Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf die Berücksichtigung von Werbungskosten gemäß § 9 Nr. 4 EStG 1963 für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug steht einem Arbeitnehmer bei der Deutschen Bundesbahn auch dann zu, wenn er solche Fahrten kostenfrei mit den Zügen oder Bussen der Bundesbahn durchführen kann.
2. Zur steuerlichen Behandlung von Freifahrkarten.
Normenkette
EStG 1961 §§ 8, 9 Nr. 4, § 12 Nr. 1 S. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStDV 1962 § 3 Abs. 1; LStR 1963 Abschn. 25 Abs. 4 S. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige und seine am Verfahren beteiligte, für das Jahr 1964 zur Einkommensteuer mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau haben ihre Wohnung im eigenen Haus in A; sie sind beide als Bundesbahnbedienstete in B tätig. Für die Bahnstrecke von A nach B (Entfernung 37 km) haben sie beide von der Bundesbahn eine kostenlose Fahrkarte (Wohndienst-Fahrkarte) erhalten, die ihnen nach den Dienstvorschriften der Bundesbahn zusteht.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1964 begehrte der Steuerpflichtige die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen PKW an 185 Tagen in Höhe von 3 422 DM als Werbungskosten. Das FA erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an: Es sei zweifelhaft, ob die Eheleute überhaupt in dem behaupteten Umfang mit dem Auto zum Dienst gefahren seien. Es sei zu vermuten, daß sie zeitweise bei den Eltern der Frau in B gewohnt hätten. Im Hinblick auf die guten Zugverbindungen und die gewährten Freifahrkarten hätten die Kosten für die Autofahrten auch nicht mehr zur Erhaltung und Sicherung der Arbeitseinkünfte gedient, sondern müßten zum Bereich der privaten Lebenshaltung gerechnet werden. Bei einer anderen Beurteilung müsse aber der Wert der Freifahrkarten als zusätzlicher Sachlohn versteuert werden.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Auf Grund seiner Beweiserhebung kam das FG in seinem in EFG 1968 300 veröffentlichten Urteil II 370/66 vom 12. Dezember 1967 zu der Feststellung, daß der Steuerpflichtige nur von Juni bis Dezember und damit nur an 123 Tagen mit dem Wagen zum Dienst gefahren sei. Dementsprechend erkannte das FG die Aufwendungen für 123 Fahrten als Werbungskosten an und zwar in Höhe von 2 275 DM. Die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien grundsätzlich Werbungskosten. Eine Beschränkung auf die notwendigen Aufwendungen sei seit dem EStG 1955 fallen gelassen; nach der späteren Fassung des § 9 Nr. 4 EStG seien vielmehr ausdrücklich auch die Aufwendungen für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs zu berücksichtigen. Die Frage, wann der Aufwand für diese Fahrten vorwiegend beruflich oder vorwiegend privat veranlaßt sei, lasse sich nicht zuverlässig beantworten. Deshalb würden die Kosten für Fahrten mit dem Auto auch ohne Rücksicht darauf anerkannt, ob ein billigeres öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stehe oder ob die Benutzung des Kraftwagens vielleicht nur auf der Freude am Autofahren beruhe.
