Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Hat der Erblasser dem Vermächtnisnehmer u. a. einen bestimmten Prozentsatz aus dem Erlös des Verkaufs eines Nachlaßgrundstücks zugewandt, so stellt der entsprechende Geldbetrag den Erwerb von Todes wegen des Vermächtnisnehmers dar. Entsprechend ist der gleiche Geldbetrag bei dem Erben als Nachlaßverbindlichkeit zu berücksichtigen. Weder bei der Berechnung der Höhe des Erwerbs des Vermächtnisnehmers noch bei der Berechnung der Höhe der ihm entsprechenden Nachlaßverbindlichkeit des Erben ist der teilweise Ansatz des Einheitswerts zulässig. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 254/57 U vom 30. Juni 1960 (BStBl 1960 III S. 348, Slg. Bd. 71 S. 266) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1, § 23/1, § 22/2, § 23/2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Das Finanzgericht hatte in seiner Entscheidung im ersten Rechtszug bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer unter anderem von zwei zu einem Nachlaß gehörigen Grundstücken in M. eines mit dem Einheitswert und das andere mit dem Gegenwartswert zum Aktivvermögen des Nachlasses gerechnet. Bei der Steuerberechnung hat es für den Nachlaß den vom Erblasser angeordneten prozentualen Verteilungsschlüssel für die Erben und Vermächtnisnehmer zugrunde gelegt. In seinem den ersten Rechtsgang abschließenden Urteil II 254/57 U vom 30. Juni 1960 (BStBl 1960 III S. 348, Slg. Bd. 71 S. 266) hatte der Senat die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil auch das zweite Grundstück bei der Erbschaftsbesteuerung mit dem Einheitswert anzusetzen und der Reinnachlaß im Verhältnis der Erbteile der Erben zu versteuern sei; außerdem müßten die Vermächtnisse gesondert ermittelt und vom Erwerb der Erben abgesetzt werden, sie dürften nicht prozentual vom Gesamtnachlaß berechnet werden.
Mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers und des Finanzgerichts hat das Finanzamt nach § 94 AO den vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid auf Grund des Urteils des Senats II 245/57 U vom 30. Juni 1960 durch vorläufigen Bescheid vom 5. Oktober 1960 geändert und darin unter anderem die Grundstücke bei den Aktiven mit dem Einheitswert angesetzt, insoweit die Vermächtnisse aber nur in Höhe der anteiligen Einheitswerte, nicht mit dem tatsächlich geleisteten Betrag, abgesetzt.
Die wegen des Ansatzes der Vermächtnislasten von den Erben eingelegte Sprungberufung ist ohne Erfolg gewesen.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rb. der Erben, mit der sie den Abzug der Vermächtnisse in Höhe des vollen Geldbetrages begehren.
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung.
Verfahrensrechtlich ist zu prüfen, ob die Bf. berechtigt gewesen sind, gegen den berichtigten vorläufigen Steuerbescheid vom 5. Oktober 1960, der an einen Testamentsvollstrecker gerichtet war, Sprungberufung einzulegen. Das Finanzgericht hat die Rechtsmitteleinlegung seitens der Bf. stillschweigend als zulässig behandelt.
Der erkennende Senat hat in dem Urteil II 164/59 S vom 12. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 391) ausgesprochen, daß die einzige Möglichkeit, dem Erben bei bestehender Testamentsvollstreckerschaft die Führung eines Aktivprozesses zu ermöglichen, darin liegt, daß der Testamentsvollstrecker das geltend zu machende Recht dem Erben nach § 2217 BGB zur freien Verfügung überläßt und daß in der Zustimmung des Testamentsvollstreckers zur Führung des Prozesses durch den Erben die Freigabe nach § 2217 BGB liegen kann. Der Senat hat im Falle des Urteils II 164/59 S das Einverständnis des Testamentsvollstreckers zur Einlegung eines Einspruchs durch zwei Erben unter anderem daraus gefolgert, daß neben seinem Bevollmächtigten auch der Bevollmächtigte jener zwei Erben in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht aufgetreten sei, ohne daß der Bevollmächtigte des Testamentsvollstreckers dem widersprochen hätte. Im Streitfall liegt es ähnlich. Das Finanzgericht hat durch Beschluß vom 28. November 1960 die Testamentsvollstrecker als Beteiligte gemäß § 241 AO zu dem Verfahren zugezogen. Diese haben sich nicht geäußert, insbesondere nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie der Rechtsmitteleinlegung durch die Erben widersprechen.
