Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln vor Fertigstellung des Gebäudes sind keine sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern Herstellungskosten des Gebäudes.
Orientierungssatz
1. Die Herstellung eines Wirtschaftsguts endet regelmäßig, wenn es fertiggestellt ist, d.h., wenn es einen Zustand erreicht hat, der seine bestimmungsgemäße Nutzung ermöglicht. Aufwendungen zur Herstellung eines Gebäudes, die bis zu dessen Fertigstellung anfallen, sind grundsätzlich Herstellungskosten (Begriffsbestimmung) des Gebäudes (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
2. Erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG schließen die Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG 1977/1981 nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 27.6.1978 VIII R 136/74). Die AfaA können nur im Jahr ihrer Entdeckung abgezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.1979 VIII R 48/78; Literatur).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7; EStG 1977 § 7 Abs. 1 S. 4; EStG §§ 7b, 21a Abs. 3; EStG 1981 § 7 Abs. 1 S. 4; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 17.10.1983; Aktenzeichen 5 K 1/83) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, hatten eine Baufirma mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragt. Kurz vor Fertigstellung des Rohbaues drang wegen unsachgemäßer Verlegung der Drainage Wasser in den Keller ein. Es war erforderlich, eine andere Drainageleitung zu verlegen und die alte außer Betrieb zu setzen. Mit den Arbeiten wurde nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) "vor Fertigstellung des Gebäudes" begonnen. Auf die alte Drainage entfielen nach Sachverständigenschätzungen anteilige Kosten in Höhe von 3 168,70 DM. Für die neue Drainage wandten die Kläger 4 898 DM auf. Die Kläger bewohnen das Gebäude seit Dezember 1979. Nach der Anlage V zur Einkommensteuererklärung 1981 ist der "Rohbauunternehmer" der die alte Drainage gefertigt hatte, in Konkurs gefallen. Die Kläger haben die höchstmöglichen Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7 500 DM beansprucht.
Dem Begehren der Kläger, den für die neue Drainage aufgewendeten Betrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Veranlagungszeitraums 1981 anzuerkennen, gab der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht statt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Anwendung des § 7 Abs.1 Satz 4 EStG stehe das Abzugsverbot des § 21a Abs.3 EStG entgegen.
Das FG wies mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 273 veröffentlichten Urteil das FA unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides und der Einspruchsentscheidung gestützt auf Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) an, die Kosten für die neue Drainage als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Die Kosten der ersatzweise verlegten Drainage stellten Erhaltungsaufwand dar. Dies folge daraus, daß es sich im Streitfall nicht um unbehebbare Baumängel handele, sondern um die Kosten der Reparatur bzw. den Teilersatz einer Anlage, deren Unbrauchbarkeit sich bereits in der Bauphase herausgestellt habe. Mehraufwand, der darin seinen Grund habe, daß der mit einer Baumaßnahme verfolgte Zweck zunächst nicht oder nicht vollständig erreicht werde, gehöre nicht zu den Herstellungskosten, sondern sei als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar (FG Bremen, Urteil vom 20.Februar 1980 I 30/78, EFG 1980, 222). Die neue Drainageanlage sei nicht für die Errichtung einer Brunnenanlage, sondern zur Verhinderung weiterer Wassereinbrüche im Keller des Hauses gefertigt worden.
Das (beschränkte) Abzugsverbot nach § 21a Abs.3 EStG stehe der Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht entgegen. Dafür, daß das Abzugsverbot nicht eingreife, reiche es aus, wenn der Beginn der Reparaturarbeiten vor der Selbstnutzung der Wohnung liege.
Die vom FG zugelassene Revision begründet das FA mit Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 und § 21a EStG sowie unterlassener Sachaufklärung.
Mehraufwendungen zur Behebung von Baumängeln seien Herstellungskosten. Das FG hätte nicht ohne Nachprüfung als zutreffend unterstellen dürfen, daß die erste, wiederholt sanierte Drainageanlage völlig unbrauchbar und wertlos gewesen sei. Jedenfalls hätte das FG prüfen müssen, welche zusätzlichen Herstellungskosten speziell für den Brunnen entstanden seien.
Im übrigen greife im Streitfall das Abzugsverbot des § 21a Abs.3 EStG ein, denn es sei auf die Ausführungen der Reparaturarbeiten und nicht auf deren Beginn abzustellen. Die Kläger hätten selbst nicht behauptet, daß die Arbeiten vor Bezugsfertigkeit ausgeführt oder begonnen worden seien.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise statt eines Betrags in Höhe von 4 898 DM einen solchen in Höhe von 3 168,70 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen.
Der entstandene Erhaltungsaufwand habe nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Eigennutzung des Einfamilienhauses nach Bezugsfertigkeit gestanden. Selbst wenn die Kosten für die neue Drainage nicht sofort als Werbungskosten abziehbar seien, müßte hilfsweise wegen der Kosten für die alte Drainage und der vergeblichen Aufwendungen zur Herstellung ihrer Funktionstüchtigkeit eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs.1 Satz 4 EStG in Höhe von 3 168,70 DM zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht die Kosten der ersatzweise verlegten Drainage von 4 898 DM als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt hat. Da die Kläger ihr Einfamilienhaus während des Streitjahres selbst zu Wohnzwecken nutzten, kommt nach § 21a Abs.3 EStG ein Abzug von Werbungskosten nur in dem dort bezeichneten Umfang in Betracht. Der Senat hat keine Veranlassung, auf die Frage einzugehen, unter welchen Voraussetzungen § 21a Abs.3 EStG den Abzug von Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht ausschließt und ob diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Denn die Kosten für die neue Drainage stellen keine Erhaltungsaufwendungen, sondern Herstellungskosten dar, die nur im Wege der gemäß § 21a Abs.3 Nr.2 EStG zugelassenen erhöhten Absetzungen als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die Kläger haben aber den Höchstbetrag für die gemäß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7b EStG an sich möglichen erhöhten Absetzungen bereits ausgeschöpft.
