Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für die Beaufsichtigung des Kindes einer Angestellten während der Dienstzeit, so kann es sich dabei um eine Annehmlichkeit handeln, die nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört.
Normenkette
EStG § 19 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Das Finanzamt forderte von der Bfin. als Arbeitgeberin an Lohnsteuer für 1957 bis 1960 zusammen 189 DM nach. Das Finanzgericht ermäßigte die Nachforderung um 15 DM; im übrigen wies es die Berufung als unbegründet zurück.
Im einzelnen handelt es sich um das Folgende: Die Bfin. beschäftigte Frau G. halbtägig als Kontoristin. Auf Wunsch der Bfin. arbeitete Frau G. nach dem Ausscheiden einer anderen Bürokraft in den Jahren 1959 bis 1960 ganztägig. Die Bfin. übernahm für diese Zeit die Kosten der Beaufsichtigung des Kindes der Frau G. und zahlte im Jahre 1959 = 462 DM und im Jahre 1960 = 307 DM. Die Zahlungen wurden an eine Frau L. und eine Frau W. geleistet, die beide keine Kindergärten unterhalten, von denen aber die eine eine ausgebildete Kindergärtnerin ist. Das Finanzamt behandelte diese Aufwendungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn der Frau G. und forderte hierfür von der Bfin. Lohnsteuer nach. Die Bfin. betrachtet demgegenüber die genannten Beträge als eine nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn zählende Annehmlichkeit. Sie verweist auf Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Kindergärten", und auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 7. Dezember 1940 (Deutsches Steuerblatt 1941 S. 21), der lautet:
"Lohnsteuerliche Behandlung von Kinder-Wartungskosten. Der RdF ist damit einverstanden, daß Beträge, die von Betrieben für die Betreuung und für die Versorgung der Kinder ihrer weiblichen Gefolgschaftsmitglieder unmittelbar an Kindertagesheime oder Kindergärten gezahlt werden, bei den Gefolgschaftsmitgliedern nicht zur Lohnsteuer herangezogen werden".
Das Finanzgericht sah in diesem Erlaß einen von den Steuergerichten anzuwendenden Milderungserlaß aus der Zeit des autoritären Regimes. Die Bfin. habe aber weder einen werkseigenen Kindergarten unterhalten, noch habe sie für die Unterbringung des Kindes an einen fremden Kindergarten Beträge gezahlt; Zahlungen an Einzelpersonen begünstige der Erlaß nicht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat Erfolg.
Nach § 19 Ziff. 1 EStG (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 LStDV 1959) gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht nur Gehälter, Löhne, Gratifikationen usw., sondern auch andere Bezüge und Vorteile, die für die Beschäftigung im Dienste des Arbeitgebers gewährt werden. § 2 Abs. 1 LStDV bestimmt in Anlehnung an § 8 Abs. 1 EStG, Einnahmen seien "alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen". Aber nicht jede Annehmlichkeit des Arbeitsplatzes oder jeder Sozialaufwand des Arbeitgebers ist auch ein Vorteil im Sinne dieser Vorschrift. Die Grenzen sind allerdings flüssig. Blosse Annehmlichkeiten sind zwar auch Vorteile, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zukommen. Sie begründen aber nicht einen objektiven, in Geld ausdrückbaren Mehrwert für den Arbeitnehmer. Meist geht es um Sachleistungen des Arbeitgebers, die der Belegschaft des Betriebes im Ganzen zur Verfügung stehen, z. B. Einrichtungen zur Körperpflege, Waschräume, Bäder, Duschen, ebenso Sportplätze, ferner der Freitrunk von Brauereiarbeitern, Freitabak an Arbeitnehmer in tabakverarbeitenden Betrieben, Gestellung von Freimilch zur Bekämpfung von Berufskrankheiten (siehe Abschn. 13 LStR und die Urteile des Senats VI 197/60 U vom 10. November 1961, BStBl 1962 III S. 50, Slg. Bd. 74 S. 130; VI 107/57 U vom 17. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 412, Slg. Bd. 69 S. 406). Solche Vorteile bietet der Arbeitgeber den Arbeitnehmern mehr in seinem eigenen Interesse. Er will durch eine gute Ausstattung des Arbeitsplatzes ein günstiges Betriebsklima schaffen, sowie die Anhänglichkeit der Belegschaft an den Betrieb, die Ehrlichkeit und Treue und den Diensteifer der Arbeitnehmer fördern. ähnliche Erwägungen liegen auch den sogenannten Sozialaufwendungen der Arbeitgeber zugrunde, z. B. den Ausgaben für Betriebskrankenhäuser oder Erholungsheime sowie für Beihilfen aus besonderen Anlässen.
Der Streitfall liegt an der Grenze. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß man auch hier noch eine Annehmlichkeit annehmen kann. Die Bfin. wollte Frau G. ganztägig in ihre Dienste nehmen. Das war aber nur möglich, wenn für das Kind gesorgt war. Daraufhin erklärte sich die Bfin. bereit, die Kosten der Beaufsichtigung des Kindes zu übernehmen. Für die Regelung war also das eigene Interesse des Arbeitgebers entscheidend, ohne daß den Aufwendungen des Arbeitgebers in der Hand des Arbeitnehmers ein entsprechender Vorteil gegenübersteht. Bei der nach § 1 Abs. 2 StAnpG gebotenen Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse hat der Senat auch erwogen, daß die gegenwärtige Lage auf dem Arbeitsmarkt die Arbeitgeber zur Wahrung ihrer Interessen zu manchen Aufwendungen zwingt, zu der sie sich in Zeiten eines größeren Angebots an Arbeitskräften nicht entschließen würden. Der Streitfall ist zwar insofern besonders gelagert, als eine Einzelregelung zwischen einem Arbeitgeber und seiner Arbeitnehmerin zu beurteilen ist, während die erwähnten Annehmlichkeiten und Sozialaufwendungen im allgemeinen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern eines Betriebes zugute kommen. Es ist aber zu beachten, daß die Bfin. nur ein kleines Unternehmen betreibt und daß die Verhältnisse in mancher Hinsicht anders liegen als bei großen Betrieben mit vielen Arbeitnehmern, die über andere Möglichkeiten verfügen. So kann z. B. ein Großbetrieb einen eigenen Betriebskindergarten einrichten oder mit einem Kindergarten einen Vertrag zugunsten der Kinder der weiblichen Belegschaft abschließen. Ein Kleinbetrieb kann bei sonst gleicher Interessenlage die Beaufsichtigung des Kindes einer Arbeitnehmerin nur im Einzelfall regeln. Wollte man den Kleinbetrieben allgemein versagen, Beträge der in Frage stehenden Art lohnsteuerfrei zu gewähren, so würde man ihre Stellung am Arbeitsmarkt gegenüber den Großbetrieben entgegen dem Gedanken steuerlicher Gleichbehandlung verschlechtern.
Nach allem waren die Kosten der Beaufsichtigung des Kindes, die die Bfin. übernommen hat, kein Arbeitslohn im Sinne des § 19 Ziff. 1 EStG (§ 2 Abs. 1 und 2 LStDV). Der Senat gewinnt dieses Ergebnis durch Auslegung des Begriffs "Arbeitslohn". Er braucht darum nicht abschließend darauf einzugehen, ob der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 7. Dezember 1940 wirklich, wie das Finanzgericht meint, ein echter Milderungserlaß ist, der seine Rechtsgrundlage in § 13 AO alter Fassung hatte.
Der Haftungsbescheid des Finanzamts war demgemäß ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 410811 |
BStBl III 1963, 329 |
BFHE 1964, 35 |
BFHE 77, 35 |