Im Hinblick auf die von der Bundesbahn gewährten Freifahrkarten entschied das FG, daß die Eheleute sie als Sachlohn für die Monate Januar bis Mai, in denen sie nicht in A gewohnt hätten und folglich auch nicht von dort zur Arbeit gefahren seien, versteuern müßten, und zwar mit jeweils monatlich 52 DM, somit insgesamt von jedem Ehegatten mit 260 DM. Zur Begründung führte das FG aus:
Zu den Einkünften gehörten auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewährt würden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Ein solcher Vorteil, der genauso Geldeswert besitze wie freie Wohnung, Deputate und ähnliche Sachbezüge, sei auch die Freifahrkarte. Sie sei nicht lediglich eine Annehmlichkeit wie z. B. der Haustrunk der Brauereiarbeiter. Die Freifahrtberechtigung umfasse nicht nur die Fahrt vom Wohnort zum Dienstort, sondern auch Freifahrten für Angehörige und verbilligte Fahrten und sei insgesamt keineswegs von unbedeutendem Wert. Sie werde deshalb auch allgemein als Sachzuwendung angesehen, allerdings mit Ausnahme der hier in Frage stehenden Wohn-Dienst-Fahrkarte (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl., § 19 Anm. 37; Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 4. Aufl., § 2 Anm. 14, Stichwort Freifahrten; Hartz-Over, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort Freifahrtberechtigung Nr. 3). Der Geldwertvorteil der Freifahrt sei dem Kläger und seiner Frau im Streitjahr zugeflossen (§ 8 Abs. 1 EStG). Einnahmen seien dem Steuerpflichtigen zugeflossen, wenn er wirtschaftlich darüber verfügen könne. Das sei in der Literatur und Rechtsprechung allgemeine Meinung (z. B. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 11 Anm. 2 und 11). Arbeitslohn sei dem Arbeitnehmer im bargeldlosen Verkehr deshalb zugeflossen mit der Gutschrift. Bei einem Landarbeiter, dem nach der Ernte 10 Ztr. Kartoffeln zustünden, würde der Senat bezweifeln, ob diese Berechtigung schon ein Sachlohn sei. Wenn der Landarbeiter die Kartoffeln abhole und einkellere, sei ihm der Sachlohn aber zugeflossen. Ob er sie auch verwerte, sei unerheblich. Entsprechend sei auch der Streitfall zu beurteilen. Die Steuerpflichtigen hätten die Wohn-Dienst-Fahrkarten erhalten; sie wären jederzeit in der Lage gewesen, die Freifahrt in Anspruch zu nehmen. Damit sei ihnen der Sachlohn zugeflossen ohne Rücksicht darauf, wie oft sie gefahren seien, was man im übrigen auch nie feststellen könne, weil die Wohn-Dienst-Fahrkarten weder gelocht noch gestempelt würden.
Die nicht in Geld bestehende Einnahme, die den Steuerpflichtigen zugeflossen sei, müsse nach § 8 Abs. 2 EStG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes angesetzt werden. Es komme also nicht darauf an, was der Arbeitgeber für den Sachbezug habe aufwenden müssen, sondern darauf, was der Arbeitnehmer aufwenden müßte, um sich die Sachzuwendung auf dem freien Markt zu beschaffen. Das sei im Streitfall der Preis einer Arbeitermonatskarte. Sie koste für die Strecke A-B im Streitjahr 52 DM monatlich. Die Bemerkung bei Oeftering-Görbing (Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 2 Anm. 14 Nr. 4), der Wert der Freifahrt richte sich nicht nach dem Preis der Fahrkarte, sondern danach, welchen Wert die Beteiligten der Freifahrt subjektiv beimäßen, möge auf die Pauschversteuerung von Freifahrtberechtigungen zutreffen, die ohne Rücksicht darauf vorgenommen werde, ob und wieviel Freifahrten von den Arbeitnehmern überhaupt beansprucht würden. Das FG sehe aber keinen Grund, eine Freifahrkarte für eine tägliche Fahrt bei einer bestimmten Eisenbahnstrecke anders zu bewerten, als es § 8 Abs. 2 EStG vorschreibe. Der Sachlohn in Gestalt der Wohn-Dienst-Fahrkarte sei von der Bundesbahn bisher auch nicht wie die anderen Freifahrtenberechtigungen der Bundesbahnbeamten pauschal versteuert.
Das FA habe ihn bisher gemäß Abschn. 25 Abs. 4 LStR steuerfrei belassen. Darin seien die FÄ zwar angewiesen, Sachzuwendungen in Form von unentgeltlichen Beförderungen zum Arbeitsplatz oder in Form von Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel zur Fahrt zum Arbeitsplatz oder auf den Ersatz von Kosten für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln lohnsteuerfrei zu lassen; dagegen sollten aber Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Fahrtkosten der Arbeitnehmer, die mit dem eigenen Wagen fahren, als Arbeitslohn versteuert werden (Abschn. 25 Abs. 5 LStR).
