Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Betriebsaufspaltung liegt zwischen dem Besitzpersonenunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft weder Organschaft noch Unternehmenseinheit vor.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1, § 2/2/2, § 8/1, § 12/2/1
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen dem Einzelunternehmen R. (Revisionsklägerin, im folgenden als Steuerpflichtige - Stpfl. - bezeichnet) und der Firma A- GmbH (GmbH) im Erhebungszeitraum 1950 ein Organschaftsverhältnis bestanden hat.
Alleininhaber der Stpfl. war bis zu seinem Tode der Ehemann der jetzigen Inhaberin. Gegenstand der Stpfl. war bis zum 31. Juli 1949 eine Fabrik sowie verschiedene landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe. Außerdem standen im Streitjahr und in den folgenden Jahren noch einige Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Rechtsformen im Abhängigkeitsverhältnis zur Stpfl.
Der Inhaber der Stpfl. verpachtete die Fabrik mit Wirkung vom 1. August 1949 an die aus diesem Anlaß gegründete GmbH, an deren Stammkapital er mit 290.000 DM und seine Ehefrau mit 10.000 DM beteiligt waren. Der Inhaber der Stpfl. war alleiniger Geschäftsführer der GmbH und für sich allein zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Gegenstand des Pachtvertrages sind die gesamten zur Fabrik gehörigen Grundstücke und Gebäude nebst dazugehörigen Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Inventar mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Vermögens.
Nach Abschluß des Pachtvertrages betrieb der Inhaber der Stpfl. den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit den dazugehörigen Betriebszweigen zum Teil unter der Firma der Stpfl. weiter.
Die Stpfl. hat nach Abschluß des Pachtvertrages in größerem Umfang Maschinen, Anlagen, Werkzeuge, Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung und Kraftfahrzeuge auf ihre Kosten angeschafft, die (auch) dem Betrieb der GmbH dienen und für die die Stpfl. die Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend macht. Die GmbH hat lediglich die Kosten der für ihren Betrieb angeschafften geringwertigen Wirtschaftsgüter getragen. Sie hat darüber hinaus sämtliche Aufwendungen für Reparaturen an dem von ihr genutzten unbeweglichen und beweglichen Anlagevermögen der Stpfl. zunächst getragen und gebucht und die für aktivierungspflichtig gehaltenen Beträge der Stpfl. bei Aufstellung der Jahresbilanz belastet. Der Inhaber der Stpfl. hat der GmbH in den ersten Jahren nach ihrer Gründung hohe Darlehen zur Finanzierung der Landwirtschaft und anderer Betriebe abgezogen.
Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages rechnete der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dem Gewerbeertrag der Stpfl. 18.200 DM für an die GmbH gezahlte Dauerschuldzinsen und ihrem Gewerbekapital 275.036 DM für Dauerschulden gegenüber der GmbH hinzu.
Mit den Rechtsbehelfen machte die Stpfl. geltend, die GmbH sei Organ der Stpfl., weil sie organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich in die Stpfl. eingegliedert sei.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus, die GmbH sei nicht entsprechend dem Gesamtbild in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach Art einer dienenden Geschäftsabteilung in die Stpfl. eingegliedert. Eher könnte man davon sprechen, daß die Stpfl. der GmbH diene, nämlich dadurch, daß sie ihr die zum Wirtschaften erforderlichen Güter zur Verfügung stelle.
Die Verteilung der Gewichte und die Zuordnung zueinander werde noch deutlicher, wenn man die organisatorische Eingliederung betrachte. Mit der Gründung der GmbH und der übertragung der Produktion der Fabrik sei eine typische Betriebsaufspaltung vorgenommen worden. Im Falle der typischen Betriebsaufspaltung werde eine gewerbesteuerliche Organschaft nicht anerkannt (Urteile des BFH I 119/56 U vom 25. Juni 1957, BStBl 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 S. 181, und I 251/60 S vom 7. März 1961, BStBl 1961 III S. 211, Slg. Bd. 72 S. 578).
Die Stpfl. könne sich auch nicht auf Unternehmenseinheit berufen. Im Gewerbesteuerrecht gebe es nach zutreffend erscheinender Rechtsprechung des BFH keine Unternehmenseinheit auf Grund von Unternehmeridentität zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und einem Einzelkaufmann oder einer Personengesellschaft andererseits (vgl. BFH-Urteil I 251/60 S vom 7. März 1961, a. a. O.; I 123/60 U vom 9. März 1962, BStBl 1962 III S. 199, Slg. Bd. 74 S. 533, und I 240/61 vom 17. Juli 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 S. 24).
