Leitsatz (amtlich)
Zu den Begriffen "Seegut" und "Beförderung vom Schiff" im Sinne des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1951 bei der Anlandung frischer Seefische, die von einer Versteigerungshalle auf dem Kai abtransportiert werden.
Normenkette
UStDB 1951 § 28 Abs. 1 Ziff. 1 (UStDB 1938 § 27 Abs. 1 Ziff. 1)
Tatbestand
Streitig ist, ob Beförderungsleistungen des Steuerpflichtigen (Stpfl.), eines Fuhrunternehmers in einem Seehafenplatz, innerhalb dieses Seehafenplatzes nach § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1951 (§ 27 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1938) steuerfrei sind. Es handelt sich um den Transport frischer Seefische. Die Fische gelangen von den im Fischereihafen anlegenden Fischdampfern mittels Körben über Rutschbretter unmittelbar in die auf dem Kai gelegenen Versteigerungshallen, werden dort sortiert, gewogen und in Kisten blockweise zur Besichtigung und Versteigerung aufgestellt. Diese Löscharbeiten werden durch Angestellte einer GmbH ausgeführt, die auch die Fische als Kommissionär zur Versteigerung bringt. Unmittelbar anschließend werden sie vom Stpfl. zu den Erwerbern im Seehafengebiet abgefahren.
Das Finanzamt hat für diese Beförderungsleistungen, bei denen der Stpfl. die Fische erst in der Versteigerungshalle zum Transport übernommen hat, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1951 verneint. Die sich an die Auktion anschließende Beförderung steht nach Auffassung des Finanzamts mit den steuerbefreiten Umschlagsleistungen nicht mehr im Zusammenhang, weil der Umschlag mit dem Ausladen und Bereitstellen der Fischkisten für die Auktion beendet sei. Von einer Beförderung "vom Schiff" werde nicht mehr gesprochen werden können, wenn die Beförderung nicht am Schiff, sondern an einem anderen Ort ihren Anfang nehme, zu dem die Ladung zu anderen Zwecken als zum Zwecke der Beförderung, zum Beispiel des Sortierens und der Versteigerung, gebracht worden sei.
Entscheidungsgründe
Mit der Berufung hatte der Stpfl. Erfolg. Die gegen die Zubilligung der Steuerfreiheit gerichtete Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Die steuerliche Begünstigung des Umschlagverkehrs in Seehafenplätzen setzt nach der hier in Betracht kommenden Ziff. 1 des § 28 Abs. 1 UStDB 1951 (§ 27 Abs. 1 UStDB 1938) eine Beförderung von Fracht- oder Schiffsgut, das mit einem Schiff zur See angekommen ist oder abgehen soll (Seegut), von oder zu diesem Schiff voraus. Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß es sich bei den angelandeten Fischen nicht um Schiffsgut handelt, worunter nur der Schiffsbedarf (Schiffsproviant, Bunkerkohle usw.) zu verstehen ist. Im Streitfalle fallen die Fische aber auch nicht unter den Begriff "Frachtgut" im technischen Sinne des HGB. Frachtgut kann handelsrechtlich mit dem Begriff "Ladung" nicht gleichgestellt werden, wenn das Gut nicht auf Grund eines Seefrachtvertrages im Sinne der §§ 556 ff. HGB befördert wird (vgl. Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, Tübingen 1950, § 14, A III, Ziff. 2 e S. 128). Andererseits waren nach der Verordnung über Befreiung von der Umsatzsteuer für Leistungen in Seehäfen vom 17. März 1928 (RGBl I S. 69) und nach § 19 UStDB 1934 Beförderungen von "Gegenständen aller Art" zu Wasser innerhalb der bevorrechtigten Gebiete zwischen einem Seeschiff einerseits und einem anderen Seeschiff, einem anderen Fahrzeug, einem Kai oder einem Lager andererseits von der Umsatzsteuer ausgenommen (vgl. Urteil des erkennenden Senats V 240/55 U vom 21. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 58, Slg. Bd. 62 S. 158). Ferner schreibt die jetzige Fassung des § 28 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB 1951 nicht vor, daß es sich um eine unmittelbare oder -- wie im § 28 Abs. 1 Ziff. 3 a. a. O. -- um eine "alsbaldige" Beförderung handeln muß. Die Vorschrift ist deshalb nach ihrem Sinn und Zweck unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte auszulegen. Wie bereits in dem oben angeführten Urteil vom 21. Dezember 1955 ausgeführt, wollte der Verordnungsgeber, als er die Vorschrift änderte und unter anderem anstelle des Begriffs "Seeschiff" den Begriff "Seegut" setzte, wohl eine Klarstellung und eine Anpassung an die geänderten sonstigen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften erreichen, ohne jedoch an dem Grundgedanken und den entscheidenden Voraussetzungen des alten Rechts, insbesondere der Verordnung vom 17. März 1928, etwas zu ändern; es war insbesondere keineswegs eine Einschränkung der begünstigten Leistungen in Seehafenplätzen beabsichtigt. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich jedoch der Begriff "Frachtgut", wollte man ihn streng im handelsrechtlichen Sinn verstehen, jedenfalls für den Tatbestand des Streitfalles als zu eng.
