Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer/ Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Anteile einer Kapitalgesellschaft, die sich im Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft des Handelsrechts befinden, an der auch eine juristische Person beteiligt ist, gehören nicht natürlichen Personen im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 1 Ziff. 2; StAnpG § 11; HGB §§ 124, 161; BGB § 719 Abs. 1
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist eine GmbH. Ihre Anteile gehören einer KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin eine andere GmbH ist. Gegenstand des Unternehmens dieser anderen GmbH ist die Geschäftsführung der KG. Dagegen ist die GmbH zu einer Einlage in die KG nicht verpflichtet. Sie hat auch keine geleistet, hat aber Darlehns- und sonstige Verrechnungsforderungen gegen die KG, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens wie Kapitalanteile behandelt wurden. Dadurch entfiel von dem Einheitswert des Betriebsvermögens der KG am 1. Januar 1961 2 683 000 DM ein Anteil von 20 968,61 DM auf die GmbH. Der Liquidationserlös der KG ist nach dem Gesellschaftsvertrag auf die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Einlagen zu verteilen.
Der Revisionskläger (Finanzamt - FA -) wandte bei der Veranlagung für das Streitjahr (1961) den Steuersatz von 51 v. H. an, da die Voraussetzungen des Steuersatzes nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG nicht erfüllt seien.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist in seinem Urteil, das in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 339 veröffentlicht ist, zu dem Ergebnis gekommen, als natürlichen Personen gehörend im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG seien auch solche Anteile anzusehen, die den zu einer Personengesellschaft zusammengefaßten natürlichen Personen gehörten, es sei denn, daß an diesem Zusammenschluß Kapitalgesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 KStG zu einem Viertel oder mehr beteiligt seien. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Kapitalgesellschaft in der Personengesellschaft die Stellung einer persönlich haftenden, einer beschränkt haftenden oder einer atypischen stillen Gesellschafterin innehabe. Das FG habe sich dabei im Anschluß an das Urteil des BFH I 173/60 S vom 2. November 1960 (BStBl 1961 III S. 9, Slg. Bd. 72 S. 20) von der Erwägung leiten lassen, daß für die Auslegung des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG die Grundsätze der Bilanzbündeltheorie heranzuziehen seien.
Die Rb. (Revision) des FA, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, rügt unrichtige Anwendung des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG.
Das FA ist der Meinung, für die Frage, wem die Anteile einer Kapitalgesellschaft gehören, sei die bürgerlich-rechtliche Auffassung maßgebend. Beim Gesamthandseigentum gehöre keinem der Gesellschafter ein Gegenstand des Gesellschaftsvermögens ausschließlich oder im Verhältnis seiner Beteiligung. Vielmehr seien alle Gesellschafter, also auch eine mitbeteiligte Kapitalgesellschaft, an sämtlichen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens zur gesamten Hand beteiligt. Da somit an jedem Anteil, der im Eigentum der KG stehe, zwangsläufig auch immer die Kapitalgesellschaft zur gesamten Hand mitbeteiligt sei, könne in einem solchen Fall der Anteil nicht als natürlichen Personen gehörend angesehen werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid wieder herzustellen.
Die Stpfl. beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Anteile der Stpfl. gehören nicht natürlichen Personen im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG.
Diese Vorschrift trifft eine Sonderregelung über den Steuersatz bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften. Sie bestimmt den Begriff dieser besonderen Art von Kapitalgesellschaften in der Weise, daß - neben anderen Voraussetzungen - die Anteile mindestens zu 76 v. H. des Nennkapitals natürlichen Personen gehören müssen. Damit stellt sie, um die Kapitalgesellschaft zu beschreiben, auf ein dem bürgerlichen Recht entlehntes Merkmal ihrer Mitglieder ab (vgl. überschriften zum 1. und 2. Titel des ersten Abschnitts des Ersten Buches des BGB). Daraus folgt, daß der Ausdruck "gehören" in § 19 Abs. 1 Ziff. 2 (erste Voraussetzung) KStG nur im Sinne der gesamten Rechtsstellung des Mitglieds einer Kapitalgesellschaft gemeint sein kann. Die natürlichen Personen müssen die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sein.
Die einzelnen Mitglieder einer Personengesellschaft des Handelsrechts, zu deren Gesellschaftsvermögen die Anteile einer Kapitalgesellschaft gehören, können rechtlich nicht als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft bezeichnet werden.
