Leitsatz (amtlich)
Testamentsvollstreckergebühren für die Konstituierung des Nachlasses sind keine Werbungskosten bei den aus der Erbschaft zu erwartenden Einkünften. Dies gilt auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker bei angeordneter Nacherbschaft den Nachlaß bis zum Eintritt des Nacherbfalls zu verwalten und erst dann die Auseinandersetzung zu betreiben hat.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Vorerbin ihres im Mai 1969 verstorbenen Ehemannes. Der Erblasser ordnete im notariellen Testament die Testamentsvollstreckung an. Die Aufgabe des Testamentsvollstrekkers besteht laut Testament darin, den Nachlaß in Besitz zu nehmen, ein Inventar aufzustellen, den Nachlaß zu verwalten und nach dem Ableben der Vorerbin das Vermögen auseinanderzusetzen. Der Erblasser setzte a) für die Konstituierung, b) für die Verwaltung des Nachlasses und c) für die Auseinandersetzung beim Nacherbfall je eine Gebühr aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte bei den Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1969 und 1970 die Testamentsvollstreckergebühren, soweit sie für die Konstituierung des Nachlasses gezahlt worden waren (insgesamt 50 713,85 DM), nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung an, weil sie Kosten der privaten Lebensführung darstellten.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren folgte das Finanzgericht (FG) der Auffassung des FA und wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ihrer Ansicht nach seien auch die für die Konstituierung des Nachlasses gezahlten Vergütungen Aufwendungen für die Sicherung und Erhaltung von Einnahmen aus dem Grundbesitz und dem Kapitalvermögen. Die Relation zwischen der "Einmalgebühr" bei Eintritt des Erbfalles und der Gebühr für die laufende Verwaltung lasse erkennen, daß mit der sogenannten Konstituierungsgebühr auch die in der Zeit bis zum Eintritt des Erbfalles anfallenden Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers teilweise abgegolten werden sollten. Insoweit handele es sich begrifflich um vorweggenommene Werbungskosten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für 1969 auf 53 503 DM und für 1970 auf 90 538 DM zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Kosten für die Konstituierung des Nachlasses stellen keine Werbungskosten i. S. des § 9 EStG dar.
1. Für die Entscheidung der Frage, ob Kosten der Testamentsvollstreckung als Werbungskosten abziehbar sind, kommt es darauf an, ob sie der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen dienen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ausschlaggebend sind darum die Art und der Zweck der Tätigkeit, die der Testamentsvollstrecker im Einzelfall ausführt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juni 1978-IV R 36/73, BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499). Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Auseinandersetzungs- oder Abwicklungsvollstrekkung (§ 2204 BGB) und der Verwaltungs- oder Dauervollstreckung (§§ 2205, 2209, 2210 BGB). Die Auseinandersetzungsvollstreckung umfaßt die Konstituierung des Nachlasses und die Verteilung des Reinnachlasses unter die Erben. Dabei versteht man unter der Konstituierung die Ermittlung des Nachlasses, seine Inbesitznahme, die Aufstellung des Verzeichnisses der der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Aktiven und Passiven, die Regelung der vom Erblasser herrührenden Schulden sowie die Erklärung und Zahlung der Erbschaftsteuer (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 16. Juli 1936 IV 77/36, Juristische Wochenschrift 1936 S. 3388). Bei der Verwaltungs- oder Dauervollstreckung steht dagegen nicht die baldmögliche Auseinandersetzung oder Abwicklung des Nachlasses im Vordergrund, vielmehr ist die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers hier auf die Erhaltung der Substanz des Nachlasses und die Erzielung von Erträgen aus dem Nachlaß gerichtet (vgl. im einzelnen: Haegele, Der Testamentsvollstrecker, 5. Aufl. 1975, Anm. 172 f.).
Die Kosten für die auf Auseinandersetzung oder Abwicklung gerichteten Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers sind - wie der Erbfall selbst - dem Vermögensbereich zuzuordnen und können im Rahmen der Einkommensteuer weder als Werbungskosten noch als Betriebsausgaben abgezogen werden (so BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499, für die Betriebsausgaben). Hingegen stehen die Maßnahmen der Verwaltungsvollstrekkung mit den aus dem Nachlaß zu erzielenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang und können je nach Einkunftsart entweder als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben berücksichtigt werden (vgl. BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499).
2. Im Streitfall hat der Erblasser im Rahmen einer Nacherbfolge (§§ 2100 f. BGB) für die Zeit, in der die Klägerin als Vorerbin den Nachlaß in Besitz hat, eine Verwaltungsvollstreckung und für den Eintritt des Nacherbfalls eine Auseinandersetzungsvollstreckung angeordnet. Nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht die Gebühr, die der Testamentsvollstrecker für die Konstituierung des Nachlasses erhalten hat, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß wegen der Besonderheit des Falles die Konstituierung des Nachlasses vor der Verwaltung durchgeführt werden mußte und erst im Anschluß an die Verwaltungsvollstrekkung die Auseinandersetzung stattfindet.
Die Konstituierung des Nachlasses diente - auch im Interesse der Nacherben - dem Zweck, den Umfang des auf die Klägerin als Vorerbin übergegangenen Vermögens zu ermitteln. Die Kosten für die vom Testamentsvollstrecker bis zur Beendigung der Konstituierung verrichteten Tätigkeiten stehen darum mit dem Erbfall selbst im Zusammenhang und sind wie andere Erbfallkosten steuerlich nicht abziehbar. Daß durch die Konstituierung des Nachlasses auch die Grundlage für die Verwaltung des Nachlasses geschaffen worden ist, rechtfertigt nicht eine Übernahme der Konstituierungsgebühren in die Verwaltungskosten. Da die Verwaltung des Nachlasses auch die die Verwaltung vorbereitenden Handlungen mitumfaßt, werden die im Rahmen der Konstituierung zum Zwecke der Verwaltung getroffenen Maßnahmen durch die Verwaltungsgebühr abgegolten.
Der Auffassung der Klägerin, aus der unterschiedlichen Höhe der vom Erblasser ausgesetzten Gebühren könne geschlossen werden, daß die Konstituierungsgebühr auch einen Teil der mit der Verwaltung im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers abgelten sollte, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dieser Schluß könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, daß der Erblasser von einer falschen Vorstellung über die die Konstituierung umfassenden Tätigkeiten ausgegangen wäre. Solche Anhaltspunkte sind im Streitfall nicht vorhanden. Aus den eindeutigen Bestimmungen im notariellen Testament geht vielmehr hervor, daß der Erblasser den Umfang der einzelnen Tätigkeitsbereiche des Testamentsvollstreckers kannte.
Die Höhe der ausschließlich für die Konstituierung bezahlten Gebühr des Testamentsvollstreckers hat die Vorinstanz für den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 73488 |
BStBl II 1980, 351 |
BFHE 1980, 22 |