Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Vor der Wiedergutmachungsbehörde abgeschlossene Rückerstattungsvergleiche entsprechen gemäß Art. 65 amerik. REG Prozeßvergleichen und sind daher einer rechtskraftähnlichen Wirkung fähig.
Wird ein Grundstück dem Berechtigten durch Rückerstattungsvergleich zurückerstattet, so ist mit dem Wirksamwerden des Vergleichs das Grundbuch infolge Rückwirkung des Vergleichs auf den Entziehungszeitpunkt (Art. 15 Abs. 3 amerik. REG) unrichtig geworden, so daß eine bloße Grundbuchberichtigung, aber keine Auflassung von dem Verpflichteten an den Berechtigten in Betracht kommt
§ 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG ist auch im Falle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht anwendbar.
Die Frage, ob der Unterhalt auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht geleistet wurde, ist für das Gebiet der Erbschaftsteuer auch dann nach den Vorschriften des BGB zu beurteilen, wenn für die Unterhaltsleistung nach dem deutschen internationalen Privatrecht die Vorschriften ausländischen Rechts maßgebend sind.
Normenkette
ErbStG § 18 Abs. 1 Ziff. 11; AmerikREG 15/3; AmerikREG 65
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) zu 1) hat ihren Wohnsitz in Schottland, der Beschwerdeführer (Bf.) zu 2) seinen Wohnsitz in den USA. Das Finanzamt hat die Bf. als gesetzliche Erben ihres am 21. Juli 1950 in Schottland verstorbenen Vaters (Erblassers) mit je 1/2 der dem Erblasser im Wege eines Rückerstattungsvergleichs vom 30. März 1950 zurückgegebenen ideellen Hälfte eines in X gelegenen Grundstücks zur Erbschaftsteuer herangezogen. Gegen den Erbschaftsteuerbescheid haben die Bf. Einspruch eingelegt und unter Berufung auf § 18 Abs. 1 Ziff. 11 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) Freistellung von der Erbschaftsteuer beantragt. Der Einspruch ist erfolglos geblieben. In ihrer Berufung gegen die Einspruchsentscheidung haben die Bf. ihren Antrag außer auf § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG auch darauf gestützt, daß das Rückerstattungsverfahren erst durch die am 5. Juli 1951 erfolgte Eintragung des Erblassers in das Grundbuch als Miteigentümer zu 1/2 des fraglichen Grundstücks, also nach dem Tode des Erblassers abgeschlossen worden sei, so daß die betreffende Grundstückshälfte am Todestag des Erblassers noch nicht wieder zu seinem Vermögen gehört habe. Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragen die Bf., wie in den Vorinstanzen, Freistellung von der Erbschaftsteuer.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das Finanzgericht geht in seiner Entscheidung von dem Erbschein des Amtsgerichts X aus, nach dem der Erblasser von den Bf. auf Grund Gesetzes beerbt worden ist. Erbrechtlich bestehen gegen die Richtigkeit dieses Erbscheins Bedenken. Der Erblasser hat nämlich gemäß § 2 zu a) der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (Reichsgesetzblatt I S. 722) die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, weil er beim Inkrafttreten der Verordnung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, und die deutsche Staatsangehörigkeit, wie sich aus den Ausführungen in der Rb. ergibt, nicht gem. Art. 116 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) wiedererlangt hat. Erbschaftsteuerlich kann indessen die Frage, ob der Erblasser nach deutschem oder gemäß Art. 29 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) nach ausländischem Recht beerbt worden ist, dahingestellt bleiben. Der erkennende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs im Urteil III 128/55 U vom 19. Oktober 1956 Slg. Bd. 63 S. 431, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 363) ausgesprochen, daß auch bei Rechtsvorgängen nach ausländischem bürgerlichem Recht nur zu prüfen ist, ob sie von der deutschen Besteuerung betroffen werden.
