Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erbschaftsteuer: Entstehungszeitpunkt bei einer vom Erblasser angeordneten, erst später genehmigten Stiftung, Besteuerung des zwischen Erbfall und Stiftungsgenehmigung eingetretenen Vermögenszuwachses, Regelungsbereich des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974, Verfassungsmäßigkeit, Berücksichtigung des § 84 BGB)
Leitsatz (amtlich)
1. Setzt der Erblasser eine von ihm angeordnete (rechtsfähige) Stiftung zur (Allein-)Erbin ein, so unterliegt gemäß § 11 ErbStG 1974 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c und § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 der Erbschaftsteuer auch der Vermögenszuwachs, der sich im Nachlaß zwischen dem Tag des Todes des Erblassers und dem Tag der Genehmigung der Stiftung vollzogen hat.
2. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 erfaßt alle Fälle, in denen Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung übergeht. Darunter fallen nicht nur die Sachverhalte, in denen der Erblasser einen Erben oder Vermächtnisnehmer mit der Auflage beschwert, seinerseits eine Stiftung durch Rechtsgeschäft (unter Lebenden) zu errichten, sondern auch die Fälle, in denen der Erblasser eine von ihm angeordnete Stiftung zur Erbin (oder Vermächtnisnehmerin) einsetzt.
Orientierungssatz
1. Mit der zivilrechtlichen Rückwirkungsfiktion des Entstehens einer Stiftung wird bezweckt, dem Erblasser die Einsetzung einer im Zeitpunkt seines Todes noch nicht existierenden Stiftung als (Voll)Erbin zu ermöglichen, was ohne § 84 BGB an § 1923 BGB scheitern müßte. Diese Fiktion wurde vom Steuergesetzgeber in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nicht übernommen und ist insoweit unbeachtlich.
2. § 8 ErbStG 1974 kommt nur dann zur Anwendung, wenn durch den mit der Zuwendung verfolgten Zweck nicht eine bestimmte Person, sondern ein unbestimmter Personenkreis oder etwas Unpersönliches begünstigt wird. Daher kann nicht der Auffassung gefolgt werden, wonach eine vom Erblasser angeordnete Stiftung bis zu ihrer Genehmigung als Zweckzuwendung zu behandeln sei und die nach Genehmigung der Stiftung an diese zu erfolgende Herausgabe des ihr zugedachten Vermögens nicht mehr der Erbschaftsteuer unterliege.
3. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der zwischen dem Erbfall und der Genehmigung der --als Erbin eingesetzten-- Stiftung eingetretene Vermögenszuwachs erbschaftsteuerlich erfaßt wird. Die Erbschaftsteuerbelastung hat insoweit --auch bei einem Steuersatz von 64%-- keine erdrosselnde Wirkung. Soweit das Vermögen der Stiftung nicht in Grundbesitz besteht und mit dem Gegenwartswert anzusetzen ist, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 GG im Verhältnis zur Besteuerung des Grundbesitzes vor, der aber nach dem BVerfG-Beschluß vom 22.6.1995 2 BvR 552/91 folgenlos bleibt.
4. Ausführungen zur Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 anhand der Systematik des ErbStG 1974 (Anknüpfungen in §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c, 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1974).
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 8, 9 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 Buchst. c, §§ 11, 15 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 84, 1923; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14; ErbStG 1974 § 19
Tatbestand
I. Die am 7. Juni 1979 verstorbene Erblasserin setzte durch Verfügung von Todes wegen unter Anordnung von Testamentsvollstreckung eine von ihr angeordnete, von den Testamentsvollstreckern zu errichtende rechtsfähige Stiftung, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), als Alleinerbin ein. Der Nachlaß bestand im wesentlichen in Beteiligungen an der X KG und an deren Komplementär-GmbH. Die --nicht gemeinnützige-- Klägerin wurde wegen Klärungsbedürftigkeit verschiedener erb- und steuerrechtlicher Zweifelsfragen erst 4 1/2 Jahre nach dem Tod der Erblasserin durch Verfügung des zuständigen Regierungspräsidiums vom 21. Dezember 1983 gemäß § 80 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. § 5 des Stiftungsgesetzes für Baden-Württemberg als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts genehmigt.
