Leitsatz (amtlich)
Die Gesellschaftsteuer wird gemäß Art. 91 Abs. 1 amerik. REG (MilRegG Nr. 59) nicht erhoben, wenn der Rückerstattungsberechtigte alsbald die alte Rechtsform wiederherstellt, ohne dabei neue, nicht durch die Rückerstattung veranlaßte gesellschaftsteuerpflichtige Vorgänge zu schaffen.
Normenkette
AmerikREG 91/1
Tatbestand
Im Zuge der sogenannten "Arisierung" wurden 1938 sämtliche Aktien einer Aktiengesellschaft (AG) an die Rückerstattungsverpflichteten für 1,5 Millionen RM verkauft. Der Nominalwert des Grundkapitals betrug 1 Million RM. Noch im selben Jahre wandelten die Erwerber die AG in eine Kommanditgesellschaft (KG) um. Die Rückerstattungsberechtigten (REB) machten von ihrem Anfechtungsrecht nach dem Rückerstattungsgesetz (REG) - Gesetz Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung - Gebrauch. Die Beteiligten einigten sich in einem Vergleich, der vor der Wiedergutmachungsbehörde zu Protokoll gegeben wurde, über die Vollziehung der Rückerstattung (RE) u. a. wie folgt:
"Zum Ausgleich sämtlicher gegenseitiger Ansprüche kommt folgender Vergleich zustande:
Mit Wirkung vom 1. 1. 48 scheiden die Rückerstattungs- Verpflichteten aus der Kommanditgesellschaft aus. Gleichzeitig treten aus dem Kreis der Berechtigten die noch zu bezeichnenden Personen als persönlich haftende Gesellschafter und als Kommanditisten in die Kommanditgesellschaft ein. Die Firma der Kommanditgesellschaft soll geändert werden. Der Kommanditgesellschaft verbleibt das Anlagevermögen auf der Grundlage der Bilanz zum 31. 12. 47.
Das Umlaufvermögen wird ebenfalls zurückerstattet. Dieses Vermögen stellt das Betriebsvermögen der wiederherzustellenden AG dar. Es umfaßt sämtliche Posten des Umlaufvermögens der Kommanditgesellschaft nach der Bilanz zum 31. 12. 47.
Die Verpflichteten stimmen der Wiedereintragung der AG in das Handelsregister zu. Aktienurkunden sind nicht mehr vorhanden."
Zur Wiederbegründung der AG wurde in der Hauptversammlung die Neufassung der Satzung beschlossen. Das Grundkapital wurde hierbei auf 1,5 Millionen RM/DM festgesetzt. Außerdem wurde bestimmt, daß der über den Nennbetrag des Grundkapitals hinausgehende Wert der Sacheinlagen den Gesellschaftern entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis auf Darlehnskonten gutgeschrieben werden solle.
Die AG wurde neu in das Handelsregister eingetragen. Das FA sah die Errichtung der AG nicht mehr als eine Rechtshandlung "aus Anlaß der RE" im Sinn von Art. 91 REG an. Es erhob auf den Erwerb der Gesellschaftsrechte an der wiedererrichteten AG und die Darlehnsgewährung durch die Aktionäre nach § 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 KVStG Gesellschaftsteuer.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, die im REG vorgesehene RE sei mit dem Ausscheiden der RE-Verpflichteten aus der KG unter dem gleichzeitigen Eintreten der Berechtigten durchgeführt. Weitere im REG vorgesehene Maßnahmen könnten daneben nicht geltend gemacht werden, insbesondere könne nach nahezu einhelliger Auffassung im Schrifttum nicht die Wiederherstellung der alten Rechtsform verlangt werden. Ob die Grundsätze des Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs (OFH) II 10/50 vom 21. März 1950 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 3) im Streitfall anzuwenden seien, könne dahinstehen, denn der RE-Vergleich habe nicht die Wiederherstellung des vor der Entziehung bestehenden Zustandes, sondern eine Neuordnung der Gesellschaftsverhältnisse vorgesehen.
Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie wiederholt in der Rb., die AG sei allein aus Anlaß der RE wiederbegründet worden. Ihrer Meinung nach ist Art. 91 REG nicht nur dann anwendbar, wenn die Beteiligten Maßnahmen vereinbaren, die im REG als RE oder deren Ersatz vorgesehen sind, sondern stets, wenn Vermögensgegenstände oder deren Ersatz zurückerstattet werden, die gemäß Art. 1 und 2 REG entzogen worden sind. Die Aktionäre der AG hätten aus den in Art. 1 REG genannten Gründen das Recht, das Geschäft in Form der AG zu führen, eingebüßt. Die AG habe wiedererrichtet werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Rb., jetzt Revision, ist begründet. Das FG-Urteil war aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht das Ergebnis, daß die anläßlich der Neugründung der AG entstandenen Gesellschaftsteuern auch im Hinblick auf das REG zu erheben seien. Nach Art. 91 REG werden Steuern, darunter auch Gesellschaftsteuern, aus Anlaß der RE nicht erhoben. Der BFH hat diese Vorschrift in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß unter die RE im Sinne dieser Befreiungsvorschrift grundsätzlich nur solche Maßnahmen fallen, die im REG als RE oder deren Ersatz vorgesehen sind (vgl. BFH-Urteile II 154/52 U vom 24. Juni 1953, BFH 57, 587, BStBl III 1953, 225; II 237/52 U vom 1. Juli 1953, BFH 57, 594, BStBl III 1953, 227; II 175/58 vom 26. Oktober 1962, HFR 1963, 67, jeweils mit weiterer Rechtsprechung).