Man könne bezweifeln, ob diese Anweisung eine ausreichende Rechtsgrundlage habe, denn derartige Zuwendungen des Arbeitgebers seien kein steuerfreier Auslagenersatz (§§ 3 Nr. 50 EStG, 4 Nr. 4 LStDV). Von Ausnahmen abgesehen, sei es nämlich Sache des Arbeitnehmers, am Arbeitsplatz zu erscheinen, und nicht Pflicht des Arbeitgebers, ihn dahin zu befördern. Der Arbeitnehmer lege das Fahrgeld für die Fahrt zum Arbeitsplatz also nicht für den Arbeitgeber aus (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 19 Anm. 37, FG Düsseldorf IX 38-42/65 L vom 25. Juli 1967 in EFG 1967, 551). Nach dem Schrifttum kämen nur Billigkeitsgründe in Betracht. Es sei deshalb auch kein Zufall, daß es in Abschn. 25 Abs. 4 LStR 1963 nicht heiße: Die unentgeltliche Bereitstellung von Fahrzeugen ... sei steuerfrei ..., sondern sei steuerfrei zu belassen. Ohne gesetzliche Grundlage könne das FG den in Gestalt der Freifahrkarten gewährten Sachlohn nicht steuerfrei lassen. Aus der Tatsache, daß in allen vergleichbaren Fällen auf Grund der Verwaltungsanweisung bisher anders verfahren worden sei, könne der Steuerpflichtige für sich nichts herleiten (Urteil des BFH VI 72/56 U vom 22. November 1957, BFH 66, 111, BStBl III 1958, 44).
Das FG glaube indessen, daß die Vorschriften über die Steuerbefreiung des Auslagenersatzes (§§ 3 Nr. 50 EStG, 4 Nr. 4 LStDV) analog auf die in Abschn. 24 Abs. 4 LStR angesprochenen Sachverhalte angewandt werden könnten und die Anweisung damit eine ausreichende Rechtsgrundlage besitze. Dafür spreche folgende Überlegung: Wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber außer dem normalen Arbeitslohn das Fahrgeld für die Fahrt zur Arbeit bekomme, habe er zwar ein zusätzliches Entgelt erhalten und damit höhere Einnahmen aus seinem Arbeitsverhältnis (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wenn er für dieses Geld die Fahrkarte kaufe, habe er aber Werbungskosten in gleicher Höhe. Es sei deshalb gerechtfertigt, diesen Zu- und Abfluß wie beim Auslagenersatz gar nicht erst zu erfassen, weil er im Ergebnis die Höhe des zu versteuernden Arbeitslohnes nicht verändere. Ferner leuchte ein, daß der Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber die Fahrkarte bekomme, nicht anders behandelt werden könne als der Arbeitnehmer der das Fahrgeld erhalte. Auch er bekomme nur einen zusätzlichen Sachlohn, der ihm Werbungskosten in gleicher Höhe abnehme.
Das FA habe also mit Recht die Eheleute, die beide von ihrem Arbeitgeber Fahrkarten für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeit bekommen hätten, so behandelt, als hätten sie das Fahrgeld erhalten und Fahrkarten dafür gekauft, und diesen Zu- und Abfluß wie Auslagenersatz steuerfrei gelassen. Daran könne sich auch dadurch nichts ändern, daß die Eheleute die Fahrkarten nur gelegentlich benutzt hätten und meist mit dem Auto gefahren seien. Hätten sie sich Eisenbahnmonatskarten gekauft, und wären sie bei schlechtem Wetter mit dem Zuge und bei gutem mit dem Auto gefahren, gehörten sowohl die Ausgaben für die Fahrkarte wie die Ausgaben für die Autofahrt zu den Werbungskosten. Es komme bei den Kosten für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte nicht darauf an, ob der Aufwand vorwiegend beruflich oder vorwiegend privat veranlaßt sei. Nötig sei nur, daß die Kosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden seien. Ob der Arbeitnehmer den wirtschaftlichen Weg gewählt habe oder einen aufwendigeren, sei unerheblich.