Mit Bescheid vom 30. Januar 1984 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 17 475 328 DM fest. Dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) und erging in bezug auf den Wert der KG-Beteiligung, den das FA mit dem Einheitswert des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1981 angesetzt hatte, vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977.
Durch Änderungsbescheid vom 4. August 1988, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und wegen verschiedener Punkte, insbesondere wegen des Werts der KG-Beteiligung, vorläufig war, setzte das FA die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin auf 21 094 976 DM herauf. Die Steuererhöhung beruhte im wesentlichen darauf, daß das FA nunmehr den Wert der Beteiligung an der KG mit dem dem Zeitpunkt der Genehmigung der Klägerin naheliegenden Einheitswert des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1984 berücksichtigte.
Mit ihrer nach Zurückweisung des Einspruchs erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die Erbschaftsteuer auf 13 667 776 DM herabzusetzen, weil der zwischen dem Todestag der Erblasserin (7. Juni 1979) und dem Tag der Genehmigung der Stiftung (21. Dezember 1983) erzielte Vermögenszuwachs in Höhe von 9 578 142,60 DM nicht der Erbschaftsteuer unterliege.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht u.a. geltend, daß der zwischen dem Tag des Todes der Erblasserin und dem Tag der Genehmigung der Stiftung erzielte Vermögenszuwachs nicht der Erbschaftsteuer unterliege. Die Vermögensausstattung der Stiftung sei im vorliegenden Fall durch Erbeinsetzung erfolgt und unterliege der Erbschaftsteuer bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Die Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 komme im Streitfall nicht in Betracht. Die letztgenannte Bestimmung greife nur dann ein, wenn es sich um eine Stiftung handele, deren Errichtung vom Erblasser angeordnet worden sei, die jedoch vom Erben oder Vermächtnisnehmer durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden errichtet werde. Folglich sei im Streitfall die Erbschaftsteuer bereits mit dem Tode der Erblasserin entstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Dieser Zeitpunkt sei gemäß § 11 ErbStG 1974 auch für die Wertermittlung der Besteuerung zugrunde zu legen.
Aber selbst dann, wenn entgegen dieser Sichtweise im Streitfall § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 einschlägig sein sollte, wäre dem FG nicht zu folgen. Auch im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 könne unter übergegangenem Vermögen nur das Vermögen verstanden werden, das im Zeitpunkt des Erbfalls vorhanden gewesen sei. Andernfalls werde Vermögen der Erbschaftsteuer unterworfen, das dem Erblasser zu keinem Zeitpunkt gehört habe. Die gegenteilige Ansicht des FG verkenne, daß die Klägerin das Vermögen aufgrund der insoweit geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 1922, 84 BGB) bereits mit dem Erbfall erworben habe, mithin nur um das Vermögen bereichert sein könne, das am Todestag vorhanden gewesen sei.
Schließlich bestünden auch --insbesondere aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG) herzuleitende-- verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erbschaftsteuerliche Erfassung der Erträge, die zwischen dem Todestag der Erblasserin und dem Zeitpunkt der Genehmigung der Stiftung erwirtschaftet worden seien. Diese Erträge hätten bereits der Ertragsbesteuerung (Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer) unterlegen und hätten vom FA auch der Vermögensteuer unterworfen werden können. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, diese Erträge zusätzlich der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 sei daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß die Besteuerung nach den Wertverhältnissen auf den Tag der Stiftungsgenehmigung nur insoweit vorzunehmen sei, als Erbschaftsteuer nicht auf zwischenzeitlich erwirtschaftete und um die laufende Besteuerung geminderte Gewinne erhoben werde.
Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BStBl II 1995, 671) habe der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, daß die Existenz von bestimmten Betrieben --namentlich von mittelständischen Unternehmen-- durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer einträten, gefährdet sein könne. Derartige Betriebe, die durch ihre Widmung zu einem konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert seien, seien in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet. Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter sei deshalb beschränkter als bei betrieblich ungebundenem Vermögen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordere, diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb weiterführten. Die Besteuerung der Betriebsergebnisse in dem Zeitraum zwischen dem Ableben der Erblasserin und der Genehmigung der Stiftung nach Maßgabe des ErbStG 1974 widerspreche diesen Grundsätzen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 30. Januar 1984 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 4. August 1988 und der Einspruchsentscheidung vom 6. März 1989 dergestalt zu ändern, daß die Erbschaftsteuer auf 13 667 805,76 DM herabgesetzt werde.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG angenommen, daß auch der im Zeitraum zwischen dem Erbfall und der Genehmigung der Klägerin eingetretene Zuwachs des der Klägerin hinterlassenen Vermögens der Erbschaftsteuer unterliegt.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 ErbStG 1974 gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Als solche Bereicherung gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 beim hier in Betracht kommenden Erwerb von Todes wegen (§§ 3, 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG 1974 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls die Nachlaßverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG 1974 zu ermittelnden Wert abgezogen werden.
Den maßgeblichen Bewertungsstichtag für die Ermittlung der Bereicherung und damit auch für die Festlegung von Bestand (Umfang) und Wert des Vermögensanfalls statuiert § 11 ErbStG 1974. Danach ist für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. Für das im Streitfall als Gegenstand der Bereicherung vornehmlich in Betracht kommende Betriebsvermögen wird dieser Grundsatz in § 12 Abs. 5 Satz 1 ErbStG 1974 bestätigt. Nach dieser Bestimmung sind für "den Bestand und die Bewertung" grundsätzlich die "Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer maßgebend".
2. Folglich kommt es für die Beantwortung der hier streitigen Frage, ob die nach dem Erbfall, aber vor der (staatlichen) Genehmigung der Klägerin eingetretenen Veränderungen in Bestand und Umfang des Nachlasses bei der Ermittlung der erbschaftsteuerpflichtigen Bereicherung i.S. des § 10 ErbStG 1974 zu berücksichtigen sind, darauf an, wann die Erbschaftsteuer entstanden ist. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG 1974 entsteht die Steuer beim Erwerb von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers. Abweichend hiervon entsteht jedoch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 die Steuer im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 mit dem Zeitpunkt der Genehmigung der Stiftung. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 liegen im Streitfall vor.
a) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht greift § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 nicht nur in den Fällen ein, in denen der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer mit der Auflage beschwert, seinerseits eine Stiftung durch Rechtsgeschäft (unter Lebenden) zu errichten. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 erfaßt nach seinem Wortlaut vielmehr uneingeschränkt alle Fälle des Vermögensübergangs auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung. Auch die systematische Interpretation des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 belegt, daß unter diese Vorschrift alle Fälle zu ziehen sind, in denen Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung übergeht. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 erfaßt folglich auch den hier vorliegenden Sachverhalt, daß eine vom Erblasser angeordnete Stiftung von diesem zur (Allein-)Erbin eingesetzt ist.
§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 enthält eine "vor die Klammer gezogene" rechtstechnische Zusammenfassung aller Fälle des Vermögensüberganges auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung und gewinnt seine rechtskonstitutive Bedeutung außerhalb der steuerbegründenden Tatbestände des § 3 ErbStG 1974 für alle Normen des ErbStG 1974, die für die Fälle des Vermögensübergangs auf eine durch den Erblasser angeordnete Stiftung besondere Rechtsfolgen vorsehen und zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 Bezug nehmen. So bestimmt namentlich der zeitgleich mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 ins Gesetz (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1922) eingefügte, insbesondere die Familienstiftung betreffende § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1974, daß in "den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ... der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser ... zugrunde zu legen (sei) ...". Eine Interpretation des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1974 und des dort in Bezug genommenen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 in dem Sinne, daß das in jener Bestimmung vorgesehene Steuerklassen-Privileg nur solchen (Familien-)Stiftungen zugute komme, die aufgrund einer Auflagen-Anordnung des Erblassers vom Erben (usw.) durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden errichtet werden, nicht hingegen auch solchen --vom Erblasser angeordneten-- Stiftungen, die vom Erblasser als Erbin oder Vermächtnisnehmerin eingesetzt werden, widerspräche offenkundig dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Nicht anders als im Sinne dieser Auslegung kann § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 interpretiert werden, soweit es seine Inbezugnahme durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 anbelangt.
