Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung darüber, ob Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, der keinen betrieblichen Arbeitsraum außerhalb seiner Wohnung besitzt, für einzelne Räume seiner Wohnung Betriebsausgaben sind, kommt es auf die unter Berücksichtigung aller Umstände festzustellende tatsächliche Benutzung an.
Ist die private Benutzung eines Raumes gegenüber der betrieblichen Benutzung nicht von untergeordneter Bedeutung, so sind die Aufwendungen für diesen Raum keine Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen des Bf. für 1956 bis 1959, ob er die Aufwendungen für einen zweiten Raum seiner Wohnung als Betriebsausgaben absetzen darf.
Der Bf. leitete in den Streitjahren ein Orchester, dessen Mitwirkende von ihm je nach Art und Umfang der ihm übertragenen Aufgaben jeweils ausgesucht und von ihm entlohnt werden. Seine Auftraggeber waren im allgemeinen Filmgesellschaften, Rundfunk- und Fernsehanstalten und Komponisten. Die Aufgabe des Bf. bestand in der Zusammenstellung der Orchester, in Proben und in der damit zusammenhängenden Verwaltungsarbeit. Der Bf., der verheiratet war und dessen beide Töchter 1948 und 1956 geboren sind, hatte eine aus sechs Räumen und einer Diele bestehende Wohnung. Es handelte sich um ein Schlafzimmer für sich und seine Ehefrau (24 qm), ein Zimmer für die Töchter (24 qm), einen Wohnraum für die Familie (18 qm), ein Zimmer für die Hausangestellte (14 qm), eine Diele (28 qm) und zwei weitere, je 24 qm große Zimmer, von denen der Bf. behauptet, daß er sie ausschließlich für berufliche Zwecke brauche und verwende. Die auf diese durch eine mehrflügelige Tür verbundenen Zimmer entfallenden Aufwendungen behandelte der Bf. als Betriebsausgaben. Eines der Zimmer war mit einem Schreibtisch, einem Bücherschrank, zwei Teppichen und einem Fernsehgerät ausgestattet. In dem anderen Zimmer befanden sich ein Tisch, ein Sekretär, ein Sofa, zwei Sessel, ein Flügel, ein Musikschrank und drei Teppiche.
Nachdem das Finanzamt dem Vorschlag des Betriebsprüfers folgend bei den Veranlagungen und Berichtigungsveranlagungen für die Streitjahre den zuletzt bezeichneten Raum als Büro und Betriebsraum anerkannt hatte, kam der Steuerausschuß des Finanzamts bei der Entscheidung über den Einspruch des Bf., der die auf beide Zimmer entfallenden Aufwendungen absetzen wollte, zu dem Ergebnis, daß keines der beiden Zimmer für berufliche Zwecke benutzt und benötigt werde und daß sich zumindest die berufliche und die private Nutzung nicht voneinander trennen ließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die sich besonders aus den Urteilen IV 309/55 U vom 8. November 1956 (BStBl 1957 III S. 56, Slg. Bd. 64 S. 147), VI 91/57 U vom 14. November 1958 (BStBl 1959 III S. 47, Slg. Bd. 68 S. 122) und I 256/60 U vom 24. Januar 1961 (BStBl 1961 III S. 187, Slg. Bd. 72 S. 513) ergebe, könnten die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer bei Gewerbetreibenden und bei Freiberuflern nur dann als Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn nach der Art, nach dem Umfang und nach der Einrichtung des Zimmers jede private Benutzung des Zimmers so gut wie ausgeschlossen sei. Aus der Einrichtung der beiden Räume ergebe sich, daß sie auch privat benutzt werden könnten; dann komme es aber auch auf den Umfang der tatsächlichen beruflichen Benutzung nicht an, weil eine Trennung der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben ausgeschlossen sei.