Im zu entscheidenden Falle war allerdings die Neugründung der AG keine im REG vorgesehene Maßnahme. Da das Unternehmen nach Entziehung der Aktien in eine Personengesellschaft umgewandelt worden war, konnten die Berechtigten gemäß Art. 22 REG nur verlangen, an dem veränderten Unternehmen in angemessener Weise beteiligt zu werden. Zur Wiedererrichtung der AG und Einbringung des rückerstatteten Vermögens in diese waren die Berechtigten nach dem Ausscheiden der Verpflichteten aus der KG auf Grund ihrer uneingeschränkten Verfügungsmacht über die der KG gehörenden Vermögensgegenstände selbst in der Lage. Zu einer Anordnung der Wiedergutmachungsbehörde hätte somit an sich kein Anlaß bestanden.
Gleichwohl haben OFH und BFH unbeschadet dieses Grundsatzes anerkannt, daß die Einbringung des rückerstatteten Kapitals in eine vor der Entziehung vorhanden gewesene Kapitalgesellschaft ausnahmsweise auch insoweit steuerfrei sein kann, als diese Maßnahme im Wege der RE nicht hätte ausgesprochen werden können (vgl. OFH-Urteil II 10/50 a. a. O., BFH-Urteil II 135/50 S vom 30. Januar 1951, BFH 55, 104, BStBl III 1951, 41, ferner auf dieser Grundlage - wenn auch für jene Fälle mit gegenteiligem Ergebnis - BFH-Urteile II 154/52 U a. a. O. und II 237/52 U a. a. O.). Diese Rechtsprechung ist dadurch begründet, daß Art. 91 REG nicht allein die RE, sondern Maßnahmen "aus Anlaß der RE" von der Besteuerung ausnimmt, wie besonders deutlich aus dem allerdings formell nicht amtlichen amerikanischen Text hervorgeht (in connection with restitution). Ausgeschlossen von der Vergünstigung des Art. 91 sind demnach Maßnahmen, welche über die RE hinaus neue Verhältnisse schaffen und ohne den Entziehungsvorgang ebenfalls steuerpflichtig gewesen wären. In Fortführung seiner Rechtsprechung würde der Senat für die Neuerrichtung der AG und die Einbringung des gesamten rückerstatteten Vermögens die Gesellschaftsteuerpflicht verneinen, wenn diese Maßnahmen unter den Aspekten der Gesellschaftsteuer nur den früheren, vor der Entziehung bestehenden Zustand wiederherstellten. Der Senat sieht unter dieser Voraussetzung in der Errichtung der AG trotz des Bestehenbleibens der KG ebenfalls eine Maßnahme "aus Anlaß der RE". Diese Auslegung des Art. 91 REG hält sich auf der allgemeinen Linie der Rechtsprechung des Senats, wonach Steuerbefreiungsvorschriften nicht etwa deswegen eng auszulegen sind, weil sie Ausnahmebestimmungen sind (vgl. BFH-Urteil II 125/61 U vom 24. Juni 1964, BFH 79, 579, BStBl III 1964, 446, besonders Rechtssatz 3, siehe dazu auch Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A 1964 S. 319 f. unter II). Sie ergibt sich gesellschaftsteuerrechtlich daraus, daß ohne den Entziehungsvorgang bei einer Betriebsspaltung von der ursprünglichen AG in eine Betriebs-AG und Besitz- Personengesellschaft eine Gesellschaftsteuer-Pflicht nicht entstanden wäre.
Sie ist aus einem weiteren Grunde geboten: Die Gesellschaftsteuer fällt an wegen der Zuführung von Kapital durch die Gesellschafter an die Gesellschaft und des damit verbundenen Erwerbs von Gesellschaftsrechten. Die Gründung der AG und die volle Zuführung des rückerstatteten Vermögens wäre, wie ausgeführt, steuerfrei gewesen. Demnach kann es nicht steuerpflichtig sein, wenn der AG das rückerstattete Vermögen nur zum Teil, beschränkt auf das Umlaufvermögen, zugeführt worden ist und Gesellschaftsrechte in geringerem Umfange entstanden sind, als wenn das gesamte zurückerstattete Vermögen in die AG eingebracht worden wäre.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Den tatsächlichen Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, ob die Gesellschaftsrechte an der neuen AG den ursprünglich Berechtigten oder ihren Rechtsnachfolgern im selben Verhältnis wie früher zustehen. In diesem Falle sind auch die Darlehnsgewährungen steuerfrei, soweit sie nur aus den rückerstatteten Vermögen stammen. Ergibt die Prüfung, daß die Gesellschaftsteuerpflicht für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu bejahen ist, so sind weitere tatsächliche und rechtliche Feststellungen darüber erforderlich, ob die Darlehen der Gesellschafter an die neue AG kapitalersetzenden Charakter hatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind nämlich Darlehen zur Deckung eines Teils des Umlaufvermögens in der Regel kein Kapitalersatz im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne (vgl. das letzte BFH-Urteil II 68/62 vom 30. Mai 1967, BFH 88, 526, BStBl III 1967, 9).
Fundstellen
Haufe-Index 412649 |
BStBl III 1967, 675 |
BFHE 1967, 489 |
BFHE 89, 489 |