Leitsatz (amtlich)

Der aus § 105 BranntwMonG und § 135 VwO erkennbare Zweck der Ausfuhrvergütung, dem inländischen Monopolrecht unterliegenden Erzeugnissen den Wettbewerb auf ausländischen Märkten zu ermöglichen, kann es nicht rechtfertigen, als Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrvergütung neben der Ausfuhr auch noch zu fordern, daß das Erzeugnis im Ausland in den freien Verkehr gelangt und den Endverbrauchern als deutsches Erzeugnis angeboten worden ist (Anschluß an BFH-Urteile vom 29. Februar 1972 VII K 4/69, BFHE 105, 551, und vom 19. Februar 1974 VII K 17/70. BFHE 112, 98).

 

Normenkette

BranntwMonG § 105; VwO § 135

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verkaufte selbsthergestellten Trinkbranntwein an eine Firma in der Schweiz, die das Erzeugnis an eine Firma in Italien weiterverkaufte. Das Erzeugnis wurde am 10. April 1971 ausgeführt. Den Antrag der Klägerin, ihr gemäß § 135 der Branntweinverwertungsordnung (VwO) die Ausfuhrvergütung zu gewähren, lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Beklagte) durch Bescheid vom 3. Februar 1972 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht nachweisen können, daß das Erzeugnis dem ausländischen Endverbraucher als deutsches Erzeugnis angeboten worden sei. Das Finanzgericht (FG) hob diesen Bescheid auf, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Ausfuhrvergütung und führte aus:

Die Klägerin habe die Voraussetzungen des § 135 VwO für die Gewährung der Ausfuhrvergütung durch die Ausfuhr des selbst hergestellten Trinkbranntweins erfüllt. Die Auslegung des § 135 VwO nach seinem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergebe nicht, daß die Gewährung der Ausfuhrvergütung auch den Nachweis voraussetze, daß der Trinkbranntwein im Ausland dem Endverbraucher als deutsches Erzeugnis angeboten worden sei.

Die Ausfuhrvergütung sei der Klägerin auch insoweit zuzusprechen gewesen, als sie mit der Ausfuhrvergütungsspitze (§ 133 Abs. 4 VwO) über die Erstattung der inländischen Abgaben hinausgehe.

Das FG habe zwar Bedenken, ob die Bestimmungen der §§ 133, 135 VwO insoweit mit Art. 92 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) vereinbar seien, gerade weil nach dem Vortrag der Beklagten Zweck der Vergütung sein solle, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Branntweinhersteller im Ausland zu verbessern, und weil demnach durch einen solchen Zweck im Sinne des Art. 92 EWGV der Wettbewerb innerhalb der EWG-Mitgliedstaaten verfälscht werden könnte. Art. 92 EWGV sei aber nicht unmittelbar anwendbares Recht. Das ergebe sich aus der Regelung des Art. 93 EWGV, nach der zunächst die Kommission eingreifen müsse und erst dann eine Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaates zur Beseitigung der vertragswidrigen Vorschriften entstehe.

Mit der Revision rügt die Beklagte, das FG habe gegen seine Pflicht aus § 76 FGO zur Erforschung des Sachverhalts verstoßen. Sie macht geltend:

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Februar 1972 VII K 4/69 (BFHE 105, 551) sei die Ausfuhrvergütung eine typische monopolrechtliche Regelung, die dazu dienen solle, dem inländischen Monopolrecht unterworfenen Erzeugnissen mit Hilfe von Monopolmitteln den Wettbewerb auf ausländischen Märkten zu ermöglichen. Wegen dieses Zweckes der Ausfuhrvergütung könne § 135 VwO durchaus dahin ausgelegt werden, daß ihre Gewährung auch von dem Nachweis abhänge, daß der ausgeführte Trinkbranntwein als deutsches Erzeugnis angeboten werde. Von einem Wettbewerb eines deutschen Trinkbranntweins auf einem ausländischen Markt könne erst dann die Rede sein, wenn er im freien Verkehr des Auslands erkennbar zu den dortigen Erzeugnissen in Konkurrenz trete. Der engen Auslegung des § 135 VwO durch das FG könne daher nicht gefolgt werden. Das FG habe pflichtwidrig unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Trinkbranntwein überhaupt in den freien Verkehr des Auslands gelangt sei.

Die Beklagte beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 105 Satz 1 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) kann bei der Ausfuhr von Branntwein oder von Branntweinerzeugnissen nach näherer Bestimmung des Bundesministers der Finanzen (BdF) der Verkaufspreis ermäßigt oder erstattet werden. In gleicher Weise kann gemäß § 105 Satz 2 BranntwMonG bei der Ausfuhr von Branntwein, der dem Branntweinaufschlag oder dem Monopolausgleich unterlegen hat, oder von Erzeugnissen aus solchem Branntwein der Branntweinaufschlag oder der Monopolausgleich erlassen oder erstattet werden. Die näheren Bestimmungen zu § 105 BranntwMonG enthalten die §§ 132 ff. VwO, in denen insbesondere die Gewährung einer Ausfuhrvergütung vorgesehen ist (§§ 133 bis 135 VwO). Die Gewährung der Ausfuhrvergütung für den von der Klägerin selbst hergestellten Trinkbranntwein hing nach § 135 VwO nur davon ab, daß das Erzeugnis ausgeführt wurde. Das ergibt sich eindeutig, wenn man, wie es das FG mit Recht getan hat, die Vorschrift des § 135 VwO mit dem Ziel auslegt, aus ihrem Wortlaut und aus dem Sinnzusammenhang, in dem sie steht, den objektivierten Willen des Verordnungsgebers festzustellen (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE I, 299, 312; BFH-Urteil vom 1. Februar 1973 I R 87/71, BFHE 108, 366, BStBl II 1973, 410, mit weiteren Nachweisen). Weder dem Wortlaut des § 135 VwO noch dem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften läßt sich ein objektivierter Wille des Verordnungsgebers entnehmen, die Gewährung der Ausfuhrvergütung auch noch von einem Nachweis abhängig zu machen, daß der Trinkbranntwein im Ausland dem Endverbraucher als deutsches Erzeugnis angeboten worden ist.