Die Berufung des Bf. hatte insofern Erfolg, als das Finanzgericht in übereinstimmung mit dem Vorschlag des Betriebsprüfers die Aufwendungen für einen der Räume als Betriebsausgaben ansah. Es begründete seine Auffassung wie folgt. Die vom Steuerausschuß aufgestellten Grundsätze hätten nur für Arbeitszimmer Bedeutung, die der Steuerpflichtige neben seinem an anderer Stelle befindlichen eigentlichen Arbeitsplatz in seiner Wohnung zusätzlich unterhalte. Zweifelhaft könne es sein, wie der beim Bf. vorliegende Fall zu entscheiden sei, in dem ein Steuerpflichtiger eine verschiedenartige Tätigkeit ausübe, für eine dieser Arten einen Arbeitsplatz außerhalb der Wohnung habe und für seine übrige Tätigkeit auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen sei. Dann seien die Aufwendungen so zu beurteilen, als handele es sich um einen einzigen Arbeitsraum des Steuerpflichtigen. Die in den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 354/60 vom 10. Mai 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 401) und IV 333/59 U vom 18. Mai 1961 (BStBl 1961 III S. 337, Slg. Bd. 73 S. 191) aufgestellten Grundsätze, wonach z. B. Schriftsteller und Gelehrte keine besonderen Arbeitsräume benötigen, halte die Kammer nicht für berechtigt. Der Fall des Bf. ähnele den in den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 195/59 vom 28. Juli 1960 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 384) und IV 403/60 U vom 27. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 465, Slg. Bd. 73 S. 548) behandelten Sachverhalten. In dem zuerst bezeichneten Urteil habe der Bundesfinanzhof sogar trotz enger Wohnverhältnisse die Kosten des Arbeitszimmers eines Steuerbevollmächtigten als Betriebsausgaben anerkannt. Die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer innerhalb der Wohnung seien nur dann durch den Betrieb veranlaßt, wenn der Steuerpflichtige aus betrieblichen Gründen eine größere Wohnung gemietet habe, als er sie für private Wohnzwecke benötige. Der Bf. habe eine im Hinblick auf die allgemeinen Wohnverhältnisse der Streitjahre sehr große Wohnung gehabt. Die ihm für reine Wohnzwecke zur Verfügung stehenden Wohnräume ohne die streitigen zwei Büroräume reichten für seine Familie aus. Gleichwohl könne nur einer der beiden Räume als beruflich bedingter Büroraum angesehen werden, den schon der Betriebsprüfer als Büro bezeichnet habe. In diesem wie ein kaufmännischer Empfangsraum ausgestatteten großen Zimmer habe der Bf. musizieren und seine Auftraggeber empfangen können. Bei dem zweiten Raum handele es sich aber um einen typischen Wohnraum, wie sich aus der Ausstattung mit einem Bücherschrank, Schreibtisch, Sesseln, Teppichen und Fernsehgerät ergebe. Die auf diesen Raum entfallenden Kosten könnten nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.
In seiner Rb. betont der Bf. erneut, daß er beide Räume ausschließlich betrieblich benutzt und auch für den Betrieb benötigt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.
Die von der Rechtsprechung zum Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des Arbeitnehmers als Werbungskosten entwickelten Grundsätze (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 309/55 U, VI 91/57 U und I 256/60 U) sind für den hier zu entscheidenden Fall zwar von Bedeutung, aber deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil der Arbeitnehmer in der Regel außerhalb seiner Wohnung einen wenn auch nicht immer ausreichenden Arbeitsplatz hat. Es erscheint zweckmäßig, zunächst einen kurzen überblick über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu geben, die sich mit dem Abzug der bezeichneten Aufwendungen als Betriebsausgaben befaßt und dabei die Fälle auszuscheiden, in denen der Steuerpflichtige außerhalb seiner Wohnung Betriebsräume besaß und die Aufwendungen für ein zusätzliches Arbeitszimmer in der Wohnung absetzen wollte.
Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 195/59 wurden bei einem verheirateten Steuerbevollmächtigten, dessen Wohnung aus einem Schlafzimmer, einem Herrnzimmer und einer Küche bestand, die Aufwendungen für das Herrnzimmer in vollem Umfang als Betriebsausgaben anerkannt, obwohl der Steuerbevollmächtigte zugab, daß dieses Zimmer auch in nicht unerheblichem Umfang privat benutzt wurde. Als Begründung wurde angegeben, daß der Steuerbevollmächtigte keinen anderen Arbeitsraum habe, einen Arbeitsraum aber brauche und in dem Herrnzimmer beruflich tätig gewesen sei. Die Frage, ob dieser Steuerbevollmächtigte seiner sozialen Stellung nach eine noch kleinere Wohnung nicht bezogen hätte und deshalb kein zusätzliches Arbeitszimmer vorliege, wurde nicht angeschnitten.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 354/60 erkannte bei einem freiberuflichen Konzertdirigenten und Komponisten mit einer 3 1/2-Zimmer-Wohnung die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben an, und zwar im wesentlichen deshalb, weil diese Wohnung der sozialen Stellung des Steuerpflichtigen entspreche und für seine Wohnbedürfnisse erforderlich sei. Es wurden zwei Fälle unterschieden. Bei Steuerpflichtigen, deren Beruf nach Art und Umfang nicht unbedingt einen von der Privatwohnung getrennten Arbeitsraum erfordere (z B. Schriftsteller, Wissenschaftler und Handelsvertreter mit kleinerer Agentur), solle es auf die Zusätzlichkeit des Arbeitsraums nicht ankommen. Bei ihnen stehe § 12 Ziff. 1 EStG der Abzugsfähigkeit entgegen. Bei Steuerpflichtigen dagegen, die einen vollen Arbeitsraum brauchten, sollten alle Umstände des Falls und besonders die nach der sozialen Stellung des Steuerpflichtigen zu beurteilende Zusätzlichkeit des Arbeitsraums, die Ausstattung und Lage des Zimmers und die tatsächliche berufliche und private Verwendung von Bedeutung sei.
Bei einem Verkäufer von Eintrittskarten für Sportveranstaltungen mit einer 2 1/2-Zimmer-Wohnung erkannte das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 333/59 U die Aufwendungen für einen Arbeitsraum nicht als Betriebsausgaben an und machte die gleiche Unterscheidung wie im Urteil IV 354/60. Bei den Steuerpflichtigen, deren Tätigkeit nach Art und Umfang einen Betriebsraum erfordert, wurde besonders Wert darauf gelegt, ob die Wohnung größer ist, als sie dem reinen Wohnbedürfnis entspricht. Es wurde aber auch hier auf die Umstände des Falls, z. B. auf Größe und Ausstattung des Raums und auf seine tatsächliche Verwendung, Wert gelegt.
Im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 403/60 U hatte das Finanzgericht einem verheirateten Gewerbetreibenden mit zwei Kindern den Abzug der Aufwendungen für ein Herrnzimmer innerhalb einer 4 1/2-Zimmer-Wohnung mit der Begründung abgelehnt, daß das Zimmer offenbar auch privat benutzt worden sei. Der Bundesfinanzhof ließ trotz dieser tatsächlichen Feststellung des Finanzgerichts die Ausgaben zum Abzug zu. Er hielt den Umfang der Privatbenutzung offenbar deshalb für unerheblich, weil er entscheidendes Gewicht darauf legte, ob das Herrnzimmer ein zusätzlicher Raum sei, der Steuerpflichtige also ohne den Betrieb eine um dieses Zimmer kleinere Wohnung gemietet hätte. Die Zusätzlichkeit wurde bejaht.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 361/59 vom 15. November 1962 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 545) sah bei einem Handelsvertreter mit Einkünften zwischen 30 000 DM und 40 000 DM, der verheiratet war und einen 19-jährigen Sohn hatte, die Aufwendungen für ein Herrnzimmer innerhalb einer 5-Zimmer-Wohnung nicht als Betriebsausgaben an. Ob der Steuerpflichtige auch ohne die betriebliche Benutzung eine Wohnung dieser Größe gemietet hätte, wurde nicht festgestellt. Die Ablehnung der Abzugsfähigkeit wurde damit begründet, daß die sonstigen für private Zwecke zur Verfügung stehenden Räume beengt seien und das Herrnzimmer offenbar bei Abwesenheit des Steuerpflichtigen während etwa 200 Tagen im Jahr auch von der Familie benutzt würde.