Der Sachlohn in Gestalt der Freifahrkarte könne aber wie Auslagenersatz nur für die Zeit steuerfrei bleiben, in der die Fahrkarte für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte hätte benutzt werden können; denn die Analogie setze voraus, daß dem zusätzlichen Arbeitslohn Werbungskosten in gleicher Höhe gegenübergestanden hätten. Das FG habe festgestellt, daß die Eheleute von Januar bis Mai 1964 nicht in A gewohnt hätten und folglich auch nicht von dort zur Arbeit gefahren seien. Unstreitig hätten sie aber auch für diese Monate Wohn-Dienst-Fahrkarten erhalten. Da in diesem Zeitraum dem zugeflossenen Arbeitslohn keine Werbungskosten für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeit gegenübergestanden hätten, könnten die zusätzlichen Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis insoweit auch nicht wie Auslagenersatz steuerfrei bleiben.
Gegen das Urteil des FG legten der Kläger (Steuerpflichtiger) und das FA Revision ein.
Zur Begründung seiner Revision rügt der Steuerpflichtige, daß das FG hinsichtlich der Fahrtkosten für die Monate Januar bis Mai ihm jeglichen Abzug versagt habe. Er könne sich zwar mit der Revision nicht gegen die Feststellung des FG wenden, daß er in diesen Monaten nicht in A gewohnt habe. Das FG hätte dann aber berücksichtigen müssen, daß Fahrten von der Wohnung der Schwiegereltern zur Dienststelle angefallen seien. Die Entfernung betrage drei km. Es hätten also als Werbungskosten weitere 93 DM angesetzt werden müssen. Zu Unrecht habe das FG auch die Wohn-Dienst-Fahrkarten der Besteuerung unterworfen. Es stehe fest, daß er die Karte weder für monatlich 52 DM noch für einen Bruchteil davon gekauft hätte.
Das FA rügt Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe § 12 EStG außer Betracht gelassen, wonach Haushalts-, Unterhalts- und Lebensführungskosten bei keiner Einkunftsart abgezogen werden könnten, und zwar letztere auch dann nicht, wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgten. Es solle zwar nicht bestritten werden, daß die PKW-Kosten im Zusammenhang mit dem Beruf des Klägers und seiner Ehefrau entstanden seien. Die Kosten seien jedoch vorwiegend Lebensführungskosten und darum nicht als Werbungskosten abziehbar. Ein Arbeitnehmer habe seine Dienste an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu erbringen. Zu diesem Zweck habe er sich auf seine eigenen Kosten zum Arbeitsort zu begeben. Diese Wegepflicht sei eine Nebenpflicht, die sich aus dem Arbeits- und Dienstverhältnis ergebe. Sie entfalle oder vermindere sich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine zumutbare und kostenlose Möglichkeit verschaffe, zum Arbeits- und Dienstort zu gelangen. Sie beschränke sich in diesen Fällen darauf, daß der Arbeitnehmer sich zu dem vereinbarten Abholort begebe oder rechtzeitig zur Abholung bereithalte. Mache der Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, sondern begebe er sich statt dessen, wie vorliegend im eigenen PKW zur Arbeitsstätte, so erbringe er damit keine Leistung, die er nach dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis schulde. Erwüchsen ihm hieraus Kosten, so stünden diese nicht mehr in einem adäquat-kausalen Zusammenhang zur geschuldeten Leistung. Das Dienst- oder Arbeitsverhältnis sei zwar noch eine Bedingung für die Autofahrten; es sei jedoch nicht mehr Ursache im tieferen Sinn, sondern nur noch Anlaß derselben. Dieser Unterschied nehme die Kosten der Fahrten aus der Sphäre des Arbeitsverhältnisses heraus und ordne sie der privaten Sphäre zu, weil sie nicht mehr zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aufgewandt seien.
