Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb von Grundstücken, die bei einem Flurbereinigungsverfahren als Einlagegrundstücke verwendet werden, um aus der Flurbereinigungsmasse die für die Schaffung öffentlicher Straßen erforderlichen Grundstücke zu erhalten, ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG oder nach den zur Flurbereinigung ergangenen Vorschriften von der Besteuerung ausgenommen.
Normenkette
GrEStG § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a; FlurbG § 108; Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 11. August 1954 (GVBl S. 165) Art. 24
Tatbestand
Die Klägerin benötigte zum Bau von Gleisanlagen und für die zugleich zu schaffenden öffentlichen Straßen mehrere ha Grundfläche. Wegen Flurbereinigung war der unmittelbare Erwerb der hierfür erforderlichen Grundstücke nicht möglich. Die Klägerin erwarb deshalb andere Grundstücke in entsprechendem Gesamtumfang, darunter das streitbefangene Grundstück. Mit diesen Grundstücken nahm die Klägerin an dem im dortigen Raum durchgeführten Flurbereinigungsverfahren teil, um aus der Flurbereinigungsmasse die für die Gleisanlagen und für die zugleich zu schaffenden öffentlichen Straßen erforderlichen Grundstücke zu erhalten.
Die Klägerin meint, der Grundstückserwerb müsse bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG oder nach den Vorschriften zum Flurbereinigungsverfahren von der Besteuerung ausgenommen werden, obwohl das Grundstück nicht unmittelbar zur Schaffung öffentlicher Straßen erworben, sondern in die Flurbereinigungsmasse eingebracht worden sei.
Die Sprungberufung gegen die Steuerfestsetzung war erfolglos.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung schon des RFH und des BFH setzt eine Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG voraus, daß der Grundstückserwerb unmittelbar dem steuerbegünstigten Zweck dient. Das bedeutet, daß die erworbene Grundstücksfläche selbst und unmittelbar Straßenzwecken zugeführt werden muß. Das war z. B. nicht nur für den - wie die Klägerin zutreffend bemerkt - anders als der vorliegende Sachverhalt gelagerten Fall des Urteils II 154/58 U vom 14. Juni 1961 (BFH 73, 477, BStBl III 1961, 440) insoweit zu verneinen, als unvermeidbar miterworbene Teile des Grundstücks allenfalls mittelbar Straßenzwecken dienen sollten, sondern für den Erwerb des Rechtsvorgängers auch dann, wenn dieser (Reichsbahn) - selbst im Rahmen eines Enteignungsverfahrens - das Grundstück von vornherein nur mit der Absicht erworben hatte, es dem Anleger der Straße zu überlassen (RFH-Entscheidung II A 530/28 vom 20. November 1928, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 8 Nr. 10 Satz 1, Rechtsspruch 28; vgl. für den Zwischenerwerb als nur vorbereitende Handlung selbst dann, wenn das Grundstück sofort zur Durchführung eines bestimmten Siedlungsverfahrens verwendet werden soll, Urteil II 30/59 U vom 14. Dezember 1960, BFH 72, 281, 284, BStBl III 1961, 105). Gleiches gilt auch bei einem echten Vertrag zugunsten eines Dritten für den Ersterwerb selbst dann, wenn der zweit(letzt)erwerbende Anleger als Dritter unmittelbar vom Veräußerer Auflassung und Übergabe des Grundstücks fordern kann (Urteil II 30/62 U vom 14. April 1965, BFH 82, 478, BStBl III 1965, 420; vgl. auch Urteil II 35/64 vom 21. März 1968, BFH 92, 245). Auch der Umstand, daß ein nicht Straßenzwecken dienendes Grundstück notwendig erworben werden mußte - etwa als Austauschland -, um das unmittelbar Straßenzwecken dienende Grundstück zu erlangen, begründet nicht die Steuerfreiheit des nur vorbereitenden Zwischenerwerbs (RFH-Entscheidung II A 10/23 vom 6. Februar 1923, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 8 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 Rechtssprüche 9, 10).
