Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1.Zur Bedeutung einer teilweisen Zurücknahme eines Rechtsmittels.
2.Ein vereidigter Versteigerer für Möbel und Hausrat, der gleichzeitig als Gutachter und Schätzer tätig ist, unterliegt in vollem Umfange der Gewerbesteuer.
AO § 243, § 253; GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15, § 18 Abs. 1 Ziff. 1.
Normenkette
AO § 243; FGO § 76/1; AO §§ 246, 204 Abs. 1, § 253; GewStG § 2 Abs. 1; EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Senat hat die Gewerbesteuer-Meßbetragssachen 1950 und 1951 zum Zwecke gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Streitig ist die Heranziehung des Beschwerdeführers (Bf.) mit seinen gesamten Einkünften als öffentlich bestellter Versteigerer und als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zur Gewerbesteuer.
Der Bf. ist vereidigter Versteigerer und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Die Sachverständigentätigkeit besteht in der Hauptsache in der Erstattung gerichtlicher Gutachten. Die vom Bf. vorgenommene Trennung der Einkünfte in freiberufliche (als Taxator) und in gewerbliche (als Versteigerer) erkannte das Finanzamt in den Jahren 1946 bis 1948 an, da die Einkünfte aus der Sachverständigentätigkeit (Taxator) die Einkünfte aus der Versteigerertätigkeit wesentlich überstiegen. Für 1949 und 1950 ist vom Bf. eine Aufteilung in gewerbliche und freiberufliche Einkünfte nicht vorgenommen worden, er gab seine gesamten Einkünfte als freiberufliche an. Im Rechtsmittelverfahren bezifferte er die Einkünfte aus Gutachter- und Sachverständigentätigkeit 1950 auf 997,57 DM. Für 1951 nahm der Bf. in der Steuererklärung eine Aufteilung in gewerbliche Einkünfte von 11.600,43 DM und in freiberufliche Einkünfte von 1.212,93 DM vor. Eine getrennte Buchführung wurde nicht geführt. Der Bf. erklärte, die Einkünfte aus der Sachverständigentätigkeit könnten aus den Büchern ohne weiteres herausgezogen werden, die Unkosten seien prozentual zu verteilen.
Der Bf. wurde für die hier streitigen Jahre 1950 und 1951 mit den Einkünften aus der Tätigkeit als Versteigerer und als Sachverständiger zur Gewerbesteuer herangezogen. In seinen Einsprüchen führt er aus, er übe im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine freiberufliche Tätigkeit aus. Er sei als öffentlich bestellter Versteigerer Organ der Rechtspflege und nicht Gewerbetreibender. Nachdem in der Zwischenzeit das Urteil des Bundesfinanzhofes IV 317/52 U vom 29. April 1953 (Slg. Bd. 57 S. 448, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 175) den Bf. mit den Einkünften 1949 aus der Tätigkeit als Versteigerer für gewerbesteuerpflichtig erklärt hatte, hielt dieser den das Jahr 1951 betreffenden Einspruch nur insoweit aufrecht, als er sich gegen die Heranziehung der Sachverständigentätigkeit zur Gewerbesteuer richtete. Er erklärte unter Hinweis auf das eingereichte Gutachten der Industrie- und Handelskammer, die Sachverständigentätigkeit hänge weder sachlich noch wirtschaftlich mit dem Versteigererberuf zusammen. Das Finanzamt bezog die Beschränkung des Rechtsmittels auf beide Einsprüche. Diese wurden als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt führte in gleichlautenden Begründungen unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 317/52 U vom 29. April 1953 aus, daß beide Tätigkeiten sachlich und wirtschaftlich zusammengehörten. Der angegebene Gewinn aus der Gutachter- und Sachverständigentätigkeit betragenur 1/10 der Gesamteinkünfte. Da eine Trennung der Buchführung bei der Tätigkeit nicht erfolgt sei und die Betriebsausgaben nur prozentual errechnet worden seien, seien beide Tätigkeiten als einheitlich anzusehen und in vollem Umfange als gewerblich zu behandeln. Mit den gegen beide Einspruchsentscheidungen eingelegten Berufungen begehrte der Bf. Freistellung von der Gewerbesteuer.