Bei dieser Sachlage ist bedenkenfrei, daß das Finanzgericht die Berufungseinlegung durch die Bf. als zulässig angesehen hat.
Sachlich müssen die Bf. Erfolg haben. Das Finanzgericht hat die Vorentscheidung des Senats dahin ausgelegt, daß auf Grund der Bestimmung in Abschnitt III des Testaments Erben und Vermächtnisnehmer in gleicher Weise als am Nachlaß beteiligt anzusehen seien. Mit Recht weisen die Bf. darauf hin, daß das Gesetz zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer unterscheidet und daß bei der klaren, nicht nur wörtlichen, sondern auch sachlichen Unterscheidung zwischen Erben und Vermächtnisnehmern im Testament des Erblassers diese Auslegung nicht der Rechtslage entspricht. Es kann zwar nicht verkannt werden, daß der Erblasser die Erben und Vermächtnisnehmer im Ergebnis dadurch ähnlich stellte, daß er bei der Teilungsanordnung sowohl jeden der Erben als auch jeden der Vermächtnisnehmer auf je einen bestimmten Prozentsatz des Vermögens einsetzte, das sich aus dem Veräußerungserlös der Grundstücke Y-Straße 2 und Z-Straße 21, dem Bargeld, den Bankguthaben, den Forderungen und sonstigen verfügbaren Mitteln, vermindert um die Nachlaßverbindlichkeiten, zusammensetzt. Das ändert aber nichts an der wesentlich anders gearteten Rechtsstellung von Erben und Vermächtnisnehmern, die auch steuerlich zu beachten ist.
Während das Vermögen einer Person als Ganzes gemäß § 1922 BGB auf den oder die Erben übergeht, wird für den oder die Vermächtnisnehmer nur eine Forderung auf Leistung des vermachten Gegenstandes begründet (ß 2174 BGB). Haben die Vermächtnisnehmer aber Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme, so ist diese Forderung bei ihnen in voller Höhe anzusetzen und bei den Erben in voller Höhe vom Nachlaß abzusetzen, da auch nach steuerlicher Bewertung unter den hier gegebenen Umständen nur der Nennbetrag in Betracht kommen kann.
Von diesen Rechtsgrundsätzen wollte der Senat in seiner Vorentscheidung II 254/57 U vom 30. Juni 1960 nicht abweichen.
Dem Finanzgericht ist allerdings zuzugeben, daß die Formulierung auf S. 4 des im ersten Rechtsgang erlassenen Urteils, daß für das Grundstück Y-Straße 2 gemäß § 22 Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes 1951 nur der Ansatz des Einheitswerts in Betracht komme und daß dies sowohl für die Berechnung der Erbschaftsteuer der Erben wie der Vermächtnisnehmer gelte, mißverständlich ist. Der Senat wollte aber damit nur zum Ausdruck bringen, daß bei der Berechnung des Nachlasses, der den Erben und Vermächtnisnehmern zufällt, das Grundstück Y-Straße 2 mit dem Einheitswert anzusetzen sei. Da den Vermächtnisnehmern das Grundstück Y-Straße 2 genauso wie das Grundstück Z-Straße 21 weder ganz noch zum Teil zugewendet worden ist, sondern nur ein Bruchteil des Reinnachlasses, wie er sich nach Veräußerung der Grundstücke unter Zurechnung der sonstigen Nachlaßgegenstände und Abzug der Schulden darstelle, war weder das Grundstück Y-Straße 2 noch das Grundstück Z-Straße 21 beim Erwerb der Vermächtnisnehmer zu bewerten. Deren Erwerb aus dem Nachlaß ist mit dem Nennwert des vermachten Geldbetrages anzusetzen.
Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausging, war daher aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die Steuer neu, gegebenenfalls nunmehr endgültig, festzusetzen haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 410196 |
BStBl III 1961, 504 |
BFHE 1962, 653 |
BFHE 73, 653 |