Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Kaufmann einem Arbeitnehmer eine Pensionszusage erteilt, so ist er nach den Grundsätzen des Handels- und Steuerrechts auch nach Eintritt des Versorgungsfalles nicht verpflichtet, eine Pensionsrückstellung zu bilden. Sieht er in Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts von der Bildung einer Pensionsrückstellung ab, so ist eine Nachholung in späteren Jahren nicht mehr zulässig.
Normenkette
EStG § 4/1, §§ 5, 6a
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welcher Höhe die Bfin. in den Jahren 1953 und 1954 Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen gegenüber den Witwen zweier Vorstandsmitglieder bilden durfte.
Die Bfin. schloß mit ihren Vorstandsmitgliedern A. und B. im Jahre 1951 Pensionsverträge ab, in denen auch den Witwen der beiden Vorstandsmitglieder nach dem Tode ihrer Ehegatten eine Pension zugesagt wurde. Herrn A. wurde die Pension mit Vollendung des 65. Lebensjahres (zum 9. Dezember 1953) und Herrn B. mit Vollendung des 62. Lebensjahres (zum 16. Oktober 1954) zugesagt. In den Bilanzen auf 31. Dezember 1951 und 31. Dezember 1952 bildete die Bfin. keine Rückstellungen wegen dieser Zusagen.
Im März 1953 starb Herr A., im April 1954 Herr B. Die Bfin. stellte für die Witwenpension A. auf 31. Dezember 1953 = 85 493 DM und für die Witwenpension B. auf 31. Dezember 1954 = 102 611 DM gemäß den versicherungsmathematischen Barwerten der Witwenrenten zu diesen Stichtagen zurück.
Im Anschluß an die Betriebsprüfung beanstandete das Finanzamt die Rückstellungen, da wegen des Nachholverbots eine Rückstellung nur im Jahre der Pensionszusage gebildet werden könne. Es erhöhte daher in vollem Umfang die Gewinne der Jahre 1953 und 1954 um den Betrag der Rückstellungen. Auf dieser Grundlage ergingen gemäß § 222 AO berichtigte Bescheide.
Hiergegen machte die Bfin. geltend, die streitigen Rückstellungen müßten steuerlich anerkannt werden, da sie nach Handels- und Steuerrecht verpflichtet gewesen sei, die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Witwen in den Handels- und Steuerbilanzen auszuweisen.
Der Einspruch der Bfin. hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzamt führte aus, es sei nach der Rechtsprechung nicht zulässig, daß die Bfin. die Belastung in vollem Umfang jeweils erst dann ausgewiesen habe, als der Pensionsfall durch den Tod ihrer Vorstandsmitglieder in den Jahren 1953 und 1954 eingetreten sei. Der Bfin. habe nur ein Wahlrecht zugestanden, entweder den Barwert künftiger Pensionslasten durch Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz bis zum Eintritt des Versorgungsfalles gleichmäßig anzusammeln oder die künftigen Pensionszahlungen als laufende Unkosten des Jahres der Zahlung zu behandeln. Einem Hilfsantrag der Bfin. folgend, ließ es das Finanzamt jedoch zu, im Wege der Bilanzänderung für die Pensionsverpflichtungen im Jahre 1953 für das im Anschluß an die Betriebsprüfung das Einkommen um den Betrag von 85 493 DM (Pensionsrückstellung A) erhöht worden war, eine Rückstellung von 84 863 DM zu bilden. Auf der Grundlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens ging das Finanzamt davon aus, die Bfin. hätte bei rechtzeitiger Ausübung ihres Wahlrechts im Jahre 1953 für die Pensionsverpflichtung A den Unterschiedsbetrag zwischen den versicherungsmathematischen Werten auf 31. Dezember 1952 (= 75 180 DM) und 31. Dezember 1953 (= 85 493 DM), somit den Betrag von 10 313 DM, der Rückstellung zuführen dürfen. Wegen der Pensionsverpflichtung B habe die Bfin. für 1953 nach dem Gutachten 74 550 DM dem Konto Pensionsrückstellungen zuführen dürfen, so daß sich für beide Verpflichtungen eine Zuführung von insgesamt 84 863 DM ergebe. Im Falle B könne eine Zuführung zu einer Pensionsrückstellung am 31. Dezember 1954 nicht anerkannt werden, da der versicherungsmathematische Wert der Verpflichtung am 31. Dezember 1954 (102 611 DM) niedriger gewesen sei als der Wert am 31. Dezember 1953 (163 603 DM).
