Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Will das Finanzgericht zur Ermittlung des Sachverhaltes einen Gutachter bestellen, so hat es dem Steuerpflichtigen die Person des Gutachters vor dessen Beauftragung mitzuteilen. Einwendungen des Steuerpflichtigen, die sich lediglich gegen die Person des Gutachters richten, können nach Erstellung des Gutachtens nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Ermäßigung des nach einem Vielfachen der Jahresrohmiete ermittelten Wertes wegen Kriegssachschadens kann auf der Grundlage der Kosten berechnet werden, die aufgewendet werden müssen, um den Schaden zu beseitigen. Ebenso ist es zulässig, zur Ermittlung des Schadensgrades die amtlichen Richtzahlen über die Wertanteile der einzelnen Gebäudeteile zugrunde zu legen.

 

Normenkette

AO §§ 206, 244; FGO § 82; ZPO §§ 402, 406

 

Tatbestand

Streitig ist die Wertfortschreibung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1955 für ein Grundstück.

Das Grundstück, das bei der Hauptfeststellung 1935 nach einem Vielfachen der Jahresrohmiete bewertet worden war, hat Kriegssachschäden erlitten. Der Einheitswert wurde deshalb durch eine Wertfortschreibung zum 1. Januar 1946 herabgesetzt. Im Jahre 1951 ging das Grundstück durch Erbfolge auf den Bf. über. Es wurde ihm unter Beibehaltung des bisherigen Einheitswertes zum 1. Januar 1952 zugerechnet. Infolge Wiederaufbaues des Gebäudes bzw. Beseitigung der Kriegssachschäden wurde der Einheitswert zum 1. Januar 1954 und zum 1. Januar 1955 fortgeschrieben.

Der auf den 1. Januar 1955 festgestellte Einheitswert ist auf der Grundlage der von dem Bf. angegebenen Jahresrohmiete und unter Anwendung des Vervielfältigers 5 errechnet worden. Nach der Feststellung des Finanzamts entspricht der Mietansatz bei Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse vom Bewertungsstichtage den Wertverhältnissen von 1935.

Mit dem Einsprüche begehrte der Bf. wegen noch vorhandener Schäden eine Ermäßigung des Einheitswertes; zur vollständigen Beseitigung der Kriegssachschäden seien noch Aufwendungen in Höhe von 8.300 DM erforderlich. Der Bauschätzer des Finanzamts schätzte nach Besichtigung des Grundstückes den noch vorhandenen Schaden am Gebäude auf 5 v. H. Dementsprechend wurde durch Einspruchsentscheidung der Einheitswert zum 1. Januar 1955 herabgesetzt. Den Abschlag errechnete das Finanzamt in der Weise, daß es den noch vorhandenen Schaden in Höhe von 5 v. H. des Gebäudewertanteils, um 20 v. H. der Jahresrohmiete kürzte. Hierdurch ergab sich ein Abschlag von 315 DM.

Mit der Berufung beantragte der Bf., den Einheitswert auf höchstens 45.000 DM festzustellen. Zur Beseitigung noch vorhandener Kriegssachschäden seien nach den Kostenanschlägen noch 12.235 DM aufzuwenden. Außerdem seien das Dach und die Versorgungsleitungen noch reparaturbedürftig, und das Gebäude weise wegen des großen Ausmaßes der Zerstörung auch Mängel in seiner Standfestigkeit auf. Im übrigen sei es rechtlich unzulässig, den ermittelten Schadensbetrag um 20. v. H. der Jahresrohmiete zu kürzen.

Die Vorinstanz holte ein Gutachten der Sondervermögens- und Bauverwaltung beim Senator für Finanzen ein. Die Gutachterin errechnete den Schadensgrad zum 1. Januar 1955 mit 7,5 v. H. Mängel in der Standfestigkeit wurden von der Gutachterin nicht festgestellt. Die Vorinstanz hat sich dem Gutachten angeschlossen und unter Abänderung der Einspruchsentscheidung und des Einheitswertbescheides den Einheitswert auf 51.200 DM festgestellt.

Mit der Rb. rügt der Bf. Verletzung materiellen Rechts. Er wendet sich dagegen, daß die Vorinstanz eine Behörde zum Sachverständigen bestellt hat. Dies sei eine Verletzung ordnungsmäßiger Beweiserhebung. Abgesehen hiervon beständen Bedenken hinsichtlich der Objektivität der Gutachterstelle, wenn die begutachtende Stelle wisse, daß ein Gericht immer nur diese behördliche Stelle als Gutachterin beauftrage. Auch die Methode der Schadensermittlung nach Richtzahlen entspreche nicht der Bestimmung des § 37 BewDV. Nach dem Wortlaut des § 37 BewDV hätten die mutmaßlichen Mindestkaufpreise für das Gebäude in seinem unbeschädigten und beschädigten Zustand ermittelt werden müssen. Hierfür seien Makler, die die Grundstücksmarktlage aus langjähriger Erfahrung kennen würden, besser als Bausachverständige berufen. Zu berücksichtigen sei aber auf jeden Fall, daß ein mutmaßlicher Käufer die Voranschläge für die Schadensbeseitigung in Anrechnung bringe. Schließlich sei auch der Abschlag von 20. v. H. einer Jahresrohmiete von dem ermittelten Schadensbetrag nicht berechtigt. Dieser Abschlag, der lediglich für Altbauten wegen der in erhöhtem Maße anfallenden Instandhaltungskosten gelte, habe mit der Beseitigung von Kriegssachschäden nichts zu tun.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