Mit der Rb., die gemäß § 184 FGO als Revision zu behandeln ist, trägt die Stpfl. vor, nach der Rechtsprechung entstehe zwar durch eine Betriebsaufspaltung allein noch keine Organschaft. Das bedeute aber nicht, daß die Betriebsaufspaltung die Organschaft auch dann ausschließe, wenn im übrigen die Voraussetzungen der Organschaft vorlägen. In einem solchen Falle werde vielmehr durch den Pachtvertrag eine noch engere Verbindung hergestellt als bei einfacher Organschaft. Das FG lege es dem Inhaber der Stpfl. zum Nachteil aus, daß er Geld aus der GmbH herausgezogen habe, um die Verluste der Landwirtschaft und später auch die eines anderen Betriebes auszugleichen. Die Tatsache allein, daß jemand Geld von einem anderen leihe, besage nichts. Es gebe nur wenige Unternehmer, die ohne Kredit auskämen. Geldleihen sei ein Geschäft wie jedes andere. Wenn der Inhaber der Stpfl. aus der GmbH Geld als Darlehen herausgezogen habe, so habe er als Konzernspitze gehandelt, die das Geld dahin leite, wo es gebraucht werde.
Der Begriff des Dienens sei vielseitig und mißverständlich. Man könne nicht sagen, die Stpfl. als Besitzgesellschaft diene der GmbH, indem sie dieser das Anlagevermögen pachtweise zur Verfügung stelle. Es verhalte sich vielmehr umgekehrt. Die GmbH diene der Stpfl., indem sie den gepachteten Betrieb nach deren Anweisungen und in deren Interesse führe. Dem FG schwebe offenbar vor, daß Organschaft nur bei vertikalem Aufbau eines Konzern bestehen könne. Eine derartige Auffassung sei zu eng und werde den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Es sei nicht erforderlich, daß das Organ den Hauptbetrieb habe. Nach dem Ländererlaß betreffend die körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Organschaften vom 23. Oktober 1959 (Organschaftserlaß, BStBl 1959 II S. 161) sei Organschaft zu einer geschäftsleitenden Holding möglich. Die Stpfl. sei eine gemischte Holding. Sie leite alle zur Firmengruppe gehörenden Unternehmen und verteile die finanziellen Mittel, wie es den Bedürfnissen der einzelnen Betriebe entspreche. Entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils sei daher die Stpfl. und nicht die GmbH Konzernspitze. Diese habe nur Umlaufvermögen, besitze keine Beteiligungen und sei daher gar nicht in der Lage, auf die anderen Unternehmen einzuwirken. Wenn eine Holding überhaupt keinen Betrieb zu haben brauche, so sei es auch nicht erforderlich, daß eine gemischte Holding den Hauptbetrieb führe.
Durch die Betriebsaufspaltung habe sich nur rechtlich, nicht aber wirtschaftlich etwas geändert. Das Unternehmen sei nach wie vor eine Einheit. Auf Grund dieser Tatsache komme die Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß bei Betriebsaufspaltung die Besitzfirma gewerbesteuerpflichtig bleibe. Nun gebe es zwar im Gewerbesteuerrecht im allgemeinen keine Unternehmenseinheit zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Einzelkaufmann. Hiervon werde jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn der Einzelunternehmer zugleich Angestellter der Kapitalgesellschaft sei (BFH-Urteil I 251/60 S vom 7. März 1961, a. a. O.). Im vorliegenden Fall sei der Inhaber der Stpfl. zugleich Gesellschafter und Angestellter (Geschäftsführer) der GmbH gewesen. Daß an der GmbH zu 1/30 auch die Ehefrau des Inhabers der Stpfl. beteiligt gewesen sei, liege nur daran, daß eine GmbH nicht von einer Person allein gegründet werden könne. Die Ehefrau des Inhabers der Stpfl. hätte ihren Anteil später auf die GmbH übertragen.
