Leitsatz (amtlich)
Mehraufwendungen für Verpflegung anläßlich von Fortbildungsveranstaltungen sind nicht nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige in keinem Arbeitsverhältnis steht und keine regelmäßige (feste) Arbeitsstätte besitzt (Abweichung von dem BFH-Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73, BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280).
Normenkette
EStG 1975 § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 1975 in E wohnte, begann am 11. Januar 1975 mit dem zweijährigen Ganztagsstudium an dem Institut für Industrie-Betriebswirtschaft der deutschen Angestelltenakademie (DAA) in N. Zuvor war er in N als Industriekaufmann beschäftigt gewesen. Seine Ehefrau war im Streitjahr in E als .... tätig. Nach Beendigung seines Studiums an der DAA war der Kläger als Assistent des Leiters für das Finanz- und Rechnungswesen beschäftigt; seine Berufsbezeichnung lautet "Praktischer Betriebswirt (DAA)".
Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975 machte er u. a. Mehraufwendungen für Vepflegung am Fortbildungsort in Höhe von 2 912 DM nach Dienstreisegrundsätzen (Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 a und b der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1975) als Werbungskosten geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es - auch im Einspruchsverfahren - ab, die Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Studium an der DAA in N sei der Tätigkeit eines Arbeitnehmers mit regelmäßiger Arbeitsstätte in N vergleichbar. Der Kläger sei während seines Studiums nicht nur vorübergehend, sondern täglich in N gewesen. Die Fortbildungsstätte sei deshalb als Mittelpunkt seiner Tätigkeit anzusehen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die dem Kläger anläßlich des Besuchs der DAA entstandenen Aufwendungen seien zwar dem Grunde nach Werbungskosten. Hierzu gehörten indes nicht die hier streitigen Aufwendungen für Verpflegung, weil die Fahrten des Klägers von E nach N nicht mit Dienstreisen zu vergleichen seien. Der Kläger habe für die Dauer des Lehrgangs seine regelmäßige Fortbildungsstätte in N gehabt. Die Fortbildungsstätte stehe einer regelmäßigen Arbeitsstätte gleich. Habe der Kläger seine Verhältnisse in der Weise gestaltet, daß er zwei Jahre lang mit seinem privateigenen Pkw täglich von seiner Wohnung in E zur Fortbildungsstätte in N gefahren sei, handle es sich bei diesen Fahrten ihrer Art nach nicht um den Dienstreisen vergleichbare Fahrten, sondern um Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte (Fortbildungsstätte). Deshalb seien die geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung nicht in pauschaler Form nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung von § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Fahrten zwischen Wohnung und Fortbildungsstätte seien nach den geltenden Verwaltungsanweisungen (Abschn. 22 Abs. 2 Satz 7 LStR) und der Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. November 1971 VI R 109/69, BFHE 103, 516, BStBl II 1972, 147) wie Dienst(Geschäfts-) reisen zu behandeln. Entgegen der Auffassung von FA und FG dürfe die Fortbildungsstätte auch dann nicht wie eine Arbeitsstätte behandelt werden, wenn sich die Fortbildung auf einen längeren Zeitraum erstrecke.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und seine Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 2 912 DM als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG ist - in Übereinstimmung mit den Beteiligten - zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei den Kosten des Klägers für das Studium an der DAA dem Grunde nach um Aufwendungen für die Fortbildung im ausgeübten Beruf und damit um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1975 handelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gehören zwar Aufwendungen für ein Universitäts- bzw. Hochschulstudium mit dem Ziel eines Universitäts- bzw. Hochschulabschlusses grundsätzlich zu den nicht als Werbungskosten (Betriebsausgaben) abziehbaren Kosten der Berufsausbildung, weil das Hochschulstudium dem Steuerpflichtigen eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet (vgl. Urteile vom 16. März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723, und vom 23. Juni 1978 VI R 127/77, BFHE 125, 265, BStBl II 1978, 543). Der Senat hat auch die Kosten des Studiums an einer Ingenieurfachschule und an einer höheren Wirtschaftsfachschule als Ausbildungskosten angesehen, wenn mit dem Studium die Stellung eines graduierten Ingenieurs bzw. Betriebswirts angestrebt wird (vgl. Urteile vom 10. Dezember 1971 VI R 150/70, BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254, und vom 29. Mai 1974 VI R 182/71, BFHE 112, 490, BStBl II 1974, 636). Der BFH hat es indessen abgelehnt, den Begriff der Ausbildungskosten darüber hinaus zu Lasten der als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten auszudehnen und die Grundsätze, die für ein mit dem Ziel eines Universitäts- bzw. Hochschulabschlusses betriebenen Studiums entwickelt worden sind, auf Studien anzuwenden, die ohne Verleihung eines akademischen Grades bzw. Titels "grad." abgeschlossen werden. So hat der Senat im Urteil vom 4. Juli 1975 VI R 43/74 (BFHE 116, 169, BStBl II 1975, 645) Aufwendungen für den Besuch der Akademie für angewandte Betriebswirtschaft Überlingen e. V. mit dem Ziel des Abschlusses als "praktischer Betriebswirt HWL" als Werbungskosten angesehen. Ferner hat der Senat die Aufwendungen für den Besuch eines zweijährigen Lehrgangs an der Wirtschaftsfachschule der Akademie für praktische Betriebswirtschaft in Köln mit dem Ziel des Abschlusses als "staatlich geprüfter Betriebswirt" den Fortbildungskosten zugerechnet (Urteil vom 16. August 1979 VI R 14/77, BStBl II 1979, 675). Nach den in den Urteilen VI R 43/74 und VI R 14/77 entwickelten Grundsätzen sind auch die Aufwendungen zum Zwecke des Studiums an der DAA steuerrechtlich den Fortbildungskosten zuzurechnen.
2. Zu den als Werbungskosten abziehbaren "Fortbildungskosten" gehören alle Aufwendungen, die durch die Fortbildungsveranstaltung veranlaßt sind. Hierzu zählen nicht nur die Gebühren für die Teilnahme an dem Unterricht und an etwaigen Prüfungen, die Kosten für die den Lehrstoff betreffende Literatur und die Aufwendungen für die Fahrten zu den Fortbildungsveranstaltungen; zu den Fortbildungskosten können auch Mehraufwendungen für Verpflegung gehören, wenn und soweit zusätzliche und abgrenzbare Aufwendungen eindeutig durch die Fortbildung veranlaßt sind (Urteil des Senats vom 11. Mai 1979 VI R 129/77, BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474, unter Hinweis auf Abschn. 24 Abs. 3 letzter Satz LStR 1972 und BFH-Urteil VI R 109/69).
a) Nicht zu folgen ist der Auffassung des FG, die steuerliche Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung scheide im Streitfall schon deshalb aus, weil die täglichen Fahrten des Klägers von seinem Wohnort E zu den Lehrgängen in N ihrer Art nach den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vergleichbar seien. Wenngleich der Kläger längere Zeit hindurch die DAA in N ähnlich einer Arbeitsstätte aufgesucht hat, kann die Fortbildungsstätte im Streitfall nicht als einer Arbeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vergleichbar angesehen werden. Der Senat hat zwar in dem Urteil vom 23. März 1979 VI R 14/78 (BFHE 127, 526, BStBl II 1979, 521) entschieden, daß eine Fortbildungsstätte zur neuen Arbeitsstätte werden kann, wenn ein von seiner sonstigen Tätigkeit freigestellter Arbeitnehmer eine längere Zeit dauernde Fortbildungsveranstaltung besucht. Maßgebend für jene Entscheidung war indes, daß der Steuerpflichtige auf Weisung seines Arbeitgebers die Fortbildungsstätte als neue Arbeitsstätte erhielt, daß er auch im übrigen den Weisungen seines Arbeitgebers unterstand und während des Lehrgangs von seinem Arbeitgeber Bezüge erhielt, die seinem bisherigen Gehalt entsprachen. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor, weil der Kläger sein Arbeitsverhältnis vor Beginn seines Studiums an dem Institut gekündigt hatte, die Fortbildungsstätte nicht auf Weisung seines Arbeitgebers an die Stelle seiner Arbeitsstätte getreten war und er von seinem Arbeitgeber während des Lehrgangs keine Bezüge erhielt.