I. - Der Bf. rügt zunächst, daß die Vorinstanz die Sondervermögens- und Bauverwaltung beim Senator für Finanzen als Gutachterin gehört hat. Nach § 244 in Verbindung mit § 206 AO können die Steuergerichte Sachverständige zur Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse zuziehen. Um den von den Ermittlungen betroffenen Steuerpflichtigen nur soweit wie erforderlich zu belasten, hat das Gesetz dem Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt, einen Sachverständigen abzulehnen, wenn der Steuerpflichtige von der Tätigkeit des Sachverständigen eine Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für seine geschäftliche Tätigkeit befürchtet. Deshalb ist das Gericht verpflichtet, vor Beauftragung des Gutachters dem Steuerpflichtigen die Person des vorgesehenen Gutachters mitzuteilen (ß 206 Abs. 2 AO). Diesem Ablehnungsrecht des Steuerpflichtigen hinsichtlich eines Sachverständigen zum Zwecke der Sicherung gegen etwaigen Mißbrauch von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen steht andererseits seine Verpflichtung gegenüber, sachliche Bedenken gegen die Person des Gutachters ebenfalls vor der Bestellung des Gutachters geltend zu machen. Auf Grund der mündlichen Verhandlung, an der der Bf. und sein Bevollmächtigter teilnahmen, erließ die Vorinstanz Beweisbeschluß, daß die Sondervermögens- und Bauverwaltung um ein Gutachten ersucht werden soll über die Höhe des tatsächlichen Ausmaßes des Kriegssachschadens nach dem Stande vom 1. Januar 1955 einschließlich der vom Bf. behaupteten Standfestigkeitsmängel sowie der vom Bf. bestrittenen Berechtigung zur Kürzung der Jahresrohmiete um 20 v. H. Die Verhandlungsniederschrift wurde dem Bevollmächtigten auch zugestellt. In der Stellungnahme zu dem Beweisbeschluß erhob der Bf. keine Einwendungen gegen die Sondervermögens- und Bauverwaltung als Gutachterin. Der Bevollmächtigte des Bf. wurde weiter von der Gutachterin über den Termin zur Besichtigung des Grundstückes in Kenntnis gesetzt; er nahm an der Ortsbesichtigung auch teil, ohne Einwendungen gegen die Person der Gutachterin zu erheben. Erst in der Stellungnahme zu dem abgegebenen Gutachten wendete sich der Bf. gegen die Sondervermögens- und Bauverwaltung als Gutachterin mit dem Hinweis, die Gutachterstelle sei so eng mit dem Finanzamt "liiert", daß das Gutachten nur als Parteigutachten gewertet werden könne. Zudem sei das Gutachten von einem technischen Zeitangestellten verfaßt, der wegen seiner ungeschützten Angestellten-Stellung kein objektives Gutachten erteilen könne.

Nicht zu beanstanden ist, wenn die Vorinstanz das Gutachten zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat. Der Bf. hatte reichlich Gelegenheit, vor Beauftragung der Gutachterstelle und vor Erteilung des Gutachtens begründete Einwendungen gegen die Gutachterstelle zu erheben. Dies hat er nicht getan. Einwendungen gegen die Person der Gutachterin können deshalb nach Erstellung des Gutachtens nicht mehr berücksichtigt werden, zumal auch keine substantiierten Gründe vorgebracht sind, die die Sachlichkeit der Gutachterstelle erschüttern könnten. Im übrigen hat der erkennende Senat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die Objektivität der betreffenden Gutachterstelle nicht in Frage zu stellen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 204/55 U vom 28. September 1956, BStBl 1957 III S. 1, Slg. Bd. 64 S. 1).