Sollten Organschaft oder Unternehmenseinheit abgelehnt werden, so bleibe zu prüfen, ob die vereinnahmte Pacht nicht nach den Grundsätzen des Urteils des BFH Gr.S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BStBl 1964 III S. 124, Slg. Bd. 78 S. 315) gewerbesteuerfrei zu bleiben habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Zwischen der Stpfl. und der GmbH kann eine Organschaft nicht anerkannt werden. Im Urteil I 22/55 U vom 25. Juni 1957 (BStBl 1958 III S. 174, Slg. Bd. 66 S. 449) hat der erkennende Senat betont, daß allgemein ein Organverhältnis ein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise voraussetzt, daß die Untergesellschaft nach Art einer Geschäftsabteilung in ein übergeordnetes Unternehmen eingeordnet ist. Stellt man sich die Tätigkeit von Organträger und Organ als Einheit vor, so muß folgerichtig die Haupttätigkeit vom Organträger entfaltet werden, denn sonst kann das Organ nicht dem Betrieb des Organträgers dienen und ihn fördern. Die Tochter muß dem Gewerbebetrieb der Mutter nach Art einer Betriebstätte dienen. Es ist vom FG wie vom FA zutreffend als entscheidend herausgestellt worden, daß es im Streitfall an einer Eingliederung der GmbH in den Betrieb der Stpfl. fehlt. Es fehlt jede betrieblich bedingte Verflechtung. Die finanziellen Beteiligungsverhältnisse allein sowie gewisse organisatorische Maßnahmen z. B. Weisungsgebundenheit, personelle Verflechtungen usw. begründen keine Eingliederung (BFH- Entscheidung I 22/55 U vom 25. Juni 1957, a. a. O.).
Daß die Einzelfirma nicht Organ der GmbH sein kann, ist bereits in den Urteilen des erkennenden Senates I 19/59 U vom 5. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 304, Slg. Bd. 69 S. 111, und I 184/60 U vom 18. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 518, Slg. Bd. 71 S. 722) begründet und entschieden worden.
Ob Organschaft zu einer geschäftsführenden Holdinggesellschaft möglich ist, braucht der Senat im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden, da mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, daß die Gründung der GmbH in Verbindung mit der übertragung der Hefe- und Spiritusfabrikation und der Verpachtung der Werksanlagen eine Betriebsaufspaltung darstellt. Im Falle der Betriebsaufspaltung liegt aber nach ständiger Rechtsprechung und auch nach dem Organschaftserlaß zwischen der Besitzpersonengesellschaft und der Betriebskapitalgesellschaft weder Organschaft noch Unternehmenseinheit vor (BFH-Urteil I 123/60 U vom 9. März 1962, a. a. O.). Das Urteil des BFH IV 417/60 S vom 25. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 505, Slg. Bd. 77 S. 504) sagt erneut, daß im Falle der Betriebsaufspaltung eine Eingliederung in dem Sinne nicht vorliegt, daß das beherrschende Unternehmen die Haupttätigkeit ausübt, die durch die Eingliederung der Tochtergesellschaft gefördert werden soll. Im Urteil I 251/60 S vom 7. März 1961, a. a. O., hat der erkennende Senat eingehend begründet, daß es im Gewerbesteuerrecht keine Unternehmenseinheit auf Grund von Unternehmeridentität zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft bzw. einem Einzelkaufmann andererseits gibt. Der Senat findet keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, den die Stpfl. angewandt wissen will, wenn der Einzelunternehmer zugleich Angestellter der Kapitalgesellschaft ist, kann hier nicht Platz greifen, da ihre Unternehmen nicht als Betriebstätte der GmbH angesehen werden können.
Der Stpfl. kann auch nicht zugestanden werden, daß sich aus dem BFH-Urteil Gr.S. 1/63 S vom 13. November 1963, a. a. O., die Steuerfreiheit der Pachteinnahmen ergebe. Wie bereits das BFH- Urteil IV 179/64 U vom 28. Januar 1965 (BStBl 1965 III S. 261, Slg. Bd. 82 S. 40) ausführt, ergibt sich in den Fällen der Betriebsaufspaltung der gewerbliche Charakter der Vermietung oder Verpachtung schon daraus, daß die der Betriebskapitalgesellschaft zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter niemals aufgehört haben, Betriebsvermögen zu sein, da sie zu keinem Zeitpunkt durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem FA unter Auflösung und Versteuerung der in ihnen ruhenden stillen Reserven in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt wurden. Daß sich aus dem BFH-Urteil Gr.S. 1/63 S, a. a. O., nichts anderes herleiten läßt, ist in diesem Urteil eingehend begründet, hierauf wird hingewiesen.
Da die Stpfl. im Rechtsmittelverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412096 |
BStBl III 1966, 426 |
BFHE 1966, 472 |
BFHE 85, 472 |