Leitsatz (amtlich)
Erhält ein Darlehnsgeber als Abfindung für sein Recht, statt der Rückzahlung seines Darlehens in Geld eine bestimmte Menge Gitterziegel zu verlangen, eine über dem Nennwert seines Darlehens liegende Gutschrift, so unterliegt der Mehrbetrag als Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2, § 11 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gutgeschriebene Abfindung für das Recht, statt der Rückzahlung eines Darlehens in Geld die Lieferung einer bestimmten Menge Gitterziegel zu verlangen, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1963 den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen ist.
Die Klägerin erhielt von ihrem Vater mit notariellem Vertrag vom 19. März 1956 einen Geldbetrag von 50 000 DM geschenkt. Die Schenkung wurde durch Abbuchung des Betrages vom Kapitalkonto des Vaters bei der OHG C. vollzogen. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß der geschenkte Betrag der OHG als Darlehen zur Verfügung stehen sollte. Das Darlehen war mit 5 % zu verzinsen und bis zum 31. Januar 1961 unkündbar. Für den Fall einer Kündigung - gleich durch welche Vertragspartei - sollte die Darlehensgeberin berechtigt sein, statt der Rückzahlung des Darlehens in bar entsprechende Lieferungen von Erzeugnissen der Maschinenziegelei zu verlangen, und zwar für den gesamten Darlehnsbetrag von 50 000 DM entweder 450 000 kleine Gittersteine 1,6 erste Wahl oder 700 000 normale Gittersteine erste Wahl oder eine wertentsprechende Anzahl anderer Erzeugnisse des Betriebs nach Wahl der Darlehnsgeberin. Soweit die Darlehen teilweise bereits zurückgezahlt waren, war die Darlehnsgeberin berechtigt, entsprechend dem Anteil der noch offenen Darlehensforderung prozentual Lieferung der vorstehend aufgeführten Erzeugnisse des Betriebes zu fordern.
Durch schriftlichen Vertrag vom 28. Oktober 1963 erklärte sich die Klägerin mit der Ablösung dieser Vertragsbestimmung gegen Gutschrift der Differenz zwischen den Großhandelspreisen für Gitterziegel am 19. März 1956 und 28. Oktober 1963 - insgesamt 14 900 DM - einverstanden. Dieser Betrag wurde der OHG ebenfalls als Darlehen überlassen.
Aufgrund dieses - durch eine Betriebsprüfung bei der OHG bekanntgewordenen - Sachverhalts berichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den Einkommensteuerbescheid 1963 und erhöhte die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 14 900 DM.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte in seiner - in den EFG 1970 S. 169 veröffentlichten - Entscheidung im wesentlichen aus: Zwischen den Parteien sei keine Wahlschuld, sondern eine Ersetzungsbefugnis vereinbart worden. In einem solchen Falle gehörten die bei Rückzahlung des Darlehens über den Nennbetrag hinaus entrichteten Mehrbeträge zu den sonstigen Vorteilen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Sie rügen Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der der Klägerin gutgeschriebene Abfindungsbetrag ist als besonderes Entgelt für das der OHG gewährte Darlehen den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 und § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
Zu diesen gehören - neben den Zinsen - auch solche Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Nutzung des darlehensweise hingegebenen Kapitals anzusehen sind. Darunter fallen z. B. Darlehnsaufgelder oder Kurswertgarantien (Urteil des RFH vom 16. Mai 1933 VI A 939/32, RStBl 1933, 1005), aber auch Zahlungen, die als Ausgleich für die Verminderung des realen Werts eines Gelddarlehens aufgrund einer Wertsicherungsklausel geleistet werden (vgl. Urteil des BFH vom 4. August 1961 VI 208/60 U, BFHE 73, 558, BStBl III 1961, 468, das einen über den Nennbetrag der Einlage eines stillen Gesellschafters hinausgehenden Mehrbetrag betraf; Urteil des FG des Saarlandes vom 30. April 1963 I 62-63/62, EFG 1963 S. 561; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 20 EStG Anm. 54b "Wertsicherungsklausel"; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl. 1972, Tz. 50a zu § 20 EStG). Solche Zahlungen unterscheiden sich im Ergebnis von einem - aufschiebend bedingten - Aufgeld nicht. Die Berücksichtigung des wegen der schwindenden Kaufkraft des Geldes über dem Nennbetrag der Darlehensschuld liegenden Rückzahlungsbetrages als Teil der Kapitalrückzahlung ist - jedenfalls im Streitjahr - nach dem sowohl für das Zivilrecht als auch für das Steuerrecht verbindlichen Grundsatz Mark gleich Mark (dazu BFH-Urteil vom 27. Juli 1967 IV 300/64, BFHE 89, 422, BStBl III 1967, 690, und Beschluß des BVerfG vom 21. Januar 1969 1 BvR 346, 598/68, HFR 1969 S. 347) unzulässig. Danach hat der Gläubiger eines Gelddarlehens bereits mit Rückzahlung des Nennwerts des Darlehens Sachen gleicher Art, Güte und Menge emfpangen, wie er sie hingegeben hat (§ 607 Abs. 1 BGB).
An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß die Klägerin - sei es über eine Wahlschuld oder eine Ersetzungsbefugnis - Gläubigerin einer Sachschuld (vgl. Urteil des BGH vom 30. Mai 1962 V ZR 172/60, NJW 1962 S. 1568, mit weiteren Nachweisen; Esser, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1970, S. 121 Fußnote 5) werden konnte. Auf diese bürgerlich-rechtliche Beurteilung kommt es - entgegen der Ansicht des FG - nicht an. Solange die Klägerin die zur Ausübung ihrer Rechte notwendigen Willenserklärungen nicht abgegeben hat (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 16. Juli 1964 IV 377/62 U, BFHE 80, 410, BStBl III 1964, 622, und vom 10. März 1972 VI R 278/68, BFHE 105, 348, BStBl II 1972, 596), blieb es bei der geschuldeten Geldleistungsverpflichtung.
Fundstellen
Haufe-Index 71044 |
BStBl II 1974, 735 |
BFHE 1975, 207 |