Leitsatz (amtlich)
Zu den sonstigen Einkünften i. S. von § 22 Nr. 3 EStG gehört auch das Entgelt für eine Vereinbarung, durch die sich der Zahlungsempfänger verpflichtet, das Bauvorhaben des Zahlenden zu dulden.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute.
Der Kläger erhielt von der Firma P-KG am 18. August 1971 25 000 DM. Er erklärte die Zahlung wie folgt:
Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bau seines Einfamilienhauses in A habe er die Firma I mit dem Verkauf des alten Einfamilienhauses in G beauftragt. Die Firma I habe mehrere Interessenten an der Hand gehabt, die 165 000 DM zu zahlen bereit gewesen seien; die Verkaufsverhandlungen seien schon vor dem Abschluß gestanden. Als aber bekanntgeworden sei, daß die Firma P-KG auf dem Nachbargrundstück einen achtgeschossigen Wohnblock errichten wolle, seien für das Einfamilienhaus in G nur mehr 140 000 DM geboten worden. Er habe in dieser Situation nur zwei Möglichkeiten gesehen: nämlich entweder das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück zu verhindern oder sich den Vermögensverlust von 25 000 DM durch die Firma P-KG vergüten zu lassen. Da die Firma P-KG zur Ersatzleistung -- in Höhe von 25 000 DM bei acht Geschossen, von 20 000 DM bei sieben und von 15 000 DM bei sechs Geschossen des zu errichtenden Wohnblocks -- bereit gewesen sei, seien entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen worden. Die -- im Sommer 1971 -- erhaltene Überweisung von 25 000 DM sei somit eine Ersatzleistung für die Wertminderung von genau 25 000 DM gewesen, die die Errichtung des achtgeschossigen Wohnblocks auf dem Nachbargrundstück für das Einfamilienhaus in G mit sich gebracht habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erfaßte den Betrag von 25 000 DM als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Denn der Kläger habe auf die Bereitschaft der Firma P-KG zur "Entschädigungsleistung" die Baupläne der Firma P-KG unterschrieben und sich damit des Rechts begeben, als Grundstücksnachbar Einwendungen gegen das Bauvorhaben der Firma P-KG geltend zu machen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügen die Kläger, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts (FG) sei ein Entschädigungsanspruch gegen die Firma P-KG nicht ausgeschlossen gewesen. Gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hätten die Kläger zwar die wesentliche Beeinträchtigung ihres Grundstücks durch die totale Beschattung nicht verhindern können; nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hätten sie jedoch von der Firma P-KG einen angemessenen Ausgleich in Geld (Entschädigung) für diese Beeinträchtigung beanspruchen können. Das FG habe angenommen, daß negative Immissionen, zu welchen auch die Entziehung von Licht und Sonne gehörten, keine unzulässigen Immissionen i. S. des § 906 BGB sein könnten. Diese Rechtsansicht sei falsch. Es sei anerkannt, daß der Entschädigungsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch außerhalb des Immissionsbereichs des § 906 Abs. 1 BGB gegeben sein könne. Die Entschädigung sei nicht dafür gezahlt worden, daß die Baugenehmigung -- durch Nichtwidersprechen -- erteilt werden konnte, sondern dafür, daß das Grundstück eine Wertminderung habe hinnehmen müssen, und zwar je nach Umfang der Baugenehmigung und deren Ausnutzung. Die Zahlung habe demnach lediglich eine Vermögensumschichtung bewirkt.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG den Berichtigungsbescheid des FA vom 3. Mai 1976 in der Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Einkünfte aus Leistungen unterliegen als "sonstige Einkünfte" der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 3 EStG), soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i. S. des § 22 Nrn. 1 oder 2 EStG gehören.
Der Betrag von 25 000 DM, den der Kläger erhalten hat, ist vom FA ohne Rechtsverstoß als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG erfaßt worden.
Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß der Empfang dieses Betrags von keiner anderen Einkunftsart erfaßt worden ist, und daß er mit einer Leistung des Empfängers in Zusammenhang steht. Ausgenommen von § 22 Nr. 3 EStG bleiben Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298 und die dort zitierte Rechtsprechung); ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann (§ 241 BGB). Im vorliegenden Fall ist zwischen dem Kläger und der Firma P-KG ein Vertrag geschlossen worden, wovon auch die Kläger ausgehen.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, welches Verhalten des Klägers entscheidender Vertragsinhalt zwischen ihm und dem anderen Vertragsteil geworden ist. Zweck des Vertrages war in jedem Fall das Hinnehmen einer Einschränkung der dem Kläger zustehenden oder -- ggf. vom Kläger her gesehen -- vermeintlich zustehenden Nachbarrechte (vgl. zur subjektiven Seite BFH-Urteil vom 25. September 1979 VIII R 34/78, BFHE 129, 128, BStBl II 1980, 114), also ein "Dulden".
Gleichgültig, ob einem Teil dieses einheitlichen Lebensvorganges ausschlaggebende Bedeutung als Vertragsinhalt beigemessen oder ob ein aus Tun, Unterlassen und Dulden zusammengesetztes Verhalten als maßgebend erachtet wird, handelt es sich jedenfalls um eine bestimmbare und bestimmte Leistung des Klägers.
Eine von § 22 Nr. 3 EStG nicht erfaßte Leistung läge allerdings dann vor, wenn der Kläger dem anderen Vertragsteil ein eigenes Wirtschaftsgut übertragen hätte.
§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG will die von den Einkunftsarten § 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 EStG unerfaßt gebliebenen "Veräußerungsgewinne" abschließend regeln. Daraus folgt, daß Entgelte für die Veräußerung eines Gegenstandes des Privatvermögens nicht unter § 22 Nr. 3 EStG fallen (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 167/71, BFHE 116, 550, BStBl II 1976, 62); Entsprechendes gilt für veräußerungsähnliche Vorgänge (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796).
Der Sachverhalt ist nicht dem im Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 entschiedenen Fall vergleichbar. Dort war der Teil des Grundstücks, der für U-Bahn-Zwecke benötigt worden war, wirtschaftlich in seiner Substanz von dem übrigen Grundstückseigentum abgespalten worden und dem Grundstückseigentümer die Herrschaftsgewalt darüber auf Dauer verlorengegangen. Ein solcher veräußerungsähnlicher Vorgang liegt hier nicht vor.
Die Leistung des Klägers steht mit dem Entgelt, das er empfangen hat, im Zusammenhang. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
Die Einwände der Kläger greifen nicht durch. Auch wenn davon ausgegangen wird, daß das Entgelt der Wertminderung entsprechen sollte, die das Grundstück des Klägers durch die Bebauung des Nachbargrundstücks erfuhr, wurde nicht eine Substanzübertragung des Grundstücks abgegolten, sondern die Wertminderung dieses Grundstücks war die Bemessungsgrundlage für den Wert der Leistung des Klägers.
Dahingestellt bleiben kann, ob ein Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestand, wie der Kläger meint, oder nicht, wie das FG ausgeführt hat. Denn das FG hat in den Senat bindender Weise zuvor festgestellt, daß die Firma P-KG Entgelt entweder dafür aufgewendet hat, daß der Kläger die Baupläne unterschrieb und sich der nachbarrechtlichen Einwendungen begab, oder dafür, daß der Kläger von weiteren Einwendungen gegen das Bauvorhaben absah. Darauf, ob ein Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hätte entstehen können oder nach Erstellung des Baus entstanden ist, kam es demzufolge für das FG nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 74610 |
BStBl II 1983, 404 |
BFHE 1983, 177 |