Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird eine für wesentlich beteiligte Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gebildete Pensionsrückstellung gewinnerhöhend aufgelöst, so ist zur Ermittlung des Gewerbeertrags im Sinne des § 7 GewStG der Bilanzgewinn um den Betrag zu kürzen, der in früheren Jahren als Zuführung zu der Pensionsrückstellung gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG dem Gewinn zugerechnet worden war.
Der Betrag, um den eine Pensionsrückstellung gemäß § 29 DMBG in der DM-Eröffnungsbilanz erfolgsneutral aus dem Vermögen der Kapitalgesellschaft aufgestockt worden war, kann bei späterer Auflösung der Pensionsrückstellung zur Ermittlung des Gewerbeertrags nicht vom Bilanzgewinn abgesetzt werden.
Normenkette
GewStG §§ 7, 8 Ziff. 6; DMBG § 29; DMBG § 74; DMBG § 75
Tatbestand
Die beschwerdeführende AG (Bfin.) löste in ihrer Bilanz vom 31. Dezember 1957 eine Pensionsrückstellung von 63.389 DM gewinnerhöhend auf, nachdem die pensionsberechtigte Witwe A. im August 1957 gestorben war. Die ursprünglich für das am 19. Januar 1948 gestorbene, wesentlich an der Bfin. beteiligte Vorstandsmitglied Direktor A. gebildete Pensionsrückstellung hatte die Bfin. in der RM-Schlußbilanz vom 31. März 1949 auf seine Witwe übertragen. Die gewinnmindernden Zuweisungen an die Rückstellung waren - entgegen § 8 Ziff. 6 GewStG - zur Ermittlung des Gewerbeertrages nicht wieder dem gewerblichen Gewinn zugerechnet worden. Die in der Bilanz vom 31. März 1949 noch bestehende Rückstellung von 27.830 DM-West / DM-Ost war in der DM-Eröffnungsbilanz vom 1. April 1949 um 46.987 DM auf 74.817 DM erhöht worden. Sie bestand am 31. Dezember 1957 noch in Höhe von 63.389 DM. Das Finanzamt erkannte die von der Bfin. beantragte Kürzung des Gewerbeertrags 1957 um den Betrag von 63.389 DM nicht an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts im Streitpunkt bei. Es führte im wesentlichen aus: Zu den nach § 8 Ziff. 6 GewStG dem Gewinn wieder zuzurechnenden Vergütungen gehörten auch Zuführungen an Rückstellungen für Pensionszusagen, die wesentlich Beteiligten gegeben worden seien (Urteil des Bundesfinanzhofs I 42/58 U vom 13. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 315, Slg. Bd. 67 S. 113). Die in der DM-Eröffnungsbilanz vom 1. April 1949 gebildete Pensionsrückstellung A. habe den gewerblichen Gewinn 1949 nicht gemindert und sei daher auch nicht gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG dem Gewinn wieder zuzurechnen gewesen. Aufgelöste Pensionsrückstellungen erhöhten den gewerblichen Gewinn nach den Vorschriften des EStG als außerordentlichen Ertrag. Für die gewerbesteuerrechtliche Behandlung des Auflösungsbetrags sei entscheidend, ob die Rückstellung zu Lasten des Gewerbeertrags gebildet worden sei; wenn das nicht der Fall gewesen sei, so dürfe die Auflösung der Rückstellung den Gewerbeertrag nicht erhöhen (Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943, RStBl 1944, S. 148, Slg. Bd. 54 S. 33). Die Auflösung einer Pensionsrückstellung, die bei ihrer Bildung von der Gewerbesteuer nicht erfaßt worden sei, könne aber nicht anders behandelt werden als die Auflösung anderer Rückstellungen und passiver Rechnungsabgrenzungsposten, die den nach den Vorschriften des EStG ermittelten Gewinn erhöhten, der grundsätzlich auch der Gewerbesteuer zugrunde zu legen sei.