Der erkennende Senat hat zwar in seinem bereits zitierten Urteil VII K 4/69 aus der Zugehörigkeit des § 105 BranntwMonG zu den Vorschriften über die Branntweinverwertung (vgl. §§ 83 ff. BranntwMonG) geschlossen, daß mit der „Ausfuhr” im Sinne des § 105 BranntwMonG (und damit auch des § 135 VwO) nicht nur das bloße Verbringen aus dem Monopolgebiet gemeint sein kann, sondern auch die Nutzung des wirtschaftlichen Wertes des Erzeugnisses, und daß deshalb eine nur der Vernichtung des Erzeugnisses dienende Verbringung aus dem Monopolgebiet mit der „Ausfuhr” nicht gemeint sein kann. Das bedeutet jedoch nur, daß dem Verbringen aus dem Monopolgebiet eine wirtschaftliche Verwertung des Erzeugnisses zugrunde liegen muß, nicht aber, daß nach der Verbringung aus dem Monopolgebiet noch weitere Bedingungen in bezug auf die Behandlung oder Verwendung des Erzeugnisses erfüllt werden müßten. Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Trinkbranntwein auf Grund eines Kaufvertrages, also einer wirtschaftlichen Verwertung, aus dem Monopolgebiet verbracht worden ist und daß daher eine Ausfuhr im Sinne des § 105 BranntwMonG und des § 135 VwO vorliegt.

Der aus § 105 BranntwMonG und § 135 VwO erkennbare Zweck der Ausfuhrvergütung, dem inländischen Monopolrecht unterliegenden Erzeugnissen den Wettbewerb auf ausländischen Märkten zu ermöglichen (vgl. die Urteile des erkennenden Senats VII K 4/69 und vom 19. Februar 1974 VII K 17/70, BFHE 112, 98), kann es nicht rechtfertigen, entgegen dem durch den Wortlaut des § 135 VwO und den Sinnzusammenhang zum Ausdruck gekommenen Willen des Verordnungsgebers als Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrvergütung neben der Ausfuhr auch noch zu fordern, daß das Erzeugnis im Ausland in den freien Verkehr gelangt und den Endverbrauchern als deutsches Erzeugnis angeboten worden ist. Im übrigen ist der Zweck der Ausfuhrvergütung bereits dadurch erfüllt, daß sie dem Erzeugnis den Wettbewerb auf ausländischen Märkten ermöglicht, nicht erst mit der Verwirklichung dieser Möglichkeit.

Da somit das FG bei seiner Entscheidung nur von der unstreitigen Tatsache auszugehen brauchte, daß die Klägerin den Trinkbranntwein an eine ausländische Firma verkauft und ausgeführt hat, geht auch der Vorwurf der Beklagten fehl, das FG habe den Sachverhalt unzulänglich aufgeklärt.

Es kann dahinstehen, ob der über die Erstattung der inländischen Abgaben hinausgehende Teil der Ausfuhrvergütung im Sinne des Art. 92 Abs. 1 EWGV eine Beihilfe ist, die durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Denn selbst wenn das der Fall wäre, ergäbe sich aus Art. 93 Abs. 1 EWGV nur, daß die Ausfuhrvergütung insoweit mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unvereinbar ist, nicht aber auch, daß die nationale Regelung über die Höhe der Ausfuhrvergütung insoweit unanwendbar geworden sei. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die durch Art. 92 EWGV erfaßten Beihilferegelungen gemäß Art. 93 EWGV zunächst auf ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch die Kommission zu überprüfen und erst nach Feststellung ihrer Unvereinbarkeit auf Verlangen der Kommission in einer bestimmten Frist von dem betreffenden Mitgliedstaat aufzuheben oder umzugestalten sind. Es kommt hinzu, daß nach Art. 93 Abs. 2, Unterabsatz 3 EWGV auf Antrag eines Mitgliedstaates der Rat der EWG sogar entscheiden kann, daß eine von diesem Staat gewährte Beihilfe abweichend von Art. 92 EWGV als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt. Daraus geht klar hervor, daß mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unvereinbare Beihilferegelungen nicht schon durch Art. 92 EWGV außer Kraft gesetzt werden.

Da sich wegen der Eindeutigkeit der Regelungen der Art. 92 und 93 EWGV keine Frage über deren Auslegung stellt, kommt die Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510552

BFHE 1978, 194

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