Leitsatz (amtlich)
Der Ersterwerb einer Eigentumswohnung ist nur dann nach § 1 Nr. 5 GrESWG Nordrhein-Westfalen 1958 von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn der Erwerber beim Erwerb den ernstlichen Willen hatte, die Wohnung sobald als möglich -- spätestens innerhalb von fünf Jahren -- selbst zu bewohnen oder seinen Angehörigen zum Bewohnen zu überlassen und hierzu nach den Umständen und den getroffenen Anstalten aller Voraussicht nach auch in der Lage ist (Abweichung von BFHE 70, 542).
Normenkette
GrESWG Nordrhein-Westfalen 1958 § 1 Nr. 5
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte am 31. August 1966 eine Eigentumswohnung in X. Sie beantragte für diesen Erwerb Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau i. d. F. vom 19. Juni 1958 -- GrESWG 1958 -- (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1958 S. 282 -- GVBl NW 1958, 282 --) mit der Begründung, diese Wohnung später selbst bewohnen zu wollen. Dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. Januar 1967 S 4509 -- 2 V 2 (DB 1967, 62) entsprechend erteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) im Oktober 1968 die Unbedenklichkeitsbescheinigung, stellte die Entscheidung über den Antrag aber für fünf Jahre zurück. Nach Ablauf dieser Frist unterwarf es den Grunderwerb der Grunderwerbsteuer, weil die Klägerin die Wohnung weiterhin fremdvermietet hatte. Es setzte durch Bescheid vom 3. August 1973 Grunderwerbsteuer in Höhe von 5 064 DM fest.
Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie habe bereits beim Erwerb der Eigentumswohnung die Absicht gehabt, sich im Jahre 1970 nach X versetzen zu lassen und dann die Eigentumswohnung zu beziehen. Dieses Vorhaben sei aber durch einen Kreislaufkollaps vereitelt worden, der sie dazu gezwungen habe, längere Zeit ihrer Arbeit fernzubleiben. Die Krankheit habe sich im Jahre 1972 wiederholt; sie wolle sich aber mit Vollendung ihres 60. Lebensjahres (1. Februar 1975) pensionieren lassen oder -- falls ihrem diesbezüglichen Antrag nicht stattgegeben werde -- mit Vollendung des 62. Lebensjahres und danach die Eigentumswohnung selbst beziehen. Im übrigen habe sie beim Kauf der Wohnung in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 und dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. September 1961 S 4506 -- 5 -- VC 2 (DB 1961, 1307) darauf vertraut, daß sie nicht zur Grunderwerbsteuer herangezogen werde, da sie von Anfang an beabsichtigt habe, die Wohnung spätestens mit ihrer Pensionierung selbst zu beziehen.
Der gegen den Steuerbescheid gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.
Das FG begründete die Versagung der Steuerbefreiung damit, daß die Klägerin die Wohnung länger als fünf Jahre fremdvermietet habe. Sie habe sie damit nicht zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung i. S. des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 übernommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet.
Nach § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 ist u. a. der Ersterwerb einer Wohnung durch eine Person von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen, die die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung übernimmt. Der Auslegung dieser Vorschrift durch das FG vermag der Senat nicht zu folgen.