b) Entstand somit im Streitfall die Erbschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 erst im Zeitpunkt der Genehmigung der Klägerin, so ergibt sich aus den strikt an den Steuerentstehungszeitpunkt anknüpfenden Bestimmungen der §§ 11 und 12 Abs. 5 ErbStG 1974, daß --wie schon unter II.1. dargelegt-- Bestand (Umfang) und Wert des der Klägerin angefallenen Vermögens auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln sind. Daraus folgt zwangsläufig, daß zwischen dem Erbfall und dem späteren Zeitpunkt der Steuerentstehung eingetretene Veränderungen im Bestand und Wert des Nachlasses, gleichviel ob diese Veränderungen zu einer Verminderung oder --wie im Streitfall-- zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage geführt haben, berücksichtigt werden müssen.
c) Der von der Klägerin gegen dieses Ergebnis erhobene Einwand, von einem Vermögensübergang, wie ihn § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 voraussetze, könne nur insoweit ausgegangen werden, als das Vermögen bereits im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin vorhanden gewesen sei (ebenso auch Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 11. Aufl., § 3 ErbStG Rdnr.282.1, § 9 ErbStG Rdnr.47 und § 8 ErbStG Rdnr.18), greift nicht durch. Richtig ist zwar, daß § 84 BGB für den Bereich des Zivilrechts die Stiftung im Falle ihrer nach dem Tode des Stifters erfolgenden Genehmigung als eine bereits vor dessen Tod entstandene fingiert mit der Folge, daß sich der zivilrechtliche Vermögensanfall i.S. des § 1922 Abs. 1 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls vollzieht. Mit dieser zivilrechtlichen Rückwirkungsfiktion wird bezweckt, dem Erblasser die Einsetzung einer im Zeitpunkt seines Todes noch nicht existierenden Stiftung als (Voll-)Erbin zu ermöglichen, was ohne die Vorschrift des § 84 BGB an § 1923 Abs. 1 BGB scheitern müßte (vgl. Reuter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl.,§ 84 Rdnr.1). Diese zivilrechtliche Rückwirkungsfiktion hat aber der Steuergesetzgeber in die mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 geschaffene Sonderregelung gerade nicht übernommen. Entsprechend der steuerrechtsspezifischen, gegenüber dem Zivilrecht eigenständigen Zwecksetzung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1974 ist dort unter übergegangenem Vermögen vielmehr dasjenige Vermögen zu verstehen, das der Stiftung im Zeitpunkt ihrer Genehmigung ex nunc zufällt (zur Unbeachtlichkeit der in § 84 BGB getroffenen Regelung im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 s. auch Meincke, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 10. Aufl., § 9 ErbStG Rdnr.34; Moench, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 9 ErbStG 1974 Rdnr.23; s. auch schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 16. Dezember 1937 III e 58/37, RStBl 1938, 403; Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz 1925, § 14 Anm. 7).
d) Nicht mit dem Gesetz vereinbar ist die Auffassung der Klägerin, daß bis zur Genehmigung der Stiftung eine Zweckzuwendung i.S. des § 8 ErbStG 1974 anzunehmen sei und die nach Genehmigung der Stiftung an diese erfolgende Herausgabe des ihr zugedachten Vermögens nicht mehr der Erbschaftsteuer unterliege (vgl. Kapp/Ebeling, a.a.O., § 8 ErbStG Rdnr.18). Denn die Anwendung des § 8 ErbStG 1974 kommt --wie schon dessen Entstehungsgeschichte belegt-- nur dann in Betracht, wenn "durch den (mit der Zuwendung verfolgten) Zweck nicht eine bestimmte Person, sondern ein unbestimmter Personenkreis oder etwas Unpersönliches begünstigt werden" (Gesetzesmaterialien zum ErbStG 1922, RTDrucks I/4856, S.13; vgl. auch Meincke, a.a.O., § 8 ErbStG Rdnr.4, m.w.N.).
