Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
"Berufsfotomodelle" sind, wenn sie nur von Fall zu Fall und vorübergehend zu Aufnahmen herangezogen werden, nicht Arbeitnehmer, weil sie nicht in den Betrieb des Fotografen eingegliedert werden.
Normenkette
EStG § 19; LStDV § 1
Tatbestand
Der Bf. ist Lichtbildmeister und Inhaber eines Ateliers für Mode- und Werbefotografie. Zur Erledigung von Aufträgen auf Herstellung von Werbefotos, die ihm von Firmen, vor allem aus der Textilbranche, erteilt werden, bedient sich der Bf. zahlreicher Fotomodelle, die in der Regel für ein bis drei Tage, bei Auslandsaufnahmen bis zu zehn Tagen, unter Umständen aber auch nur für einzelne Aufnahmen vom Bf. verpflichtet werden. Das Honorar wird jeweils vereinbart. Auf die in den Jahren 1954 bis 1957 gezahlten Honorare hat der Bf. Lohnsteuer nicht einbehalten.
Wegen der lohnsteuerlichen Behandlung der an die Fotomodelle geleisteten Zahlungen hatte sich der Bf. im Wege der Lohnanrufungsauskunft an das Finanzamt gewandt und hierbei geltend gemacht, daß seiner Ansicht nach die Honorare nicht der Lohnsteuerpflicht unterlägen. Die verpflichteten Personen unterschieden sich in drei Gruppen, nämlich
solche, die sich nur gelegentlich als Modelle zur Verfügung stellten, z. B. Verkäuferinnen, Studenten, Kinder;
deutsche Berufsfotomodelle und Mannequins;
ausländische Berufsfotomodelle. Alle diese Personen seien aber nicht Arbeitnehmer.
Das Finanzamt und die Oberfinanzdirektion vertraten demgegenüber die Auffassung, die Berufsfotomodelle, also die Gruppen b) und c), seien Arbeitnehmer. Das Finanzamt forderte deshalb für an Fotomodelle der Gruppen b) und c) gezahlte Honorare sowie für Zahlungen des Bf. anläßlich eines Betriebsausfluges 11.449,82 DM an Lohnsteuer nach.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht betrachtete die beschäftigten Berufsfotomodelle ebenfalls als Arbeitnehmer des Bf.; denn sie stellten diesem ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Der Begriff "Arbeitskraft" im Sinne von § 1 Abs. 3 LStDV sei weit auszulegen und umfasse auch die überlassung des Rechts am eigenen Bild. Das Bild entstehe im übrigen erst gemäß den Anweisungen des Bf. die Modelle seien nach Abschluß des Vertrages mit dem Bf. nicht mehr frei, sondern weisungsgebunden. Auf die Dauer des Vertragsverhältnisses und auf die Frage, ob die Vertragspartner ein Arbeitsverhältnis gewollt hätten, komme es ebensowenig an wie auf die Sozialversicherungspflicht. Die Berufsfotomodelle trügen im übrigen auch kein Unternehmerrisiko.
Mit der Rb. wird geltend gemacht, die Berufsfotomodelle seien selbständig und übten eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aus. Das Finanzgericht habe auch nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, die in der Stellungnahme des "Centralverbandes des Deutschen Fotografenhandwerks" vom 7. Dezember 1956 zum Ausdruck gekommene Verkehrsauffassung berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zur Frage, wer Arbeitnehmer im Sinne des Einkommensteuerrechts ist, hat der Senat in dem Urteil VI 183/59 S vom 24. November 1961 (BStBl 1962 III S. 37) grundsätzlich Stellung genommen. Danach ist Arbeitnehmer, wer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, d. h. unter der Leitung des Arbeitgebers tätig wird oder in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und den Weisungen des Arbeitgebers folgen muß. Ist zweifelhaft, ob jemand, der für einen anderen tätig wird, in dessen Betrieb eingegliedert ist und als unselbständiges Glied dieses Betriebs den Weisungen des Unternehmers folgen muß, so ist, weil oft gleichzeitig bestimmte Merkmale für die Selbständigkeit und die Unselbständigkeit sprechen, das Gesamtbild maßgebend. In solchen Fällen sind also die für und gegen die Unselbständigkeit sprechenden Tatsachen gegeneinander abzuwägen; die jeweils gewichtigeren Umstände sind ausschlaggebend für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit selbständig oder unselbständig ausgeübt wird.
