Leitsatz (amtlich)
Eine Teilpraxisveräußerung i. S. des § 18 Abs. 3 EStG liegt nicht vor, wenn ein Steuerbevollmächtigter, der am selben Ort in einem einheitlichen örtlichen Wirkungsbereich, jedoch in organisatorisch getrennten Büros eine landwirtschaftliche Buchstelle und eine Steuerpraxis für Gewerbetreibende betreibt, die Steuerpraxis für Gewerbetreibende veräußert.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 2
Tatbestand
Für den Veranlagungszeitraum 1968 ist streitig, ob der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung eines Teiles seiner freiberuflichen Praxis einen Veräußerungsgewinn i. S. des § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt und deshalb nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielt in den Jahren 1946 bis 1972 eine landwirtschaftliche Buchstelle, in der er vornehmlich land- und forstwirtschaftliche Betriebe, aber auch Gewerbetreibende betreute. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 EStG. Die Übernahme weiterer 37 gewerblicher Mandanten von einem Berufskollegen im Jahre 1964 veranlaßte ihn, um die Jahreswende 1964/1965 die Betreuung sämtlicher Gewerbetreibender räumlich und personell in der Weise zusammenzufassen, daß sie in besonderen Praxisräumen von ausschließlich für sie zuständigen Mitarbeitern erfolgte. Nach der Fertigstellung eines Erweiterungsbaues verlegte er die Praxis für Gewerbetreibende ab April 1967 ganz in den aus drei Büroräumen bestehenden Anbau, während er im Erdgeschoß des Hauptgebäudes in vier Büroräumen die Steuer- und Buchführungsangelegenheiten der Land- und Forstwirte durch das dafür besonders vorgebildete Personal bearbeiten ließ. Am Hauptgebäude befand sich das Praxisschild: "X Y, Landwirtschaftliche Buchstelle, Steuerbevollmächtigter", rechts neben der Haustür der Hinweis: "Gewerbe, Eingang dort" mit einem auf die Rückseite des Gebäudes weisenden Pfeil.
Im Jahre 1968 entschloß sich der Kläger, dessen Klienten aus 200 bis 250 Landwirten und 80 Gewerbetreibenden bestand, zur Abgabe der Steuerpraxis für Gewerbetreibende an einen jüngeren Berufskollegen.
Ab 1. Juni 1968 führte der Kläger im Hauptgebäude die landwirtschaftliche Buchstelle mit drei qualifizierten Mitarbeitern, drei Hilfskräften und zwei Lehrlingen weiter, während der Steuerbevollmächtigte W wie vereinbart im Anbau mit zwei qualifizierten Mitarbeitern, zwei Hilfskräften und zwei Lehrlingen den vom Kläger übernommenen gewerblichen Mandantenstamm betreute.
In den Jahresabschlüssen bis einschließlich 1966 hatte der Kläger den Gewinn aus der gesamten Praxis einheitlich ermittelt. Erstmals im Jahresabschluß 1967, der zusammen mit der Steuererklärung 1967 im Februar 1969 beim FA eingereicht wurde, ermittelte er getrennt Gewinne für die Praxisteile "Landwirtschaft" und "Gewerbe". Zum 31. Mai 1968 stellte der Kläger für den Praxisteil Gewerbe eine Schlußbilanz auf und ermittelte außerdem den Gewinn aus ihrer Veräußerung. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 gewährte das FA - entgegen dem Antrag des Klägers - nicht die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG i. V. m. § 18 Abs. 3 EStG.
Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, weil es sich bei der Veräußerung des gewerblichen Teils der Praxis seiner Auffassung nach um eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung gehandelt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 18 Abs. 3 EStG und des § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Er trägt im wesentlichen vor, bei sinnvoller Auslegung der Rechtsprechung könne gefolgert werden, daß er seine Praxis 1968 nicht nur eingeschränkt, sondern eine Teilpraxis veräußert habe.
Die Abgrenzung der verkauften Teilpraxis von seiner weiteren Teilpraxis "Landwirtschaftliche Buchstelle", die inzwischen ebenfalls verkauft worden sei, ergebe sich aus folgenden Merkmalen:
a) Zunächst aus der räumlichen Trennung. Die landwirtschaftliche Buchstelle sei im Erdgeschoß des Hauptgebäudes untergebracht gewesen, während die Gewerbetreibenden im Anbau betreut worden seien.
b) Aus dem sachlich bedingten Unterschied zwischen der Buchführung und der steuerlichen Beratung für Gewerbebetriebe einerseits und für land- und forstwirtschaftliche Betriebe andererseits.
c) Für jede Teilpraxis sei besonders geschultes, nicht austauschbares Personal vorhanden gewesen.
d) Ab 1967 sei für beide Teile eine besondere Bilanz mit eigener Gewinnermittlung erstellt worden.
e) Auch im Veräußerungsvertrag vom 1. Juni 1968 sei eine deutliche Trennung der beiden Teilpraxen vorgenommen worden.
