Leitsatz (amtlich)
Besteht ein aufbringungspflichtiges Unternehmen aus Vater und Sohn und geht der Geschäftsanteil des Vaters im Erbgang auf den Sohn über, so tritt ein Unternehmerwechsel - Einstellung des Gewerbebetriebs mit nachfolgender Neugründung - nicht ein.
Normenkette
IHG §§ 6-7; IHDV § 5
Tatbestand
Der Streit geht um die Frage, ob im Falle der Vereinigung aller Anteile einer OHG durch Erbgang in der Hand eines Gesellschafters das nunmehrige Einzelunternehmen als neu errichteter Betrieb der Aufbringung nach dem Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (IHG) vom 7. Januar 1952 unterworfen werden kann.
Der Betrieb, dessen Alleininhaber der Fabrikant Hans V ist, ist bis 30. April 1951 als OHG geführt worden. Gesellschafter waren Adolf V (Vater) und Hans V (Sohn) zu 2/3 bzw. 1/3. Der Vater ist 1951 verstorben. Sein einziger Erbe war der Sohn.
Die Firma hat eine Selbstberechnung zur Investitionshilfe eingereicht, in der sie die Aufbringung errechnete, als wenn eine änderung durch den Tod des Hauptgesellschafters nicht eingetreten wäre. Das Finanzamt hat dies nicht anerkannt. Es hat in dem Ausscheiden des Vaters und dem übergang seines Anteils auf den Sohn und Mitgesellschafter einen Unternehmerwechsel gesehen und zwei getrennte Festsetzungen vorgenommen, indem es die OHG bis 30. April 1951 mit 13.700 DM und die Einzelfirma ab 1. Mai 1951 mit 13.800 DM heranzog. Der Sohn hat diese Festsetzung bekämpft und sein Begehren auf Errechnung der Investitionshilfe nach § 6 Abs. 1 IHG unter Zugrundelegung des einheitlichen Satzes von 3,5 v. H. aufrechterhalten. Auf die Sprungberufung hat sich das Finanzgericht der Auffassung der Firma angeschlossen und die Aufbringung für den Betrieb unter Außerachtlassung des Erbfalles auf 3,5 v. H. der auf die Kalenderjahre 1950 und 1951 bezogenen Bemessungsgrundlage festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen am 12. Februar 1953 eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, eingegangen beim Finanzgericht am 13. Februar 1953, ist unbegründet.
Das IHG ist kein Steuergesetz, sondern ein Gesetz eigener Art, das der gewerblichen Wirtschaft die Verpflichtung auferlegt, zur Deckung des vordringlichen Investitionsbedarfs bestimmter Industriezweige einen einmaligen Beitrag zu leisten. Das Gesetz hält sich - so führt Ministerialrat Wittneben vom Bundesministerium der Finanzen in der Schrift: "Die Investitionshilfe" unter II Textziffer 11 S. 7 aus - bewußt auf der privatwirtschaftlichen Linie und vermeidet, soweit es sich mit der technischen Durchführung vereinbaren läßt, alles, was der Investitionshilfe den Charakter einer Steuer geben könnte.
Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 20. Juli 1954 anerkannt, daß das Gesetz dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht widerspricht.
Nach § 2 des Gesetzes unterliegt der Aufbringungspflicht jeder Gewerbebetrieb im Sinn des Gewerbesteuerrechts, der am 1. Januar 1951 bestanden hat oder im Laufe des Kalenderjahres 1951 neu gegründet worden ist. Maßgebend für den Kreis der Belasteten sind also die Vorschriften des Gewerbesteuerrechts.
Darüber, daß die Firma einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts unterhält, daß also die Voraussetzungen des § 2 erfüllt sind, besteht kein Streit. Streitig ist allein, ob der übergang des Anteils des Hauptgesellschafters (Vater) auf den Mitgesellschafter (Sohn) dazu führen kann, die Aufbringung unter Erhöhung der Gesamtbelastung getrennt festzusetzen mit der Unterstellung, der zunächst als OHG heranzuziehende Betrieb sei mit dem Tode des Mitgesellschafters eingestellt und ein neuer Betrieb durch den nunmehrigen Einzelunternehmer gegründet worden.
Wirtschaftlich ist der Gewerbebetrieb durch den Todesfall nicht berührt worden. Der Betrieb ist unverändert geblieben. Was geschehen ist, betrifft allein die Unternehmerform, indem nunmehr alle Anteile in einer Hand vereinigt worden sind. Weder die Verkehrsauffassung noch der Sprachgebrauch rechtfertigen es, einen derartigen Vorgang als Einstellung eines Betriebes mit nachfolgender Neugründung zu behandeln.