Diese Betrachtung rechtfertigt sich daraus, daß bei der Grunderwerbsteuer jeder Erwerbsvorgang einen in sich abgeschlossenen Steuerfall bildet, dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale - also auch hinsichtlich des jeweiligen Befreiungstatbestandes - je für sich gesondert zu würdigen sind. Der weitere Umstand, daß das GrEStG zwar im wirtschaftlichen Ergebnis Grundstücksumsätze besteuern will, dies aber grundsätzlich durch Anknüpfung an den bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorgang (vgl. § 1 Einleitungssatz GrEStG) vollzieht, ist der Grund dafür, daß die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Grunderwerbsteuer nur mit den vom Gesetz selbst gewollten Einschränkungen - sowohl hinsichtlich eines Besteuerungs- als auch eines Befreiungstatbestandes - Platz greifen kann (Urteil II 35/64, a. a. O.). Deshalb mußte bereits der RFH darauf hinweisen, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen bestimmten Rechtsvorgängen es auch mit Hilfe des damaligen § 4 RAO 1919 (des Vorgängers des § 1 Abs. 2, 3 StAnpG) nicht gestattete, wegen der "wirtschaftlichen Färbung" einer Gesamtsachverhaltsgestaltung eine Befreiungsvorschrift ausdehnend (über Wortsinn und unmittelbare Zweckvorstellung hinaus) anzuwenden (RFH-Entscheidungen II A 666/24 vom 16. September 1924, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 16 Rechtsspruch 5; II A 530/28, a. a. O.).
Vielmehr bedarf es - wie der Senat heute zu einer anderen Befreiungsvorschrift, aber bei ähnlicher Problematik in der Entscheidung II 65/65 (BStBl II 1970, 627) ausgeführt hat - für Fälle, in denen auch die den unmittelbar begünstigten Zweck vorbereitenden Erwerbshandlungen - z. B. Zwischenerwerbe - von der Besteuerung ausgenommen werden sollen, einer ausdrücklichen Befreiungsvorschrift durch den Gesetzgeber, wie dies z. B. für Bayern in anderem Bereich durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a-d des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) 1958 (GVBl 330) oder durch § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a, b GrEStG in der Fassung vom 16. Juli 1969 (GVBl 170) geschehen ist (vgl. z. B. auch Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Tz. 24, 25).
Zwar sind, wie der Senat in neueren Entscheidungen wiederholt hervorgehoben hat, Befreiungsvorschriften nicht schon deshalb eng auszulegen, weil es sich um Ausnahmen von der Besteuerung handelt, sondern unter Würdigung des mit der Ausnahmevorschrift verfolgten Zwecks (vgl. Urteile II 116/63 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 91, BStBl III 1967, 29; II 68/63 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 567, BStBl III 1967, 493 mit weiteren Nachweisen), der auch bei einer Rechtsverkehrsteuer wirtschaftlich bestimmt sein kann (Urteil II 232/65 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 573, BStBl III 1967, 507). Denkbar ist auch, daß sich eine Befreiung aus der sinnvollen Zusammenschau zweier Einzelvorschriften ergibt (vgl. für allerdings anders als hier gelagerte Fälle Urteile II 135/62 vom 16. Februar 1966, BFH 85, 298, BStBl III 1966, 318; II R 96/66 vom 21. Dezember 1966, BFH 88, 250, BStBl III 1967, 345). Das ändert aber nichts daran, daß es den an Gesetz und Recht gebundenen Finanzverwaltungsbehörden und Finanzgerichten (Art. 20 Abs. 3 GG) versagt ist, einen gesetzlichen Tatbestand - auch einen Befreiungstatbestand - auf Grund eigener Wertvorstellungen auszuweiten. Auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse darf nicht dazu führen, daß Verwaltung und Gericht einen im Gesetz nicht vorgesehenen Befreiungstatbestand von sich aus schaffen (Urteil II 132/65 vom 13. Januar 1970, BFH 98, 453, BStBl II 1970, 440).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze muß zur Versagung der Steuerbefreiung führen.