Das Finanzgericht wies die Berufungen als unbegründet zurück. Die Tätigkeit als Versteigerer sei in Übereinstimmung mit dem für den Veranlagungszeitraum 1949 ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs IV 317/52 U als gewerblich anzusehen. Die Betätigung als Taxator und Sachverständiger weise allerdings die Merkmale einer freiberuflichen Tätigkeit auf. Er müsse aber die Gesamttätigkeit einheitlich beurteilt werden, da beide Tätigkeiten wirtschaftlich und sachlich eng ineinandergriffen. Der Bf. sei auf Grund seiner in der Versteigerungspraxis erworbenen Erfahrungen und Sachkenntnis damit betraut, Schätzungen und Gutachten, die in den Rahmen seiner Versteigerungstätigkeit fielen und sich lediglich auf die Bewertung von Wohnungseinrichtungen, gebrauchten Möbeln und Hausrat erstreckten, zu erstellen. Die beiden einheitlich zu behandelnden Tätigkeiten seien entweder in vollem Umfange gewerblich oder in vollem Umfange freiberuflich. (Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 178/42 vom 8. Juli 1942, Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 907.) Entscheidend sei der auf die einzelnen Tätigkeiten entfallende Anteil am Gesamtumsatz. Da in den streitigen Jahren 1950 und 1951 etwa 90 % des Gesamtumsatzes auf die gewerbliche Betätigung als Versteigerer entfielen, sei die Gesamttätigkeit als gewerblich anzusehen.
Mit der wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. völlige Freistellung von der Gewerbesteuer. Er führt aus: Pfandversteigerungen und Versteigerungen kraft gesetzlicher Ermächtigung für Rechnung eines anderen im Sinne des § 383 Abs. 3 BGB seien Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit, so daß die Versteigerungstätigkeit nicht als gewerblich angesehen werden könne. Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 317/52 U vom 29. April 1953 sei für die Jahre 1950 und 1951 nicht bindend. Da die Sachverständigentätigkeit als solche auch nach Auffassung des Finanzgerichts nicht gewerbesteuerpflichtig sei, entfalle jede Gewerbesteuerpflicht.
Es ist zunächst zu prüfen, ob der Antrag in der Rb. auf völlige Freistellung von der Gewerbesteuer zulässig ist, nachdem der Bf. den Einspruch bezüglich des Erhebungszeitraumes 1951 auf die Freistellung der Einkünfte aus der Sachverständigen- und Gutachtertätigkeit beschränkt hatte. Wenn das Finanzamt diese Beschränkung auf das für 1950 laufende Rechtsmittel ausdehnte, obwohl der Bf. auf den diesbezüglichen Einspruch nicht Bezug nahm, so ist diese sinngemäße Auslegung nicht zu beanstanden, zumal auch der Bf. offensichtlich hiermit zunächst einverstanden war. Nachdem der Bf. im Berufungsantrag und im Rechtsbeschwerdeantrag unter ausdrücklicher Ablehnung des Urteils des BundesfinanzhofsIV 317/52 U völlige Freistellung von der Gewerbesteuer beantragt hatte, könnte fraglich sein, ob nicht eine rechtsgültige Beschränkung der ursprünglichen Rechtsmittel vorliegt. Alsdann wären die Berufungen und Rechtsbeschwerden nach § 253 der Reichsabgabenordnung (AO) insoweit unzulässig, als die Freistellung von der Gewerbesteuer für die Einkünfte aus der Versteigerertätigkeit begehrt wird. Eine derartige Folge tritt hier nicht ein, da es sich nur um eine Teilrücknahme der Einsprüche hätte handeln können. Eine teilweise Rücknahme ist jedoch mit Rücksicht auf den Amtsbetrieb nicht möglich, sondern wirkungslos. Die teilweise Zurücknahme eines Rechtsmittels hat nicht die Wirkung, daß der Streit insoweit erledigt ist; vielmehr verbleibt der Rechtsmittelbehörde gemäß § 243 AO die Pflicht, gleichwohl in eine Prüfung des von der Rücknahme betroffenen Teilanspruchs einzutreten (siehe Urteil des ReichsfinanzhofsII A 96/26 vom 12. März 1926, Slg. Bd. 18 S. 298, und Hübschmann-Hepp- Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 253 Anm. 7). Das Urteil des ReichsfinanzhofsVI A 927/33 vom 26. Juli 1933 (Steuer und Wirtschaft 1933 Nr. 631) erkennt demgegenüber der Teilzurücknahme einer Berufung eine endgültige Wirkung zu, ohne allerdings diesen Standpunkt zu begründen. Kühn, AO (§ 253, Anm. 4) bezeichnet die Zulässigkeit einer Teilrücknahme für fraglich. Der erkennende Senat hält den Standpunkt des Urteils des ReichsfinanzhofsII A 96/26 vom 12. März 1926 für zutreffend. Nach § 243 Abs. 2 AO sind die Rechtsmittelbehörden an die Anträge dessen, der das Rechtsmittel eingelegt hat, nicht gebunden. Sofern ein Rechtsmittel als solches aufrechterhalten bleibt, kann durch eine teilweise Rücknahme des Rechtsmittels der gesetzlich vorgeschriebene Amtsbetrieb nicht eingeschränkt oder beseitigt werden. Die Beschränkung des Einspruchs bezüglich des Gewerbesteuermeßbetrags 1951 hatte daher keine rechtlichen Folgen und entband die Rechtsmittelbehörden nicht davon, gemäß § 243 AO die Gewerbesteuerpflicht in vollem Umfange nachzuprüfen. Infolgedessen ist durch den späteren Antrag des Bf. auf völlige Freistellung von der Gewerbesteuer keine Änderung der Rechtslage eingetreten, da eine solche Nachprüfungspflicht der Rechtsmittelbehörden von vornherein bestand. Das hindert allerdings nicht, daß auf anderem Gebiete die Zurücknahme eines Teilanspruchs Wirkung äußern kann, so z. B. beim Streitwert. Im vorliegenden Fall trifft dies allerdings entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch nicht zu, das mit den Einsprüchen zunächst die völlige Freistellung von der Gewerbesteuer begehrt wurde, und diese Anträge bei Einlegung der Berufungen und Rechtsbeschwerden wiederholt worden sind.
Entscheidungsgründe
In der Sache ist die Rb. unbegründet.
Wenn auch die Rechtsausführungen der Vorinstanz nicht in allen Punkten zutreffend sind, so ist doch dem Ergebnis zuzustimmen.
Die Tätigkeit des Bf. als vereidigter Versteigerer ist gewerblich. Die Ausführungen des Bf. gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 317/52 U geben dem Senat keine Veranlassung, von dem damals eingenommenen Rechtsstandpunkt abzugehen. Der Umstand, daß die Versteigerungen nach § 383 BGB durch einen Gerichtsvollzieher, einen sonstigen befugten Beamten oder einen öffentlich angestellten Versteigerer erfolgen, schließt eine gewerbliche Tätigkeit nicht aus. Es spricht vielmehr auch die gesetzliche Regelung für den gewerblichen Charakter der Tätigkeit eines vereidigten Versteigerers. Denn die Bezeichnung des grundlegenden Gesetzes vom 16. Oktober 1934 (in der Fassung vom 12. Februar 1938; Reichsgesetzblatt 1938 I S. 202) lautet: "Gesetz über das Versteigerergewerbe", und unter die Regelung dieses Gesetzes fallen auch die vereidigten und öffentlich bestellten Versteigerer (§ 7 des Gesetzes und § 19 der Durchführungsverordnung vom 30. Oktober 1934, Reichsgesetzblatt 1934 I S. 1091, 1111). Der zweite Teil dieser Durchführungsverordnung führt ebenfalls ausdrücklich die Überschrift: "Das Versteigerergewerbe". Wie in dem Veranlagungszeitraum 1949 ist daher auch in den zur Entscheidung stehenden Jahren 1950 und 1951 bei der Versteigerertätigkeit des Bf. das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit vom Finanzgericht zutreffend bejaht worden.
