Leitsatz (amtlich)
Das im Wege steuerbegünstigter Umwandlung einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft von einer Personengesellschaft übernommene Vermögen behält die Rechtsnatur als Betriebsvermögen jedenfalls auch dann, wenn die Personengesellschaft ihre eigene gewerbliche Betätigung nicht mehr ausübt, dem FA aber erklärt, daß sie den (Gesamt-) Betrieb nicht aufgebe und bei sich bietender Gelegenheit eine gewerbliche Tätigkeit wieder aufnehmen wolle.
Normenkette
EStG 1969 § 2 Abs. 3 Nrn. 2, 6, § 15 Nr. 1, § 21; UmwStG 1957 § 11; GewStDV § 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine im Handelsregister eingetragene OHG - war durch Umwandlung mit Wirkung zum 1. Juli 1959 Rechtsnachfolgerin zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung geworden. Gegenstand ihres Geschäftsbetriebes war gemäß § 1 des Gesellschaftsvertrages die Fortführung der Geschäfte der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nämlich die Grundstücksverwaltung und der Betrieb einer Großgarage und einer damit verbundenen Tankstelle, der Reifenhandel sowie die Ausführung aller mit der Pflege und dem Warten von Kraftfahrzeugen zusammenhängenden Arbeiten. Der Bevollmächtigte der Klägerin bestätigte auf eine Anfrage des Beklagten und Revisionsklägers (FA) im Jahre 1960, daß die neuerrichtete Gesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalte und daß sie deshalb die Voraussetzungen des § 11 des Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 11. Oktober 1957 - UmwStG 1957 - (BGBl I 1957, 1713, BStBl I 1957, 468) erfülle. Das FA sah daraufhin von einer Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Umwandlung ab und stellte in den folgenden Jahren gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 2 AO Gewinne aus Gewerbebetrieb fest.
Zusammen mit den Steuererklärungen für 1961 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dem FA mit, daß diese sich ab 1. Januar 1962 nur noch mit der Verwaltung ihres Grundvermögens beschäftige; den neben ihrer weiteren Tätigkeit unbedeutenden Reifenhandel habe sie aufgegeben, die Großgarage sei verpachtet; sie wolle den Gewerbebetrieb bei Gelegenheit wieder aufnehmen. Er war der Ansicht, daß die Klägerin nur noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehe und beantragte u. a. , die Gewerbesteuervorauszahlungen auf 0 DM herabzusetzen. Das FA entsprach diesem Antrag und überwies anschließend die Steuerakten zuständigkeitshalber an das FA B, in dessen Bezirk die vermieteten und verpachteten Grundstücke belegen sind. Dieses überwies - nachdem inzwischen durch Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S (BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) die bisherige Rechtsprechung zum ruhenden Gewerbebetrieb aufgegeben worden war und die Klägerin erklärt hatte, daß sie den Gewerbebetrieb nicht aufgeben wolle - die Akten wieder an das beklagte FA zurück. Daraufhin wurden auch in den Folgejahren bis einschließlich 1967 die von der Klägerin erzielten Miet- und Pachtentgelte als Gewinne aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt.
Im Jahre 1969 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer kam dabei zu dem Ergebnis, daß weder die Klägerin noch ihre Rechtsvorgängerinnen jemals selbst eine Tankstelle betrieben hätten. Diese sei seit jeher lediglich verpachtet gewesen. Die Klägerin habe daher auch nie eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Die Klägerin schloß sich dieser Ansicht an und erklärte für das Jahr 1968 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Auch das FA stellte nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest und überwies die Steuerakten erneut an das FA B. Nach dem Vortrag der Klägerin unterblieb eine Berichtigung des Feststellungsbescheides 1959, weil das FA in einer gemeinsamen Unterredung die Ansicht vertreten habe, daß die in diesem Jahr vorgenommene Umwandlung zwar nicht steuerbegünstigt gewesen sei, daß eine Versteuerung der stillen Reserven jedoch wegen Verjährung nicht mehr in Betracht komme; allein diese rechtliche Beurteilung habe sie auch veranlaßt, für das Jahr 1968 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erklären.
Das FA B berichtigte nach erneuter sachlicher Prüfung den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1961 gemäß § 222 AO, weil die Klägerin in diesem Jahr nach ihrer eigenen Erklärung einen Gewerbebetrieb aufgegeben habe (Betriebsaufgabegewinn: 2 575 700 DM). Es hob diesen Bescheid jedoch auf den Einspruch der Klägerin hin wieder auf. Es vertrat nunmehr die Auffassung, die Klägerin müsse sich weiterhin als Gewerbebetrieb behandeln lassen. Die Steuerakten gab es erneut an das beklagte FA ab. Dieses schloß sich bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Streitjahr 1969 der vom FA B vertretenen Rechtsauffassung an. Die Klägerin hatte im Jahr 1969 insgesamt 148 Wohneinheiten, 6 Läden, 86 Garagen und eine Tankstelle vermietet.