Hilfsweise macht das FA geltend: Wären die Fahrtkosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, dann müsse der Wert der Wohn-Dienst-Fahrkarte als Sachlohn nicht nur für die ersten fünf Monate, wie das FG entschieden habe, sondern für das ganze Jahr den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Eheleute zugerechnet werden. In der Zeit, in der die Eheleute mit dem PKW von A zur Arbeit nach B gefahren seien, seien ihnen keine zusätzlichen Werbungskosten durch die Eisenbahnfahrt entstanden. Als zusätzliche Werbungskosten könnten dann äußerstenfalls Kosten für zweimal 20 Tagesrückfahrkarten a 3,60 DM = 144 DM berücksichtigt werden. Dem zu versteuernden Einkommensbetrag der Eheleute seien also über den vom FG errechneten Betrag hinaus 584 DM hinzuzurechnen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
I.
Die Revision des Klägers ist begründet.
Die Rüge, die Feststellung des FG, er und seine Frau seien in der Zeit vom Januar bis zum Mai 1964 nicht von A aus zur Arbeit gefahren, hätte das FG zur Prüfung veranlassen müssen, von wo aus sie dann zur Arbeit gefahren wären, wirft dem FG mit Recht mangelnde Sachaufklärung vor. Es war in der Vorinstanz u. a. streitig, ob den Steuerpflichtigen die begehrten Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte schon deshalb zu versagen seien, weil sie nicht in A, sondern in B gewohnt hätten. Die danach erforderliche Sachfeststellung zu treffen, gehört zu den wesentlichen Aufgaben des FG als Tatsacheninstanz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Sie ist für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, wenn der Revisionskläger dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat. Der Steuerpflichtige geht in seiner Revisionsbegründung zwar ebenfalls davon aus, daß die vom FG getroffene Sachfeststellung bindend sei. Wenn er aber nunmehr geltend macht, das FG habe ihm Werbungskosten für die Fahrten von der mitbenutzten Wohnung der Schwiegereltern zur Dienststelle zubilligen müssen, so ist darin kein Vorbringen eines neuen Sachverhalts, der in der Revision nicht berücksichtigt werden kann, sondern ein Angriff gegen die Tatsachenfeststellung des FG (den zureichenden Umfang) zu sehen. Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende des erkennenden Senats des FG darauf hinzuwirken, daß sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt und alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige geltend gemacht, er und seine Ehefrau seien an 185 Tagen mit dem eigenen PKW und nur an 40 Tagen mit der Bundesbahn zur Arbeit gefahren. Das FG ist diesem Vorbringen für die Monate Juni bis Dezember im wesentlichen gefolgt. Wenn es aber für Januar bis Mai zu der Feststellung kam, die Eheleute hätten in diesen Monaten nicht ständig in ihrer Wohnung in A gewohnt, seien also in dieser Zeit nicht von hier nach B zur Arbeit gefahren, so hätte es, weil nun einmal Fahrten zur Arbeitsstätte behauptet waren, Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Steuerpflichtige in dieser Zeit den PKW überhaupt nicht oder doch wenigstens in B für Fahrten zur Dienststelle benutzt hat. Auch ohne PKW-Benutzung konnten doch Kosten entstanden sein. Auf jeden Fall hätte das FG, wie die Dinge lagen, den Steuerpflichtigen zu Hilfsanträgen und zu einem diese begründenden Sachvortrag veranlassen müssen. Das Urteil des FG war danach wegen mangelnder Aufklärung aufzuheben. Der BFH als Revisionsgericht ist zu eigenen Sachfeststellungen nicht befugt. Es ist Sache des FG, nunmehr Feststellungen dahin zu treffen, ob der Steuerpflichtige in den Monaten Januar bis Mai in dem behaupteten Umfang in B mit dem eigenen PKW zur Arbeit gefahren ist. Die insoweit nicht spruchreife Sache war gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen.