Entgegen den Ausführungen der Vorinstanzen ist auch die Gutachtertätigkeit des Bf. als gewerblich anzusehen. Eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, die hier allein in Frage käme, könnte nur angenommen werden, wenn entweder der Beruf des Bf. in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführt, bzw. einem der dort aufgeführten Berufe "ähnlich" wäre. Eine wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit wird vom Bf. selbst nicht behauptet und scheidet auch nach der Natur der Sache aus. Hierzu wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 6/53 U vom 4. Februar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 618, BStBl 1954 III S. 147) verwiesen, in dem ausgeführt ist, daß bei der Zurechnung von Gutachten zur freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit ein Unterschied zwischen Gutachtern auf der Grundlage von Disziplinen, die an der Hochschule gelehrt werden, und solchen Gutachtern gemacht werden muß, die bei ihrer Tätigkeit an ihre Marktkenntnisse und an ihre gewerblichen und handwerklichen Erfahrungen anknüpfen. Zu diesen zuletzt genannten Gutachtern, deren Tätigkeit nicht wissenschaftlich ist, gehört der Bf.
Der Senat hat es weiter in ständiger Rechtsprechung als nicht angängig erklärt, der Aufzählung im § 18 EStG einen allgemeinen Grundsatz zu entnehmen. Ein Beruf muß vielmehr tatsächlich einem bestimmten in der Gesetzesvorschrift aufgeführten Beruf ähnlich sein. Nur auf diese Weise ist eine einigermaßen bestimmte Abgrenzung möglich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 465/54 U vom 19. Januar 1956, Slg. Bd. 62 S. 240, BStBl 1956 III S. 89). Bereits der Reichsfinanzhof hat in dem UrteilVI 388/41 U vom 19. November 1941 (Steuer und Wirtschaft 1942 Nr. 22) ausgeführt, daß es nicht ersichtlich sei, inwiefern die Tätigkeit eines Sachverständigen für gebrauchte Möbel und Hausgerät der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers, Steuerberaters oder Buchsachverständigen ähnlich sein sollte. Der erkennende Senat folgert in Anlehnung an dieses Urteil gerade aus dem Umstand, daß aus dem Kreis der Sachverständigen nur die Buchsachverständigen in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführt sind, daß die Tätigkeit der sonstigen Sachverständigen nur dann als freiberuflich anzusehen ist, wenn sie zur Berufstätigkeit der besonders aufgeführten Berufszweige gehört oder als wissenschaftlich bzw. künstlerisch anzusehen ist. Die Tätigkeit des Bf. als Gutachter ist daher gewerblich. Diese Auffassung wird auch durch § 32 der oben genannten Durchführungsverordnung vom 30. Oktober 1934 gestützt, wonach Versteigerer das "Gewerbe" eines Schätzers und Sachverständigen betreiben dürfen. Im übrigen würde die Frage nicht anders zu entscheiden sein, wenn der Bf. nicht gleichzeitig als Versteigerer, sondern nur als Gutachter und Schätzer tätig sein würde.
Es sind somit beide Tätigkeiten des Bf. gewerblich. Es bestehen auf Grund der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen der Vorinstanz auch keine Bedenken, die Tätigkeiten des Bf. als Versteigerer sowie als Gutachter und Schätzer als derart miteinander verflochten und innerlich zusammenhängend anzusehen, daß steuerrechtlich ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 408671 |
BStBl III 1957, 106 |
BFHE 64, 279 |