Hiernach kommt es vorliegendenfalls zunächst darauf an, ob der Anfall der fraglichen Grundstückshälfte an die Bf. ein Erwerb von Todes wegen (ß 2 Abs. 1 ErbStG) ist und mithin der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt. Die Bf. wollen diese Frage verneint wissen, weil das Rückerstattungsverfahren erst mit der Eintragung des Erblassers als Eigentümer zu 1/2 in das Grundbuch, also nach seinem Tode beendet worden sei. Dieser Auffassung kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Nach Art. 65 des amerik. Rückerstattungsgesetzes findet aus den vor der Wiedergutmachungsbehörde ausgefertigten Vereinbarungen die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt. Daraus folgt, daß solche Vereinbarungen Prozeßvergleichen im Sinne des § 794 Abs. 1 Ziff. 1 der Zivilprozeßordnung gleichstehen. Es ist ein bloßer Streit um Worte, ob man von der Rechtskraft von Prozeßvergleichen sprechen will oder sie mit den Bf. leugnet, da Prozeßvergleiche nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 23 S. 42, Bd. 37 S. 419, Bd. 78 S. 287) durch Entgegennahme und Beurkundung jedenfalls eine rechtskraftähnliche Eigenschaft erlangen (vgl. auch Stein-Jonas-Schönke, Zivilprozeßordnung, § 794 Anm. II 3 zu a). Mithin ist der Rückerstattungsvergleich durch seine Beurkundung vor der Wiedergutmachungsbehörde rechtskräftig bzw. mit rechtskraftähnlicher Wirkung ausgestattet worden. Die Folge dieses Vergleichs ist gemäß Art. 15 Abs. 3 des amerik. Rückerstattungsgesetzes, daß der Verlust des entzogenen Vermögensgegenstandes, hier der ideellen Grundstückshälfte, als nicht eingetreten gilt, das heißt der Rückerstattungsvergleich - ebenso wie eine Rückerstattungsentscheidung - auf den Zeitpunkt der Entziehung zurückwirkt. Mithin ist mit dem Wirksamwerden des Vergleichs das Grundbuch unrichtig geworden, so daß eine bloße Grundbuchberichtigung in Betracht kommt (von Godin, Rückerstattungsgesetze, Anm. 2 a. E. zu Art. 65 des amerik. Rückerstattungsgesetzes). Entgegen der Auffassung der Bf. trifft es also nicht zu, daß im Rückerstattungsverfahren eine förmliche Eigentumsrückübertragung erforderlich ist; es hätte deshalb auch in den Rückerstattungsvergleich keiner Auflassung bedurft. Nach Angabe der Bf. hat nun das Amtsgericht (Grundbuchamt) den Vergleich als ergänzungsbedürftig bezeichnet und hat die Grundbuchberichtigung erst am 5. Juli 1951 vorgenommen. Die angefochtene Entscheidung führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, daß ein der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegendes Recht nur von dem Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. § 2212 BGB). Dies gilt auch für den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs (Güthe-Triebel, Grundbuchordnung. Vorbemerkung 77 vor dem Zweiten Abschnitt). Es kommt aber nur die Eintragung der Erben als Berechtigte in Frage. Diese kann nicht dadurch ersetzt werden, daß das Recht auf den Testamentsvollstrecker selbst eingetragen wird; eine solche Eintragung wäre unzulässig, weil die Erben die Berechtigten sind (Güthe-Triebel, a. a. O., Anm. 7 zu § 52). Daraus erklärt sich die vom Amtsgericht (Grundbuchamt) nach der Darstellung der Bf. verlangte Angabe der ebenfalls aus dem Rückerstattungsvergleich berechtigten Erben des E. N., für die damals der jetzige Bevollmächtigte der Bf. als Testamentsvollstrecker nach E. N. gehandelt hat. Diese auf Grund der Erfordernisse des Grundbuchrechts nachzuholende Angabe der Erben des E. N. hat aber entgegen der Auffassung der Bf. die Gültigkeit des Rückerstattungsvergleichs und damit den Rückfall der ideellen Grundstücksanteile an die Berechtigten nicht berührt, weil dieser außerhalb des Grundbuchs erfolgt, sondern die fehlende Angabe hat nur ein Hindernis für die formelle Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erben des E. N. als Miteigentümer dargestellt. Im übrigen ist ausweislich der Wiedergutmachungsakten der Rückerstattungsvergleich auch gar nicht ergänzt worden, die Eintragung der Erben des E. N. vielmehr nach der eigenen Angabe der Bf. auf Grund der vom Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des E. N., des jetzigen Bevollmächtigten der Bf., vorgelegten - anderweitigen - Nachweise erfolgt, also offensichtlich auf Grund der durch § 35 der Grundbuchordnung erforderten Unterlagen. Was die von den Bf. darüber hinaus behauptete Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit des Rückerstattungsvergleichs betrifft, so können auch diese Ausführungen den Standpunkt der Bf. nicht stützen, daß die fragliche Grundstückshälfte erst nach dem Tode des Erblassers, also unmittelbar ihnen zurückerstattet worden sei. Ein Prozeßvergleich, dem, wie oben dargelegt, ein vor der Wiedergutmachungsbehörde abgeschlossener Rückerstattungsvergleich entspricht, kann nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts je nach der Sachlage entweder nur durch Fortsetzung des mit dem Vergleich abgeschlossenen Prozesses oder nur in einem besonderen Prozeß beseitigt werden, vgl. RGZ Bd. 65 S. 420 (422), Bd. 78 S. 287 (290), Bd. 106 S. 312 (314), Bd. 141 S. 104 (106/107) und Bd. 142 S, 1 (5). Das mit dem Rückerstattungsvergleich abgeschlossene Verfahren ist aber weder fortgesetzt noch ist ein solches neu eingeleitet worden. Nach alledem ist die fragliche Grundstückshälfte noch zu Lebzeiten des Erblassers an diesen zurückerstattet worden und ist daher bei den Bf. zur Erbschaftsteuer heranzuziehen.