Das FG gab der Sprungklage statt. Es führte im wesentlichen das Folgende aus. Das FA sei zur Feststellung der von der Klägerin im Streitjahr erzielten Einkünfte örtlich nicht zuständig gewesen. Es handle sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Urteil des Großen Senats GrS 1/63 S stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Klägerin habe weder einen Gewerbebetrieb geführt noch beziehe sich die Verpachtung der Tankstelle auf eine wesentliche Grundlage ihres Tätigkeitsbereiches. Das Begehren der Klägerin verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Es stehe insbesondere nicht mit ihrer früheren Darstellung in Widerspruch, sie übe eine gewerbliche Tätigkeit aus; von dieser Beurteilung habe sie nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Umwandlung ausgehen dürfen. Vielmehr verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn das FA von seiner im Jahre 1968 vertretenen Auffassung abweiche, die Klägerin habe nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern. Das FA habe zu dieser Zeit alle einschlägigen Tatsachen und bedeutsamen Umstände gekannt; es müsse sich deshalb an der einmal getroffenen Entscheidung iesthalten lassen. Auf die Frage, ob eine verbindliche Zusage über die künftige steuerrechtliche Behandlung der Miet- und Pachtentgelte erteilt worden sei, komme es deshalb nicht mehr an.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (Grundsatz von Treu und Glauben). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Das FA war als Betriebs-FA zum Erlaß des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides zuständig (§ 72 Nr. 2 AO). Die Klägerin bezog, wie im folgenden dargelegt, im Streitjahr, entgegen der Ansicht des FG, nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Denn sie unterhielt zwar nicht nach der Art ihrer Tätigkeit (§ 1 GewStDV), wohl aber als Rechtsnachfolgerin der beiden umgewandelten Kapitalgesellschaften einen Gewerbebetrieb im einkommensteuerrechtlichen Sinn.
2. Miet- und Pachtentgelte gehören in der Regel zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Art und Vielzahl der Objekte und der damit verbundene Umfang der Vermietungstätigkeit stehen dieser Beurteilung grundsätzlich nicht entgegen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. Januar 1961 I 53/60 S, BFHE 72, 637, BStBl III 1961, 233; zuletzt vom 18. Februar 1976 I R 116/75, BFHE 118, 559, BStBl II 1976, 480). Eine Personengesellschaft, die nur Vermögensverwaltung betreibt oder ihren Gewerbebetrieb verpachtet hat, übt auch nicht bereits deshalb einen Gewerbebetrieb aus, weil sie als Handelsgesellschaft im Handelsregister eingetragen ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. November 1962 I 238/61 U, BFHE 76, 159, BStBl III 1963, 58; I R 116/75; vgl. auch Urteil vom 8. Dezember 1972 III R 36/72, BFHE 108, 383, BStBl II 1973, 357). Die Sache liegt jedoch anders, wenn die Personengesellschaft neben der Vermögensverwaltung eine gewerbliche Tätigkeit i. S. der Vorschrift des § 1 GewStDV ausübt, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieser zusätzlichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringe wirtschaftliche Bedeutung zukommt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).
Im Streitfall hat die Klägerin ursprünglich eine solche gewerbliche Betätigung zwar nicht in Gestalt der Verpachtung der Tankstelle ausgeübt, wohl aber durch den Reifenhandel. Dieser gehörte zu dem im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Unternehmensgegenständen und wurde, wie das FG festgestellt hat, einer Mitteilung der Klägerin an das FA zufolge, erst im Jahr 1961 aufgegeben. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Reifenhandel tatsächlich nicht ausgeübt worden sei. Wenn die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung nachträglich geltend macht, ein Reifenhandel habe nicht bestanden, so kann dieses Vorbringen im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Eine Rüge (Gegenrüge) mangelnder Sachaufklärung des FG hat die Klägerin nicht erhoben.
Das FG hat dem Reifenhandel, von dessen Bestehen es ausging, offenbar deshalb keine rechtliche Bedeutung beigemessen, weil es - so ausdrücklich die Begründung der Vorentscheidung hinsichtlich der Tankstellenverpachtung - annahm, die gewerbliche Betätigung müsse sich auf die wesentlichen Grundlagen des Betriebs beziehen. Dies ist indes rechtsirrig, weil es auf den Umfang einer solchen Betätigung einer Personengesellschaft, wie bemerkt, nicht ankommt.
