Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der mitsteigernde Gläubiger Vorkehrungen getroffen hat, die sich auf die künftige Nutzung oder Veräußerung des Grundstücks richten. Solche Vorkehrungen sind unschädlich, wenn die mit diesen verfolgten Zielen nicht die überhand gewinnen, sondern sich dem Hauptzweck, den Wert des Grundpfandrechts zu retten, unterordnen.
Erwirbt ein Grundpfandgläubiger, dessen Grundpfandrecht nur auf einem Miteigentumsanteil lastet, in der Zwangsversteigerung das ganze Grundstück, so kommt nur eine anteilmäßige Steuervergünstigung in Betracht.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger hat in der Zwangsversteigerung ein Grundstück erworben, das den Eheleuten B je zur unabgeteilten Hälfte gehört hatte. Die Zwangsversteigerung wurde aus der beide Anteile belastenden ersten Hypothek betrieben. Dem Kläger standen Grundpfandrechte zu, die allein den Miteigentumsanteil des Mannes belasteten. Finanzamt (FA) und Finanzgericht (FG) haben dem Kläger Grunderwerbsteuerfreiheit gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG versagt, weil er sich der Miteigentümerin gegenüber verpflichtet hatte, auf das Grundstück zu steigern und es ihr auf Verlangen innerhalb von drei Jahren gegen Erfüllung seiner Forderungen und Erstattung seiner Auslagen herauszugeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision (ehemals Rb.) des Klägers ist begründet. Das FG hat einen Rettungserwerb (§ 9 Abs. 1 GrEStG) allein schon deshalb verneint, weil sich der Kläger vor dem Versteigerungstermin vertraglich verpflichtet hatte, "das zu versteigernde Grundstück im Interesse der Ehefrau B im eigenen Namen zu ersteigern, um es dann später auf ihr Verlangen ihr oder einem von ihr beigebrachten Interessenten zu überlassen". Diese Feststellung schließt eine Rettungsabsicht (§ 9 Abs. 1 GrEStG) nicht schlechthin aus. Zwar soll § 9 Abs. 1 GrEStG den Grundpfandgläubiger schützen, der steigert, um andere Personen zu höheren Geboten zu veranlassen (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., 1965, § 9 Tz. 29) und dadurch den Wert seines Grundpfandrechts zu retten. Hat der Gläubiger damit Erfolg und überbietet ihn ein anderer, so unterliegt aber sein Gebot ohnehin nicht der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG, § 72 Abs. 1 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -) und bedarf daher nicht der Befreiung nach § 9 Abs. 1 GrEStG. Diese Vergünstigung trifft also den Fall, daß der Gläubiger gezwungen ist, sich für sein durch andere nicht ausgebotenes Grundpfandrecht in dem Grundstück selbst einen Ersatz zu verschaffen (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 9 Tz. 29 f.). Folglich kann die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG nicht schon deshalb ausscheiden, weil der mitsteigernde Gläubiger Vorkehrungen getroffen hat, daß er im Falle des Zuschlags den Wert seiner gemäß § 91 Abs. 1 ZVG erlöschenden Grundpfandrechte realisieren kann. Derartige Vorkehrungen, die sich auf die künftige Nutzung oder Veräußerung des Grundstücks richten, sind unschädlich, wenn die mit diesen verfolgten Ziele nicht die überhand gewinnen, sondern sich dem Hauptzweck, den Wert des Grundpfandrechts zu retten, unterordnen (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 9 Tz. 32). Entgegen der Ansicht des FG fordert § 9 Abs. 1 GrEStG nicht, daß der Steuerpflichtige das Grundstück "ausschließlich zur Rettung der eigenen Grundpfandrechte" erwirbt; Nebenzwecke schaden um so weniger, wenn sie vom Steuerpflichtigen aus gesehen nur zusätzliche Mittel zur Rettung der Grundpfandrechte sind.