Sachlich rügt der Steuerpflichtige zu Recht, daß das FG in der Entgegennahme von kostenlosen Wohnungs-Dienst-Fahrkarten durch ihn und seine Ehefrau in den Monaten Januar bis Mai einen steuerpflichtigen Sachbezug gesehen hat. Zu dieser Beurteilung reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG ebenfalls nicht aus.
Zuzugeben ist dem FG, daß die genannten Freifahrkarten sich sachlich wesentlich von den durch die Deutsche Bundesbahn bereits einer Pauschbesteuerung im Sinne des § 42a Abs. 2 EStG unterworfenen Freifahrkarten unterscheiden und in diese Pauschbesteuerung nicht einbezogen sind. Das FG geht auch zutreffend davon aus, daß Aufwendungen eines Arbeitgebers für die (kostenlose) Beförderung seiner Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht als geldwerter Vorteil angesehen werden. Dem entspricht, daß nach Abschn. 25 Abs. 4 LStR die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Omnibussen durch den Arbeitgeber für diese Fahrten steuerfrei belassen wird (vgl. auch Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, Anm. 7 zu § 19 EStG). Der Senat sieht in dieser Anweisung eine zutreffende Auslegung des Begriffes Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG. Anders ist die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt (vgl. dazu das Urteil des Senats VI R 279/67 vom 29. November 1968, BFH 94, 336, BStBl II 1969, 173).
Geht man von diesen Grundsätzen aus und läßt zunächst einmal die Aushändigung der Wohnungs-Dienst-Fahrkarte als solche außer Betracht, dann kann darin, daß die Deutsche Bundesbahn die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer unentgeltlich von deren Wohnort zum Dienstort und zurück befördert, kein geldwerter Vorteil gesehen werden. Die Inanspruchnahme der kostenlosen Beförderung enthebt den Arbeitnehmer nur der Möglichkeit, dem FA gegenüber entsprechende Werbungskosten geltend zu machen. Dem Arbeitnehmer sind dann ja auch keine derartigen Werbungskosten entstanden.
Daß einem Arbeitnehmer der kostenlose Beförderungsweg offensteht, schließt allerdings, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht aus, daß dem Arbeitnehmer gleichwohl Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstätte erwachsen. Es steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich frei, mit welchem Verkehrsmittel er die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchführen will. Seit dem EStG 1955 ist die Beschränkung der absetzbaren Werbungskosten auf die notwendigen Kosten beseitigt. Will der Arbeitnehmer sein eigenes Kraftfahrzeug benutzen, so stehen ihm danach Werbungskosten in Höhe der Pauschsätze des § 26 EStDV 1964 auch dann zu, wenn billigere öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung gestanden haben. Daß im Streitfall der Steuerpflichtige ein öffentliches Verkehrsmittel sogar unentgeltlich benutzen konnte, ändert doch nichts an der Rechtslage und schließt also den Anspruch auf Werbungskosten nach der Fassung des § 9 Nr. 4 EStG 1964 für Fahrten mit dem eigenen PKW nicht aus. Natürlich ist dabei - und daß mag bei solchen Umständen besondere Nachprüfung nahelegen - vorausgesetzt, daß der Steuerpflichtige die Fahrten tatsächlich durchgeführt hat. Daß der Steuerpflichtige durch Weisung des Dienstherren zur Benutzung von Eisenbahnzügen für diese Fahrten veranlaßt gewesen wäre (vgl. das Urteil des Senats VI R 202/67 vom 15. Dezember 1967, BFH 91, 164, BStBl II 1968, 395), ist nicht ersichtlich und wäre für die Absetzbarkeit der hier streitigen Werbungskosten auch unbeachtlich.