Die Klägerin meint, bei der von ihr gewählten Gestaltung sei derselbe wirtschaftliche Erfolg sichergestellt, der eintreten würde, wenn sie aus den vielen Grundstücken, die die öffentlichen Straßen kreuzten, jeweils das für die Schaffung der öffentlichen Straßen notwendige Teilstück herausgekauft hätte. Auch diese wirtschaftliche Betrachtung vermag nicht auszuräumen, daß der Erwerb von Grundstücken, deren Verwendung als Einlagegrundstücke der Flurbereinigungsmasse und der Erwerb von Ersatzgrundstücken durch die Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan (§§ 61, 62, 68 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953 - FlurbG -, BGBl I 1953, 591) eine andere Sachverhaltsgestaltung mit anderen Rechtsfolgen - z. B. auch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer (vgl. z. B. § 15 GrEStG) - beinhalten, und daß nur die auf Grund des letzten Erwerbsvorgangs (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 4 Tz. 68, 70, Anhang Tz. 304 ff., besonders 305, 308) erworbenen Ersatzgrundstücke unmittelbar der Schaffung öffentlicher Straßen dienen. Auch der von der Klägerin angeführte rechtliche Gesichtspunkt der dinglichen Surrogation (§ 68 FlurbG) läßt nicht die Folgerung zu, daß sie die für ihre Straßenzwecke benötigte Grundstücksfläche von Anfang an (unmittelbar) erworben habe. Denn auch der Grundsatz der Surrogation ändert nichts daran, daß die Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan durch objektive Umgestaltung der Verhältnisse eine Änderung im Gegenstand des Eigentumsrechts dadurch bewirkt, daß die im Umlegungsplan ausgewiesene neue reale Grundstücksfläche (Landabfindung) an die Stelle des alten Grundstücks tritt (vgl. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 9 S. 288 - BVerwGE 9, 288 -; 12, 1, 5/6). Die Auffassung der Klägerin müßte letztlich dazu führen, daß der Erwerb eines Grundstücks bereits dann von der Besteuerung ausgenommen werden müßte, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs eine Flurbereinigung sich erst als möglich abzeichnet und das Grundstück "auf Verdacht" gekauft wird, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine Straßenführung noch nicht festliegt, wenn nur innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 GrEStG ein anderes Grundstück im späteren Flurbereinigungsverfahren zugewiesen und zu Straßenzwecken verwendet wird. Eine derartige Ausweitung der Befreiungsvorschrift steht aber nicht mehr im Einklang mit dem Gesetz. Im übrigen rechtfertigt die Tatsache, der Flurbereinigung für sich allein nicht, Fälle dieser Art grunderwerbsteuerrechtlich anders zu behandeln als die, in denen die für Straßenzwecke erforderlichen Grundstücke nur dadurch beschafft werden können, daß der Straßenanleger zuvor Austauschersatzland auf rein freiwilliger Grundlage erwerben muß (vgl. auch das bereits zitierte RFH-Urteil II A 530/28 vom 20. November 1928).
Auch der Umstand, daß der nachfolgende (letzte) Erwerb eines Grundstücks möglicherweise unter zwei Befreiungsvorschriften - Erwerb nach den Vorschriften im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens und zugleich zur Schaffung von Straßen - fallen könnte, kann nicht zu einer "Vorverlagerung" einer der Befreiungsvorschriften als "nicht verbraucht" auf einen vorangehenden, aber für sich allein nicht begünstigten Erwerbsvorgang führen (vgl. Urteile II 12/62 vom 31. März 1965, HFR 1965, 418; II 131/65 vom 1. April 1969, BFH 96, 69, BStBl II 1969, 561). Darauf, daß der streitige Erwerb wenigstens nach den zur Flurbereinigung ergangenen Vorschriften (vgl. § 108 FlurbG in Verbindung mit Art. 24 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 11. August 1954, Gesetz- und Verordnungsblatt S. 165; Boruttau-Klein, a. a. O., § 4 Tz. 68, 70, Anhang Tz. 304-312) befreit sein sollte, ist die Klägerin in dieser Instanz nicht mehr ausdrücklich zurückgekommen. Der Senat kann sich deshalb darauf beschränken, die Auffassung des Finanzgerichts zu bestätigen, daß der ursprüngliche Erwerb des als Einlagegrundstück bestimmten Grundstücks keinesfalls als bereits "der Durchführung der Flurbereinigung dienend" bezeichnet werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 69084 |
BStBl II 1970, 670 |
BFHE 1970, 402 |