Der Senat hat allerdings seinerzeit zu § 1 Nr. 4 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. März 1952 (GVBl 1952, 33, BStBl II 1952, 46) der Vorgängervorschrift des § 1 Nr. 5 GrESWG 1958, die Auffassung vertreten, daß ein steuerfreier Erwerb eines Hauses zur ersten Nutzung durch eine Person, die das Haus als Eigenheim übernimmt, nur dann vorliegt, wenn der Erwerber das Haus schon beim Erwerb oder kurze Zeit nachher -- sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte -- bezieht (Urteil vom 9. Dezember 1959 II 250/57 U. BFHE 70, 542, BStBl III 1960, 202 ). Diese Auffassung ging zurück auf das Urteil des RFH vom 6. Mai 1943 II 171/41 (RFHE 53, 165, RStBl 1943, 660), das seinerseits auf das Urteil vom 18. Dezember 1942 II 94/41 (RFHE 52, 297) verwiesen hatte. Ergangen waren die zuletzt genannten Urteile zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 c GrEStG 1940, das den ersten Erwerb eines von einem gemeinnützigen Bauträger geschaffenen Wohnhauses unter bestimmten Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer freistellt, wenn das Hausgrundstück als Eigenheim übernommen wird. Diese Urteile gingen von der Definition des Eigenheimes aus, wie sie in § 9 Abs. 3 der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937 (RGBl I 1937, 437) enthalten war. Danach waren Eigenheime Einfamilienhäuser, die vom Eigentümer mindestens zur Hälfte selbst bewohnt wurden.
Zwischenzeitlich hat jedoch der Bundesgesetzgeber in § 9 Abs. 1 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes -- II. WoBauG -- für die Eigenheime und in § 12 Abs. 1 Satz 1 II. WoBauG für die eigengenutzten Eigentumswohnungen neue Begriffsbestimmungen geschaffen. Ein Haus bzw. eine Eigentumswohnung ist danach dann ein "Eigenheim" bzw. eine "eigengenutzte Eigentumswohnung". wenn eine Wohnung des höchstens zwei Wohnungen enthaltenden Hauses bzw. die Eigentumswohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Der Vorschrift des § 7 Abs. 2 II. WoBauG, wonach ein Familienheim seine Eigenschaft verliert, wenn es für die Dauer nicht seiner Bestimmung entsprechend genutzt wird, kann der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, daß eine vorübergehende bestimmungswidrige Nutzung dem Haus bzw. der Eigentumswohnung nicht die Eigenschaften "Eigenheim" bzw. "eigengenutzte Eigentumswohnung" nehmen. Aus dieser auch für die erstmalige Nutzung nach der Bezugsfertigkeit geltenden Vorschrift (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, II. WoBauG, § 7 Anm. 6 S. 234 c/d) hat der Senat für das Bayerische Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau i. d. F. vom 12. November 1958 (GVBl, 330) hergeleitet, daß eine vorübergehende Fremdnutzung unschädlich ist, wenn nur im Erwerbszeitpunkt der ernstliche Wille besteht, das Eigenheim oder die Eigentumswohnung bestimmungsgemäß zu verwenden (vgl. Urteile des BFH vom 1. August 1967 II 156/63, BFHE 89, 540, BStBl III 1967, 706 , und II 238/65, BFHE 89, 551, BStBl III 1967, 710 ), wobei er davon ausgegangen ist, daß der bayerische Gesetzgeber sich die Begriffsbestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes zu eigen gemacht hat.
Dieser Auffassung schließt sich der Senat nunmehr auch für Art. 1 Nr. 5 des nordrhein-westfälischen GrESWG 1958 ausdrücklich an. Dem steht nicht entgegen, daß das GrESWG 1958 die Begriffsbestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes nicht ausdrücklich in Bezug genommen hat. Der Landesgesetzgeber wollte sich jedoch an die Begriffsbestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes anschließen. Dies folgt schon daraus, daß § 1 Nr. 1 GrESWG 1958, auf den § 1 Nr. 5 verweist, von Wohnungen spricht, die nach dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz als steuerbegünstigt anzuerkennen sind. Der für die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnungen maßgebende § 82 des II. WoBauG wiederum verweist auf § 39 Abs. 1 II. WoBauG. Dort erscheint u. a. der in § 12 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG definierte Begriff der eigengenutzten Eigentumswohnung. Dem FA kann demgegenüber nicht darin gefolgt werden, daß sich aus den Worten "die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung übernimmt" der Wille des Gesetzes entnehmen lasse, daß die Wohnung sofort durch den Eigentümer bezogen werden müsse. Die Worte "zur eigenen Nutzung" drükken die Zweckbestimmung aus, mit der die Wohnung übernommen werden muß. Mit diesem Wortlaut ist eine aus § 12 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG unter Verwendung des Rechtsgedankens des § 7 Abs. 2 II. WoBauG hergeleitete Auslegung vereinbar, wonach die Übernahme zur eigenen Nutzung auch dann vorliegen kann, wenn der Nutzung für eigene Wohnzwecke eine vorübergehende Fremdvermietung der Wohnung vorangeht.