Die Berufung der Bfin., mit der sie erneut begehrte, eine Rückstellung in Höhe der versicherungsmathematisch ermittelten Barwerte der Witwenrenten anzuerkennen, hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auch ihre Rb., mit der sie unrichtige Rechtsanwendung rügt, ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat es mit Recht abgelehnt, Zuführungen zu den streitigen Rückstellungen in den Jahren 1953 und 1954 insoweit zuzulassen, als sie in den früheren Jahren seit Gewährung der Pensionszusagen zulässig gewesen wären, jedoch unterlassen worden sind. Der Bundesfinanzhof hat im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wiederholt ausgesprochen, daß dem Kaufmann ein Wahlrecht zustehe, entweder den Pensionsaufwand durch Bildung von Rückstellungen auf die aktive Dienstzeit des pensionsberechtigten Arbeitnehmers zu verteilen oder die Pensionszahlungen als laufenden Aufwand zu Lasten des Jahres zu behandeln, in dem sie geleistet werden. Entscheidet er sich im Rahmen dieses Wahlrechts in einem bestimmten Wirtschaftsjahr gegen die Bildung einer Rückstellung, so bleibt er an diese Wahl insofern gebunden, als er die in diesem Jahr unterlassenen Zuführungen zu einer Rückstellung nicht in einem späteren Jahr nachholen kann (Urteile des Bundesfinanzhofs I 113/52 U vom 10. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 102, Slg. Bd. 57 S. 254; I 174/55 S vom 27. September 1955, BStBl 1955 III S. 366, Slg. Bd. 61 S. 431). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung, die durch § 6a EStG 1955 gesetzlich verankert worden ist, abzugehen.
Die Folgerungen, die die Bfin. aus den Bilanzierungsvorschriften des Handelsrechts für die hier streitige Frage herleiten will, vermögen nicht zu überzeugen. Der Bundesgerichtshof ist im Urteil II ZR 292/59 vom 27. Februar 1961 (Der Betrieb - DB - 1961 S. 498) mit eingehender Begründung zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Kaufmann wegen der mit der Pensionsverpflichtung verbundenen Unsicherheitsfaktoren nicht verpflichtet ist, Pensionsanwartschaften in versicherungsmathematischer Höhe zu passivieren. Der Bundesgerichtshof führte dazu - insbesondere gestützt auf ein Gutachten des Deutschen Industrie- und Handelstages - aus, zwar bestehe in der Kaufmannschaft eine starke Tendenz, die Rückstellungspflicht für Pensionslasten zu bejahen, jedoch könne eine dahingehende eindeutige Auffassung und Gepflogenheit nicht festgestellt werden (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs I 201/57 vom 24. Februar 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 185, DB 1959 S. 668). Der dem Bundesgerichtshof vorliegende Fall hatte allerdings Pensionsanwartschaften zum Gegenstand. Er betont jedoch ausdrücklich, daß Pensionsverpflichtungen im Hinblick auf die unter bestimmten Voraussetzungen nach § 242 BGB bestehende Möglichkeit einer Herabsetzung oder Aussetzung der Zahlung auch nach Eintritt des Versorgungsfalles nicht ohne weiteres Verpflichtungen aus einem anderen Schuldgrund gleichzustellen seien. Dies könne auch für die Frage, ob sie nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu bilanzieren seien, nicht völlig außer Betracht bleiben. Nach Auffassung vieler Kaufleute könne eine an sich bestehende, aber noch ungewisse Last auch aus den Erträgnissen späterer Jahre getragen werden und brauche vor Fälligkeit der einzelnen Leistungen nicht bilanziert zu werden. Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist auf Grund dieser Ausführungen weithin so verstanden worden, daß dem Kaufmann auch nach Eintritt des Versorgungsfalles ein Passivierungswahlrecht zusteht (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6a Anm. 3 mit weiteren Zitaten). Dieser Ansicht tritt der erkennende Senat bei.
Besteht aber nach handelsrechtlichen und steuerlichen Grundsätzen ein Wahlrecht, so ist der Kaufmann an die einmal ausgeübte Wahl gebunden. Hat er die Möglichkeit, Beträge in dem Umfang, in dem die Pensionslast die einzelnen Jahre belastet, einer Rückstellung zuzuführen und macht er im Rahmen seines Wahlrechts hiervon keinen Gebrauch, so ist es gerechtfertigt, ihm eine Nachholung in späteren Jahren zu versagen. Wie der Reichsfinanzhof im Urteil I A 110/36 vom 31. August / 23. November 1937 (RStBl 1938 S. 85, Slg. Bd. 42 S. 327) in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, kommt dem Gedanken der richtigen Periodenabgrenzung bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer besondere Bedeutung zu, weil es hier darum geht, das Einkommen zu erfassen, das ein Steuerpflichtiger innerhalb des zu veranlagenden Steuerabschnitts bezogen hat. Im Urteil I 92/37 vom 30. November 1937 (RStBl 1938 S. 436, Slg. Bd. 43 S. 79) hat der Reichsfinanzhof diese Grundsätze wiederholt. Es kann aus diesen Erwägungen für die Streitjahre ohne Bedenken von der Rechtslage ausgegangen werden, wie sie später in § 6a Satz 3 EStG 1955 gesetzlich geregelt worden ist. Danach darf in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Versorgungsfall eintritt, die Rückstellung den Gewinn nur bis zu dem Betrag mindern, der sich als Unterschied zwischen dem versicherungsmathematischen Barwert der künftigen Pensionsleistungen und einer Rückstellung ergibt, die sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen bei gleichmäßiger Verteilung der Last auf die Zeit von der Entstehung der Pensionszusage bis zum Eintritt des Versorgungsfalls errechnet. Hiervon ist das Finanzamt bereits in der Einspruchsentscheidung ausgegangen.
Die Rb. war daher unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 411255 |
BStBl III 1964, 489 |
BFHE 1965, 41 |
BFHE 80, 41 |
BB 1964, 996 |
DB 1964, 1247 |