Selbst die vertragliche Verpflichtung eines Grundpfandgläubigers, auf das Grundstück auch im Interesse eines anderen zu steigern, ist nicht unbedingt schädlich. Regelmäßig mag eine solche Verpflichtung allerdings bedeuten, daß damit das Erwerbsinteresse in den Vordergrund tritt. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger aber behauptet, die Vereinbarungen mit der Miteigentümerin nur geschlossen zu haben, um überhaupt seine an siebenter Stelle stehende Zwangshypothek ausbieten und damit retten zu können. Nähere Feststellungen hierüber fehlen. Insbesondere ist der Inhalt des Vertrags vom 3. Februar 1958, in dem sich der Kläger zur Abgabe von Geboten verpflichtet hatte, nicht ermittelt. Aus dem Vertrag vom 27. Mai 1958 ergibt sich eine solche Verpflichtung nicht, wohl aber, daß die Miteigentümerin B für den Fall, daß der Kläger den Zuschlag erhält, auf "Zahlung des auf sie entfallenden Anteils am Erlös" verzichtet, der Kläger aber sich verpflichtet, das Grundstück an Frau B jederzeit innerhalb von drei Jahren abzugeben "gegen sofortige Erstattung aller ... Aufwendungen ... und Kosten sowie gegen Zahlung seiner ... Forderung" und künftiger Forderungen. Hält man dazu die mangels gegenteiliger Feststellungen des FG für diesen Rechtszug maßgebende Behauptung des Klägers aus dem Einspruchs- und Berufungsverfahren, er habe diese Vereinbarung nur geschlossen, um sein "Pfandrecht noch retten zu können", so ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß sich der Kläger aus dem Grundstück selbst, zumal wenn er das volle Bargebot hätte entrichten müssen (§ 49 Abs. 1 ZVG), keinen Gewinn versprach, und daß er die Vereinbarung mit Frau B, obschon sie auch in deren Interesse lag, in erster Linie deshalb schloß, um seine Grundpfandrechte zu retten.
Dem kann freilich entgegenstehen, daß der Kläger noch im Vertrag vom 27. Mai 1958 seine Absicht erklärte, das Grundstück zu erstehen, und daß er zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt während des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens eine seiner Zwangshypothek vorgehende Hypothek erwarb. Auch bleibt aufzuklären, weshalb der Kläger im Versteigerungstermin entweder auf das durch § 63 Abs. 1 ZVG vorgeschriebene Einzelausgebot der Miteigentumsanteile verzichtete (§ 63 Abs. 5 ZVG) oder es unterließ, seine Grundpfandrechte durch Gebote auf den Miteigentumsanteil zu retten (§ 63 Abs. 4 ZVG). Denn auch im Zwangsversteigerungsverfahren waren die Miteigentumshälften als selbständige Grundstücke zu behandeln (vgl. Wilhelmi-Vogel-Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, 6. Aufl., 1965, § 1 Anm. 101 "Grundstücksbruchteile" S. 51 ff.; vgl. § 15 Anm. 9 S. 270, § 18 Anm. 6 S. 286, § 63 Anm. 4 und 5 S. 533 f., § 112 Anm. 2 S. 740; ferner Steiner-Riedel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 7. Aufl., 1956, Einl. III 2 S. 61 f., § 18 Anm. 1 S. 204, § 63 Anm. 2 S. 412); die das Grundstück insgesamt belastenden Grundpfandrechte sind in Ansehung der Miteigentumsanteile Gesamthypotheken (Urteil des Reichsgerichts vom 25. Januar 1935, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 146 S. 363). Hätte der Kläger nur die durch seine Pfandrechte belastete Miteigentumshälfte erwerben wollen, so hätte es der Abrede mit Frau B nicht bedurft; andererseits schließt ein etwaiger Rechtsirrtum die Rettungsabsicht nicht aus.
Demzufolge war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Sollten danach hinsichtlich des Miteigentumsanteils des Ehemanns B die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GrEStG vorliegen, so wäre gleichwohl die hälftige Grunderwerbsteuer zu erheben (Urteil des BFH II 90/53 U vom 12. August 1953, BStBl 1953 III S. 271, Slg. Bd. 57 S. 711). Denn mit der zuvor der Frau B gehörenden ideellen Hälfte hat der Kläger ein Grundstück erworben, an dem ihm kein Pfandrecht zustand. Entgegen seiner Ansicht war er dazu auch nicht genötigt, um seine Grundpfandrechte zu retten; er hätte, wie bereits dargelegt worden ist, seine Grundpfandrechte im Einzelausgebot abdecken können (§ 63 Abs. 4 ZVG, vgl. auch § 64 Abs. 1 ZVG). Das wäre zwar für den Kläger wirtschaftlich weniger günstig gewesen; dieser Nachteil ist aber die unvermeidliche Folge dessen, daß der Kläger hinter vorrangigen Gesamtrechten nur Pfandrechte an einem Miteigentumsanteil besaß.
Fundstellen
Haufe-Index 412135 |
BStBl III 1966, 549 |
BFHE 1966, 517 |
BFHE 86, 517 |