Das folgt einmal aus der starken Bindung des Gesellschaftsvermögens, die der Gemeinschaft zur gesamten Hand eigentümlich ist. Die Gesellschafter können über Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen nicht verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB). Das ist zwingendes Recht. Solche Anteile treten rechtlich überhaupt nicht in Erscheinung. Die Gesellschafter sind vielmehr an jedem Teil eines jeden zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstands gesamthänderisch beteiligt (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Auflage, S. 159). Sie können daher nur gemeinschaftlich, "zur gesamten Hand", über einzelne Gegenstände und über Bruchteile von ihnen verfügen. Der einzelne Gesellschafter hat nur einen Anteil am gesamten Gesellschaftsvermögen. Das bedeutet, wenn Anteile einer Kapitalgesellschaft im Gesellschaftsvermögen liegen, daß die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die die Mitgliedschaft zur Kapitalgesellschaft enthält, nicht anteilsmäßig dem einzelnen Gesellschafter der Personengesellschaft, sondern allen Gesellschaftern in ihrer Verbundenheit zusteht. Dies gilt für die Vermögensrechte in gleicher Weise wie für die Herrschaftsrechte.
Zu dieser inneren Verbundenheit der Gesellschafter kommt hinzu, daß die Personengesellschaften des Handelsrechts auch nach außen hin als eine geschlossene Einheit auftreten und sich dadurch stark der juristischen Person nähern. Sie können unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden (§§ 124, 161, HGB).
Daher ist die Feststellung gerechtfertigt, daß nicht die Mitglieder der Personengesellschaft, sondern diese als solche Gesellschafterin der Kapitalgesellschaft ist. Das Gesellschaftsrecht hat daraus die Folgerung gezogen, daß eine OHG oder eine KG Mitgründerin einer AG oder GmbH sein kann, dabei aber nur als eine Person zählt (vgl. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 2 Anm. 2; von Godin- Wilhelmi, Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 3 Anm. 3; Würdinger, Aktienrecht, S. 96; Hachenburg-Schmidt, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Auflage, § 2 Anm. 22).
Nun ist die Personengesellschaft als solche keine natürliche Person. Denn das bürgerliche Recht versteht unter einer natürlichen Person nur den einzelnen Menschen (§ 1 BGB). Dennoch können die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 (erste Voraussetzung) KStG als erfüllt angesehen werden, wenn der Personengesellschaft ausschließlich natürliche Personen angehören (BFH-Entscheidung I 173/60 S, a. a. O.). Denn in diesem Fall sind es nur natürliche Personen, von denen die Einwirkungen auf das Gesellschaftsvermögen - und damit auf die Anteile an der Kapitalgesellschaft - ausgehen und denen über das Gesellschaftsvermögen die vermögensrechtlichen Vorteile aus der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zufließen. Daher sind, wenn der Personengesellschaft mindestens 76 v. H. der Anteile der Kapitalgesellschaft gehören, in diesem Umfang juristische Personen von der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft ganz ausgeschlossen.
