Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "Seegut" im Sinne des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 UStDB 1951.
Normenkette
UStDB 1951 § 28 Abs. 1 Ziff. 1; UStDB 1951 § 28 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 28 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 auf folgenden Sachverhalt: Aus Übersee eingeführte Steinkohle gelangt mit Seeschiffen in die Seehafenplätze Brake und Nordenham, wird dort in Motorschiffe (Leichter) umgeladen und auf diesen nach Bremerhaven befördert. Die Kohle wird sodann dort von dem Steuerpflichtigen im Auftrage der Abnehmerin in seine Kraftfahrzeuge abgeladen und zu der Abnehmerin befördert. Für die Leistungen des Löschens und den Transport mit seinen Kraftfahrzeugen beansprucht der Steuerpflichtige Steuerfreiheit nach § 28 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 a. a. O. als steuerfreien Umschlagverkehr in Seehafenplätzen, weil die mit Seeschiffen ankommende Kohle auch nach dem Umladen in Leichter noch als Seegut gelte und als innerdeutscher Seeverkehr auch noch die Beförderung von den Seehafenplätzen Brake oder Nordenham nach dem Seehafenplatz Bremerhaven anzusehen sei.
Das Finanzamt hat die Entgelte für die genannten Leistungen mit 4 % versteuert. Es ist der Ansicht, Seeverkehr liege nicht vor, weil die Leichter nicht zur See angekommen seien und die See auf dem Wege von Brake oder Nordenham nicht berührt habe; als innerdeutscher Seeverkehr gelte nur der Verkehr zwischen deutschen Häfen auf dem Seewege; auch könne es sich nach der Ankunft der Kohle in Brake oder Nordenham nicht mehr um Seegut im Sinne des § 28 a. a. O. handeln, weil die Kohle erst hier von den Importeuren an die Abnehmerin in Bremerhaven verkauft werde.
Die gegen die Versagung der Steuerfreiheit gerichtete Berufung hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Der Wortlaut des § 28 UStDB steht dem Begehren des Steuerpflichtigen nicht derart entgegen, daß nicht im Wege der Auslegung die Steuerfreiheit zugebilligt werden könnte. Wie das Finanzgericht, geht auch die Entscheidung des erkennenden Senats V 79/54 U vom 1. Juli 1954 (Slg. Bd. 59 S. 101, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1954 III S. 247) davon aus, daß die mehrfachen Änderungen, die die Vorschrift seit dem Ergehen der Verordnung vom 17. März 1928 (Reichsgesetzblatt I S. 69) erfahren hat, im wesentlichen der Klarstellung und der Anpassung an die jeweils geänderten sonstigen umsatzsteuerlichen Vorschriften dienten, ohne daß der Grundgedanke der Seehafenverordnung, wie er in der amtlichen Begründung (vgl. Nr. 3 der Reichsratdrucksache 1928, abgedruckt bei Popitz, Umsatzsteuergesetz 3. Auflage S. 440) zum Ausdruck kommt, berührt würde. Zutreffend führt die Vorentscheidung aus, daß sowohl nach der genannten Verordnung wie auch nach § 19 UStDB 1934 Beförderungen von Gegenständen aller Art zu Wasser innerhalb der bevorrechtigten Gebiete zwischen einem Seeschiff einerseits und einem anderen Seschiff oder einem anderen Fahrzeug, einem Kai oder einem Lager andererseits von der Umsatzsteuer ausgenommen sind. Als Seeschiffe galten alle Schiffe, deren Beladen oder Entladen anläßlich einer Seereise erfolgt, auf der nicht ausschließlich deutsche Seehafenplätze berührt wurden. Den Seeschiffen standen andere Schiffe (z. B. Leichter) dann gleich, wenn sie zwischen zwei bevorrechtigten Gebieten Güter beförderten, die mit Seeschiffen in einem dieser Gebiete angekommen waren oder abgehen sollten. Nach der damaligen Rechtslage kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, daß die Leistungen des Steuerpflichtigen im Streitfalle begünstigt sind.
Daß auch die UStDB 1938 und die mit diesen übereinstimmenden UStDB 1951 insoweit keine Einschränkung bringen sollten, geht aus dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. Januar 1939 S 4114 -- 1 III unter Ziff. 1 (Reichssteuerblatt S. 191) klar hervor, dem als Auslegungserlaß des damaligen Verordnungsgebers besondere Bedeutung zukommt.
Die Rb. vermag eine überzeugende Begründung dafür, daß der Begriff "Seegut" nicht mehr gegeben sein soll, weil die Kohle zunächst auf Leichter umgeladen worden und nicht auf dem Seewege nach Bremerhaven gelangt sei, nicht zu geben. Denn es steht andererseits fest, daß es sich hierbei um eine Beförderung von Seehafenplatz zu Seehafenplatz handelt. Wenn dabei auch die offene See nicht berührt wird, so liegt das lediglich an der geographischen Lage, ändert aber nichts daran, daß sich die Leistungen des Steuerpflichtigen ausschließlich in Seehafenplätzen abspielten. Dies ist aber gerade nach dem Grundgedanken der Befreiungsvorschrift die entscheidende Voraussetzung (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 262/54 U vom 8. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 306, BStBl 1955 III S. 117). Die Rb. muß zur Begründung ihrer Auffassung das Wort "unmittelbar" in den Text des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1951 einfügen, verkennt dabei aber, daß die Eigenschaft der Ware als Seegut jedenfalls dann nicht verloren gehen kann, wenn die Ware auf einem Schiff gleich welcher Art innerhalb von Seehafenplätzen verbleibt. Zumindest handelt es sich bei dem Vorgang um innerdeutschen Seeverkehr, weil alle berührten Orte begünstigte Seehafenplätze sind.
Da die Vorentscheidung auch sonst einen Rechtsirrtum nicht erkennen läßt, rechtfertigt sich die getroffene Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1956, 58 |
BFHE 1956, 158 |