Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Es steht der Gewährung einer Investitionszulage nicht entgegen, wenn ein bewegliches Wirtschaftsgut nach der Anschaffung oder Herstellung mit anderen in dem Betrieb oder der Betriebsstätte vorhandenen beweglichen Wirtschaftsgütern verbunden oder vermischt wird.

 

Normenkette

BHG §§ 21, 19; EStG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Investitionszulage nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 - BHG 1962 - (BGBl I S. 492, BStBl I 1962, 997).

Der Revisionskläger betreibt ein Güternah- und Fernverkehrsunternehmen. 1963 ließ er von zwei zu seinem Betrieb gehörigen LKW-Anhängern die alten Aufbauten abmontieren und fabrikneue Kofferaufbauten aufmontieren. Die Kosten betrugen 16.280 DM und 15.355 DM. Die hierfür beantragte Investitionszulage wurde abgelehnt.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht (VG) führte aus, die Investitionszulage könne nur gewährt werden, wenn die Kofferaufbauten auch nach ihrem Aufmontieren auf die gebrauchten Fahrgestelle ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut geblieben seien. Das sei nicht der Fall. Die Kofferaufbauten seien mit den gebrauchten Fahrgestellen derart verbunden, daß sie nur in der Gesamtheit mit den Fahrgestellen, als deren Teile sie sich darstellten, bewertungsfähig seien. Da die fabrikneuen Kofferaufbauten zusammen mit den gebrauchten Fahrgestellen ein einheitliches Wirtschaftsgut bildeten, handele es sich bei diesen Wirtschaftsgütern nicht mehr um fabrikneue Wirtschaftsgüter.

Mit der Rb. werden unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und mangelnde Sachaufklärung gerügt. Fahrgestelle und Spezialaufbauten würden von verschiedenen Firmen bezogen. Die Aufbauten hätten meist eine kürze Lebensdauer als die Fahrgestelle. Sie könnten verhältnismäßig leicht vom Fahrgestell gelöst und auf ein anderes Fahrgestell aufmontiert werden. Aber selbst wenn man mit dem VG annehme, die neuen Kofferaufbauten stellten mit den gebrauchten Fahrgestellen ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, so werde durch die Verbindung ein neues Wirtschaftsgut geschaffen, weil durch die im Verhältnis zum Buchwert der Wirtschaftsgüter vor dem Aufbau der Kofferaufbauten ungewöhnlich hohen Aufwendungen für diese Kofferaufbauten die LKW- Anhänger derart verändert worden seien, daß es sich um neue, selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter handele.

Das Finanzamt (FA) beantragt Zurückweisung der Rb. Nach der Verkehrsauffassung stellten die neuen Kofferaufbauten kein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut dar, sondern bildeten zusammen mit den gebrauchten Fahrgestellen ein einheitliches Wirtschaftsgut, nämlich Spezialfahrzeuge, so daß es sich hierbei nicht mehr um fabrikneue Wirtschaftsgüter handele.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet.

Für die Entscheidung des Streitfalls maßgebend ist § 21 BHG 1962.

Die Terminologie des § 21 BGH 1962 entspricht derjenigen des EStG. Es liegt deshalb nahe, bei der Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Umschreibung der in ihr verwendeten Begriffe, an die Auslegung des EStG anzuknüpfen, ohne daß es aber zwingend geboten wäre, die Auslegung vergleichbarer einkommensteuerlicher Vorschriften in allen Einzelheiten zu übernehmen. Das gilt, wie der Senat in dem Urteil IV 289/65 vom 21. Juli 1966, BStBl III 1967, 59, im einzelnen ausgeführt hat, insbesondere auch für den Begriff des Wirtschaftsguts.

Die streitigen Kofferaufbauten sind entgegen der Ansicht der Vorinstanz Wirtschaftsgüter, und sie sind auch selbständig bewertungsfähig. Es ist hierzu auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Anschaffung abzustellen. Werden Gegenstände erworben, die als selbständig bewertbare bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen sind, so verlieren sie diese Eigenschaft nicht dadurch, daß sie für die Verwendung im Betrieb mit anderen beweglichen Wirtschaftsgütern verbunden werden. Es würde dem Sinn der Vorschriften über die Gewährung einer Investitionszulage, die der Förderung der Investitionstätigkeit in Betrieben und Betriebsstätten in Berlin (West) dienen sollen, widersprechen, wenn eine Investitionszulage für Gegenstände, die im Zeitpunkt des Erwerbs fraglich selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter sind, nur deshalb versagt würde, weil sie mit bereits im Betrieb vorhandenen Wirtschaftsgütern verbunden werden.

Die Vorinstanz stützt ihr Entscheidung zu Unrecht auf das Urteil des BFH I 286/56 S vom 16. Dezember 1958 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 198, BStBl III 1959, 77). Dieses Urteil befaßt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Gegenständen deren Anschaffungskosten nicht mehr als 600 DM betragen, deren Anschaffungskosten nicht mehr als EStG zu versagen ist, weil es sich nicht um der selbständigen Bewertung und Nutzung fähige Wirtschaftsgüter handelt. Der erkennende Senat hat allerdings in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil IV 289/65 vom 21. Juli 1966 entschieden, daß die von der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG entwickelten Grundsätze über die "Sachgesamtheit" bzw. das "einheitliche Ganze" auch bei der Anwendung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 zu beachten sind. Diese Rechtsprechung hat aber, wie das angeführte Urteil und die im Urteil des Senats IV 289/65 bezeichneten weiteren Urteile klar erkennen lassen, nur Bedeutung für die Auslegung des Begriffs des selbständig bewertungs- und nutzungsfähigen Wirtschaftsguts in § 6 Abs. 2 EStG. Die Auslegungsgrundsätze können nicht dazu verwendet werden, um Gegenständen mit hohen Anschaffungskosten, wie im Streitfall den Kofferaufbauten, deren Anschaffungskosten einschließlich der Montagekosten über 15.000 DM und über 16.000 DM betragen und die von der Verkehrsauffassung eindeutig als selbständige und selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter anzusprechen sind, diese Eigenschaft abzusprechen. Es würde sonst das sinnwidrige Ergebnis eintreten, daß für die Anschaffungskosten etwa eines Dreiradlieferwagens eine Investitionszulage zu gewähren wäre, dagegen für die ein Mehrfaches betragenden Anschaffungskosten für Aufbauten von LKW oder Anhängern nicht.

Sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 21 BHG 1962 vorliegen, ist dem Revisionskläger hiernach für die bezeichneten Kofferaufbauten eine Investitionszulage zu gewähren. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Senat nicht prüfen. Die nicht spruchreife Sache geht deshalb an das FA zurück, das den Revisionskläger unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden hat (§ 101 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412208

BStBl III 1967, 58

BFHE 1967, 178

BFHE 87, 178

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