Mit der Rb. beantragt die Bfin. nur noch einen Teil des Auflösungsbetrags in Höhe von 46.987 DM nicht zum Gewerbeertrag zu rechnen. Sie begründet ihren Antrag wie folgt: In Höhe von 46.987 DM sei die Rückstellung nicht zu Lasten der früheren Jahresergebnisse, sondern bei der Neufestsetzung des Kapitals nach den Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) aus dem Reinvermögen der Bfin. gebildet worden. Aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43, a. a. O., ergebe sich nicht, daß es für die gewerbesteuerfreie Auflösung von Pensionsrückstellungen nur darauf ankomme, ob die Zuführungen zu der Rückstellung aus laufenden Gewinnen die Gewerbesteuer nicht gemindert hätten. Zur gewerbesteuerfreien Auflösung von Pensionsrückstellungen, die aus dem Vermögen gebildet worden seien, hätten der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof noch nicht Stellung genommen. In Ziff. IV 6 des Organschaftserlasses vom 23. Oktober 1959 (BStBl 1959 II S. 161 ff.) sei ausgeführt, daß "die Auflösung ... von Rücklagen, die bei der Gründung eines Organs gebildet worden oder die in der DM-Eröffnungsbilanz des Organs enthalten sind, ... nicht zu berücksichtigen (sind), da sie den Gewinn des Organs nicht gemindert haben". Für die Körperschaftsteuer würden also Erträge aus der Auflösung solcher Rücklagen, die bei der Gründung oder bei der Kapitalneufestsetzung gebildet worden seien, so behandelt, als ob es sich um versteuerte Zuführungen zu Lasten der Jahresergebnisse handele. Demgemäß seien auch Pensionsrückstellungen für wesentlich Beteiligte, die in der DM-Eröffnungsbilanz gebildet worden seien, steuerlich ebenso zu behandeln wie die Zuführungen zu Rückstellungen zu Lasten des laufenden Gewinns; für die Gewerbesteuer seien die Pensionsrückstellungen für Versorgungszusagen an wesentlich Beteiligte als versteuerte Rücklagen zu behandeln. Dieselbe Folge ergebe sich aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs I 415/39 vom 6. Februar 1940 (Slg. Bd. 48 S. 122). Danach gälten als steuerfrei gebildet auch Rückstellungen, die bei Eintritt in die Steuerpflicht in der steuerlichen Anfangsbilanz ausgewiesen worden seien. Daraus folge, daß auch solche Rücklagen oder Rückstellungen als steuerpflichtig gebildet zu behandeln seien, die erstmalig in der DM-Eröffnungsbilanz passiviert worden seien; sie müßten als eine gewerbesteuerpflichtige Zuführung gelten, so daß die Auflösung zu einem gewerbesteuerfreien Ertrag führe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der AG ist nicht begründet.
Das Gesetz bietet keine Möglichkeit, den Betrag von 46.987 DM, um den die Bfin. in ihrer DM-Eröffnungsbilanz vom 1. April 1949 die noch nicht verbrauchte und fortgeführte Pensionsrückstellung A. erfolgsneutral aus ihrem Vermögen erhöhte, bei der Auflösung der Rückstellungen aus dem für 1957 zu versteuerten Gewerbeertrag entsprechend dem Antrag der Bfin. auszusondern. Die Bfin. ist selbst der Auffassung, daß der Auflösungsbetrag von 63.389 DM in voller Höhe den der Körperschaftsteuer zu unterwerfenden Gewinn erhöht. Nach § 7 GewStG ist aber Ausgangspunkt für die Berechnung des Gewerbeertrags der nach den Vorschriften des EStG und des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb. Es ist zwar richtig, wie die Bfin. darlegt, daß der Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG selbständig zu ermitteln ist; der für die Zwecke der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ermittelte Gewinn ist nicht für die Gewerbesteuer bindend; § 7 GewStG schreibt nur vor, daß die Vorschriften der Gewinnermittlung für Zwecke der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden sind (Urteil des Senats I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9). Im Streitfall muß indessen auch für Zwecke des Gewerbeertrags der für die Körperschaftsteuer maßgebende Gewinn, das heißt der Gewinn unter Berücksichtigung des vollen Auflösungsbetrags von 63.389 DM angesetzt werden, weil dieser Gewinn nach den entsprechend anzuwendenden Vorschriften des EStG richtig ermittelt ist.
