 194 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Ob und ggf. aus welchem Anlaß aufgrund eigenständiger Prüfungsanordnungen andere Gesellschaften geprüft werden, berührt nicht die Rechtmäßigkeit dieser Prüfungsanordnung. Die modifizierte Sanierungsvereinbarung vom 30. Mai 1990 betrifft ausschließlich die Z GmbH. Die Überprüfung des Ausscheidens der Komplementär-GmbH aus der KG und der neubegründeten Geschäftsbeziehungen der KG zu der GmbH im Rahmen der Betriebsaufspaltung läßt ebensowenig Umstände erkennen, die den lediglich abstrakt erhobenen Vorwurf belegen könnten.
Für die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter der KG enthält § 194 Abs.1 Satz 3, Abs.2 AO 1977 gesetzliche Vorgaben. Nach § 194 Abs.1 Satz 3 AO 1977 umfaßt die Außenprüfung bei einer Personengesellschaft die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter (nur) insoweit, als diese Verhältnisse für die zu überprüfenden einheitlichen Feststellungen von Bedeutung sind. Soweit die Außenprüfung bei der KG rechtswidrige Prüfungshandlungen vornähme, ist es der Klägerin unbenommen, entweder, sofern sich die Maßnahme als Verwaltungsakt darstellt, unmittelbar Rechtsschutz in Form der Beschwerde zu suchen oder bei schlichtem Verwaltungshandeln im Rahmen eines gegen die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Steuerbescheide eingelegten Rechtsmittels vorzugehen.
Insbesondere hat das FG zu Recht nicht deshalb einen Ermessensfehler angenommen, weil sich bei der Klägerin gegen Ende des Prüfungszeitraums ein "grundlegender Strukturwandel" vollzogen habe.
Die überdies nicht formgerecht nach § 120 Abs.2 Satz 2 FGO erst in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 1994 erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs.1 FGO) ist verspätet (vgl. § 120 Abs.1 Satz 1, 2.Halbsatz FGO; BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 9/78, BFHE 126, 383, BStBl II 1979, 184, 185).
3. Der Streitfall nötigt nicht, abschließend auf die gewandelte rechtliche Würdigung des Auswahlermessens nach § 193 Abs.1 AO 1977 durch den X.Senat einzugehen (BFH-Urteile in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220; vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274, und X R 14/90, BFH/NV 1992, 289, jeweils nur mit Leitsatz veröffentlicht; kritisch Gosch in Die steuerliche Betriebsprüfung 1992, 119 ff.).
Der X.Senat entwickelt diesen Grundsatz zum einen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Anschlußprüfungen bei "anderen Betrieben" i.S. von § 4 Abs.3 BpO(St). Für Großbetriebe stellt sich diese Frage nicht. Zum anderen bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Anordnung einer Außenprüfung bei gewerblichen Betrieben doch --wie die bisherige Rechtsprechung angenommen hat-- als "klassische" Ermessensentscheidung einzuordnen ist.
Eine Ermessensentscheidung kann --auch vom FG-- gemäß § 128 AO 1977 grundsätzlich in einen nicht durch im Individualinteresse auszuübende Ermessenserwägungen gebundene Entscheidung umgedeutet werden (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 128 AO 1977 Tz.5 m.w.N., Tz.6). Dem Steuerpflichtigen stünde dann kein Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch zu.
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für beide rechtlichen Alternativen vor.
4. Danach war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65132 |
BFH/NV 1994, 69 |
BStBl II 1994, 678 |
BFHE 174, 397 |
BFHE 1995, 397 |
BB 1994, 1703 |
BB 1994, 2134 |
BB 1994, 2134-2136 (LT) |
DB 1994, 1760 (L) |
DStR 1994, 1262-1264 (KT) |
DStZ 1994, 606-607 (KT) |
HFR 1994, 701-703 (LT) |
StE 1994, 497-498 (K) |