Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Für Einnahmen, die wegen ihres Zusammenhangs mit einem Arbeitsverhältnis nach § 19 EStG Arbeitslohn sind, kommt die Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 10 EStG 1955 bzw. § 3 Ziff. 11 EStG 1957 für Ausbildungsbeihilfen nicht in Betracht.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 10; EStG § 3 Ziff. 11; LStDV § 6/8; LStDV § 6/9
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beträge, die dem Bg. in den Jahren 1955, 1956 und 1957 von der Besoldungskasse des Erzbischöflichen Generalvikariats gezahlt worden sind, der Lohnsteuer unterliegen. Der Bg. wurde nach Empfang der Priesterweihe im Jahre 1953 zum Vikar ernannt. Seit dieser Zeit erteilte er Religionsunterricht an der Schule des Berufsschulzweckverbandes in X. Der Zweckverband überwies das Religionslehrergehalt anfänglich an die Besoldungskasse des Erzbischöflichen Generalvikariats, die es dem Bg. zuzüglich des Unterschiedsbetrags zum Vikargehalt auszahlte. Als nach dem 1. Mai 1954 das Religionslehrergehalt das Vikargehalt erreichte und sogar überschritt, zahlte der Zweckverband die Besoldung unmittelbar an den Bg. aus. Am 1. Mai 1955 wurde der Bg. vom Erzbischof unter Zahlung von 80 v. H. der Bezüge eines Vikars ohne eigenen Haushalt zum Studium an die Universität Y. beurlaubt. Die Besoldungskasse unterwarf die während dieser Studienzeit an den Bg. geleisteten Zahlungen der Lohnsteuer. Der Bg. hielt sie für lohnsteuerfreie Studienbeihilfen im Sinne des § 3 Ziff. 10 EStG 1955 (ß 6 Ziff. 8 LStDV 1955) und beantragte Erstattung der einbehaltenen Lohnsteuer. Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag ab und stellte fest, daß die streitigen Zahlungen der Lohnsteuer unterliegen.
Die Sprungberufung des Bg. führte zur Aufhebung dieses Bescheids sowie zur Anordnung, daß die Lohnsteuer und die übrigen Steuerabzugsbeträge zu erstatten seien. Es sei zwar nach Auskunft des Generalvikariats anzunehmen, daß der Bg. in einem Arbeitsverhältnis zu dem Erzbistum gestanden habe, das auch noch fortgedauert habe, als der Bg. ausschließlich von der Stadtkasse X. besoldet worden sei. Denn er sei während seiner Religionslehrertätigkeit Vikar in X. geblieben und als solcher in gewissem Umfang in der Seelsorge tätig gewesen. Ob daneben noch ein weiteres Arbeitsverhältnis zur Kommunalverwaltung bestanden habe, könne dahingestellt bleiben. Wenn auch die während des Studiums an den Bg. gezahlten Beträge auf 80 v. H. der Bezüge eines Vikars ohne Haushalt festgesetzt worden seien, so sei darin nur ein Maßstab für die Höhe der gewährten Beihilfe zu erblicken. Das Generalvikariat habe seine Zahlungen stets für eine freiwillige Studienbeihilfe gehalten, auf die der Bg. keinen Rechtsanspruch gehabt habe. Daß die Zuwendungen freiwillig gewesen seien, gehe eindeutig daraus hervor, daß sie für mehrere Monate nicht gezahlt worden seien. Daß es sich nicht um eigentliches Gehalt gehandelt habe, sei schließlich auch daraus zu entnehmen, daß der Bg. nur einen Vomhundertsatz der Bezüge eines Vikars ohne Haushalt erhalten habe, obwohl er in Y. einen eigenen Hausstand geführt habe, und ihm weder ein Wohnungsgeld noch der üblicher Zuschuß zur Krankenversicherung gezahlt worden sei. Arbeitslohn seien freilich auch alle freiwilligen Leistungen und Vorteile, die mit Rücksicht auf ein früheres Arbeitsverhältnis zuflössen, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 171/50 S vom 23. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 80, Slg. Bd. 55 S. 212) ergebe. Entscheidend für die Zurechnung derartiger Zahlungen zum Arbeitslohn müsse sein, ob sie in der Hauptsache geleistet würden, um dem früheren Arbeitnehmer einen Vorteil zu verschaffen durch Sicherstellung seines Lebensunterhalts, oder ob damit ganz oder überwiegend eigene Zwecke und Ziele des Geldgebers verfolgt würden. Aus der Stellungnahme des Generalvikariats vom 22. September 1958 ergebe sich, daß dieses ein besonderes Interesse an der Gewinnung von geeigneten Persönlichkeiten für die theologische akademische Laufbahn habe und dieses Interesse ausschlaggebend gewesen sei für die Beurlaubung und die Gewährung der Studienbeihilfe. Unter diesen Umständen könne nicht festgestellt werden, daß die streitigen Zuwendungen mit dem früheren Arbeitsverhältnis in einem Zusammenhang ständen, der ausreichte, um sie als Arbeitslohn zu behandeln. Im Hinblick auf die hohen Lebenshaltungskosten in Y. liege auch die Höhe der Bezüge noch im Rahmen einer vertretbaren Studienbeihilfe.
Der Vorsteher des Finanzamts macht mit der Rb. geltend, das Finanzgericht habe übersehen, daß die streitigen Aufwendungen nicht solche für eine Ausbildung, sondern für eine Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf gewesen seien. Es könne daher nicht § 3 Ziff. 10 EStG 1955 (ß 6 Ziff. 8 LStDV 1955) zur Anwendung kommen, sondern allenfalls sei an eine Berücksichtigung von Werbungskosten nach § 9 EStG (ß 20 LStDV) zu denken. Der Bg. habe am 21. März 1953 mit der Priesterweihe das theologische Studium und damit seine Berufsausbildung beendet gehabt. Das am 1. Mai 1955 begonnene Studium baue auf der bisherigen Berufsausbildung auf und gebe die Möglichkeit, in dem schon ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen. Die Vorentscheidung sei auch deshalb bedenklich, weil katholische Geistliche nach Kirchenrecht grundsätzlich keinen bei den öffentlichen Gerichten einklagbaren Anspruch auf Dienstbezüge hätten. Der Bischof übernehme nach den Bestimmungen der "Congrua" die Sorge für ihren notwendigen Lebensunterhalt. Im Regelfall der dienstlichen Verwendung würden die dazu erforderlichen Beträge auch ohne die hierfür aufgestellten Besoldungsordnungen gezahlt. Demgemäß habe der Bundesfinanzhof in dem angeführten Urteil IV 171/50 S auch hinsichtlich der an einen ostvertriebenen nicht wiederverwendeten Geistlichen gezahlten Beträge als Zuwendungen auf Grund früherer Arbeitstätigkeit angesehen und ihre Lohnsteuerpflicht bejaht. Für die streitigen Bezüge müsse das gleiche gelten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß der Bg. bei Beginn des Studiums in Y. in einem Anstellungsverhältnis zum Erzbistum gestanden habe. Diese Annahme stimmt überein mit der Erklärung des Erzbischöflichen Generalvikariats vom 5. Januar 1957, in der es unter anderem heißt: "Es bestand somit bis zum 1. Mai 1955 ein Anstellungsverhältnis ...." Der Senat tritt dieser Beurteilung bei. Er vermag dem Finanzgericht jedoch nicht zu folgen, wenn es der Auffassung ist, daß die streitigen Bezüge nicht mit Rücksicht auf dieses Arbeitsverhältnis gewährt worden sind. Das Finanzgericht nimmt an, daß das Anstellungsverhältnis des Bg. zum Erzbistum mit der Aufnahme des Studiums an der Universität Y. am 1. Mai 1955 sein Ende gefunden hat. Hiermit steht der Inhalt des Schreibens des Erzbischöflichen Generalvikariats vom 21. März 1955 in Widerspruch, durch das dem Bg. ein "Studienurlaub" bewilligt wurde. In ihm heißt es unter anderem: ".... beurlaube ich Sie hiermit vom Mai dieses Jahres an und löse Sie mit gleichem Tage aus Ihren Verpflichtungen als Religionslehrer und als Vikar in X. Während dieser Zeit Ihres Studienurlaubs für Y. erhalten Sie von unserer Besoldungskasse die Bezüge als Vikar ohne Haushalt ...." Daß es sich bei dem Studium in Y. um einen Studienurlaub gehandelt hat, beweist schließlich auch der Umstand, daß der Bg. - wie er in seinem Schreiben vom 12. Februar 1959 an den Bundesfinanzhof mitteilt - dieses Studium ohne den Abschluß seines Hauptwerkes beendet habe, weil der Erzbischof ihn zurückgerufen und ihm anheimgestellt habe, seine wissenschaftliche Arbeit abzuschließen neben der Tätigkeit als Dorfkaplan, die er jetzt ausübe. Wenn der Bg. auch hierzu anführt, daß er sich moralisch verpflichtet gefühlt habe, diesem Ruf zu folgen, so zeigt dieser Umstand doch, daß auch während des Studiums Bindungen des Bg. an die Diözese bestehengeblieben sind. Ob sie als Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne anzusprechen sind, mag zweifelhaft sein. Bei den Besonderheiten des Berufs des Bg. kann dies auch dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der Senat der Auffassung, daß die Zuwendungen, die der Bg. während seiner Studienzeit in Y. erhalten hat und deren Höhe unter Zugrundelegung der für ihn in Betracht kommenden Besoldungsordnung festgesetzt wurde, entweder auf einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis zum Erzbistum beruhen oder mindestens als Auswirkungen eines früheren Arbeitsverhältnisses anzusehen sind. Daß die Zahlungen nach Angabe des Bg. zeitweise ausgesetzt waren, vermag das Gegenteil nicht zu beweisen. Auf die Gründe der Zahlungsunterbrechung kommt es ebensowenig an wie darauf, ob die Bezüge in der genau nach der Besoldungsordnung zustehenden Höhe geleistet wurden. Das sind allenfalls Fragen des internen Verhältnisses des Bg. zur Erzdiözese. Für die steuerliche Beurteilung ist entscheidend, daß ein enger Zusammenhang zwischen den Zahlungen und dem Arbeitsverhältnis des Bg. besteht (vgl. hierzu das angeführte Urteil IV 171/50 S).
Sind Einnahmen eines Steuerpflichtigen zum Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG zu rechnen, so können sie nicht gleichzeitig steuerfreie Beihilfen nach § 3 Ziff. 10 EStG 1955 bzw. § 3 Ziff. 11 EStG 1957 sein. Der Bundesfinanzhof hat dies bereits in dem Urteil IV 276/52 U vom 1. Juli 1954 (BStBl 1955 III S. 14, Slg. Bd. 60 S. 36) ausgesprochen, das die Steuerpflicht der Unterhaltszuschüsse der Referendare betraf. Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung fest. Als Beihilfen, die im Sinne der angeführten Befreiungsvorschriften zur unmittelbaren Förderung der Ausbildung oder der Wissenschaft gewährt werden, können nur solche Zuwendungen in Betracht kommen, die nicht wegen ihres Zusammenhangs mit einem gegenwärtigen oder einem früheren Arbeitsverhältnis den Charakter von Arbeitslohn gemäß § 19 EStG haben.
Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist aufzuheben. Da die als Feststellungsbescheid bezeichnete Verfügung des Finanzamts vom 1. August 1957 zutreffend die vom Bg. beanspruchte Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 10 EStG 1955 bzw. § 3 Ziff. 11 EStG 1957 abgelehnt hat, ist die gegen sie gerichtete Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409603 |
BStBl III 1960, 110 |
BFHE 1960, 296 |
BFHE 70, 296 |