Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Mode- und Werbefotografen ist in der Regel gewerblich.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Sache befindet sich im 2. Rechtsgang.
Streitig ist, ob die vom Bf. im Streitjahr 1955 ausgeübte Tätigkeit als künstlerisch im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anzusehen ist oder ob sein Betrieb der Gewerbesteuer unterliegt. Der Bf. unterhält ein Atelier für Mode- und Werbefotografie. Er ist Fotografenmeister und in die Handwerksrolle der Handwerkskammer eingetragen. Im Streitjahr beschäftigte er vier Gesellen und zwei Lehrlinge. Er hat kein offenes Ladengeschäft mit Passantenverkehr, sondern arbeitet nur für Redaktionen, Verlage (hauptsächlich für Modekleidung) und für die Industrie. Er stellt für seine Auftraggeber gegen weit über den Durchschnitt liegende Arbeitspreise Fotografien von Modellen her, die die Auftraggeber gewerblich, insbesondere zu Werbezwecken verwenden. Die Aufnahmetätigkeit besorgt der Bf. allein. Die technischen Arbeiten verrichten seine Hilfskräfte. Im 1. Rechtsgang hatten Finanzamt und Finanzgericht eine künstlerische Tätigkeit des Bf. verneint, weil der hergestellte Gegenstand nicht in erster Linie ein Kunstwerk, sondern ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei.
Der erkennende Senat ließ sich im 1. Rechtsgang in seinem Urteil IV 105/58 vom 10. März 1960, mit dem die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverweisen wurde, von der Erwägung leiten, daß für die Frage der Gewerbesteuerpflicht nicht die endgültige Verwendung des Geschaffenen entscheidend sei, daß es vielmehr darauf ankomme, ob die Arbeiten des Bf. ohne Rücksicht auf ihre Verwendung künstlerischen Charakter aufweisen. Dazu sei erforderlich, daß sie nicht das Produkt handwerksmäßig erlernter oder erlernbarer Tätigkeit darstellten, sondern etwas Eigenschöpferisches enthielten.
Das Finanzgericht verneinte auch im 2. Rechtsgang die künstlerische Eigenschaft des Bf. deshalb, weil es den Arbeiten des Bf. an einer eigenschöpferischen Note fehle. Es sei nicht zu verkennen, daß sich die Aufnahmen des Bf. durch eine bestechende Brillanz auszeichneten. Der Bf. habe sich jedoch damit noch nicht über das rein technisch Handwerksmäßige hinaus auf ein künstlerisches Niveau erhoben. Er habe insbesondere mit seinen fotografischen Leistungen keine schöpferischen Werke in der Weise vollbracht, daß sich in ihnen seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegele.
Entscheidungsgründe
Auch der erneuten Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.
Bei der rechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Bf. ging die Vorinstanz in übereinstimmung mit dem Urteil des Senats im 1. Rechtsgang davon aus, daß eine vorwiegend künstlerische Tätigkeit des Bf. für das Streitjahr nur anzuerkennen sei, wenn seine fotografischen Arbeiten nach Inhalt, Form und Ansprache eine künstlerische Gestaltung im Sinne einer eigenschöpferischen Note aufwiesen. Die Feststellung der Vorinstanz, daß die vom Bf. ausgeübte Tätigkeit ungeachtet der technischen Brillanz seiner Arbeiten nicht als künstlerisch im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anzusehen ist, tritt der Senat bei. Die vom Bf. dem Finanzgericht vorgelegten Bilder verraten zwar einen hohen Grad der Beherrschung der Fototechnik einschließlich der Motivauswahl und Motivgestaltung. Sie entbehren ungeachtet dessen des typischen Wesensmerkmals der Werke der bildenden Kunst, der geistig eigenschöpferischen Gestaltung. Der Bf. übte seine Tätigkeit auch nicht aus, um ein Werk um seiner selbst willen zu schaffen. Er kopierte in seinen Bildern Wirklichkeit, machte aber keine künstlerische Aussage, konnte und durfte sie bei der ihm auferlegten Zweckbestimmung der Bildaufnahmen, jedenfalls bei den Filmfotos, auch nicht machen. Insofern läßt sich im Streitfalle aus dem Verwendungszweck der Aufnahmen eher auf eine gewerbliche als auf eine künstlerische Tätigkeit schließen, obwohl grundsätzlich der Verwendungszweck eine künstlerische Tätigkeit nicht zu einer gewerblichen macht (vgl. insbesondere Urteil des Bundesfinanzhofs IV 278/56 U vom 14. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 316, Slg. Bd. 67 S. 115). Der Senat hält es nicht für ausgeschlossen, daß auch das durch die Zuhilfenahme fototechnischer Mittel und Möglichkeiten zustande gekommene Bild ein Kunstwerk im Sinne der bildenden Kunst sein kann (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 92/39 vom 30. Juni 1939, RStBl 1939 S. 963). Das wird der Fall sein, wenn das Motiv um seiner selbst willen gestaltet und ihm eine sich über die Darstellung der Wirklichkeit erhebende Aussagekraft verliehen wird, oder wenn die technischen Mittel der Fotografie zu einer eigenschöpferischen Bildgestaltung nutzbar gemacht werden. Daß bei der fotografischen Werkgestaltung der Charakter als Kunstwerk nicht von vornherein angenommen werden kann, wie bei den klassischen bildenden Künsten (Baukunst, Bildhauerkunst, Malerei, Graphik, Kunstgewerbe), ist durch das grundsätzliche Fehlen einer eigenwertigen Motivgestaltung sowie durch den Einsatz technischer Mittel bei der Bildwiedergabe bedingt. Nur in besonderen Fällen kann bei der Fotografie die "Handschrift" des Künstlers, wie sie durch sein unmittelbares Werkschaffen entsteht, dem Werke das Gepräge geben. Die Fotografie ist ihrem Wesen nach zu geistig eigenschöpferischer Gestaltung von vornherein nur sehr bedingt geeignet (vgl. hierzu auch Urteil des Senats IV 234/58 vom 2. Februar 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 131). Die Entscheidung darüber, ob ein Ausnahmefall vorliegt, liegt weitgehend auf dem Gebiet der tatsächlichen Würdigung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 420/41 vom 10. Dezember 1941, RStBl 1942 S. 78, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 560/56 U vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 182, Slg. Bd. 66 S. 471).
Fundstellen
Haufe-Index 410740 |
BStBl III 1963, 216 |
BFHE 1963, 592 |
BFHE 76, 592 |