Nach den unstreitigen Feststellungen der Vorinstanz ging der Beförderungsleistung des Stpfl. keine andere "Beförderung" voraus, sondern nur das Löschen der Ladung auf den überdachten Teil der Kaianlage. Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, daß alle Vorgänge, die der Vorbereitung der Versteigerung dienen, wie Verwiegen, Sortieren und Umpacken der Fische in Kisten zusammen mit den eigentlichen Entladearbeiten dem Reeder ohne nähere Angabe der einzelnen Verrichtungen als "Löschen" der Ladung in Rechnung gestellt werden. Unter diesen Umständen muß aber die Beförderungsleistung des Stpfl. ab Kai zu den Abnehmern als eine Beförderung vom Schiff angesehen werden, zumal da die Beweisaufnahme ergeben hat, daß ein Sortieren auch beim Löschen anderer Waren und anderer Frachtschiffe laufend vorgenommen zu werden pflegt. Solchenfalls wird man aber im Einklang mit dem Willen des Verordnungsgebers das Fanggut als "Seegut" in umsatzsteuerlichem Sinne ansehen müssen; denn seit den UStDB 1938 ist sogar insofern eine Erweiterung der Vergünstigungsvorschrift eingetreten, als nunmehr statt der Beförderung zu Wasser schlechthin die Beförderung von Seegut ab Schiff oder ab Kai in einem Seehafenplatz befreit werden sollte (vgl. Plückebaum, Das Umsatzsteuergesetz, 2. Auflage, Anhang zu § 4 Ziffern 1 bis 3, II, 1 S. 182). Es ist also auch die Beförderung zu Lande in bestimmtem Umfang in die Befreiung einbezogen worden, soweit sie Beförderung vom und zum Seeschiff ist (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Auflage, § 4 Ziffern 2 und 3, C 1, S. 259). Daß aber gerade Fanggut der hier in Rede stehenden Art nunmehr nicht mehr begünstigt werden sollte, hat der Verordnungsgeber nicht zum Ausdruck gebracht und entspricht nach Überzeugung des Senats nicht seinem Willen. Denn für die von ausländischen Frachtdampfern angelandeten Fische, die nicht durch die Versteigerung zu gehen pflegen, wird für die Weiterbeförderung ab Frachtschiff die Steuerfreiheit allgemein gewährt. Das von der Rb. erstrebte Ergebnis würde die Wettbewerbsverhältnisse aber gerade zuungunsten der deutschen Fischereifahrzeuge verschieben, was mit dem Zweck der Verordnung über Befreiung von der Umsatzsteuer für Leistungen in Seehäfen und der dieser entsprechenden späteren Vergünstigungsvorschriften nicht zu vereinbaren wäre. Dem Stpfl. ist auch darin zuzustimmen, daß dem Eigentumswechsel infolge der Versteigerung keine entscheidende Bedeutung zukommt, weil die Befreiungsvorschrift allein auf den Beförderungsvorgang abgestellt und dieser nach den obigen Erörterungen als eine Beförderung "vom Schiff" anzusehen ist.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1960, 148 |
BFHE 1960, 396 |