Der sachliche Unterschied der beiden Teilpraxen werde auch durch § 8 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) bestätigt, wonach Steuerberatern, die eine besondere Sachkunde auf dem Gebiet der Hilfeleistung in Steuersachen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nachweisen könnten, auf Antrag die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung "Landwirtschaftliche Buchstelle" verliehen werden könne. Das sei im vorliegenden Fall seitens der Landwirtschaftskammer in Benehmen mit der Oberfinanzdirektion (OFD) geschehen. Sei er im Jahre 1968 aber Inhaber der landwirtschaftlichen Buchstelle, andererseits aber auch der Inhaber einer auf die Betreuung von Gewerbetreibenden ausgerichteten Steuerberaterpraxis gewesen, so habe er zwei selbständige wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten ausgeübt mit völlig verschiedenen Mandantenkreisen, die er örtlich getrennt habe betreuen lassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, da es sich bei den Praxisteilen des Klägers nur um zwei Abteilungen einer einheitlichen Steuerberatungspraxis im selben örtlichen Wirkungskreis gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 10. Oktober 1963 IV 198/62 S (BFHE 78, 303, BStBl III 1964, 120) kann die Veräußerung eines selbständigen Teils des der freiberuflichen Tätigkeit dienenden Vermögens, also eine Teilpraxisveräußerung i. S. des § 18 Abs. 3 EStG, in Betracht kommen, wenn ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen zugleich ausübt. Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige Tätigkeit, so schließt die Eigenart der selbständigen Arbeit und die Betonung der Betätigung im allgemeinen die Annahme aus, daß Teile der Praxis eine so weitgehende organische Selbständigkeit erlangt haben, daß sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können. Etwas anderes gilt nach dem Urteil allerdings dann, wenn der Veräußerer die sachlich einheitliche Tätigkeit wenigstens in einem örtlich abgegrenzten Bereich endgültig eingestellt hat. Das kann der Fall sein, wenn die Praxis an mehreren entfernten Orten mit getrennten Kundenkreisen und im Rahmen selbständiger Büros mit besonderem Personal ausgeübt wird. Bei sachlich einheitlicher Tätigkeit, die in einem zusammenhängenden räumlichen Wirkungskreis mit nur einem Büro als Mittelpunkt verwaltet wird, kommt eine steuerbegünstigte Praxisveräußerung in der Regel nicht in Betracht. Die Abgabe eines Teils der Mandate zum Zwecke der Praxiseinschränkung stellt dann nur eine Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände dar, zu denen auch die Beziehungen zu einem Teil der Mandanten gehören. Es fehlt in einem solchen Fall an der Einstellung der gesamten Tätigkeit in einem geschlossenen räumlichen Wirkungsbereich. Die bloße Einschränkung der Tätigkeit genügt nicht den Voraussetzungen, an die das Gesetz die Steuerbegünstigung von Veräußerungsgewinnen knüpft.
Nach diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat im Urteil vom 14. Mai 1970 IV 136/65 (BFHE 99, 126, BStBl II 1970, 566) die Veräußerung einer Teilpraxis verneint, wenn ein Steuerbevollmächtigter von seiner freiberuflichen Praxis denjenigen Teil veräußert, in dem lediglich die Buchführung für Mandanten erfolgte. Zur Begründung hat er ausgeführt, es handle sich um keinen Fall, bei dem ein Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen zugleich ausübe und damit wie ein Gewerbetreibender Inhaber mehrerer selbständiger Betriebe sein könne. Die Veräußerung einer Teilpraxis liege nicht vor, weil die Buchführungspraxis nicht als verselbständigter Teil der Gesamtpraxis, sondern als unselbständiger Teil einer einheitlichen Steuerpraxis anzusehen sei und der Steuerbevollmächtigte von dieser einheitlichen Steuerpraxis eine Restpraxis in X tatsächlich fortgeführt und deshalb seine Tätigkeit in dem örtlich begrenzten Wirkungsbereich nicht aufgegeben habe.
Im Urteil vom 14. März 1975 IV R 78/71 (BFHE 116, 8, BStBl II 1975, 661) handelte es sich um eine Steuerberaterpraxis, bei der das FG festgestellt hatte, daß die organisatorische Abgrenzung der beiden in derselben Stadt lie Jenden Steuerbüros nicht so durchgeführt war, daß zwei mit gewisser Selbständigkeit ausgestattete, organisch geschlossene Praxisteile vorhanden gewesen wären, vielmehr beide Teile zusammen eine einheitliche Praxis gebildet hätten. Der erkennende Senat hat daher die Annahme einer steuerlich begünstigten Teilpraxisveräußerung wiederum davon abhängig gemacht, daß der Veräußerer seine einheitliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis tatsächlich wenigstens für eine gewisse Zeit einstellt und nach außen hin eine solche Einstellung auch in Erscheinung tritt. Er hat betont, daß er an diesen Grundsätzen auch unter der ab dem Veranlagungszeitraum 1965 geltenden geänderten Fassung des § 18 Abs. 3 EStG festhalte, durch die auch die Begünstigung einer Teilpraxisveräußerung erstmals gesetzlich anerkannt werde.