Im Streitfall ist nun allerdings den Steuerpflichtigen nicht bloß die kostenlose Beförderungsmöglichkeit, sondern eine Freifahrkarte zur Verfügung gestellt worden. Das steht zwar, wie auch das FG zutreffend angenommen hat, der Geltendmachung der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht entgegen, erfordert aber, wovon ja auch das FG mit Recht ausgegangen ist, die Prüfung der Frage, ob und inwieweit den Steuerpflichtigen in Gestalt der Freifahrkarte ein Sachvorteil zugeflossen ist. Auch wenn diese Karte, wie das FG festgestellt hat, nicht bloß zu dienstlichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berechtigt, hat der Senat doch Bedenken, sie ohne weiteres einer (vom Arbeitgeber besonders angeschafften) Monatsfahrkarte gleichzustellen. Bei der Besonderheit der Lage (Beförderung durch die Bundesbahn und damit durch den Arbeitgeber selbst) liegt es näher, lediglich einen Ausweis anzunehmen und damit nach wie vor die Situation als gegeben zu erachten, daß lediglich die Beförderungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird. Daß ein Arbeitnehmer, dem die Möglichkeit des Fahrens zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - sei es vom Arbeitgeber unmittelbar, sei es in Gestalt einer Freifahrkarte - zur Verfügung gestellt wird, diese Möglichkeit nicht bloß für dienstliche, sondern auch für private Fahrten in Anspruch nehmen kann oder nimmt, spielt zwar im Normalfall keine Rolle, weil die dienstlichen Fahrten im Vordergrund stehen und die durch diese bedingten Kosten ebenso wie bei dienstlich veranlaßter Anschaffung einer Monatsfahrkarte durch den Arbeitnehmer in jedem Falle anfallen. Die Sache liegt aber anders, wenn wie im Streitfall die Beförderungsmöglichkeit offenbar überhaupt nicht für dienstliche Fahrten in Anspruch genommen worden ist und - was zu vermuten naheliegt, aber noch zu prüfen wäre - nur privaten Zwecken gedient hat. Dann und nur dann ist der Ansatz eines entsprechenden Vorteils gerechtfertigt. Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Steuerpflichtige und seine Ehefrau die Freifahrkarten zu Fahrten mit den Zügen der Bundesbahn benutzt haben, die zum privaten Bereich im Sinn des § 12 EStG gehören. Nach den Feststellungen des FG muß davon ausgegangen werden, daß der Steuerpflichtige und seine Ehefrau in den ersten fünf Monaten des Streitjahres in B gewohnt haben. Wenn sie in dieser Zeit trotzdem Freifahrkarten bezogen haben, so könnten diese zu Fahrten von B nach A und zurück benutzt worden sein, die der Förderung ihres Bauvorhabens in A gedient haben. Solche Fahrten wären mit ihrem Wert als steuerpflichtiger Sachbezug zu würdigen. Im Rahmen der notwendigen weiteren Sachaufklärung wird das FG auch insoweit Feststellungen zu treffen haben.
II.
Die Revision des FA ist nur teilweise begründet.
Soweit das FA Rechtsverletzung gerügt hat, weil die Fahrten der Eheleute zwischen A und B gemäß § 12 EStG dem privaten Bereich zugerechnet werden müßten, war der Revision der Erfolg zu versagen. Wie bereits zur Revision des Steuerpflichtigen ausgeführt, können Werbungskosten für Fahrten zur Arbeitsstelle auch dann geltend gemacht werden, wenn öffentliche Verkehrsmittel für solche Fahrten kostenlos zur Verfügung gestanden haben. Die Bedenken des FA sind zwar insofern nicht von der Hand zu weisen, als bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ganz grundsätzlich die Frage auftaucht, was eigentlich im Vordergrund steht: Das Arbeitsverhältnis oder die Lebenshaltung. Diese Frage ist aber - jedenfalls im Rahmen der Regelung des § 9 Nr. 4 EStG - eindeutig zugunsten des Arbeitsverhältnisses dadurch beantwortet, daß der Gesetzgeber sie entschieden hat.
Die Revision des FA greift nach den Ausführungen zur Revision des Steuerpflichtigen insofern durch, als die Benutzung der von den Steuerpflichtigen entgegengenommenen Wohnungs-Dienst-Fahrkarten aus privatem Anlaß in den Monaten Juni bis Dezember tatsächlich erfolgt ist. Auch insoweit wird das FG die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 69282 |
BStBl II 1971, 55 |
BFHE 1971, 202 |