Zutreffend weist die Bfin. darauf hin, daß ein Teil der aufgelösten Rückstellung von 46.987 DM nicht zu Lasten des Gewerbeertrags früherer Jahre, sondern bei der Neufestsetzung des Kapitals gemäß § 29 DMBG aus dem freien Vermögen der Gesellschaft gebildet worden ist. Die Anwendung des § 29 DMBG wirkt auf Grund der Kopplungsvorschrift der §§ 74 und 75 DMBG zweischneidig. Um den Aufstockungsbetrag von 46.987 DM minderte die Bfin. gemäß § 75 DMBG ihr Vermögen mit Wirkung für die nach dem Stichtag der DM-Eröffnungsbilanz zu berechnende Vermögensteuer und gemäß § 21 LAG den Lastenausgleich (Vermögensabgabe); andererseits muß dann aber später die Auflösung der Rückstellung zwangsläufig den Gewinn erhöhen. Diesen Zusammenhang erkennt die Bfin. für die Körperschaftsteuer offenbar an. Ihre Auffassung, daß für die Ermittlung des Gewerbeertrags etwas anderes gelte, trifft nicht zu; § 7 GewStG erfordert für die Ermittlung des Gewerbeertrags dieselbe Beurteilung.
Mit Recht hat sich das Finanzgericht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43, a. a. O., berufen. Der Senat ist dieser Entscheidung in der Sache I 158/57 U vom 5. August 1958 (BStBl 1958 III S. 427, Slg. Bd. 67 S. 403) beigetreten. Ist auf Grund von § 8 Ziff. 6 GewStG die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn wieder zugerechnet worden, so muß bei Auflösung der Rückstellung der bilanzmäßige Gewinn um den früher zugerechneten Betrag gekürzt werden; andernfalls würde derselbe Betrag doppelt zur Gewerbeertragsteuer erfaßt. Die Zurechnung der Zuführungen zum Gewinn bedeutet eine Abweichung von der bilanzmäßigen Gewinnermittlung zuungunsten der Steuerpflichtigen. Das rechtfertigt, auch bei Auflösung der Rückstellung in demselben Umfang von der bilanzmäßigen Gewinnermittlung zugunsten der Steuerpflichtigen abzuweichen. Es geht hier nicht um eine Abweichung vom Gesetz, sondern um eine sinngemäße Auslegung des § 7 GewStG in Verbindung mit der gewerbesteuerrechtlichen Sonderregelung des § 8 Ziff. 6 GewStG.
Die weitergehende Auffassung der Bfin., daß Erträge aus der Auflösung von Pensionsrückstellungen, die in der DM-Eröffnungsbilanz erfolgsneutral zu Lasten des Vermögens einer Kapitalgesellschaft gebildet worden sind, in jedem Fall bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ausgesondert werden müßten, widerspricht, wie erwähnt, dem § 7 GewStG und dem Kopplungsgrundsatz des § 75 DMBG. Es ist auch nicht zu erkennen, warum die Bfin. ihre Auslegung nur auf Pensionsrückstellungen für wesentlich beteiligte Gesellschafter angewandt wissen will; von ihrem Standpunkt aus müßte dasselbe für alle in der DM-Eröffnungsbilanz aufgestockten Pensionsrückstellungen gelten. Für eine solche Auslegung, die die Bfin. anscheinend selbst nicht will, fehlt es nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage; sie widerspricht sogar offensichtlich dem Wortlaut und dem Sinn des § 7 GewStG.
Das Urteil des Reichsfinanzhofs I 415/39, a. a. O., auf das sich die Bfin. beruft, ist zu § 12 Ziff. 2 KStG betreffend die Zurechnung der gezahlten Körperschaftsteuer zum Einkommen einer Kapitalgesellschaft ergangen und ergibt für die Auslegung des § 7 GewStG, um die es im Streitfall geht, nicht. Dasselbe gilt für Abschnitt IV Ziff. 6 des Organerlasses vom 23. Oktober 1959, der sich mit Sonderfragen der Einkommensermittlung bei der Organobergesellschaft und der Organgesellschaft befaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 410038 |
BStBl III 1961, 280 |
BFHE 1962, 30 |
BFHE 73, 30 |