Das Finanzgericht ist zwar auch vom Gesamtbild ausgegangen. Trotzdem kann der Senat seinem Ergebnis nicht beitreten, weil das Finanzgericht der Tatsache nicht ausreichend Rechnung getragen hat, daß die Fotomodelle, um die es geht, "Berufsfotomodelle" sind, d. h. ohne Bindung zu einem bestimmten Auftraggeber von Fall zu Fall für mehrere Auftraggeber tätig werden, ferner daß nach dem Willen der Beteiligten die Fotomodelle bei Abschluß der "Engagements" nicht Arbeitnehmer sein sollen und daß die bei Arbeitsverhältnissen normalerweise eintretenden Folgen, wie die Sozialversicherungspflicht, der Urlaubsanspruch usw., hier nicht vorliegen. Vor allem ist hier entscheidend, daß, wie der Bf. zutreffend hervorhebt, die Fotomodelle nicht nur bei den Aufnahmen mitwirken, sondern auch dem Fotografen das Recht am eigenen Bild überlassen. Hierzu bedarf es keiner Eingliederung im Betrieb des Fotografen. Diesem Gesichtspunkt trägt auch die Finanzverwaltung Rechnung, indem sie kurzfristig beschäftigte Fotomodelle als selbständig ansieht (vgl. z. B. Lohnsteuerkartei der Oberfinanzdirektionen München-Nürnberg, § 1 Kart. 14). Die Mitwirkung des Fotomodells bei der Herstellung von Werbefotos setzt nicht unbedingt die Eingliederung in den Betrieb des Fotografen voraus. Daß ein Beauftragter zur Erledigung eines Auftrags den Weisungen des Auftraggebers zu folgen hat, führt nicht ohne weiteres zur Eingliederung in das geschäftliche Unternehmen des Auftraggebers. Es kann auch der Vorentscheidung nicht darin zugestimmt werden, daß hier die Dauer der Beschäftigung keine Bedeutung habe. Ist eine Person in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert, so kann zwar auch eine kurzfristige und nur vorübergehende Tätigkeit ein Arbeitsverhältnis begründen. In Grenzfällen darf aber das Zeitmoment nicht außer acht gelassen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 106/54 U vom 3. November 1955, BStBl 1956 III S. 110, Slg. Bd. 62 S. 296; IV 197/50 U vom 16. März 1951, BStBl 1951 III S. 97, Slg. Bd. 55 S. 255).
Geht man hiervon aus, so spricht die Tatsache, daß der Bf. die Fotomodelle seinem Bedarf und ihrem Angebot entsprechend nur vorübergehend von Fall zu Fall für eine kurze Zeit heranzog, gegen eine Eingliederung in seinen Betrieb. Das Finanzgericht hat dem Willen der Beteiligten keine Bedeutung beigemessen. Das ist richtig, wenn Wille und tatsächliche Gestaltung einander nicht entsprechen. In Grenzfällen, wie dem vorliegenden, kann aber der Wille der Vertragsparteien nicht außer acht gelassen werden (Hartz-Over, Lohnsteuerrecht, Stichwort "Arbeitnehmer", Ziff. 2). Der Bf. und die von ihm beschäftigten Fotomodelle haben eine Eingliederung in den Betrieb des Bf. ernsthaft nicht gewollt. Dann kann, weil dem auch die tatsächliche Gestaltung entspricht, nicht angenommen werden, daß die Fotomodelle doch in den Betrieb des Bf. eingegliedert worden seien und damit ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei.
Das angefochtene Urteil war danach wegen unrichtiger Anwendung des § 19 EStG (ß 1 LStDV) aufzuheben. Die Sache wird zur Feststellung der nunmehr sich ergebenden Haftsumme an das Finanzamt zurückverwiesen, das hierüber unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze im Einspruchsverfahren zu entscheiden hat.
Der Streitfall betrifft nur die Inanspruchnahme des Bf. auf Lohnsteuer, die aber entfällt, weil die Fotomodelle selbständig tätig waren. Ob sie indessen gewerblich oder, wie der Bf. meint, freiberuflich tätig waren war hier nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 410294 |
BStBl III 1962, 183 |
BFHE 1962, 487 |
BFHE 74, 487 |