3. Der erkennende Senat teilt die Ansicht des FG, daß verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erbschaftsteuerliche Erfassung auch des zwischen dem Erbfall und dem Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs eingetretenen Vermögenszuwachses nicht bestehen. Die Höhe der Erbschaftsteuerbelastung beruht auf der im Streitfall gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG 1974 anzuwendenden Steuerklasse IV, in welcher bei dem hier vorliegenden Erwerb von über 25 Mio DM der Steuersatz 64 v.H. beträgt. Bei der Gestaltung des Steuertarifs kommt dem Gesetzgeber ein weiter --hier nicht überschrittener-- Gestaltungsrahmen zu. Anhaltspunkte dafür, daß die im Streitfall eingetretene Erbschaftsteuerbelastung zu einer "erdrosselnden" Wirkung geführt habe, bestehen nicht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die in der Interimsphase zwischen Erbfall und Genehmigung der Stiftung erwirtschafteten Erträge der Ertragsbesteuerung unterlegen habe. Eine Doppelbelastung ein und desselben Ertrages bzw. Vermögenszuwachses mit Ertragsteuern und Erbschaftsteuer (vgl. § 35 des Einkommensteuergesetzes) ist dadurch nicht eingetreten, weil bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögens einschließlich des in der Zeit zwischen Erbfall und Entstehung der Erbschaftsteuer eingetretenen Vermögenszuwachses die durch diese Vermögensbildung ausgelösten Ertragsteuerschulden bereits abgesetzt wurden. Soweit Erbschaftsteuer auch auf solches Vermögen erhoben wird, das aus bereits (ertrags-)versteuertem Einkommen gebildet wurde, ist dieser Effekt vom Gesetz gewollt (vgl. Gesetzesbegründung in BTDrucks 7/2180, S.21) und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Richtig ist zwar, daß eine zu der Ertragsteuerbelastung des nach dem Erbfall bis zur Genehmigung der Klägerin erzielten Vermögenszuwachses hinzutretende Erbschaftsteuerbelastung dieses Zuwachses nicht eingetreten wäre, wenn es § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 nicht gäbe und daher die Erbschaftsteuer gemäß dem Grundsatz des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG 1974 bereits mit dem Tode der Erblasserin entstanden wäre. Daraus kann indessen eine Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974 nicht hergeleitet werden. Daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Herbeiführung eines konfiskatorischen Effektes nicht beabsichtigte, folgt schon daraus, daß sich im umgekehrten Fall einer zwischen Erbfall und Entstehung der Steuer eingetretenen Vermögensminderung eine steuerentlastende Wirkung ergibt.
Ein anderes Ergebnis kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus den Grundsätzen des BVerfG-Beschlusses in BStBl II 1995, 671 hergeleitet werden. Diese Entscheidung betrifft die Frage, ob die unterschiedliche Erbschaftsteuerbelastung von Kapitalvermögen einerseits und Grundbesitz andererseits mit dem GG vereinbar ist. Hier dagegen geht der Streit um das Problem, welcher Zeitpunkt der maßgebende Stichtag für die Entstehung der Erbschaftsteuer und damit für die Ermittlung des Bestandes und die Bewertung des Betriebsvermögens ist (vgl. §§ 11 und 12 Abs. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 und Halbsatz 2 Buchst. c ErbStG 1974). Soweit die Klägerin gegenüber einem ausschließlich mit Grundbesitz Bedachten benachteiligt wurde, indem ihr nicht in Grundvermögen bestehendes Betriebsvermögen zu Gegenwartswerten angesetzt wurde, bleibt dieser Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgenlos (vgl. BVerfG-Beschluß in BStBl II 1995, 671, 675, unter C.II.3. a). Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß die Höhe der Erbschaftsteuerbelastung die Fortführung der Unternehmen der Klägerin gefährdet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 65617 |
BFH/NV 1996, 12 |
BStBl II 1996, 99 |
BFHE 179, 151 |
BFHE 1996, 151 |
BB 1996, 731 |
BB 1996, 731-732 (LT) |
BB 1996, 98 |
DB 1996, 191-192 (LT) |
DStR 1996, 59-60 (KT) |
DStZ 1996, 157-158 (KT) |
HFR 1996, 135-136 (L) |
StE 1996, 10 (K) |