Aus dieser Rechtsprechung lassen sich für die freien Berufe zwei Arten einer selbständigen Teilpraxis i. S. der §§ 18 Abs. 3 und 34 Abs. 2 EStG herausarbeiten:
1. Es liegt keine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit vor; vielmehr handelt es sich um mehrere organisatorisch selbständige Praxisteile, in denen der Sache nach verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen ausgeübt werden. In diesem Falle erfordert die Annahme einer Teilpraxisveräußerung nicht, daß die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungsbereich eingestellt wird. Derartige Fälle dürften jedoch bei den freien Berufen wegen ihrer Personenbezogenheit und - damit zusammenhängend - aufgrund der Tatsache, daß eine Person in der Regel nur eine Berufstätigkeit ausübt, relativ selten sein.
2. Es liegt eine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit vor. Die Praxis wird aber im Rahmen organisatorisch selbständiger Büros mit besonderem Personal, die sich in der Regel, aber nicht unbedingt an verschiedenen Orten befinden, in voneinander entfernten örtlichen Wirkungsbereichen mit getrennten Mandantenkreisen ausgeübt. Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung setzt dann die Veräußerung des einen Büros samt den Mandantenbeziehungen und die völlige Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit in dem dazugehörigen örtlich abgegrenzten Wirkungsbereich voraus. Die Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungsbereich ist deshalb unbedingt erforderlich, weil es in diesem Falle gerade der eigene von der übrigen Praxis abgegrenzte örtliche Wirkungsbereich ist, der dem organisatorisch selbständigen Büro trotz der sachlich einheitlichen freiberuflichen Praxis das Gepräge einer selbständigen Teilpraxis verleiht.
Beim Kläger fehlen für beide Arten von Teilpraxisveräußerungen die Voraussetzungen.
Zu 1. Die landwirtschaftliche Buchstelle und die Steuerpraxis für Gewerbetreibende waren zwar - im selben Gebäude - in getrennten Büros untergebracht und in gewisser Weise auch organisatorisch getrennt, wenn man davon absieht, daß der Kläger die getrennte Gewinnermittlung für beide Zweige erst in dem auf die Veräußerung folgenden Jahr dem FA vorgelegt hat. Die Tätigkeit des Klägers als Steuerbevollmächtigter in der landwirtschaftlichen Buchstelle und seine entsprechende Tätigkeit in der Steuerpraxis für Gewerbetreibende müssen aber von der Sache her als weitgehend gleichartige und nicht als wesensmäßig verschiedene berufliche Tätigkeiten beurteilt werden. Wie das FG zutreffend festgestellt hat, handelte es sich um zwei Abteilungen einer einheitlichen Steuerberaterpraxis. Eine derartige organisatorische Unterteilung einer freiberuflichen Praxis nach sachlichen Gesichtspunkten ist bei umfangreicherer freiberuflicher Tätigkeit z. B. eines Arztes, eines Architekten, eines Rechtsanwalts nicht ungewöhnlich. Viele freie Berufe umfassen heute mehrere Arbeitsbereiche, nach denen eine solche Praxis dann auch organisatorisch gegliedert werden kann, ohne daß man deshalb von verselbständigten und von der Sache her verschiedenen Teilen einer freiberuflichen Praxis sprechen könnte. Von der Sache her oder wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten sind vor allem dann zu bejahen, wenn sie üblicherweise nicht von einer Person ausgeübt werden können, weil sie eine unterschiedliche Berufsausbildung und in der Regel einen unterschiedlichen Werdegang erfordern. Ein Rechtsanwalt z. B., der neben seiner Anwaltskanzlei auch eine organisatorisch selbständige Steuerberaterpraxis betreibt, dürfte diese Voraussetzungen erfüllen.
Zu 2. Geht man von einer sachlich einheitlichen Steuerberatungspraxis mit den Abteilungen für Landwirte und Gewerbetreibende aus, so scheitert die Annahme einer Teilpraxisveräußerung auch dann, wenn man anerkennen würde, daß die beiden Abteilungen organisatorisch gesehen weitgehend verselbständigt waren und auch mit eigenem Personal gearbeitet haben. Denn bei der sachlich einheitlichen Praxis wäre für die Annahme einer Teilpraxisveräußerung unbedingt erforderlich, daß die beiden organisatorisch selbständigen Büros für getrennte Kundenkreise in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Wirkungsbereichen tätig waren und mit der Veräußerung der einen Abteilung oder des einen Büros die eigene Tätigkeit des Klägers in dem dazugehörigen bisherigen örtlichen Wirkungsbereich eingestellt worden ist. Diese Voraussetzung liegt unstreitig nicht vor, da nach den Feststellungen des FG die landwirtschaftliche Buchstelle und die Steuerpraxis für Gewerbetreibende keine voneinander abgenzbaren örtlichen Wirkungsbereiche hatten.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72828 |
BStBl II 1978, 562 |
BFHE 1979, 249 |