II. - Der Einwand, die Methode der Schadensermittlung nach den Richtzahlen entspreche nicht der Bestimmung des § 37 BewDV, ist ebenfalls unbegründet. Der sich nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete ergebende Wert gilt für alle Fälle, in denen die Verhältnisse im allgemeinen tatsächlich so liegen, wie sie der Bildung der Vervielfältiger zugrunde gelegen haben. Nur wenn die tatsächlichen Verhältnisse des zu bewertenden Grundstückes von den zugrunde gelegten Verhältnissen des Bezirks oder der Grundstücksgruppe wesentlich abweichen, ist der Wert zu ermäßigen oder zu erhöhen (ß 37 Abs. 1 BewDV). Kriegssachschäden, die am Bewertungsstichtag noch bestehen, sind tatsächliche Verhältnisse, die eine Ermäßigung des nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete ermittelten Wertes rechtfertigen. Nach § 37 Abs. 3 BewDV richtet sich das Ausmaß der Ermäßigung nach der Bedeutung, die dem besonderen wertmindernden Umstand bei einem Verkauf des Grundstückes nach Lage des Grundstücksmarktes beigemessen werden würde. Hiernach ist für den Abschlag entscheidend, ob Käufer und Verkäufer bei Bildung des Kaufpreises die besonderen Umstände als wertmindernd oder werterhöhend ansehen würden. Ist diese Frage zu bejahen, so ist nach dem Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 BewDV nicht unbedingt erforderlich, daß für die Höhe des Abschlages die fiktiven Werte für das Grundstück in seinem beschädigten und unbeschädigten Zustande ermittelt werden. Abgesehen davon, daß auch diese Verkehrswerte nur geschätzt werden können, handelt es sich hier um die Feststellung des Einheitswertes. Verkehrswert und Einheitswert sind verschiedene Werte und können einander nicht gleichgesetzt werden. Infolgedessen kann auch die Höhe der Ermäßigung des Einheitswertes nach § 37 Abs. 3 BewDV nicht unmittelbar aus einer Schätzung von Kaufpreisen für Grundstücke im beschädigten und unbeschädigten Zustande gewonnen werden. Das ergibt sich auch bereits aus der Begrenzung der Ermäßigung auf höchstens 30 v. H. des Vielfachen der Jahresrohmiete. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn die Höhe des Abschlages auf der Grundlage der Kosten ermittelt wird, die aufgewendet werden mußten, um die Wertminderung zu beseitigen, oder auf Grund von Richtlinien für die Durchführung der Schadensberechnung über beschädigte Gebäude. Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung III 204/55 U vom 28. September 1956 (a. a. O.) ausgesprochen, daß es unbedenklich ist, amtliche Richtzahlen über die Wertanteile der einzelnen Gebäudeteile zur Ermittlung des Schadensgrades zu verwenden, weil derartigen, auf eingehenden Ermittlungen und Gutachten von Sachverständigen beruhenden Richtzahlen in der Tat erhebliche tatsächliche Bedeutung zukomme. Die Gutachterstelle hat zur Ermittlung des Schadensgrades nach dem Stande vom 1. Januar 1955 die tatsächlichen Instandsetzungskosten für die nach diesem Stichtag beseitigten Schäden und die Kostenanschläge für die noch zu beseitigenden Schäden berücksichtigt und die Gesamtkosten auf die Wertbasis von 1935 zurückgeführt. Soweit Kostenanschläge nicht vorliegen, hat die Gutachterstelle die Schäden nach den Wertanteilen der einzelnen Gebäudeteile geschätzt. Hierdurch wurde ein Schadensgrad von 7,5 v. H. ermittelt, den die Vorinstanz von dem auf das Gebäude entfallenden anteiligen Einheitswert in Abzug brachte. Hierdurch ergab sich eine Wertminderung von 3.344,60 DM. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden und verstößt auch nicht gegen die Bestimmung des § 37 Abs. 3 BewDV. Im übrigen handelt es sich bei dem Ausmaß der Ermäßigung nach § 37 Abs. 3 BewDV weitgehend um Schätzungen, die in der Rb. nur aus den in den §§ 288, 296 AO angeführten Gründen angegriffen werden können. Solche Gründe liegen nicht vor. Damit sind die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen für den Bundesfinanzhof selbst dann bindend, wenn auch eine andere Schätzung der Höhe des Abschlages denkbar gewesen wäre (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 204/55 U vom 28. September 1956, a. a. O.). Dies gilt auch insoweit, als ein Mangel in der Standfestigkeit des Gebäudes nicht festgestellt wurde.

III. - Bei der Bildung der Vervielfältiger anläßlich der letzten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes auf den 1. Januar 1935 ist in dem betreffenden Gebiet für Altbauten ein laufender Reparaturaufwand von 20 v. H. einer Jahresrohmiete berücksichtigt worden. Die Vorinstanz hat deshalb die zur Beseitigung des Schadens nach den Wertverhältnissen 1935 aufzuwendenden Kosten um 20 v. H. der Jahresrohmiete gemindert, weil dies sinngemäß der Bestimmung des § 37 Abs. 4 BewDV entspreche und der Kriegssachschadenabschlag sowie die allgemeine Reparaturbedürftigkeit in die Berechnungsgrundlagen einbezogen worden seien. In der Regel liegt in der Beseitigung von Kriegssachschäden auch eine sonst notwendig gewordene Instandsetzung. Deshalb hat es der erkennende Senat wiederholt für zulässig erachtet, von dem Schadensbetrag 20 v. H. einer Jahresrohmiete abzusetzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 204/55 U vom 28. September 1956, a. a. O.). Gründe, die die Berücksichtigung der Kürzung als rechtsirrtümlich erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.

Der Rb. war somit der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411118

BStBl III 1964, 220

BFHE 1964, 582

BFHE 78, 582

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