Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 = § 18 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 tritt auch dann außer Kraft, wenn der Erbeserbe den Gegenstand innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall veräußert.
Der Nachversteuerung steht nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige durch eine drohende Enteignung zur Veräußerung bestimmt wurde.
Normenkette
ErbStG § 18 Abs. 1 Nrn. 6, 3; StAnpG § 4 Abs. 2, § 8/1
Tatbestand
Der Kaufmann K. A. ist im Jahr 1955, seine Witwe W. A. im Jahr 1958 gestorben. Die Ehegatten hatten in Gütergemeinschaft westfälischen Rechts gelebt und zwei gemeinschaftliche Testamente errichtet. Kraft des ersten Testaments wurde die Witwe Alleinerbin des verstorbenen Mannes und die Kläger (Revisionskläger) deren Erben. Testamentsvollstrecker wurde kraft des zweiten Testaments der Kläger T. A.
Im Jahr 1960 haben die Kläger an die Stadtgemeinde eine ehemals zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörendes Grundstück verkauft. Der Erwerb des auf den Ehemann entfallenden hälftigen Anteils durch die Witwe war gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 wegen historischer Bedeutung des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes zunächst unversteuert geblieben. Das Finanzamt (FA) hat von dem Testamentsvollstrecker die Nachversteuerung verlangt. Einspruch und Berufung der Kläger hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die von den Klägern eingelegte Rb. ist seit 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln (ß 184 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO in Verbindung mit §§ 285 ff. AO a. F., §§ 115 ff. FGO). Sie ist nicht begründet. Entgegen der Ansicht der Revision kann die Steuerbefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 nicht deshalb aufrechterhalten bleiben, weil die Kläger befürchten mußten, wegen einer Straßenerweiterung enteignet zu werden.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 ist u. a. von der Erbschaftsteuer unter gewissen Voraussetzungen befreit der Erwerb historisch bedeutsamer Grundstücke. Die nach dieser Vorschrift gewährte Steuerbefreiung tritt außer Kraft, wenn das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall veräußert wird (ß 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952; § 18 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959). Die Steuer ist in diesem Fall nachzuerheben (ß 4 Abs. 2 StAnpG). Die Nachversteuerungspflicht trifft als eine bedingte Steuerschuld nach Ableben der Begünstigten deren Erben als Gesamtrechtsnachfolger (ß 8 Abs. 1 StAnpG).
Demzufolge ist es für das Eintreten der Steuerpflicht ohne Bedeutung, daß nicht die Erbin W. A. das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall veräußert hat, sondern erst deren Erben. Denn die Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall ist ebensowenig eine Veräußerung wie das Testament, auf dem sie beruht. Die Nachversteuerung hinsichtlich der vom Erblasser K. A. stammenden Grundstückshälfte konnte also nicht, wie die Kläger meinen, in die Versteuerung des zweiten Erbfalls nach der Witwe W. A. einbezogen werden.
Die Steuerpflicht der Kläger entfällt nicht deshalb, weil sie zum Verkauf durch eine drohende Enteignung bestimmt wurden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in gewissen Fällen - etwa bei der Schenkung eines ererbten Kunstgegenstandes an das Museum, in dem er bisher ausgestellt war - eine Veräußerung innerhalb von zehn Jahren steuerunschädlich sein könnte. Voraussetzung dafür müßte jedenfalls sein, daß die steuerbegünstigten Zwecke im übrigen aufrechterhalten bleiben.
Das ist hier nicht der Fall. Insoweit mag als nicht genügend aufgeklärt außer acht bleiben, daß nach dem eigenen Vorbringen der Kläger die vorgesehene Straßenerweiterung das Grundstück seiner kunsthistorischen Bedeutung beraubt hätte. Jedenfalls ist durch den Verkauf die Voraussetzung entfallen, daß die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen (ß 18 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. e ErbStG 1952, § 18 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ErbStG 1959). Auch wenn die Kläger nur einen ihren Vorstellungen nach geringen Kaufpreis erzielt haben sollten, könnten sie diesen doch ertragreich nutzen. Die Steuerbefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 ist aber gerade deshalb gegeben, weil es nicht billig erschiene, den Erwerb eines Gegenstandes zu besteuern, dessen im öffentlichen Interesse liegende Erhaltung (ß 18 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a ErbStG 1952, § 18 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ErbStG 1959) den Erwerber mehr kosten wird, als er einnimmt. Die Nachversteuerungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1952 § 18 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 kann daher nicht für den Fall einengend ausgelegt werden, daß der Erwerber oder sein Gesamtrechtsnachfolger durch eine - wenn auch nicht ganz freiwillige - Veräußerung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall in die Lage versetzt wird, den unentgeltlich erworbenen Wert wirtschaftlich nutzbar zu machen. Ob der Erwerber oder sein Gesamtrechtsnachfolger bei der Veräußerung selbst einen Gewinn erzielt hat, ist unerheblich.
Die Revision der Kläger war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412060 |
BStBl III 1966, 314 |
BFHE 1966, 287 |
BFHE 85, 287 |