Wenn das Finanzamt im Gegensatz zur Verkehrsauffassung und in Abweichung vom Wortlaut des § 2 eine Neugründung als erfolgt ansieht und die OHG und die Einzelfirma getrennt mit 3,5 v. H. bzw. 7 v. H. belastet, so stützt sie sich auf § 5 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Erste IHDV) vom 5. April 1952. Diese Bestimmung lautet:
"Ein Gewerbebetrieb, der im Laufe der Kalenderjahre 1950 oder 1951 im ganzen auf einen anderen Unternehmer übergegangen ist, gilt als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. Er ist als durch den anderen Unternehmer neu gegründet anzusehen, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. Zeitpunkt der Einstellung (Satz 1) und Zeitpunkt der Neugründung (Satz 2) ist der Zeitpunkt des Unternehmerwechsels."
Die Firma ist der Auffassung, daß § 5 so angewandt, wie das Finanzamt es möchte, eine Bestimmung darstellt, die den durch den Gesetzgeber im Gesetz umschriebenen Kreis der Belasteten verändert, und in einer Durchführungsverordnung nicht hätte getroffen werden dürfen. Sie hält daher die Bestimmung für rechtsunwirksam.
§ 5 schließt sich im wesentlichen dem § 5 des Gewerbesteuergesetzes an, folgt also einer Vorschrift, die der Gesetzgeber des Gewerbesteuerrechts nicht in eine Durchführungsverordnung, sondern in das Gesetz selbst aufgenommen hat. Wenn der Beschwerdeführer der Meinung ist, das IHG sei so eng mit dem Gewerbesteuerrecht verbunden, daß ausschließlich das Gewerbesteuergesetz maßgebend sei, so findet diese Auffassung im IHG keine Stütze. Das IHG schließt sich in § 2 lediglich hinsichtlich der Frage, welche wirtschaftlichen Betätigungen als Unterhaltung eines Gewerbebetriebs anzusehen sind, den für die Gewerbesteuer geltenden Anschauungen an. Ein mit der Investitionshilfe zu belastender Gewerbebetrieb liegt vor, wenn die Voraussetzungen des § 2 des Gewerbesteuergesetzes erfüllt sind. Damit sind der unmittelbaren Einbeziehung weiterer Vorschriften in das Verfahren des IHG Grenzen gesetzt.
Es braucht im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden, ob der Gesetzgeber der Ersten IHDV mit der Vorschrift des § 5 einen materiellen Gesetzesbefehl hat schaffen wollen und gegebenenfalls, ob dieser durch die Ermächtigung des § 38 (Abs. 1 Ziff. 2 a) IHG gedeckt ist, oder ob es sich nur um eine Auslegungsregel handelt. Denn § 5 Erste IHDV trifft auf die Verhältnisse des Streitfalles schlechthin nicht zu. Ein Unternehmerwechsel, der als Einstellung des Betriebs mit nachfolgender Neugründung angesehen werden kann, liegt nicht vor.
Schon auf dem Gebiet des Gewerbesteuergesetzes hat der Senat das Fortbestehen des Gewerbebetriebs in den Fällen bejaht, in denen der Vater ohne änderung der Grundlagen des Betriebs durch Abspaltung eines nicht erheblichen Teiles seiner Kapitaleinlage den im Geschäft tätigen Sohn als Mitgesellschafter aufnimmt. Dies muß auch für das IHG gelten (vgl. die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung I 27/54 U vom heutigen Tage, die in der Anlage beigefügt wird). Ein rechtsgeschäftlicher Akt liegt nicht vor. Der Anteil des Vaters ist dem im Betrieb bereits tätigen nächsten Angehörigen, dem Sohn, als Erben zugewachsen. Auch hierin vermag der Senat keinen die Annahme einer Neugründung rechtfertigenden Unternehmerwechsel zu erblicken.
Liegt ein Unternehmerwechsel nicht vor, dann muß es bei der Heranziehung der Firma ohne Berücksichtigung der sich aus dem Erbfall ergebenden Folgen verbleiben. Aus § 4 IHG, der sich, ohne den Kreis der nach § 2 zu belastenden Betriebe zu ändern, auf die Frage, welche Person die Aufbringung des Betriebs zu leisten hat, bezieht, ergibt sich nichts Gegenteiliges.
Die Rb. muß daher zurückgewiesen werden. Die Kosten trägt die Staatskasse gemäß § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408004 |
BStBl III 1954, 322 |
BFHE 1955, 289 |
BFHE 59, 289 |