b) Gleichwohl kann der Kläger mit seinem Begehren auf Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisepauschbeträgen nicht durchdringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Dienstreise nur vor, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen zeitweilig vom Ort seiner regelmäßigen (festen) Arbeitsstätte abwesend ist (so zuletzt Urteil VI R 129/77). Der Kläger stand jedoch während seines Studiums in keinem Arbeitsverhältnis. Er besaß mithin keine regelmäßige (feste) Arbeitsstätte. Das Fehlen einer regelmäßigen (festen) Arbeitsstätte steht der Annahme von Dienstreisen und von den Dienstreisen vergleichbaren Fahrten entgegen (Urteil des Senats VI R 14/78). Wegen Fehlens der begrifflichen Voraussetzungen von Dienstreisen und von dienstreiseähnlichen Fahrten ist es im Streitfall nicht gerechtfertigt, etwaige Mehraufwendungen für Verpflegung steuerlich nach den für Dienstreisen geltenden Pauschbeträgen zu berücksichtigen. Im übrigen erscheint es auch vom wirtschaftlichen Ergebnis her nicht angemessen, einen Steuerpflichtigen, der in keinem Arbeitsverhältnis steht und keine regelmäßige Arbeitsstätte besitzt und längere Zeit - im Streitfall nahezu zwei Jahre lang - täglich an ein und demselben Ort auswärtige Fortbildungsveranstaltungen besucht, bei der Anwendung von Reisekostenpauschbeträgen einem Arbeitnehmer gleichzustellen, der auf Dienstreisen - in aller Regel nicht täglich, sondern nur gelegentlich und nicht ununterbrochen über einen längeren Zeitraum - vom Ort seiner regelmäßigen Arbeitsstätte entfernt tätig wird. Schließlich kommt hinzu, daß ein Steuerpflichtiger, der auf eigene Kosten zu seiner Fortbildung auswärtige Lehrveranstaltungen besucht, erfahrungsgemäß bestrebt sein wird, seine Aufwendungen möglichst gering zu halten. Diese Erwägungen machen deutlich, daß eine Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach den für Dienstreisen geltenden Pauschbeträgen im Streitfall und in vergleichbaren Fällen in aller Regel zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde. Dies verbietet es, im Streitfall die Mehraufwendungen für Verpflegung nach den für Dienstreisen geltenden Grundsätzen anzuerkennen. Der Kläger kann sich zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung nicht mit Erfolg auf das Urteil des Senats VI R 109/69 stützen. In dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt besuchte der Angestellte eines Wirtschaftsprüfers unter Fortbestand seines Dienstverhältnisses an 10 Wochenenden den Lehrgang einer Steuerfachschule. Weil der Steuerpflichtige in jenem Fall während der Dauer des Lehrgangs seine regelmäßige (feste) Arbeitsstätte beibehielt, war - anders als im Streitfall - die Annahme von Dienstreisen oder dienstreiseähnlichen Fahrten nicht bereits wegen Fehlens einer regelmäßigen Arbeitsstätte begrifflich ausgeschlossen. Im Hinblick auf die nur kurze Dauer des seinerzeitigen Lehrgangs und den verhältnismäßig geringen Gesamtbetrag (105 DM) hielt es der Senat in jener Entscheidung für vertretbar, daß das FG die für Dienstreisen geltenden Pauschbeträge ohne nähere Prüfung angewandt hatte. Soweit der Senat in dem Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73 (BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280) eine andere Auffassung vertreten hat, wird hieran nicht festgehalten.
c) Das FG hat im Streitfall jedoch zu Unrecht die Möglichkeit verneint, daß dem Kläger durch den Besuch des Lehrgangs in N überhaupt Werbungskosten in Gestalt von Verpflegungsmehraufwendungen entstanden sein können. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG wird nunmehr festzustellen haben, ob und in welcher Höhe dem Kläger durch den Lehrgangsbesuch in N tatsächlich Mehraufwendungen für Verpflegung entstanden sind. Bei einer etwa notwendig werdenden Schätzung der Höhe der hier streitigen Mehraufwendungen wird das FG zu berücksichtigen haben, daß die Verpflegungsmehraufwendungen im Falle einer mehr als zwölfstündigen, beruflich veranlaßten Abwesenheit eines Arbeitnehmers von seiner Wohnung im allgemeinen mit nur 3 DM und bei einem an ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigten Arbeitnehmer, der aus ausschließlich beruflichen Gründen mehr als 10 Stunden täglich von der Wohnung abwesend ist, regelmäßig auf 5 DM täglich geschätzt werden (Abschn. 22 Abs. 2 Satz 6 LStR).
Fundstellen
Haufe-Index 73269 |
BStBl II 1979, 773 |
BFHE 1979, 472 |