Herstellungskosten sind alle Aufwendungen, die darauf gerichtet sind, durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten ein Wirtschaftsgut herzustellen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; BFH-Urteile vom 13.Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101; vom 15.November 1985 III R 110/85, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367; vgl. jetzt § 255 Abs.2 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Danach gehören zu den Herstellungskosten sowohl die Kosten, die unmittelbar der Herstellung dienen als auch Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung anfallen oder mit der Herstellung in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteile vom 22.April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441, und in BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101). Die Herstellung endet regelmäßig, wenn das Wirtschaftsgut fertiggestellt ist (§ 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--), d.h., wenn es einen Zustand erreicht hat, der seine bestimmungsgemäße Nutzung ermöglicht (vgl. BFH-Urteil vom 15.September 1977 V R 81/76, BFHE 123, 214, BStBl II 1977, 887). Aufwendungen zur Herstellung eines Gebäudes, die bis zu dessen Fertigstellung anfallen, sind grundsätzlich Herstellungskosten des Gebäudes (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., 1986, § 21 Anm.14 b; s. auch BFH-Urteil vom 21.September 1984 III R 109/78, BFHE 142, 94, BStBl II 1985, 17).
Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Kläger für die neue Drainage als Herstellungskosten des Gebäudes einzuordnen. Die Maßnahme erfolgte in engem Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) vor dessen Fertigstellung. Sie diente ausschließlich dem Zweck, die erstmalige Funktionsfähigkeit eines Gebäudeteils, des Kellers, herzustellen. Daß durch die neue Drainierung der Mangel der zunächst unsachgemäß verlegten Drainage behoben wurde, rechtfertigt es nicht, die Kosten als Erhaltungsaufwand anzusehen. Der Senat vermag sich der auch im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach während der Bauphase für die Beseitigung von Baumängeln zusätzlich angefallene Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen sind (vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 21 Anm. 14 b; Rößler, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1983, 731; Seitrich, Finanz-Rundschau --FR-- 1985, 485, 487), nicht anzuschließen. Abgesehen von Abgrenzungsschwierigkeiten --bekanntlich unterlaufen bei fast jedem Bauvorhaben Fehler-- steht dieser Auffassung entgegen, daß für die Qualifizierung von Aufwendungen als Herstellungskosten eines Gebäudes auf die Fertigstellung des Gebäudes, nicht auf die Fertigstellung einzelner Gebäudeteile abzustellen ist. Etwas anderes gilt nur für Gebäudeteile, die selbständige Wirtschaftsgüter sind, weil sie besonderen, außerhalb des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs des Gebäudes selbst stehenden Zwecken dienen (vgl. BFH-Beschluß vom 26.November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132).
Da ein Abzug der Aufwendungen als Erhaltungsaufwand nicht in Betracht kommt, ist es unerheblich, ob die Arbeiten für die neue Drainage vor Bezugsfertigkeit begonnen wurden oder danach.
2. Auch die Kosten für die erste Drainage sind keine sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind Herstellungskosten des Einfamilienhauses; denn sie waren darauf gerichtet, durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten die Drainage als Teil des Einfamilienhauses herzustellen. Auch wenn sie vergeblich waren, weil die Drainage unbrauchbar war, bleiben sie Herstellungskosten. Wie der Senat in der Entscheidung vom 24. März 1987 IX R 31/84 (BFHE 149, 552) ausgeführt hat, kann der bisherigen Rechtsprechung nicht entnommen werden, daß vergebliche Kosten aus dem Herstellungskostenbereich auszuscheiden sind. Die Frage, ob Kosten wertbestimmend in ein Wirtschaftsgut eingehen, kann sich nur in den Fällen stellen, in denen statt des ursprünglich geplanten ein anderes Wirtschaftsgut hergestellt wird. Im vorliegenden Fall wurde kein anderes Wirtschaftsgut hergestellt.
3. Auch mit ihrem Hilfsbegehren können die Kläger nicht durchdringen. Zwar schließen die im Streitjahr geltend gemachten erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG die Vornahme von AfaA gemäß § 7 Abs.1 Satz 4 EStG 1977/1981 nicht aus (BFH-Urteil vom 27.Juni 1978 VIII R 136/74, BFHE 126, 15, BStBl II 1979, 8). Unabhängig davon, ob die AfaA nur bei einem bestehenden Wirtschaftsgut in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 13.April 1965 I 131/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1965, 425) und ob im Streitfall außergewöhnliche Umstände vorliegen, durch die die Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts "Gebäude" beeinträchtigt ist (dazu BFH-Urteil vom 8.Juli 1980 VIII R 176/78, BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743), ist sie jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nur im Jahr ihrer Entdeckung abgezogen werden kann (BFH-Urteil vom 6.März 1979 VIII R 48/78, BFHE 128, 185, BStBl II 1979, 627; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7 Anm.9 d m.w.N.). Nach den Feststellungen des FG war dies vor dem Streitjahr der Fall.
4. Auf die vom FA vorgebrachte Sachaufklärungsrüge kommt es hiernach nicht mehr an.
5. Die Sache ist spruchreif. Da das FA zutreffend den Abzug der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgelehnt hat, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61637 |
BStBl II 1987, 694 |
BFHE 149, 548 |
BFHE 1987, 548 |
BB 1987, 1518 |
BB 1987, 1518-1519 (ST) |
DB 1987, 1665-1665 (ST) |
DStR 1987, 592-592 (S) |
HFR 1987, 516-516 (ST) |