Bei der Wertung der in den bezeichneten Urteilen des Bundesfinanzhofs für und gegen den Betriebsausgabencharakter angeführten Gründe ist davon auszugehen, daß nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 EStG Betriebsausgaben Aufwendungen sind, die der Betrieb "veranlaßt". Bei der Entscheidung, ob der Betrieb Aufwendungen für einen Arbeitsraum in der Wohnung veranlaßt hat, kommt es auf die in jedem Veranlagungszeitraum vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse an. Mietaufwendungen für ein Wirtschaftsgut sind durch den Betrieb "veranlaßt", wenn das Wirtschaftsgut, hier also der Raum, dem Betrieb tatsächlich dient. Deshalb kann die von der Rechtsprechung in einigen Urteilen für besonders erheblich gehaltene Tatsache, ob der Steuerpflichtige eine größere Wohnung gemietet hat, als seinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung seines Einkommens und der Größe seiner Familie entspricht, nur solange, als sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht ändern, als eines der vielen Beweisanzeichen dafür gewertet werden, ob und in welchem Umfang der gemietete Raum im Veranlagungszeitraum tatsächlich für berufliche oder für private Zwecke benutzt wurde. Denn je größer die für private Zwecke zur Verfügung bleibende Wohnung ist, um so wahrscheinlicher ist die Behauptung des Steuerpflichtigen, daß er einen bestimmten zusätzlichen Raum ausschließlich betrieblich benutzte.
Die Feststellung allein, daß der Steuerpflichtige eine größere Wohnung gemietet habe, als er es ohne die betriebliche Benutzung von Räumen getan hätte, beweist also noch nicht die betriebliche "Veranlassung" der Ausgabe für den zusätzlichen Raum. Denn es besteht trotzdem die Möglichkeit, daß dieser zusätzliche Raum tatsächlich auch privat benutzt wird. Entscheidend ist aber diese tatsächliche Benutzung. Es kann sich also für die Rechtsprechung nur darum handeln, Grundsätze dafür zu entwickeln, wie diese Feststellung getroffen werden soll.
Bei der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellung, ob ein Raum der Wohnung betrieblich oder privat benutzt wird, kommt es auf alle Umstände des Falls an. Die oben bezeichnete Rechtsprechung darf nicht dahin verstanden werden, daß das entscheidende Gewicht dem Umstand beizumessen sei, ob dem Steuerpflichtigen seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung entsprechender ausreichender Wohnraum verbleibe. Denn es ist bei Steuerpflichtigen mit gleichem Beruf und etwa gleichen beruflichen Verhältnissen nicht gerechtfertigt, den Steuerpflichtigen, der etwa auf Grund seines sonstigen Vermögens, der Einkünfte der Ehefrau oder aus persönlichen Erwägungen eine sehr große Wohnung bezieht, bei der Beurteilung, ob er die Aufwendungen für einen Arbeitsraum als Betriebsausgaben abziehen dürfe, grundsätzlich besserzustellen als den Steuerpflichtigen, der sich in seinen persönlichen Wohnbedürfnissen stark einschränkt, weil er vielleicht andere persönliche Wünsche mit seinem Einkommen befriedigen will. Wie schwierig im übrigen die Frage zu beantworten ist, ob die verbleibenden Räume der sozialen und wirtschaftlichen Stellung des Steuerpflichtigen angemessen sind, zeigen besonders die Urteile IV 195/59 und IV 361/59. Während das Urteil IV 195/59 das private Wohnbedürfnis bei einem verheirateten Steuerbevollmächtigten mit einem Schlafzimmer und einer Küche für ausreichend befriedigt hielt, erklärte das Urteil IV 361/59, daß ein verheirateter Handelsvertreter mit einem Sohn seiner sozialen Stellung nach eine 5-Zimmer-Wohnung für private Bedürfnisse nötig habe. Im übrigen wurde es in dem zuletzt bezeichneten Urteil weniger auf die Zusätzlichkeit des Arbeitsraums als auf die tatsächliche private Benutzung des Herrnzimmers durch die Familie während der Abwesenheit des Handelsvertreters abgestellt.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß es nicht gerechtfertigt ist, einen rechtlichen Unterschied zwischen solchen Berufen zu machen, deren Tätigkeit im allgemeinen nach Art und Umfang keinen eigenen Arbeitsraum erfordere, wie etwa Wissenschaftler, Schriftsteller und kleine Handelsvertreter. Die diesen Gedanken verwertenden Urteile dürfen nur so verstanden werden, daß dieser Gesichtspunkt allein bei der Beweiswürdigung, ob ein bestimmter Raum tatsächlich betrieblich benutzt wurde, eine Rolle spielt. Denn auch ein Schriftsteller muß, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, daß er einen bestimmten Raum ausschließlich betrieblich benutzt, die Ausgaben für diesen Raum als Betriebsausgaben geltend machen dürfen.
Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Benutzung eines Raumes meist nicht mehr unmittelbar festgestellt werden kann, besteht in der Regel keine andere Möglichkeit, als aus den gesamten Umständen des Falls auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen. Dabei ist eine gewisse Typisierung schon deshalb nicht vermeidbar, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, daß alle Räume einer einheitlichen Wohnung von der Familie auch zu Wohnzwecken benutzt werden, und weil die Bedeutung der Steuerfrage im allgemeinen keine in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen tief eindringenden Ermittlungen rechtfertigt. Folgende überlegungen werden in der Regel zu einer ausreichenden tatsächlichen Feststellung genügen:
Ob die Art und der Umfang der Tätigkeit einen besonderen Raum erfordern und in welchem Umfang die Benutzung eines solchen Raumes notwendig ist. Insofern ist der Gesichtspunkt des Urteils IV 361/59 wichtig, daß bei einem häufig abwesenden Handelsvertreter die Lebenserfahrung für eine Benutzung des Raums durch die Familie während der Abwesenheit des Handelsvertreters spricht.
Ob die Wohnung so groß ist, daß der Familie für das Wohnbedürfnis genügend Raum zur Verfügung bleibt und deshalb eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß der Arbeitsraum privat nicht benutzt wird.
Ob der Arbeitsraum von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb die private Benutzung nicht wahrscheinlich ist.
Ob der Arbeitsraum wie ein Wohnraum eingerichtet ist und damit offenbar auch die private Benutzung ermöglicht und gefördert werden soll und
ob die soziale und wirtschaftliche Stellung und die Größe der Familie für die Mitbenutzung des Arbeitsraums spricht.
Kommt man auf Grund der Würdigung dieser Tatsachen nach den Erfahrungen des Lebens zu dem Ergebnis, daß der Raum zwar betrieblich benutzt wurde, daß aber auch eine private Benutzung angenommen werden muß, so steht die private Benutzung der vollen Abzugsfähigkeit der Aufwendungen nicht entgegen, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Ist sie nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, so steht die Vorschrift des § 12 Ziff. 1 EStG der Abzugsfähigkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen.
Der Senat hat in dem eine Waschmaschine und einen Heimbügler eines Arztes betreffenden Grundsatzurteil IV 158/61 S vom 13. März 1964 (BStBl 1964 III S. 455) ausgesprochen, daß eine Aufteilung der Aufwendungen für Wirtschaftsgüter in der Wohnung, die teils betrieblich, teils privat benutzt werden, nur dann möglich ist, wenn sich dafür ein objektiv nachprüfbarer Maßstab finden läßt. Ist das zu verneinen, so schließt § 12 Ziff. 1 EStG die Abzugsfähigkeit in vollem Umfang aus, wenn die private Benutzung nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Auch im vorliegenden Fall ist ein objektiv nachprüfbarer Maßstab für eine Aufteilung nicht gegeben. Denn in welchem Umfang die Familie die einzelnen Räume der Wohnung tatsächlich benutzt, entzieht sich jeder Nachprüfung.
Geht man bei der Entscheidung der Rb. von diesen Grundsätzen aus, so kommt es auf die auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung an, wie die beiden Räume tatsächlich benutzt wurden. Da das Finanzgericht und der Betriebsprüfer, dem die Verhältnisse aus eigener Sicht bekannt waren, annahmen, daß einer der Räume nur betrieblich, der andere aber auch privat benutzt wurden, hat der Senat keine Bedenken, es im Ergebnis bei der Entscheidung des Finanzgerichts zu belassen und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411416 |
BStBl III 1965, 16 |
BFHE 1965, 45 |
BFHE 81, 45 |
BB 1964, 1472 |
DB 1964, 1836 |
DStR 1965, 47 |