Anders liegt es, wenn der Personengesellschaft auch eine juristische Person angehört. Dann nimmt auch diese gesamthänderisch an der Rechtsstellung der Personengesellschaft in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Kapitalgesellschaft teil. Das bedeutet, daß die Anteile der Kapitalgesellschaft - und zwar jeder Teil dieser Anteile - rechtlich das Merkmal "Beteiligung einer juristischen Person" tragen. Diese können daher nicht mehr als einer natürlichen Person gehörend angesehen werden. Dabei macht es keinen Unterschied, wie hoch der Kapitalanteil der juristischen Person bei der Personengesellschaft ist, wie ihre Rechte auf den Gewinn und auf den Liquidationserlös ausgestaltet sind, ob die juristische Person die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Kommanditisten einnimmt und schließlich auch in welchem Umfang ihr abweichend von den gesetzlichen Vorschriften Rechte als Geschäftsführerin eingeräumt sind. Denn in keinem Falle kann die juristische Person ganz von der vermögensrechtlichen und herrschaftsrechtlichen Beteiligung an der Personengesellschaft - und damit an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Anteilen der Kapitalgesellschaft - ausgeschlossen werden. Außerdem gibt § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG keine Auskunft darüber, welcher Maßstab für einen Vergleich der Beteiligungen der juristischen Person und der natürlichen Personen gelten sollte. Die Höhe des Kapitalanteils, die sonst den rechnerischen Schlüssel für den Wert der Beteiligung des Gesellschafters einer OHG oder KG darstellt (vgl. Hueck, a. a. O., S. 68), ist für die vorliegende Frage keine geeignete Größe. Denn die Vorschriften des Gesetzes über den Kapitalanteil enthalten nachgiebiges Recht. Die Gesellschafter können die gesetzlich vorgesehene Bedeutung des Kapitalanteils für die Verteilung des Gewinns, für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens und für die Zulässigkeit von Entnahmen ganz beseitigen und diese Punkte anders regeln. Außerdem ist der Kapitalanteil ohne rechtliche Bedeutung für die Ausübung der Herrschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts und des Rechts auf die Geschäftsführung. Würde man daher bei der Prüfung, wem die Anteile einer Kapitalgesellschaft gehören, die sich im Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft des Handelsrechts befinden, auf die Höhe der Kapitalanteile der einzelnen Gesellschafter der Personengesellschaft abstellen, so könnte dies zu Ergebnissen führen, die der wahren Sachlage in keiner Weise gerecht werden.
Dazu kommt, daß der Gesellschafter der Personengesellschaft nur am gesamten Gesellschaftsvermögen und nicht an den einzelnen Gegenständen dieses Vermögens beteiligt ist, so daß seine Beteiligung nicht unmittelbar in Beziehung zu den im Gesellschaftsvermögen liegenden Anteilen der Kapitalgesellschaft gesetzt werden kann. Ein rechnerischer Anteil der juristischen Person an der Mitgliedschaft der Personengesellschaft bei der Kapitalgesellschaft kann somit auch aus Rechtsgründen nicht festgestellt werden. § 11 Ziff. 5 StAnpG, der eine Zurechnung des Vermögens einer Gemeinschaft zur gesamten Hand an ihre Mitglieder ermöglichen würde, ist nicht anwendbar, da diese Vorschrift für die Besteuerung der Gemeinschaft zur gesamten Hand gilt. Im Streitfall geht es aber um die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, an der die Gemeinschaft zur gesamten Hand beteiligt ist.
Es mag sein, daß durch § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG, so wie der Senat diese Vorschrift auslegt, Kapitalgesellschaften nicht erfaßt werden, bei denen der ermäßigte Steuersatz ebenfalls gerechtfertigt erscheinen könnte. Denn der Begriff der personenbezogenen Kapitalgesellschaft ist, rechtspolitisch gesehen, nicht fest umrissen. Der Gesetzgeber hat aber durch § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG bestimmte Grenzen gezogen, die nicht unter Berufung auf einen angenommenen Gesetzeszweck überschritten werden dürfen (BFH-Urteil I 274/60 U vom 17. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 136, Slg. Bd. 72 S. 367). Wie die Geschichte dieser Vorschrift ergibt (vgl. BFH-Urteil I 274/60 U, a. a. O.), hatte der Gesetzgeber die Absicht, zu einer verhältnismäßig einfachen Abgrenzung des Kreises der personenbezogenen Kapitalgesellschaften zu gelangen. Dieser Absicht würde es widersprechen, wenn man in dem Fall, daß die Anteile der Kapitalgesellschaft einer aus natürlichen und juristischen Personen bestehenden Personengesellschaft gehören, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG als erfüllt ansehen wollte, falls die Beteiligung der juristischen Personen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Dann müßten nämlich bei jeder Veranlagung der Kapitalgesellschaft die inneren Verhältnisse der an ihr beteiligten Personengesellschaft daraufhin geprüft werden, in welchem Umfang die juristische Person beteiligt ist, ganz abgesehen davon, daß es - wie ausgeführt wurde - unklar ist, nach welchem Maßstab die Höhe der Beteiligung der juristischen Personen bestimmt werden sollte.
Das FA hat somit im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid den Steuersatz nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG mit Recht nicht angewandt.
Fundstellen
Haufe-Index 424114 |
BStBl III 1966, 434 |
BFHE 1966, 503 |
BFHE 85, 503 |
BB 1966, 731 |
DB 1966, 1219 |
DStR 1966, 441 |