Geht man von dieser Begriffsbestimmung aus, so ist § 1 Nr. 5 GrESWG 1958 dahin zu lesen, daß die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung, d. h. als eine zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmte Wohnung übernommen werden muß. Entsprechendes gilt für die Übernahme als Eigenheim.
Entscheidend ist danach, daß der Erwerber der eigengenutzten Eigentumswohnung ernstlich gewillt sein muß, die Eigentumswohnung in nicht allzu ferner Zeit bestimmungsgemäß zu verwenden und hierzu nach den Umständen und den getroffenen Anstalten aller Voraussicht nach auch in der Lage sein wird. Es ist einzuräumen, daß es oft schwierig sein wird, diese nach außen wenig hervortretenden Tatsachen festzustellen, wenn die Wohnung zunächst vermietet wird. Deshalb wird der Eigenbezug der Wohnung nach einer vorübergehenden Vermietung oft als Indiz dafür angesehen werden können, daß die Vermietung von vornherein nur als eine vorübergehende Nutzung gedacht gewesen ist. Wird die Wohnung jedoch nicht nur vorübergehend, sondern für längere Zeit vermietet, so kann dies wiederum ein Indiz dafür sein, daß die Wohnung von vornherein nicht zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt gewesen ist. Letzteres schließt jedoch nicht aus, daß der Tatrichter gleichwohl zu der sicheren Feststellung gelangt, daß die Wohnung beim Erwerb zum Eigenbezug nach nur vorübergehender Fremdvermietung bestimmt war und daß der Eigenbezug nach den getroffenen Anstalten erreicht worden wäre, wenn nicht ein späteres nicht voraussehbares Ereignis den Eigenbezug nach einer nur vorübergehenden Vermietung verhindert hätte. In diesem Falle ist die Wohnung als eigengenutzte Eigentumswohnung anzuerkennen, obwohl sich die Vermietung -- entgegen der im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Absicht -- zu einer nicht nur vorübergehenden Vermietung ausgeweitet hat.
Zu der Frage, innerhalb welcher Zeit die bestimmungsgemäße Verwendung der Eigentumswohnung bzw. des Eigenheims erreicht sein muß, hat sich der Senat in seinem Urteil II 156/63 dahin geäußert, daß dies dann der Fall sei, wenn der Erwerber das Eigenheim von einem bestimmten Zeitpunkt an innerhalb von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Erwerbs voraussichtlich in der gebotenen Weise selbst nutzen wird. Der Senat hält für das nordrhein-westfälische Recht an dieser Frist fest. Wenn er jedoch in dem genannten Urteil zum bayerischen Recht weiter verlangt hat, daß die bestimmungsmäßige Verwendung innerhalb der Fünfjahresfrist auch erreicht sein muß, so kann diese Aussage auf das nordrhein-westfälische Recht nicht übertragen werden. Zum bayerischen Recht ergab sich diese Auffassung daraus, daß dort im Gegensatz zum nordrhein-westfälischen Recht auch bei dem Ersterwerb eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung eine Nachversteuerung vorgesehen war, wenn der bestimmungsmäßige Zweck nicht erreicht wurde. Im nordrheinwestfälischen Recht kann deshalb das Erreichen oder Nichterreichen des bestimmungsmäßigen Zwecks nur als Indiz dafür angesehen werden, daß das Eigenheim oder die Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt oder nicht bestimmt war.
Da das FG in seinem Urteil von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71667 |
BStBl II 1976, 28 |
BFHE 1976, 92 |