Es bleibt also nur noch zu prüfen, ob die Bf. mit Recht Steuerbefreiung gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG in Anspruch nehmen. Die vom Finanzamt vertretene Auffassung, daß § 23 Abs. 5 ErbStG gegenüber § 18 Abs. 1 Ziff. 11 lex specialis sei, ist unzutreffend. § 23 Abs. 5 ErbStG bestimmt den Umfang des steuerpflichtigen Erwerbs, während § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG eine Bestimmung über die Steuerfreiheit eines Erwerbs enthält. Das ErbStG weist auch keine Bestimmung auf, die eine Anwendung des § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG im Falle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht ausschließt. Die vom Finanzgericht offengelassene Frage, ob § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG nur auf unbeschränkt Steuerpflichtige anwendbar ist, muß demnach verneint werden. Dagegen führt die angefochtene Entscheidung im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs im Recht aus, daß § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG auch bei Fehlen einer letztwilligen Verfügung, also im Falle einer gesetzlichen Erbfolge, wie sie hier vorliegt, Platz greift. Ebenso ist es zutreffend, wenn das Finanzgericht in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs den Standpunkt vertritt, daß § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG im Fall der Gewährung des Unterhalts auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht nicht in Betracht kommt; denn im Falle der gesetzlichen Unterhaltspflicht hat der den Unterhalt Gewährende keinen Anspruch auf ein Entgelt. Dagegen kann der angefochtenen Entscheidung darin nicht beigetreten werden, daß sie mit Rücksicht auf den Auslandswohnsitz des staatenlosen Erblassers die Frage, ob vorliegendenfalls der Unterhalt auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht gewährt worden ist, gemäß Art. 29 EGBGB nach Auslandsrecht beurteilt. Es müssen hier die Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs III e A 37/35 vom 24. September 1935 (Slg. Bd. 38 S. 225 - 236 unter III -, Reichssteuerblatt 1935 S. 1366 - 1370 unter III -) entsprechend Platz greifen. Der Begriff "Gewährung von Unterhalt ohne oder gegen unzureichendes Entgelt" in § 18 Abs. 1 Ziff. 11 ErbStG ist ein für das Erbschaftsteuerrecht erheblicher Rechtsbegriff, muß also gemäß dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in allen Fällen gleichmäßig und einheitlich angewendet werden. Dies ist nur möglich, wenn man die erbschaftsteuerlich bedeutsame Frage, ob die in Betracht kommende Unterhaltsleistung auf gesetzlicher Unterhaltspflicht beruht, entgegen den Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts nicht nach Auslandsrecht, sondern nach den Vorschriften des BGB beurteilt, auf die das ErbStG zugeschnitten ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V e A 62/28 vom 8. Oktober 1929 - Steuer und Wirtschaft 1929 Nr. 996 - und das oben erwähnte Urteil des erkennenden Senats III 128/55 U). Andernfalls könnten wirtschaftlich gleichliegende Tatbestände je nach der zivilrechtlichen Regelung durch das ausländische Recht erbschaftsteuerlich verschieden zu behandeln sein. Das Finanzgericht hat Unterhaltsleistung der Bf. an ihren Vater, den Erblasser, auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht angenommen. Die Bf. rügen nun mit Recht, daß das Finanzgericht trotz der von ihnen im Verfahren über die Berufung gemachten Ausführungen über ihre ungünstige wirtschaftliche Lage zur Zeit der Unterhaltsgewährung nicht untersucht hat, ob die gesetzliche Unterhaltspflicht der Bf. nicht durch die Vorschrift des § 1603 Abs. 1 BGB ausgeschlossen gewesen ist. Diese mangelnde Tatsachenaufklärung führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen möglicherweise vorliegenden Rechtsirrtums.
Die nichtspruchreife Sache geht zu erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück. Nach dem glaubhaften Vorbringen der Bf. kann, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen, freiwillige Unterhaltsleistung durch die Bf., also nicht Unterhaltsleistung auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht, in Betracht kommen. Andererseits ist es nicht angängig, den Wert der Unterhaltsleistung der Bf. zusammenzurechnen und ihm den zusammengerechneten Erwerb der Bf. gegenüberzustellen, wie dies das Finanzgericht getan hat. Vielmehr ist jeweils der Erwerb des einzelnen Bf. in Höhe der von ihm selbst erbrachten Unterhaltsleistungen von der Erbschaftsteuer freizulassen. Hiernach wird sich im vorliegenden Fall nur eine Freistellung der Bfin. zu 1), nicht aber des Bf. zu 2) ergeben können, falls der Bf. zu 2) nicht noch nachträglich höhere Unterhaltsleistungen geltend machen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 408882 |
BStBl III 1957, 427 |
BFHE 1958, 508 |
BFHE 65, 508 |