Die Klägerin war somit von Anfang an in vollem Umfang auch hinsichtlich der Vermögensverwaltung gewerblich tätig. Davon ging im übrigen die Klägerin selbst aus, da sie bis zur Mitteilung über die Aufgabe des Reifenhandels im Jahr 1961 nach eigenem Vortrag ihre Gewerbesteuerpflicht anerkannt hat. Zur Annahme einer gewerblichen Betätigung der Klägerin bedarf es deshalb nicht der Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Sache liegt insofern anders als im Fall des BFH-Urteils vom 28. Mai 1968 IV R 109/67 (BFHE 92, 486, BStBl II 1968, 648).
3. Unzutreffend ist deshalb die Auffassung der Vorinstanz, welche der von der Klägerin später vertretenen Ansicht entspricht, die beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung hätten mangels Vorliegens eines Gewerbebetriebs der Klägerin nicht steuerbegünstigt auf diese umgewandelt werden können. Die Voraussetzung der steuerbegünstigten Umwandlung (§ 11 UmwStG 1957), daß die Wirtschaftsgüter des Vermögens der umgewandelten Kapitalgesellschaften in das inländische Betriebsvermögen der Personengesellschaft übernommen wurden, war erfüllt, da die Wirtschaftsgüter im Unternehmen der Klägerin weiterhin Betriebsvermögen geblieben sind. Die Klägerin konnte daher das Vermögen ihrer Rechtsvorgängerinnen zu Buchwerten übernehmen (§ 4 Abs. 1 UmwStG 1957).
4. Die Klägerin hat - entgegen der Vorentscheidung - von Anfang an Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen und darin trat zu keinem späteren Zeitpunkt eine Änderung ein, da eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) nicht stattgefunden hat. Der Senat kann dahingestellt lassen, in welcher Weise in einem Fall der vorliegenden Art eine Betriebsaufgabe vor sich zu gehen hätte. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Betriebsverpachtung (BFH-Urteil GrS 1/63 S) treffen auf solche Fälle unmittelbar nicht zu, weil es sich hier nicht um die Verpachtung eines Betriebs, sondern um die Vermietung einer Vielzahl von Einzelobjekten handelte. Eine Betriebsaufgabe lag jedenfalls in der Einstellung des Reifenhandels im Jahr 1961 schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin aus diesem Anlaß dem FA gegenüber ausdrücklich erklärte, den Betrieb nicht aufgeben und bei nächster sich bietender Gelegenheit eine gewerbliche Betätigung wieder aufnehmen zu wollen. Auch in den Folgejahren hat die Klägerin wiederholt dem FA gegenüber betont, daß sie eine Betriebsaufgabe nicht beabsichtige.
5. Aus alledem ergibt sich, daß die Klägerin auch im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen hat und daß somit der Erlaß des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids gerechtfertigt war. Gegen den Inhalt des Bescheids selbst hat die Klägerin keine rechtlichen Bedenken erhoben. Ein Anlaß dafür, die Richtigkeit des Bescheids in Zweifel zu ziehen, besteht nicht.
Unerheblich ist, daß das FA für das Vorjahr (1968) den - unzutreffenden - Standpunkt eingenommen hatte, die Klägerin habe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 2 Abs. 1 EStG) bewirkt die Beurteilung der Steuerpflicht in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Insbesondere rechtfertigt die Tatsache, daß ein Steuerpflichtiger in einem der Vorjahre in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Betriebsprüfers nicht mit Einkünften aus Gewerbebetrieb veranlagt worden ist, nicht, daß das FA bei künftigen Veranlagungen ebenso verfahren müßte (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1966 V 181/63, BFHE 87, 469, BStBl III 1967, 212, mit weiteren Nachweisen).
Unerheblich ist schließlich für die Entscheidung des Streitfalls, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, ihr sei im Anschluß an die Betriebsprüfung zugesichert worden, daß sich für sie keine Nachteile aus der Beurteilung ihrer Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung ergäben, weil inzwischen die Verjährung des Anspruchs auf die Versteuerung der stillen Reserven eingetreten sei. Eine solche Erklärung des FA - falls sie in dieser Weise abgegeben wurde - hat sich jedenfalls nicht im Streitjahr ausgewirkt. Ein besonderer Vertrauenstatbestand (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Anm. 44 b zu § 2 AO) liegt auch nicht deshalb vor, weil die Klägerin, wie sie vorträgt, im Folgejahr (1970) ein Grundstück mit Gewinn veräußert hat. Die steuerrechtliche Auswirkung dieser Maßnahme ist erst bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1970 zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 72394 |
BStBl II 1977, 660 |
BFHE 1978, 296 |