Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Beförderungskosten als Teile des Zollwerts
Leitsatz (amtlich)
Beförderungskosten i.S. von Art.8 Abs.1 Buchst.e ZWVO 1980 sind alle Haupt- und Nebenkosten, die mit der Beförderung der Waren in Richtung auf das Zollgebiet der Gemeinschaft verbunden sind. Es kommt auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten an. Sie sind dem gezahlten oder zu zahlenden Preis auch dann zur Zollwertermittlung nach Art.3 ZWVO 1980 hinzuzurechnen, wenn sie, verursacht durch ein Selbstbeschränkungsabkommen, besonders hoch sind.
Normenkette
EWGV 1224/80 Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Buchst. e
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 09.09.1988; Aktenzeichen IV 20/86 N) |
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt ―HZA―) fertigte auf Antrag der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den Jahren 1982 bis 1984 47 Partien Tapioka-Pellets zum freien Verkehr ab und setzte Eingangsabgaben auf der Grundlage des von der Klägerin angemeldeten Zollwerts fest. Bei ihren Angaben über den Zollwert hatte die Klägerin Zahlungen unberücksichtigt gelassen, die sie an die Firma T aufgrund von vertraglichen Abmachungen aus den Jahren 1977 bis 1982 geleistet hatte. Die Leistungen der Firma T bestanden im wesentlichen darin, die für die Klägerin im thailändischen Hafen S angelieferte Tapioka aus dem Lastwagen zu entladen, zu wiegen, zwischenzulagern und auf Schiffe zu verladen. Sie bediente sich dabei der Firma M in S. Ferner hatte die Klägerin bei ihren Zollanmeldungen Lagerliegegelder und "demurrage" nicht berücksichtigt. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung handelte es sich bei den demurrage-Kosten um Zahlungen, die damit zusammenhingen, daß die als Transportmittel benutzten Schiffe in Thailand nicht sofort beladen bzw. bei der Ankunft in der Gemeinschaft nicht sofort entladen werden konnten. Nach Darstellung der Klägerin ist sie aufgrund der mit einem Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der EG und Thailand zusammenhängenden Regelungen gezwungen gewesen, sehr frühzeitig Schiffsraum zu chartern, um einen hohen Anteil an der jeweiligen Quote zu erhalten und dadurch ihre Abnahmeverpflichtungen aus langfristigen Kontrakten erfüllen zu können.
Das HZA änderte aufgrund dieser Feststellungen und weiterer Beanstandungen durch Änderungsbescheide vom 28.Mai 1985, 30.Mai 1985 und 15.November 1985 insgesamt 47 Abgabenbescheide, rechnete dem Zollwert der Einfuhren die Lagerliegegelder und demurrage-Kosten sowie die an die Firma T gezahlten angeblichen Umschlagskosten hinzu und forderte dementsprechend von der Klägerin insgesamt 67 611,80 DM Abschöpfungen nach. Mit Entscheidungen vom 13.Dezember 1985, 20.Dezember 1985 und 7.Januar 1986 wies das HZA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1989, 377).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Zu Recht sind das FG und das HZA davon ausgegangen, daß der Zollwert nach Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren (ZWVO 1980) zu ermitteln ist. Diese Bewertungsmethode ist anzuwenden, wann immer die in Art.3 ZWVO 1980 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (Art.2 Abs.1 ZWVO 1980). Das ist hier der Fall. Die eingeführte Tapioka war Gegenstand eines Verkaufs in das Zollgebiet der Gemeinschaft. Die Klägerin hatte dafür einen bestimmten von ihr auch angemeldeten Preis zu zahlen. Keine der Bedingungen in Art.3 Abs.1 Buchst.a bis d ZWVO 1980, unter denen die Bewertung nach der Methode des Art.3 ZWVO 1980 ausscheidet, ist erfüllt.
Diese gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin einer teleologischen Reduktion im Wege richterlicher Rechtsfortbildung (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5.Aufl., S.375 ff.) nicht zugänglich. Etwas anderes kann nicht dem Umstand entnommen werden, daß die durch das Selbstbeschränkungsabkommen EG/Thailand ausgelösten angeblichen "Marktturbulenzen und -störungen", die eine Erhöhung der Kosten bewirkten, nach der Regelung der Art.3 und 8 ZWVO 1980 zu einem höheren Zollwert führen. Das in Absatz 6 der Erwägungsgründe der ZWVO 1980 umrissene Ziel der Regelung, "den Welthandel durch ein gerechtes, einheitliches und neutrales System für die Bewertung von Waren für Zollzwecke zu fördern", ermöglicht es nicht, von der Existenz einer verdeckten Regelungslücke auszugehen, die es Art.3 ZWVO 1980 in Fällen wie dem vorliegenden als "suspendiert" anzusehen erlaubte. Es ist im Gegenteil im Interesse des Welthandels, daß die einfachste Bewertungsmethode, nämlich die des Art.3 ZWVO 1980, möglichst häufig angewendet wird. Es widerspräche diesem Interesse, wenn die mit der Einfuhr befaßten Zollstellen vor der Anwendung dieser Methode trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen stets zusätzlich den wirtschaftlichen Hintergrund der zugrunde liegenden Geschäfte zu prüfen gezwungen wären.
2. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß alle streitbefangenen Kosten nach Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.8 Abs.1 Buchst.e ZWVO 1980 als Beförderungskosten, Ladekosten oder Kosten für die Behandlung der eingeführten Waren, die mit ihrer Beförderung zusammenhängen, zur Ermittlung des Zollwerts der eingeführten Waren dem Kaufpreis hinzuzurechnen sind.
a) Die Auffassung des FG, daß zu den Kosten in diesem Sinn alle Aufwendungen gehören, die mit der Beförderung der Waren bis zum Einfuhrort zusammenhängen, auch wenn sie nicht die Beförderung selbst betreffen, aber durch sie veranlaßt sind und mit ihr in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, stimmt mit Wortlaut, Sinn und Zweck der genannten Vorschrift überein. Das ist auch dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6.Juni 1990 C - 11/89 (amtlich noch nicht veröffentlicht, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1990, 462) zu entnehmen. Danach umfaßt der Ausdruck "Beförderungskosten" alle Haupt- und Nebenkosten, die mit der Beförderung der Waren in Richtung auf das Zollgebiet der Gemeinschaft verbunden sind. In Anwendung dieser Begriffsbestimmung gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, daß demurrage-Kosten, also Entschädigungen für den Reeder, die im Beförderungsvertrag vorgesehen sind und die Verzögerungen bei der Beladung des Schiffs ausgleichen sollen, als Beförderungskosten zu betrachten sind (Absatz 30 der Gründe).
Nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, bei der Anwendung des Art.8 Abs.1 Buchst.e ZWVO 1980 sei zu beachten, ob bei einem unterstellten cif-Geschäft die konkret angefallenen Kosten im cif-Preis enthalten wären. Die genannte Vorschrift setzt einen solchen Vergleich mit einem cif-Geschäft gerade nicht voraus. Vielmehr kommt es, wie dem Wortlaut deutlich zu entnehmen ist, auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten an, also auf den gezahlten oder zu zahlenden Preis. Dieser ist auch dann zugrunde zu legen, wenn er höher als die dafür normalerweise zu zahlenden Kosten ist (vgl. auch EuGH-Urteil vom 10.Dezember 1970 Rs.27/70, EuGHE 1970, 1035, 1045, dessen Grundsätze ―noch zum früheren Normalpreis-Zollwertsystem entwickelt― erst recht im System der ZWVO 1980 anwendbar sind).
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung der Klägerin, in Anwendung einer "wertenden Kausalität" dürften nur solche Kosten in den Zollwert einbezogen werden, die den Wert der Ware berührten. Die Regelung der ZWVO 1980 setzt einen solchen Vergleich mit einer Wertnorm gerade nicht voraus. Nach der Fünften Begründungserwägung des Übereinkommens zur Durchführung des Art.VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 1980 L 71/1) sollen die bei der Ermittlung des Zollwerts angewandten Kriterien einfach und objektiv sein und mit der Handelspraxis in Einklang stehen (darauf hat der EuGH in seinem Urteil vom 6.Juni 1990 C-17/89, amtlich noch nicht veröffentlicht, HFR 1990, 527, ausdrücklich hingewiesen). Die Pflicht zur Überprüfung aller tatsächlich entstandenen, mit der Lieferung der eingeführten Waren verbundenen Beförderungskosten darauf, ob sie den Wert der Ware erhöht haben, wäre aber alles andere als einfach und objektiv.
b) Daß in Anwendung der genannten Rechtsgrundsätze das FG zu Recht die demurrage-Kosten und die Liegegebühren in den Zollwert einbezogen hat, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem EuGH-Urteil in HFR 1990, 462. Hinsichtlich der von der Klägerin an die Firma T geleisteten Zahlungen hat das FG festgestellt, daß diese das Entgelt für die im Hafen von S erforderliche Ent- und Beladung und Zwischenbehandlung der angelieferten Tapioka waren, also dem Zollwert nach Art.8 Abs.1 Buchst.e ZWVO 1980 hinzuzurechnen sind. An diese Feststellung des FG ist der Senat als Revisionsgericht gebunden, da die Revision zulässige und begründete Revisionsrügen dagegen nicht vorgetragen hat (§ 118 Abs.2, § 120 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 63061 |
BFH/NV 1991, 29 |
BFHE 163, 255 |
BFHE 1991, 255 |
BB 1991, 540 (L) |
HFR 1991, 302 (LT) |
StE 1991, 97 (K) |